Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl I/Erstes Capitel

Einleitung Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band (1875)
von Charles Darwin
Zweites Capitel


[5]
Erster Theil.


Die Abstammung oder der Ursprung des Menschen.




[7]
Erstes Capitel.
Thatsachen, welche für die Abstammung des Menschen von einer niederen Form zeugen.
Natur der Beweise für den Ursprung des Menschen. — Homologe Bildungen beim Menschen und den niederen Thieren. — Verschiedene Punkte der Uebereinstimmung. — Entwickelung. — Rudimentäre Bildungen; Muskeln, Sinnesorgane, Haare. Knochen, Reproductionsorgane u. s. w. — Die Tragweite dieser drei grossen Classen von Thatsachen in Bezug auf den Ursprung des Menschen.

Ein Jeder, welcher zu entscheiden wünscht, ob der Mensch der modificirte Nachkomme irgend einer früher existirenden Form sei, würde wahrscheinlich zuerst untersuchen, ob der Mensch, in einem wie geringen Grade auch immer, seiner körperlichen Structur nach und in seinen geistigen Fähigkeiten variirt, und wenn dies der Fall ist, ob diese Abänderungen seinen Nachkommen in Uebereinstimmung mit den bei niederen Thieren geltenden Gesetzen überliefert werden; ferner, ob die Abänderungen, soweit es unsere Unwissenheit zu beurtheilen gestattet, die Wirkungen derselben allgemeinen Ursachen sind und ob sie von denselben allgemeinen Gesetzen beherrscht werden wie bei anderen Organismen, z. B. von der Correlation, den vererbten Wirkungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs u. s. w. Ist ferner der Mensch ähnlichen Missbildungen unterworfen, in Folge von Bildungshemmungen, von Verdoppelung von Theilen u. s. w., und bietet er in irgendwelchen seiner Missbildungen einen Rückschlag auf einen früheren und älteren Bildungstypus dar? Natürlich liesse sich auch untersuchen, ob der Mensch, wie so viele anderen Thiere, Varietäten und Unterrassen habe entstehen lassen, die nur unbedeutend von einander abweichen, oder Rassen, welche so verschieden von einander sind, dass sie als zweifelhafte Species zu classificiren sind. Wie sind derartige Rassen über die Erde verbreitet und wie wirken sie bei einer Kreuzung auf einander, sowohl in der [8] ersten Generation, als in den folgenden? Und so liessen sich noch über viele andere Punkte Fragen aufstellen.

Bei dieser Untersuchung würde man dann zunächst zu der wichtigen Frage kommen, ob der Mensch zu einer im Verhältniss so rapiden Zunahme neigt, dass hierdurch gelegentlich heftige Kämpfe um das Dasein und in Folge dessen wohlthätige Abänderungen veranlasst werden, gleichviel ob am Körper oder am Geiste, welche dann bewahrt bleiben, während die nachtheiligen beseitigt werden. Greifen die Rassen oder Arten, gleichviel welcher Ausdruck hier angewandt wird, über einander über und ersetzen einander, so dass einige schliesslich unterdrückt werden? Wir werden sehen, dass alle diese Fragen, wie es in der That in Bezug auf die meisten derselben auf der Hand liegt, bejahend beantwortet werden müssen, in derselben Weise wie bei den niederen Thieren. Die verschiedenartigen, hier angedeuteten Betrachtungen können aber füglich eine Zeit lang noch zurückgestellt werden, und wir wollen zuerst nachsehen, in wie weit die körperliche Bildung des Menschen mehr oder weniger deutliche Spuren seiner Abstammung von irgend einer niederen Form zeigt. In späteren Capiteln werden dann die geistigen Fähigkeiten des Menschen im Vergleich mit denen der niederen Thiere betrachtet werden.

Die körperliche Bildung des Menschen. – Es ist notorisch, dass der Mensch nach demselben allgemeinen Typus oder Modell wie die anderen Säugethiere gebildet ist. Alle Knochen seines Skelets können mit entsprechenden Knochen eines Affen oder einer Fledermaus oder Robbe verglichen werden; dasselbe gilt für seine Muskeln, Nerven, Blutgefässe und Eingeweide. Das Gehirn, dieses bedeutungsvollste aller Organe, folgt denselben Bildungsgesetzen, wie Huxley und andere Anatomen gezeigt haben. Bischoff[1], welcher zu den Reihen der Gegner gehört, gibt zu, dass jede wesentliche Spalte und Falte in dem Gehirn des Menschen ihr Analogon in dem Gehirn des Orang findet; er fügt aber hinzu, dass auf keiner Entwickelungsperiode die Gehirne beider vollständig unter einander übereinstimmen. Eine völlige Uebereinstimmung konnte man auch nicht erwarten, denn sonst würden ihre geistigen [9] Fähigkeiten dieselben gewesen sein; Vulpian[2] bemerkt: „Les différences réelles, qui existent entre l'encéphale de l'homme et celui des singes supérieurs, sont bien minimes. Il ne faut pas se faire d'illusions à cet égard. L'homme est bien plus près des singes anthropomorphes par les caractères anatomiques de son cerveau, que ceux-ci ne le sont non seulement des autres mammifères, mais même de certains quadrumanes, des guenons et des macaques.“ Es wäre aber überflüssig, hier noch weitere Einzelnheiten in Betreff der Uebereinstimmung zwischen dem Menschen und den höheren Säugethieren in der Bildung des Gehirns und aller anderen Theile des Körpers anzuführen.

Es dürfte indessen der Mühe werth sein, einige wenige Punkte, welche nicht direct oder offenbar in Verbindung mit dem Körperbau stehen, speciell anzuführen, aus denen diese Uebereinstimmung oder Verwandtschaft deutlich hervorgeht.

Der Mensch ist fähig, von den anderen Thieren gewisse Krankheiten aufzunehmen oder sie ihnen mitzutheilen, wie Wasserscheu, Pocken, Rotz, Syphilis, Cholera, Flechten u. s. w.,[3] und diese Thatsache beweist die grosse Aehnlichkeit[4] ihrer Gewebe und ihres Blutes, sowohl in ihrem feineren Bau, als in ihrer Zusammensetzung, und zwar viel deutlicher, als es durch deren Vergleichung unter dem besten Mikroskop oder mit Hülfe der sorgfältigsten chemischen Analyse nachgewiesen werden kann. Die Affen sind vielen von denselben nicht contagiösen Krankheiten ausgesetzt, wie wir. So fand Rengger[5], welcher eine Zeit lang den Cebus Azarae in seinem Vaterlande sorgfältig beobachtete, dass er Katarrh bekam, mit den gewöhnlichen Symptomen, [10] welcher bei häufigen Rückfällen zu Schwindsucht führte. Diese Affen litten an Schlagfluss, Entzündung der Eingeweide und grauem Staar am Auge. Die jüngeren starben oft am Fieber während der Periode, in der sie ihre Milchzähne verloren; Arzneien haben dieselbe Wirkung auf sie, wie auf uns. Viele Arten von Affen haben eine starke Vorliebe für Thee, Kaffee und spirituose Getränke; sie können auch, wie ich selbst gesehen habe, mit Vergnügen Tabak rauchen[6]. Brehm behauptet, dass die Eingeborenen von Nordafrika die wilden Paviane dadurch fangen, dass sie Gefässe mit starkem Bier hinstellen, in welchem sich die Affen betrinken. Er hat mehrere dieser Thiere, die er in Gefangenschaft hielt, in diesem Zustande gesehen und gibt einen höchst komischen Bericht ihres Benehmens und ihrer wunderbaren Grimassen. Am folgenden Morgen waren sie sehr verstimmt und übel aufgelegt; sie hielten ihren schmerzenden Kopf mit beiden Händen und boten einen äusserst erbarmungswürdigen Anblick dar. Wurde ihnen Bier oder Wein angeboten, so wandten sie sich mit Widerwillen ab, labten sich dagegen an Citronensaft[7]. Ein amerikanischer Affe, ein Ateles, wollte, nachdem er einmal von Branntwein trunken geworden war, nie mehr solchen anrühren; er war daher weiser als viele Menschen. Diese unbedeutenden Thatsachen beweisen, wie ähnlich die Geschmacksnerven bei den Affen und den Menschen sein müssen und in wie ähnlicher Weise ihr ganzes Nervensystem afficirt wird.

Der Mensch wird von inneren Parasiten geplagt, welche zuweilen tödtliche Wirkungen hervorbringen, in gleicher Weise auch von äusseren; alle diese Schmarotzer gehören zu denselben Gattungen oder Familien wie die, welche andere Säugethiere bewohnen, und, was die Krätzmilbe betrifft, zu derselben Species[8]. Der Mensch ist in gleicher Weise wie andere Säugethiere, Vögel und selbst Insekten[9], jenem geheimnissvollen [11] Gesetz unterworfen, welches gewisse normale Vorgänge, wie die Trächtigkeit, ebenso wie die Reife und die Dauer gewisser Krankheiten den Mondperioden zu folgen veranlasst. Seine Wunden werden durch denselben Heilungsprocess wieder hergestellt, und die nach der Amputation seiner Gliedmassen gelassenen Stumpfe besitzen gelegentlich, besonders während der früheren embryonalen Periode, eine gewisse Fähigkeit der Regeneration wie bei den niedersten Thieren.[10]

Der ganze Process jener bedeutungsvollen Verrichtung, der Fortpflanzung der Art, ist bei den Säugethieren in auffallender Weise derselbe, von dem ersten Acte der Werbung des Männchens an[11] bis zu der Geburt und der Ernährung des Jungen. Die Affen werden in einem fast genau so hülflosen Zustande geboren wie unsere eigenen Kinder; und in gewissen Gattungen weichen die Jungen in ihrem Aussehen von den Erwachsenen genau so viel ab, als menschliche Kinder von ihren erwachsenen Eltern.[12] Einige Schriftsteller haben als einen wichtigen Unterschied hervorgehoben, dass beim Menschen die Jungen in einem viel späteren Alter zur Reife gelangen, als bei irgend einem anderen Thiere. Wenn wir aber einen Blick auf die Menschenrassen werfen, welche tropische Länder bewohnen, so ist der Unterschied nicht gross. Denn der Orang wird, wie man glaubt, nicht vor einem Alter von 10 bis 15 Jahren reif.[13] Der Mann weicht von der Frau in der grossen Körperkraft, in dem Behaartsein u. s. w., ebenso wie in Bezug auf den [12] Geist, in derselben Weise ab, wie die beiden Geschlechter vieler Säugethiere von einander abweichen. Es ist überhaupt die Uebereinstimmung im allgemeinen Bau, in der feinen Structur der Gewebe, in der chemischen Zusammensetzung und in der Constitution zwischen dem Menschen und den höheren Thieren, besonders den anthropomorphen Affen, eine äusserst enge.

Embryonale Entwickelung. — Der Mensch entwickelt sich aus einem Eichen von ungefähr 1/25 Zoll im Durchmesser, welches in keiner Hinsicht von den Eichen anderer Thiere abweicht. Der Embryo selbst kann auf einer frühen Stufe kaum von dem anderer Glieder des Wirbelthierreichs unterschieden werden. Auf dieser Periode verlaufen die Halsarterien in bogenförmigen Aesten, als wenn sie das Blut zu Kiemen brächten, welche bei den höheren Wirbelthieren nicht vorhanden sind; doch sind die Spalten an den Seiten des Halses noch vorhanden (Fig. 1, f. g.) und geben die frühere Stellung jener an. Auf einer etwas späteren Periode, wenn sich die Gliedmaassen entwickeln, entstehen, wie der berühmte v. Baer bemerkt, die Füsse von Eidechsen und Säugethieren, die Flügel und Füsse der Vögel und ebenso die Hände und Füsse des Menschen sämmtlich aus derselben Grundform. „Erst auf späteren Entwickelungsstufen“, sagt Professor Huxley,[14] „bietet das junge menschliche Wesen deutliche Verschiedenheiten von dem jungen Affen dar, welcher letztere ebenso weit vom Hunde in seiner Entwickelung abweicht, als es der Mensch thut. So auffallend diese letztere Behauptung zu sein scheint, so ist sie doch nachweisbar richtig.“

Da manche meiner Leser vielleicht noch niemals die Abbildung eines Embryo gesehen haben, habe ich nebenstehend eine solche von einem Menschen und eine andere vom Hunde von ungefähr derselben Entwickelungsstufe gegeben, beides Copien nach zwei Werken von zweifelloser Genauigkeit.[15]

[13] Nach den vorstehenden, auf Grund bedeutender Autoritäten mitgetheilten Angaben würde es meinerseits überflüssig sein, noch eine

Fig. 1. Die obere Figur ist ein menschlicher Embryo nach Ecker, die untere der eines Hundes nach Bischoff.
a) Vorderhirn, Grosshirnhemisphären etc. b) Mittelhirn, Vierhügel, c) Hinterhirn, Kleinhirn, verlängertes Mark, d) Auge, e) Ohr. f) Erster Visceralbogen. g) Zweiter Visceralbogen. H) Wirbelsäule und Muskelmasse, i) Vordere Gliedmaassen. K) Hintere Gliedmaassen. L) Schwanz oder Coceyx.

Anzahl weiterer entlehnter Einzelnheiten zu geben, um zu zeigen, dass der Embryo des Menschen streng dem anderer Säugethiere gleicht. Es mag indess noch hinzugefügt werden, dass der menschliche Embryo in verschiedenen Punkten seiner Bildung gleichfalls gewissen niederen Formen in deren erwachsenem Zustande ähnlich ist. So ist z. B. das [14] Herz zuerst einfach ein pulsirendes Gefäss, die Excremente werden durch eine Kloake entleert, und das Schwanzbein springt wie ein wahrer Schwanz vor, indem es sich beträchtlich „jenseits der rudimentären Beine“ verlängert.[16] Bei den Embryonen aller luftathmenden Wirbelthiere entsprechen gewisse Drüsen, die sogenannten Wolff'schen Körper, den Nieren erwachsener Fische und fungiren auch wie diese.[17] Selbst in einer späteren embryonalen Periode lassen sich einige auffallende Uebereinstimmungen zwischen dem Menschen und den niederen Thieren beobachten. Bischoff sagt, dass die Gehirnwindungen eines menschlichen Fötus vom Ende des siebenten Monats ungefähr die Entwickelungsstufe erreichen, welche ein erwachsener Pavian zeigt.[18] Wie Professor Owen bemerkt,[19] „ist die grosse Zehe, welche beim Stehen oder Gehen den Stützpunkt bildet, vielleicht die characteristischste Eigenthümlichkeit des menschlichen Bau's“. Aber bei einem Embryo von ungefähr einem Zoll Länge fand Professor Wyman,[20] „dass die grosse Zehe kürzer als die anderen und, statt diesen parallel zu sein, unter einem Winkel von dem Fussrande vorsprang und daher mit dem bleibenden Zustande dieses Theils bei den Affen übereinstimmte.“ Ich will mit der Anführung einer Stelle von Huxley schliessen,[21] welcher frägt, ob der Mensch in einer vom Hund, Vogel, Frosch oder Fisch verschiedenen Weise entstehe, und dann sagt: „die Antwort kann nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, die Ursprungsweise und die frühen Entwickelungsstufen des Menschen sind mit denen der in dem Thierreiche unmittelbar unter ihm stehenden Formen identisch. Ohne allen Zweifel steht er in diesen Beziehungen den Affen viel näher, als die Affen dem Hunde stehen.“

Rudimente. — Obgleich dieser Gegenstand wesentlich nicht von grösserer Bedeutung ist als die beiden letzterwähnten, so soll er doch aus mehreren Gründen hier mit grösserer Ausführlichkeit behandelt werden.[22] Es lässt sich nicht eines der höheren Thiere anführen, [15] welches nicht irgend einen Theil in einem rudimentären Zustande besässe, und der Mensch bietet keine Ausnahme von dieser Regel dar. Rudimentäre Organe müssen von solchen unterschieden werden, welche auf dem Wege der Bildung sind, obschon in manchen Fällen die Unterscheidung nicht leicht ist. Die ersteren sind entweder absolut nutzlos, wie die Zitzen der männlichen Säugethiere oder die oberen Schneidezähne von Wiederkäuern, welche niemals das Zahnfleisch durchschneiden, oder sie sind von so untergeordnetem Nutzen für ihre jetzigen Besitzer, dass wir nicht annehmen können, sie hätten sich unter den jetzt existirenden Bedingungen entwickelt. Organe in diesem letzteren Zustand sind nicht streng genommen rudimentär, sie neigen nach dieser Richtung hin. Andererseits sind Organe in der Bildung, wenn auch noch nicht völlig entwickelt, für ihre Besitzer von grossem Nutzen und weiterer Entwickelung fähig. Rudimentäre Organe sind äusserst variabel, und dies lässt sich zum Theil daraus verstehen, dass sie nutzlos oder nahezu nutzlos sind und in Folge dessen nicht länger mehr der natürlichen Zuchtwahl unterliegen. Sie werden oft vollständig unterdrückt. Wenn dies eintritt, können sie nichtsdestoweniger gelegentlich durch Rückschlag wiedererscheinen, und dies ist ein der Aufmerksamkeit wohl werther Umstand.

Nichtgebrauch während derjenigen Lebensperiode, in welcher ein Organ sonst hauptsächlich gebraucht wird, und dies ist meist während der Reifezeit der Fall, in Verbindung mit Vererbung auf einem entsprechenden Lebensalter scheinen die hauptsächlichsten Ursachen gewesen zu sein, welche das Rudimentärwerden der Organe veranlassten. Der Ausdruck „Nichtgebrauch“ bezieht sich nicht bloss auf die verringerte Thätigkeit der Muskeln, sondern umfasst auch einen verminderten Zufluss von Blut nach einem Theile oder Organe hin, weil dasselbe weniger Aenderungen des Druckes ausgesetzt ist, oder weil es in irgendwelcher Weise weniger gewohnheitsgemäss thätig ist. Es können indessen Rudimente von Theilen in dem einen Geschlecht auftreten, welche im anderen Geschlecht normal vorhanden sind; und solche Rudimente sind, wie wir später sehen werden, oft in einer verschiedenen Art entstanden. In manchen Fällen sind Organe durch natürliche [16] Zuchtwahl verkümmert, weil sie der Art und der veränderten Lebensweise nachtheilig geworden sind. Der Process der Verkümmerung wird wahrscheinlich oft durch die beiden Principe der Compensation und Oekonomie des Wachsthums unterstützt; aber die letzten Stufen der Verkümmerung, — wenn nämlich der Nichtgebrauch Alles, was ihm einigermaassen zugeschrieben werden kann, vollbracht hat, und sobald die durch die Oekonomie des Wachsthums bewirkte Ersparniss sehr klein würde[23] —, sind nur schwer zu erklären. Die endliche und vollständige Unterdrückung eines Theils, welcher bereits nutzlos und in der Grösse sehr verkümmert ist, in welchem Falle weder Compensation noch Oekonomie des Wachsthums in's Spiel kommen können, lässt sich vielleicht mit Hülfe der Hypothese der Pangenesis verstehen und, wie es scheint, auf keine andere Weise. Da indess der ganze Gegenstand der rudimentären Organe in meinen früheren Werken[24] ausführlich erläutert und erörtert worden ist, brauche ich hier über dieses Capitel nichts mehr zu sagen.

In vielen Theilen des menschlichen Körpers hat man Rudimente verschiedener Muskeln beobachtet;[25] und nicht wenige Muskeln, welche in manchen niederen Thieren regelmässig vorhanden sind, können gelegentlich beim Menschen in einer beträchtlich verkümmerten Form nachgewiesen werden. Jedermann muss die Kraft beobachtet haben, mit welcher viele Thiere, besonders Pferde, ihre Haut bewegen oder erzittern machen, und dies wird durch den Panniculus carnosus bewirkt. Ueberbleibsel dieses Muskels in einem noch wirkungsfähigen Zustande werden an verschiedenen Theilen unseres Körpers gefunden. z. B. an der Stirn, wo sie die Augenbrauen erheben. Das Platysma myoides, welches am Halse entwickelt ist, gehört zu diesem System, kann aber nicht willkürlich in Thätigkeit gebracht werden. Wie mir Professor Turner von Edinburg mittheilt, hat er gelegentlich Muskelfasern an [17] fünf verschiedenen Stellen entdeckt, nämlich in den Achselhöhlen, in der Nähe der Schulterblätter u. s. w., welche alle auf das System des grossen Hautmuskels bezogen werden müssen. Er hat auch gezeigt,[26] dass der Musculus sternalis oder „sternalis brutorum“, welcher nicht etwa eine Verlängerung des Rectus abdominis, sondern eng mit dem Panniculus verwandt ist, in dem Verhältniss von ungefähr 3% unter mehr als 600 Leichnamen vorkam. Er fügte hinzu, dass dieser Muskel „eine vorzügliche Erläuterung der Angabe darbiete, dass gelegentlich auftretende und rudimentäre Bildungen besonders einer Abänderung in der Anordnung ausgesetzt sind.“

Einige wenige Personen haben die Fähigkeit, die oberflächlichen Muskeln ihrer Kopfhaut zusammenzuziehen, und diese Muskeln befinden sich in einem variabeln und zum Theil rudimentären Zustand. Herr A. De Candolle hat mir ein merkwürdiges Beispiel des lange erhaltenen Bestehens oder der langen Vererbung dieser Fähigkeit, ebenso wie ihrer ungewöhnlichen Entwickelung mitgetheilt. Er kennt eine Familie, von welcher ein Glied, das gegenwärtige Haupt der Familie, als junger Mann schwere Bücher von seinem Kopfe schleudern konnte, allein durch die Bewegung seiner Kopfhaut, und er gewann durch Ausführung dieses Kunststücks Wetten. Sein Vater, Onkel, Grossvater und alle seine drei Kinder besitzen dieselbe Fähigkeit in demselben ungewöhnlichen Grade. Vor acht Generationen wurde diese Familie in zwei Zweige getheilt, so dass das Haupt des oben genannten Zweigs Vetter im siebenten Grade zu dem Haupte des andern Zweigs ist. Dieser entfernte Verwandte wohnt in einem anderen Theile von Frankreich; und als er gefragt wurde, ob er diese selbe Fertigkeit besässe, producirte er sofort seine Kraft. Dieser Fall bietet eine nette Erläuterung dafür dar, wie zäh eine absolut nutzlose Fähigkeit überliefert werden kann, welche wahrscheinlich von unsern alten halbmenschlichen Vorfahren herrührt; viele Affen haben nämlich das Vermögen, und benutzen es auch, ihre Kopfhaut stark vor- und rückwärts zu bewegen.[27]

Die äusseren Muskeln, welche dazu dienen, das ganze äussere Ohr zu bewegen, und die inneren Muskeln, welche dessen verschiedene Theile bewegen (welche alle zu dem System des Hautmuskels gehören), finden [18] sich bei dem Menschen in einem rudimentären Zustande; sie sind auch in ihrer Entwickelung, oder wenigstens in ihren Functionen, variabel. Ich habe einen Mann gesehen, welcher das ganze Ohr vorwärts ziehen konnte; andere können es nach oben ziehen; ein anderer konnte es rückwärts bewegen;[28] und nach dem, was mir eine dieser Personen sagt, ist es wahrscheinlich, dass die Meisten von uns dadurch, dass wir oft unsere Ohren berühren und hierdurch unsere Aufmerksamkeit auf sie lenken, nach wiederholten Versuchen etwas Bewegungskraft wiedererlangen können. Die Fähigkeit, die Ohren aufzurichten und sie nach verschiedenen Richtungen hinzuwenden, ist ohne Zweifel für viele Thiere von dem höchsten Nutzen, da diese hierdurch den Ort der Gefahr erkennen; ich habe aber nie auf zuverlässige Autorität hin von einem Menschen gehört, welcher auch nur die geringste Fähigkeit, die Ohren aufzurichten, besessen hätte, die einzige Bewegung, welche für ihn von Nutzen sein könnte. Die ganze äussere Ohrmuschel könnte man als Rudiment betrachten, zusammen mit den verschiedenen Falten und Vorsprüngen (Helix und Antihelix, Tragus und Antitragus u. s. w.), welche bei den niederen Thieren das Ohr kräftigen und stützen, wenn es aufgerichtet ist, ohne sein Gewicht sehr zu vermehren. Manche Autoren vermuthen indess, dass der Knorpel der Ohrmuschel dazu dient, die Schallschwingungen dem Hörnerven zu übermitteln. Mr. Toynbee kommt aber,[29] nachdem er alle bekannten Erfahrungen über diesen Punkt gesammelt hat, zu dem Schluss, dass die äussere Ohrmuschel von keinem bestimmten Nutzen ist. Die Ohren des Schimpanse und Orang sind denen des Menschen merkwürdig ähnlich, auch sind die Ohrmuskeln gleichfalls nur sehr gering entwickelt,[30] und mir haben die Wärter in den zoologischen Gärten versichert, dass diese Thiere sie nie bewegen oder aufrichten, so dass also dieselben in einem gleichermaassen rudimentären Zustande sind, was die Function betrifft, wie beim Menschen. Warum diese Thiere, ebenso wie die Voreltern des Menschen, die Fähigkeit, ihre Ohren aufzurichten, verloren haben, [19] können wir nicht sagen. Es könnte sein, doch bin ich nicht völlig von dieser Ansicht zufriedengestellt, dass sie in Folge ihres Lebens auf Bäumen und wegen ihrer grossen Kraft nur wenigen Gefahren ausgesetzt waren und deshalb während einer langen Zeit ihre Ohren nur wenig bewegt und dadurch allmählich das Vermögen, sie zu bewegen, verloren haben. Dies würde ein paralleler Fall mit dem jener grossen und schweren Vögel sein, welche das Vermögen, ihre Flügel zum Fluge zu gebrauchen, in Folge des Umstands verloren haben, dass sie oceanische Inseln bewohnen und daher den Angriffen von Raubthieren nicht ausgesetzt gewesen sind. Die Unfähigkeit des Menschen und mehrerer Affen, die Ohren zu bewegen, wird indessen zum Theil dadurch ausgeglichen, dass sie den Kopf sehr frei in einer horizontalen Ebene bewegen und somit Laute aus allen Richtungen her auffangen können. Es ist behauptet worden, dass nur das Ohr des Menschen ein Läppchen besitze; „ein Rudiment ist aber beim Gorilla zu finden“;[31] und wie ich von Prof. Preyer höre, fehlt es nicht selten beim Neger.

Der berühmte Bildhauer Mr. Woolner theilt mir eine kleine Eigenthümlichkeit am äusseren Ohre mit, welche er oft sowohl bei Männern wie bei Frauen beobachtet und deren volle Bedeutung er erfasst hat. Seine Aufmerksamkeit wurde zuerst auf den Gegenstand gerichtet, als er seine Statue des „Puck“ arbeitete, welchem er spitze Ohren gegeben hatte.

Fig. 2.
Menschliches Ohr, modellirt und gezeichnet von Mr. Woolner.
a) der vorspringende Punkt.

Er wurde hierdurch veranlasst, die Ohren verschiedener Affen und später noch sorgfältiger die des Menschen zu untersuchen. Die Eigenthümlichkeit besteht in einem kleinen stumpfen, von dem inneren Rande der äusseren Falte oder des Helix vorspringenden Punkte. Wenn er vorhanden ist, ist er bei der Geburt schon entwickelt und findet sich, nach Prof. Ludwig Meyer, häufiger beim Manne als bei der Frau. Mr. Woolner hat ein sorgfältiges Modell eines solchen Falles gemacht und mir die beistehende Zeichnung (Fig. 2) geschickt.

Dieser Punkt springt nicht bloss nach innen nach dem Mittelpunkte des Ohres hin, sondern oft etwas nach aussen von der Ebene des Ohres vor, so dass er sichtbar wird, wenn der Kopf direct von vorn oder [20] von hinten betrachtet wird. Er ist in der Grösse und auch etwas in der Stellung variabel, indem er entweder etwas höher oder tiefer steht; zuweilen kommt er auch nur an dem einen Ohr und nicht gleichzeitig am andern vor. Sein Vorkommen ist nicht auf den Menschen beschränkt; ich beobachtete einen Fall bei einem Ateles beelzebuth im zoologischen Garten; und Dr. E. Ray Lankester theilt mir einen andern Fall von einem Schimpanse im Hamburger zoologischen Garten mit. Der Helix besteht offenbar aus dem nach innen gefalteten äusseren Rande des Ohrs, und diese Faltung scheint in irgend einer Weise damit zusammenzuhängen, dass das ganze äussere Ohr beständig nach rückwärts gedrückt wird. Bei vielen Affen, welche nicht hoch in der ganzen Ordnung stehen, wie bei den Pavianen und manchen Arten von Macacus,[32] ist der obere Theil des Ohrs leicht zugespitzt und der Rand ist durchaus nicht nach innen gefaltet. Wäre aber der Rand in dieser Weise gefaltet, so würde nothwendig eine kleine Spitze nach innen und wahrscheinlich auch etwas nach aussen von der Ebene des Ohrs vorspringen; und so ist eine solche auch, wie ich glaube, in vielen Fällen entstanden. Andererseits behauptet Prof. L. Meyer in einem vor kurzem veröffentlichten guten Aufsatze,[33] dass das Ganze bloss ein Fall von Variabilität sei, und dass die Vorsprünge nicht wirklich solche seien, sondern nur daher rührten, dass der innere Knorpel zu jeder Seite der Spitze nicht vollständig entwickelt sei. Ich bin völlig bereit zuzugeben, dass dies für viele Fälle, so für die von Prof. Meyer abgebildeten, wo mehrere sehr kleine Spitzen sich fanden oder wo der ganze Rand buchtig ist, die richtige Erklärung ist. Ich selbst habe durch die Gefälligkeit des Dr. Down das Ohr eines mikrocephalen Idioten sehen können, bei dem sich an der Aussenseite des Helix und nicht an dem nach innen gefalteten Rande ein Vorsprung befand; die Spitze in diesem Falle kann daher in keiner Beziehung zu einer frühern Ohrspitze stehen. Nichtsdestoweniger scheint mir meine ursprüngliche Ansicht, dass diese Vorsprünge Ueberreste der Spitzen früher aufgerichteter und zugespitzter Ohren seien, noch immer die wahrscheinlich richtige zu sein. Ich glaube dies wegen der Häufigkeit des Vorkommens derselben [21] und wegen der allgemeinen Uebereinstimmung ihrer Stellung mit der der Spitze eines zugespitzten Ohrs. In einem Falle, von dem mir eine Photographie zugesandt wurde, ist der Vorsprung so gross, dass, wenn man im Einklänge mit Prof. Meyer's Ansicht annehmen wollte, das Ohr würde durch die gleichmässige Entwickelung des Knorpels, entlang der ganzen Ausdehnung des Randes, vollkommen werden, dieser ein ganzes Drittel des Ohres bedecken würde. Zwei Fälle sind mir mitgetheilt worden, einer von Nord-America und einer von England, bei denen der obere Rand gar nicht nach innen gefaltet, sondern zugespitzt ist, so dass er im Umrisse dem zugespitzten Ohre eines gewöhnlichen Säugethieres sehr ähnlich ist. In einem dieser Fälle, dem eines kleinen Kindes, verglich der Vater das Ohr mit der Zeichnung eines Affenohrs, des Ohrs vom Cynopithecus niger, die ich mitgetheilt habe,[34] und meinte, dass beider Umrisse einander sehr ähnlich seien. Wenn in diesen beiden Fällen der Rand in der normalen Weise nach innen gefaltet worden wäre, so hätte sich ein Vorsprung nach innen bilden müssen. Ich will noch hinzufügen, dass in zwei andern Fällen der Umriss nach innen etwas zugespitzt bleibt, obschon der Rand des obern Theils vom Ohr völlig normal, in einem Falle freilich sehr schmal, nach innen gefaltet ist. Der beistehende Holzschnitt (Fig. 3) ist eine

Fig. 3. Foetus eines Orangs. Genaue Copie einer Photographie, um die Form des Ohres in diesem frühen Alter zu zeigen.

sorgfältig gefertigte Copie einer Photographie eines Orang-Foetus (die mir freundlichst von Dr. Nitsche zugesandt wurde), an welcher zu sehen ist, wie verschieden der zugespitzte Umriss des Ohres in dieser [22] Periode von dessen Form im erwachsenen Zustande ist, wo es eine grosse allgemeine Aehnlichkeit mit dem des Menschen hat. Ganz offenbar wird das Herunterfalten der Spitze eines solchen Ohres, wenn es sich nicht während seiner weitern Entwickelung noch bedeutend verändert, einen nach innen vorspringenden Fortsatz entstehen lassen. Es scheint mir daher im Ganzen noch immer wahrscheinlich, dass die in Rede stehenden Vorsprünge in manchen Fällen, sowohl beim Menschen als bei Affen, Ueberbleibsel eines früheren Zustandes sind.

Die Nickhaut, oder das dritte Augenlid, mit ihren accessorischen Muskeln und anderen Gebilden ist besonders wohl entwickelt bei den Vögeln und ist für diese von grosser functioneller Bedeutung, da sie sehr schnell über den ganzen Augapfel gezogen werden kann. Sie findet sich auch bei manchen Reptilien und Amphibien und bei gewissen Fischen, wie z. B. bei Haifischen. Sie ist ziemlich gut entwickelt in den beiden unteren Abtheilungen der Säugethiere, nämlich bei den Monotremen und Marsupialien und in einigen wenigen unter den höheren Säugethieren, wie beim Walross. Beim Menschen und den Quadrumanen dagegen, wie bei den meisten übrigen Säugethieren existirt sie, wie alle Anatomen annehmen, nur als ein blosses Rudiment, als die sogenannte halbmondförmige Falte.[35]

Der Geruchssinn ist für die grössere Zahl der Säugethiere von der höchsten Wichtigkeit, für einige, wie die Wiederkäuer, dadurch, dass er dieselben vor Gefahren warnt, für andere, wie die Carnivoren, dass er sie die Beute finden lässt, für noch andere, wie den wilden Eber, zu beiden Zwecken. Der Geruchssinn ist aber von äusserst untergeordnetem Nutzen, wenn überhaupt von irgendwelchem, selbst für die dunkelfarbigen Rassen, bei denen er allgemein noch höher entwickelt ist als bei den civilisirten Rassen;[36] doch warnt er sie weder vor Gefahren, [23] noch leitet er sie zur Nahrung; auch verhindert er nicht, dass die Eskimo’s in der übelriechendsten Atmosphäre schlafen, oder dass viele Wilde halbfaules Fleisch essen. Bei Europäern ist das Geruchsvermögen bei verschiedenen Individuen sehr verschieden, wie mir ein ausgezeichneter Naturforscher versichert hat, bei dem dieser Sinn sehr hoch entwickelt ist und der dem Gegenstande seine Aufmerksamkeit zugewandt hat. Wer an das Princip einer stufenweisen Entwickelung glaubt, wird nicht leicht zugeben, dass dieser Sinn in seinem jetzigen Zustande ursprünglich vom Menschen, wie er jetzt existirt, erlangt wurde. Er erbt die Fähigkeit in einem abgeschwächten und insofern rudimentären Zustande von irgend einem früheren Vorfahren, dem sie äusserst nutzbar war und von dem sie beständig gebraucht wurde. Bei den Thieren, welche diesen Sinn in hoher Entwickelung besitzen, wie bei Hunden und Pferden, ist die Erinnerung an Personen und Orte entschieden mit ihrem Geruche vergesellschaftet; und es lässt sich vielleicht hierdurch verstehen, woher es kommt, dass, wie Dr. Maudsley richtig bemerkt hat,[37] der Geruchssinn beim Menschen „in einer merkwürdig wirksamen Weise Ideen und Bilder bereits vergessener Scenen und Orte wieder erweckt“.

Der Mensch weicht auffallend von allen übrigen Primaten darin ab, dass er fast nackt ist. Doch finden sich wenige kurze steife Haare über den grösseren Theil des Körpers beim männlichen Geschlecht und feine dunenartige an dem des weiblichen. Die verschiedenen Rassen weichen sehr in dem Behaartsein von einander ab; bei Individuen, welche zu derselben Rasse gehören, sind die Haare äusserst variabel, nicht bloss in der Menge, sondern auch in der Stellung. So sind bei manchen Europäern die Schultern völlig nackt, während sie bei anderen dicke Haarbüschel tragen.[38] Es lässt sich wohl kaum bezweifeln, dass die in dieser Weise über den Körper zerstreuten Haare die Ueberbleibsel des gleichförmigen Haarkleids der niederen Thiere sind. Diese Ansicht wird dadurch um so wahrscheinlicher, dass, wie bekannt ist, feine, [24] kurze und hellgefärbte Haare an den Gliedmaassen und anderen Theilen des Körpers sich gelegentlich zu dicht stehenden langen und im Ganzen groben dunklen Haaren entwickeln, wenn sie in der Nähe alter, entzündeter Oberflächen abnorm ernährt werden.[39]

Sir James Paget theilt mir mit, dass Personen, welche zu einer und derselben Familie gehören, oft in ihren Augenbrauen einzelne wenige Haare haben, die viel länger als die übrigen sind, so dass diese unbedeutende Eigenthümlichkeit vererbt zu werden scheint. Auch diese Haare scheinen ihre Repräsentanten zu haben; denn an einem jungen Schimpanse, und bei gewissen Arten von Macacus finden sich zerstreut stehende, beträchtlich lange Haare auf der nackten Haut oberhalb der Augen, die unsern Augenbrauen entsprechen; ähnliche lange Haare springen aus der Haarbekleidung der Augenbrauenleisten bei manchen Pavianen vor.

Das feine, wollähnliche Haar oder der sogenannte Lanugo, mit welchem der menschliche Fötus während des sechsten Monats dicht bedeckt ist, bietet einen noch merkwürdigeren Fall dar. Er entwickelt sich zuerst während des fünften Monats an den Augenbrauen und dem Gesicht und besonders um den Mund, wo er viel länger als der auf dem Kopfe ist. Ein Schnurrbart dieser Art wurde von Eschricht[40] an einem weiblichen Fötus beobachtet. Doch ist dies kein so auffallender Umstand, als er auf den ersten Blick scheinen mag; denn die beiden Geschlechter gleichen einander in allen äusseren Merkmalen während der früheren Wachsthumsperioden sehr. Die Richtung und Anordnung der Haare auf allen Theilen des Embryonalkörpers sind dieselben wie beim erwachsenen Körper, unterliegen aber bedeutender Variabilität. So ist die ganze Oberfläche, selbst mit Einschluss der Stirn und der Ohren, dicht bekleidet; es ist aber eine bezeichnende Thatsache, dass die Handflächen und Fusssohlen völlig nackt sind, wie es die unteren Flächen aller vier Extremitäten der niederen Thiere sind. Da dies kaum eine zufällige Uebereinstimmung sein kann, so stellt die wollige Bedeckung des Fötus wahrscheinlich das erste bleibende Haarkleid derjenigen Säugethiere dar, welche behaart geboren werden. Es sind Berichte von drei oder vier Fällen veröffentlicht worden, wo Personen über ihren ganzen Körper und das Gesicht dicht mit feinem langen [25] Haar bedeckt geboren waren; und dieser merkwürdige Zustand wird streng vererbt und steht mit einer abnormen Entwickelung der Zähne in Correlation.[41] Prof. Alex. Brandt hat, wie er mir mittheilt, das Haar vom Gesicht eines in dieser Weise ausgezeichneten, fünfunddreissigjährigen Menschen mit dem Lanugo eines Fötus verglichen und beides in der Textur völlig ähnlich gefunden; er bemerkt dazu, dass deshalb der Fall wohl einer Entwickelungshemmung des Haares in Verbindung mit einem fortbestehenden Wachsthum zugeschrieben werden könne. Wie mir ein Arzt an einem Kinderhospital versichert hat, ist der Rücken vieler zarten Kinder mit langem seidenartigem Haar bedeckt, welche Fälle wahrscheinlich in dieselbe Categorie gehören.

Es scheint, als wenn der hinterste Backzahn, der sogenannte Weisheitszahn, bei den civilisirten Menschenrassen rudimentär zu werden strebte. Diese Zähne sind meistens kleiner als die anderen Backzähne, wie es gleichfalls mit den entsprechenden Zähnen beim Schimpanse und Orang der Fall ist; auch haben sie nur zwei getrennte Wurzeln. Sie durchbrechen das Zahnfleisch nicht eher als im siebenzehnten Jahre ungefähr, und man hat mir versichert, dass sie viel mehr der Zerstörung ausgesetzt sind und früher verloren werden, als die anderen Zähne; doch widersprechen dem ausgezeichnete Zahnärzte. Auch sind sie viel mehr, sowohl in ihrer Bildung, als in der Zeit ihrer Entwickelung, zu variiren geneigt als die anderen Zähne.[42] Bei den schwarzen Rassen sind dagegen die Weisheitszähne gewöhnlich mit drei getrennten Wurzeln versehen und meist gesund; auch weichen sie von den anderen Backzähnen weniger in der Grösse ab, als bei den kaukasischen Rassen.[43] Professor Schaaffhausen erklärt diese Verschiedenheit zwischen den Rassen dadurch, dass „der hintere zahntragende Abschnitt der Kiefer“ bei den civilisirten Rassen[44] „immer verkürzt“ ist; und ich meine, diese Verkürzung kann man ruhig dem Umstande zuschreiben, [26] dass civilisirte Menschen sich gewöhnlich von weichen, gekochten Speisen ernähren und daher ihre Kinnladen weniger gebrauchen. Mr. Brace theilt mir mit, dass es in den Vereinigten Staaten eine durchaus gewöhnliche Operation werde, bei Kindern einige Backzähne zu entfernen, da die Kinnladen nicht gross genug wachsen für die vollständige Entwickelung der normalen Zahl.[45]

In Bezug auf den Verdauungskanal ist mir nur ein einziges Beispiel von einem Rudimente vorgekommen, nämlich der wurmförmige Anhang des Blinddarms. Der Blinddarm ist eine Abzweigung oder ein Divertikel des Darms, welcher mit einem Blindsack endigt, und bei vielen niedrigeren pflanzenfressenden Säugethieren ist er ausserordentlich lang, bei dem marsupialen Koala ist er factisch über dreimal so lang als der ganze Körper.[46] Zuweilen ist er in einen langen, sich allmählich zuspitzenden Fortsatz ausgezogen und zuweilen in Abtheilungen abgeschnürt. Es scheint, als wenn in Folge veränderter Ernährung oder Lebensweise der Blindsack bei verschiedenen Thieren sehr verkürzt worden sei, wo dann der wurmförmige Anhang als Rudiment des verkürzten Theils übrig bleibt. Dass dieser Anhang ein Rudiment ist, können wir aus seiner unbedeutenden Grösse und aus den Beweisen für seine Veränderlichkeit beim Menschen schliessen, welche Professor Canestrini[47] gesammelt hat. Er fehlt gelegentlich vollständig oder ist wiederum bedeutend entwickelt; seine Höhle ist zuweilen vollständig für die Hälfte oder zwei Drittel seiner Länge verschlossen, wobei dann der Endtheil aus einer abgeplatteten, soliden Ausbreitung besteht. Beim Orang ist dieser Anhang lang und gewunden; beim Menschen entspringt er vom Ende des kurzen Blinddarms und ist gewöhnlich 4—5 Zoll lang, während er nur ein Drittel Zoll im Durchmesser hat. Er ist nicht bloss nutzlos, sondern wird zuweilen Todesursache, von welcher Thatsache mir vor Kurzem zwei Fälle bekannt geworden sind. Es rührt dies daher, dass kleine, harte Körper in den Kanal eindringen und dadurch Entzündung verursachen.[48]

[27] Bei einigen niederen Vierhändern, bei den Lemuriden und bei den Carnivoren, ebenso bei vielen Beutelthieren findet sich in der Nähe des unteren Endes des Oberarmbeins ein Kanal, das sogenannte supracondyloide Loch, durch welches der grosse Nerv der vorderen Gliedmaassen und zuweilen auch die grosse Arterie hindurchtritt. Nun findet sich am Oberarmbein des Menschen gewöhnlich eine Spur dieses Kanals; zuweilen ist er aber ziemlich vollständig entwickelt, indem er von einem überhängenden hakenförmigen Knochenfortsatze gebildet wird, der sich dann durch einen Bandstreifen zu einem Loche vervollständigt. Dr. Struthers,[49] welcher sorgfältig auf den Gegenstand geachtet hat, hat jetzt gezeigt, dass diese Eigenthümlichkeit zuweilen vererbt wird, da sie bei einem Vater und unter sieben seiner Kinder bei nicht weniger als vieren vorgekommen ist. Ist der Kanal vorhanden, so tritt unveränderlich der grosse Armnerv durch ihn hindurch, und dies beweist deutlich, dass er das Homologon und Rudiment des supracondyloiden Lochs der niederen Säugethiere ist. Nach einer Schätzung von Professor Turner kommt er, wie mir derselbe mittheilte, an ungefähr einem Procent neuerer Skelette vor. Wenn aber die gelegentliche Entwickelung dieser Bildung beim Menschen, wie es als wahrscheinlich erscheint, Folge eines Rückschlags ist, so ist sie ein Rückschlag auf einen sehr alten Zustand der Dinge, da sie bei den höhern Vierhändern fehlt.

Es findet sich am Oberarmbein noch ein anderes Loch oder Durchbohrung, welches gelegentlich beim Menschen vorhanden ist und das intercondyloide genannt werden kann. Dieses kommt, wenn auch nicht constant, bei verschiedenen anthropomorphen und andern Affen,[50] aber gleichfalls bei vielen der niederen Säugethiere vor. Es ist merkwürdig, dass dies Loch während alter Zeiten viel häufiger vorhanden gewesen zu sein scheint, als in neuerer Zeit. Mr. Busk[51] hat über [28] diesen Gegenstand die folgenden Beweisstücke gesammelt: Professor Broca „beobachtete die Durchbohrung an 4½ % der von ihm auf der „Cimetière du sud in Paris gesammelten Armknochen, und in der Höhle von Orrony, deren Inhalt der Bronzeperiode zugeschrieben wird, fand sie sich selbst an acht Oberarmbeinen unter zwei und dreissig. Dieses ausserordentliche Verhältniss glaubt er aber dem Umstände zuschreiben zu müssen, dass die Höhle vielleicht eine Art 'Familiengruft' gewesen ist. Ferner fand Mr. Dupont 30 % durchbohrter Armknochen in den Höhlen des Lesse-Thals, welche der Renthierperiode angehören, während Mr. Leguay in einer Art von Dolmen in Argenteuil 25 % perforirt fand; und Pruner-Bey fand von den Knochen von Vauréal 26 % in diesem Zustande. Auch darf man nicht unbeachtet lassen, dass Pruner-Bey angibt, dieser Zustand sei bei Guanchenskeletten der gewöhnliche“. Die Thatsache, dass alte Rassen, in diesem Falle wie in mehreren anderen, häufiger als neuere Rassen Bildungen darbieten, welche denen niederer Thiere gleichen, ist interessant. Eine hauptsächliche Ursache hiervon scheint die zu sein, dass ältere Rassen in der langen Descendenzreihe ihren entfernten, thierähnlichen Urerzeugern etwas näher stehen als moderne Rassen.

Obgleich das Schwanzbein beim Menschen als Schwanz keine Function hat, so wiederholt es doch offenbar diesen Theil anderer Wirbelthiere. Auf einer früheren Embryonalperiode ist es frei und springt, wie wir gesehen haben, über die unteren Extremitäten vor, wie in der Zeichnung (Fig. 1) eines menschlichen Embryo zu sehen ist. In gewissen seltenen und anomalen Fällen[52] hat man gefunden, dass es selbst noch nach der Geburt ein kleines äusseres Rudiment eines Schwanzes bildet. Das Schwanzbein ist kurz und enthält gewöhnlich nur vier Wirbel in einem rudimentären Zustande; sie bestehen mit Ausnahme des obersten nur aus dem Wirbelkörper.[53] Sie sind mit [29] einigen kleinen Muskeln versehen, von denen, wie mir Professor Turner mittheilt, der eine ausdrücklich von Theile als eine rudimentäre Wiederholung des Extensor des Schwanzes beschrieben worden ist, welcher bei vielen Säugethieren so kräftig entwickelt ist.

Das Rückenmark erstreckt sich beim Menschen nur bis zum letzten Rücken- oder ersten Lendenwirbel nach abwärts; doch läuft ein fadenartiges Gebilde (das filum terminale) in der Achse des Kreuztheils des Rückenmarkskanals und selbst dem Rücken der Schwanzwirbel entlang noch hinab. Der obere Theil dieses Gebildes ist, wie mir Professor Turner mittheilt, unzweifelhaft mit dem Rückenmark homolog, der untere Theil besteht aber offenbar nur aus der pia mater oder der gefässreichen Hüllmembran. Selbst in diesem Fall kann man sagen, dass das Schwanzbein eine Spur eines so wichtigen Gebildes wie des Rückenmarks trägt, wenngleich es nicht mehr in einen knöchernen Kanal eingeschlossen ist. Die folgende Thatsache, für deren Mittheilung ich gleichfalls Professor Turner zu Dank verpflichtet bin, zeigt, wie genau das Schwanzbein dem wirklichen Schwanz bei niederen Thieren entspricht: Luschka hat nämlich neuerdings an der Spitze der Schwanzknochen einen sehr eigenthümlich gewundenen Körper entdeckt, welcher mit der mittleren Kreuzbeinarterie in Zusammenhang steht; diese Entdeckung veranlasste dann Krause und Meyer, den Schwanz eines Affen (Macacus) und einer Katze zu untersuchen; bei Beiden fanden sie, wenn auch nicht gerade an der Spitze, einen ähnlich gewundenen Körper.

Die Fortpflanzungsorgane bieten verschiedene rudimentäre Bildungen dar; diese weichen aber in einer bedeutungsvollen Hinsicht von den vorstehenden Fällen ab. Wir haben es hier nicht mit dem Ueberbleibsel eines Theiles zu thun, welcher der Art nicht mehr in einem functionsfähigen Zustande angehört, vielmehr mit einem Theile, welcher beständig bei dem einen Geschlecht vorhanden und in Function ist, während er in dem anderen von einem blosen Rudiment vertreten wird. Nichtsdestoweniger ist das Vorkommen solcher Rudimente ebenso schwer unter Zugrundelegung des Glaubens an die besondere Schöpfung jeder einzelnen Species zu erklären, als die vorhin erörterten Fälle von Rudimenten. Ich werde später auf diese Rudimente zurückzukommen haben und werde zeigen, dass ihr Vorhandensein allgemein nur auf Erblichkeit beruht, insofern nämlich, als das eine Geschlecht Theile erlangt hat, welche zum Theil auch dem anderen überliefert worden sind. An [30] dieser Stelle will ich nur einige Beispiele solcher Rudimente anführen. Es ist allgemein bekannt, dass bei den Männchen aller Säugethiere, mit Einschluss des Menschen, rudimentäre Brustdrüsen vorhanden sind; diese haben sich in mehreren Fällen vollständig entwickelt und haben eine reichliche Menge von Milch gegeben. Ihre wesentliche Identität bei beiden Geschlechtern zeigt sich gleichfalls durch ihre sympathische Vergrösserung bei beiden während der Masern. Die sogenannte Vesicula prostatica, welche bei vielen männlichen Säugethieren beobachtet worden ist, ist jetzt ganz allgemein für das Homologon des weiblichen Uterus in Verbindung mit dem damit verbundenen Kanal anerkannt worden. Man kann unmöglich Leuckart's klare Beschreibung des Organs und seine Betrachtungen darüber lesen, ohne die Richtigkeit seiner Folgerungen zuzugeben. Dies wird besonders bei denjenigen Säugethieren deutlich, bei welchen der weibliche Uterus sich gabelförmig theilt; denn bei den Männchen derselben ist die Vesicula prostatica in gleicher Weise getheilt.[54] Es liessen sich noch andere rudimentäre Bildungen, die zu dem Fortpflanzungssystem gehören, hier anführen.[55]

Die Tragweite der drei grossen, jetzt mitgetheilten Classen von Thatsachen ist nicht miszudeuten. Es würde aber überflüssig sein, hier die ganzen Folgerungen, welche ich im Einzelnen in meiner „Entstehung der Arten“ gegeben habe, zu wiederholen. Die homologe Bildung des ganzen Körpers bei den Gliedern einer und derselben Classe ist sofort verständlich, wenn wir ihre Abstammung von einem gemeinsamen Urerzeuger und gleichzeitig ihre spätere Anpassung an verschieden gewordene Bedingungen annehmen. Nach jeder anderen Ansicht ist die Aehnlichkeit der Form zwischen der Hand eines Menschen oder eines Affen und dem Fusse eines Pferdes, der Flosse einer Robbe, dem Flügel einer Fledermaus u. s. w. völlig unerklärlich.[56] Es ist keine wissenschaftliche [31] Erklärung, wenn man sagt, dass sie alle nach demselben ideellen Plane gebaut seien. In Bezug auf die Entwickelung können wir nach dem Princip, dass Abänderungen auf einer im Ganzen späteren embryonalen Periode auftreten und zu entsprechenden Altern vererbt werden, deutlich verstehen, woher es kommt, dass die Embryonen sehr verschiedener Formen doch mehr oder weniger vollkommen den Bau ihres gemeinsamen Urerzeugers beibehalten. Von keinem anderen Standpunkte aus ist je eine Erklärung der wunderbaren Thatsache gegeben worden, dass die Embryonen eines Menschen, Hundes, einer Robbe, Fledermaus, eines Reptils u. s. w. anfangs kaum von einander unterschieden werden können. Um das Vorhandensein rudimentärer Organe zu verstehen, haben wir nur anzunehmen, dass ein früherer Vorfahre die in Frage stehenden Theile in vollkommenem Zustande besessen hat und dass dieselben unter veränderten Lebensgewohnheiten bedeutend reducirt wurden, und zwar entweder in Folge einfachen Nichtgebrauchs oder mittelst der natürlichen Zuchtwahl derjenigen Individuen, welche am wenigsten mit überflüssigen Organen belastet waren, letzteres mit Unterstützung durch die früher angegebenen Vorgänge.

Wir können hiernach verstehen, woher es gekommen ist, dass der Mensch und alle übrigen Wirbelthiere nach demselben allgemeinen Plane gebaut sind, warum sie die gleichen Stufen früherer Entwickelung durchlaufen und warum sie gewisse Rudimente gemeinsam beibehalten haben. Folgerecht sollten wir offen die Gemeinsamkeit ihrer Abstammung zugeben: irgend eine andere Ansicht sich zu bilden, hiesse annehmen, dass unser eigener Bau und der sämmtlicher Thiere um uns [32] her nur eine Falle sei, um unser Urtheil gefangen zu nehmen. Die Richtigkeit dieser Folgerung wird noch bedeutend verstärkt, wenn wir die Glieder der ganzen Thierreihe und die Thatsachen ihrer Verwandtschaft oder Classification, ihrer geographischen Verbreitung und geologischen Aufeinanderfolge betrachten. Es ist nur unser natürliches Vorurtheil und jene Anmassung, die unsere Vorfahren erklären hiess, dass sie von Halbgöttern abstammten, welche uns gegen diese Schlussfolgerung einnehmen. Es wird aber nicht lange dauern, und die Zeit wird da sein, wo man sich darüber wundern wird, dass Naturforscher, welche mit dem Bau und der Entwickelung des Menschen und anderer Säugethiere in Folge eingehender Vergleichungen bekannt sind, haben glauben können, dass jedes derselben die Folge eines besonderen Schöpfungsactes gewesen sei.




  1. Die Großhirnwindungen des Menschen. 1868, p. 96. Die Schlussfolgerungen dieses Schriftstellers ebenso wie die, zu denen Gratiolet und Aeby in Bezug auf das Gehirn gelangt sind, werden in dem der Vorrede zu der vorliegenden Auflage angefügten Anhange von Prof. Huxley erörtert werden.
  2. Leçons sur la Physiol. 1866, p. 890, nach dem Citat bei Dally, L'ordre des Primates et le Transformisme. 1868, p. 29.
  3. Dr. W. Lauder Lindsay hat diesen Gegenstand ziemlich ausführlich behandelt im „Journal of Mental Science“, July, 1871, und in der „Edinburgh Veterinary Review“, July, 1858.
  4. Einer meiner Kritiker („British Quarterly Review“, 1st Octob. 1871, p. 472) hat das, was ich hier gesagt habe, in sehr starker und verächtlicher Weise kritisirt; da ich aber nicht den Ausdruck „Identität“ brauche, sehe ich nicht ein, dass ich hier einen grossen Irrthum begangen hätte. Zwischen der Thatsache, dass dieselbe oder eine sehr ähnliche Infection oder Ansteckung bei zwei verschiedenen Thieren dieselbe Wirkung hervorruft, und der Untersuchung zweier verschiedener Flüssigkeiten mit demselben chemischen Reagens scheint mir eine sehr starke Analogie zu bestehen.
  5. Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 50.
  6. Dieselben Geschmackseigenthümlichkeiten kommen manchen noch niedrigeren Thieren zu. Mr. A. Nicols hat, wie er mir mittheilt, in Queensland in Australien drei Individuen von Phascolarctus cinereus gehalten; ohne dass es ihnen irgendwie gelehrt worden wäre, entwickelte sich bei ihnen ein starker Geschmack für Rum und für Tabakrauchen.
  7. Brehm, Thierleben. Bd. I. S. 75, 86. Ueber den Ateles, S. 195. Wegen anderer analoger Angaben s. S. 25, 107.
  8. Dr. W. Lauder Lindsay in: Edinburgh Veterinary Review, July, 1858, p. 13.
  9. In Bezug auf Insekten s. Dr. Laycock. On a general law of vital periodicity. British Associat. 1842. Macculloch sah einen Hund an dreitägigem Wechselfieber leiden. Silliman's Americ. Journ. of Science. XVII, 305. Ich werde später auf diesen Gegenstand zurückkommen.
  10. Die Beweise hiefür habe ich gegeben in der Schrift: „Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication". 2. Aufl. Bd. 2. S. 17 d. Uebers.; Weiteres könnte noch hinzugefügt werden.
  11. „Mares e diversis generibus Quadrumanorum sine dubio dignoscunt feminas humanas a maribus. Primum, credo, odoratu, postea aspectu. Mr. Youatt, qui diu in Hortis Zoologicis (Bestiariis) medicus animalium erat, vir in rebus observandis cautus et sagax, hoc mihi certissime probavit, et curatores ejusdem loci et alii e ministris confirmaverunt. Sir Andrew Smith et Brehm notabant idem in Cynocephalo. Illustrissimus Cuvier etiam narrat multa de hac re, qua ut opinor nihil turpius potest indicari inter omnia hominibus et Quadrumanis communia. Narrat enim Cynocephalum quendam in furorem incidere aspectu feminarum aliquarum, sed nequaquam accendi tanto furore ab omnibus. Semper eligebat juniores et dignoscebat in turba et advocabat voce gestuque.“
  12. Diese Bemerkung machen in Bezug auf Cynocephalus und die anthropomorphen Affen Geoffroy St. Hilaire und Fr. Cuvier, Hist. natur. des Mammiferes. Tom. I. 1824.
  13. Huxley. Stellung des Menschen in der Natur. S. 38 (Uebers.).
  14. Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. S. 75.
  15. Der menschliche Embryo (obere Figur) ist nach Ecker, Icones physiol., 1851—1859, Tab, XXX. Fig. 2. Dieser Embryo war zehn Linien lang, so dass die Zeichnung sehr vergrössert ist. Der Hundeembryo ist nach Bischoff, Entwickelungsgeschichte des Hunde-Eies. 1845. Taf. XI, Fig. 42 B. Diese Zeichnung ist fünfmal vergrössert; der Embryo war 25 Tage alt. Die inneren Eingeweide sind weggelassen und die Uterinanhänge in beiden Figuren entfernt worden. Mich führte Prof. Huxley auf diese Abbildungen, dessen Werke „Stellung des Menschen in der Natur“ die Idee, sie hier zu geben, entnommen ist. Auch Häckel hat analoge Figuren in seiner Schöpfungsgeschichte gegeben.
  16. Prof. Wyman, in: Proceed. Americ. Acad. of Sciences. Vol. IV. 1860, p. 17.
  17. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. I, p. 533.
  18. Die Grosshirnwindungen des Menschen. 1868. S. 95.
  19. Anatomy of Vertebrates. Vol. II. p. 553.
  20. Proceed. Soc. Nat. Hist, Boston, 1863. Vol. IX, p. 185.
  21. Die Stellung des Menschen in der Natur. S. 74.
  22. Ich hatte eine Skizze dieses Capitels niedergeschrieben, ehe ich eine werthvolle Abhandlung von G. Canestrini gelesen hatte, welcher ich viel zu verdanken habe: Caratteri rudimentali in ordine all'origine del uomo, in: Annuario della Soc. d. Nat. Modena, 1867, p. 81. Häckel hat ganz vorzügliche Erörterungen über diesen ganzen Gegenstand unter dem Titel Dysteleologie in seiner „Generellen Morphologie“ und seiner „Schöpfungsgeschichte“ angestellt.
  23. Einige gute kritische Bemerkungen über diesen Gegenstand haben Murie und Mivart gegeben, in: Transact. Zool. Soc. Vol. VII, p. 92.
  24. Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2. S. 359 und 450. s. auch Entstehung der Arten. 5. (deutsche) Aufl. S. 526.
  25. So gibt z. B. Richard (Annal. d. scienc. natur. 3. Sér. Zool. T. XVIII, p. 13) Beschreibung und Abbildung von Rudimenten des von ihm sogenannten „muscle pédieux de la main“, welcher, wie er sagt, zuweilen „infiniment petit“ sei. Ein anderer, „Tibial postérieur“ genannter Muskel ist meist an der Hand gar nicht vorhanden, erscheint aber von Zeit zu Zeit in einem mehr oder weniger rudimentären Zustande.
  26. Prof. W. Turner, Proc. Roy. Soc. Edinburgh, 1866—67, p. 65.
  27. s. meinen „Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei Menschen und Thieren.“ 2. Aufl. 1874. S. 144.
  28. Canestrini citirt für ähnliche Thatsachen Hyrtl (Anuario della Soc. dei Natural. Modena. 1867. p. 97).
  29. The Diseases of the Ear by J. Toynbee. London, 1860, p. 12. Ein angesehener Physiolog, Prof. Preyer, theilt mir mit, dass er in neuerer Zeit Versuche über die Functionen der Ohrmuschel angestellt habe und ziemlich zu demselben Resultate gekommen sei, wie das oben erwähnte.
  30. Prof. A. Macalister. Annals and Mag. of Nat. Hist. Vol. VII. 1871. p. 342.
  31. Mr. St. George Mivart, Elementary Anatomy. 1873, p. 396.
  32. s. auch die Bemerkungen und die Abbildungen der Lemuridenohren in der vortrefflichen Abhandlung von Murie und Mivart in der Transact. Zool. Soc. Vol. VII. 1869, p. 6 und 90.
  33. Ueber das Darwin'sche Spitzohr in: Archiv für path. Anat. u. Phys. 1871. p. 485.
  34. Ausdruck der Gemüthsbewegungen. 2. Aufl. 1874. S. 136.
  35. J. Müller, Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. Bd. 2. S. 312. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p, 260; derselbe über das Walross: Proceed. Zool. Soc. 8. Novbr. 1854. s. auch R. Knox, Great Artists and Anatomists, p. 106. Dies Rudiment ist, wie es scheint, bei Negern und Australiern etwas grösser als bei Europäern, s. C. Vogt, Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 162.
  36. Sehr bekannt und auch von Andern bestätigt ist der Bericht, den Al. von Humboldt von dem Geruchsvermögen der Eingeborenen von Südamerika gibt. Houzeau behauptet (Études sur les Facultés Mentales etc. Tom. I. 1872. p. 91), wiederholt Versuche angestellt und constatirt zu haben, dass Neger und Indianer im Dunkeln Personen an ihrem Geruche erkennen können. Dr. W. Ogle hat einige merkwürdige Beobachtungen über den Zusammenhang des Riechvermögens mit dem Farbstoff der Schleimhaut des riechenden Theils der Nasenhöhle ebenso wie der Körperhaut gemacht. Ich habe daher im Texte von den dunkelfarbigen Rassen als von den mit feinerem Geruchsinn, als die Weissen, begabten gesprochen, s. Ogle's Aufsatz in: Medico-chirurgical Transactions, London, Vol. LIII, 1870, p.276.
  37. The Physiology and Pathology of Mind. 2. Edit. 1868, p. 134.
  38. Eschricht, Ueber die Richtung der Haare am menschlichen Körper, in: Müller's Archiv für Anat. und Phys. 1837. S. 47. Ich werde mich oft auf diese sehr interessante Arbeit zu beziehen haben.
  39. Paget, Lectures on Surgical Pathology. 1853. Vol. I, p. 71.
  40. Eschricht, a. a. O. S. 40, 47.
  41. s. mein „Variiren der Thiere u. Pflanzen im Zustande der Domestication“. 2. Aufl. Bd. 2. S. 373. Prof. Alex. Brandt hat mir vor Kurzem einen weitern Fall mitgetheilt von einem Vater und Sohn, die in Russland mit denselben Eigenthümlichkeiten geboren wurden. Ich habe Zeichnungen von beiden aus Paris erhalten.
  42. Dr. Webb, Teeth in Man and the Anthropoid Apes. Citirt von C. Carter Blake in Anthropolog. Review. July, 1867, p. 299.
  43. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III. p, 320, 321, 325.
  44. Ueber die primitive Form des Schädels. Uebers. in Anthropolog. Review. Oct. 1868, p. 426.
  45. Prof. Mantegazza schreibt mir aus Florenz, dass er neuerdings den letzten Backzahn bei den verschiedenen Menschenrassen untersucht habe und zu dem gleichen Resultate, wie das im Texte mitgetheilte, gekommen sei, dass er nämlich bei den höheren oder civilisirten Rassen auf dem Wege der Atrophie oder Elimination sei.
  46. Owen. Anatomy of Vertebrates. Vol. III. p. 416, 434, 441.
  47. Annuario della Soc. dei Natur. Modena, 1867, p. 94.
  48. Ch. Martins (De l'unité organique, in: Revue des Deux Mondes. 15. Juin, 1862, p. 16) und Häckel (Generelle Morphologie. Bd. 2, S. 278) haben beide bemerkt, dass dies eigenthümliche Rudiment zuweilen den Tod verursacht.
  49. In Bezug auf die Vererbung s. Dr. Struthers in der „Lancet“, Febr. 15., 1873, und einen andern wichtigen Aufsatz, ebenda Jan. 24., 1863, p. 83. Dr. Knox war, wie mir gesagt wurde, der erste Anatom, der die Aufmerksamkeit auf dieses eigenthümliche Gebilde beim Menschen lenkte; s. seine Great Artists and Anatomists, p. 63, s. auch einen wichtigen Aufsatz über diesen Fortsatz von Gruber im Bulletin de l'Acad. Imp. de St. Pétersbg. Tom. XII, 1867, p. 448.
  50. Mr. St. George Mivart, in: Philosoph. Transact. 1867, p. 310.
  51. On the Caves of Gibraltar, in Transact. Internat. Congress of prehist. Arch. Third Session. 1869, p. 159. Professor Wyman hat vor Kurzem gezeigt (Fourth Annual Report, Peabody Museum, 1871. p. 20), dass diese Durchbohrung sich bei 31% der menschlichen Ueberreste aus einigen alten Grabhügeln in den westlichen Vereinigten Staaten und in Florida findet. Sie kommt häufig bei Negern vor.
  52. Quatrefages hat neuerdings die Beweise über diesen Punkt gesammelt. Revue des Cours Scientifiques. 1867—1868, p. 625. Im Jahre 1840 zeigte Fleischmann einen menschlichen Fötus, der einen frei vorspringenden Schwanz besass, mit selbständigen Wirbelkörpern, was nicht immer der Fall ist. Dieser Schwanz wurde von den vielen, bei der Naturforscherversammlung in Erlangen anwesenden Anatomen kritisch untersucht (s. Marschall, in: Niederländ. Archiv für Zoologie. December. 1871).
  53. Owen. On the nature of Limbs. 1810. p. 114.
  54. Leuckart, in Todd's Cyclopaedia of Anatomy. 1849 — 52. Vol. IV. p. 1415. Beim Menschen ist dies Organ nur von drei bis sechs Linien lang, ist aber, wie so viele anderen rudimentären Organe, in Bezug auf seine Entwickelung, wie auf andere Merkmale, variabel.
  55. s. hierüber Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 675, 676, 706.
  56. In einem neuerdings erschienenen und mit ausgezeichneten Illustrationen ausgestatteten Werke (La Théorie Darwinienne et la création dite indépendante, 1874) bemüht sich Prof. Bianconi nachzuweisen, dass in dem obigen wie in andern Fällen homologe Bildungen vollständig nach mechanischen Grundsätzen unter Berücksichtigung ihres Gebrauchs erklärt werden können. Niemand hat so gut gezeigt, wie wunderbar derartige Bildungen ihren Zwecken angepasst sind; diese Anpassung lässt sich, wie ich glaube, durch natürliche Zuchtwahl erklären. Bei Betrachtung des Fledermausflügels wendet er (S. 218) etwas an, was mir wie ein (um Auguste Comte's Worte zu brauchen) bloss metaphysisches Princip erscheint, nämlich „die Erhaltung der Säugethiernatur des Thieres in ihrer Integrität“. Nur in einigen wenigen Fällen bespricht er Rudimente und dann auch nur solche Theile, welche theilweise rudimentär sind, wie die Afterklauen des Schweins und Ochsen, welche den Boden nicht berühren; von diesen weist er klar nach, dass sie dem Thiere von Nutzen sind. Unglücklicherweise betrachtet er solche Fälle gar nicht, wie die kleinen nie das Zahnfleisch durchbrechenden Zähne des Ochsen, oder die Milchdrüsen männlicher Säugethiere, oder die Flügel gewisser Käfer, die unter den verwachsenen Flügeldecken liegen, oder die Rudimente der Pistille und Staubfäden in gewissen Blüthen, und viele andere derartige Fälle. Obgleich ich Professor Bianconi's Werk grosse Bewunderung zolle, scheint mir doch die jetzt von den meisten Naturforschern getheilte Ansicht, dass homologe Bildungen nach dem Principe einfacher Anpassung unerklärlich seien, unerschüttert geblieben zu sein.
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