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noch leitet er sie zur Nahrung; auch verhindert er nicht, dass die Eskimo’s in der übelriechendsten Atmosphäre schlafen, oder dass viele Wilde halbfaules Fleisch essen. Bei Europäern ist das Geruchsvermögen bei verschiedenen Individuen sehr verschieden, wie mir ein ausgezeichneter Naturforscher versichert hat, bei dem dieser Sinn sehr hoch entwickelt ist und der dem Gegenstande seine Aufmerksamkeit zugewandt hat. Wer an das Princip einer stufenweisen Entwickelung glaubt, wird nicht leicht zugeben, dass dieser Sinn in seinem jetzigen Zustande ursprünglich vom Menschen, wie er jetzt existirt, erlangt wurde. Er erbt die Fähigkeit in einem abgeschwächten und insofern rudimentären Zustande von irgend einem früheren Vorfahren, dem sie äusserst nutzbar war und von dem sie beständig gebraucht wurde. Bei den Thieren, welche diesen Sinn in hoher Entwickelung besitzen, wie bei Hunden und Pferden, ist die Erinnerung an Personen und Orte entschieden mit ihrem Geruche vergesellschaftet; und es lässt sich vielleicht hierdurch verstehen, woher es kommt, dass, wie Dr. Maudsley richtig bemerkt hat,[1] der Geruchssinn beim Menschen „in einer merkwürdig wirksamen Weise Ideen und Bilder bereits vergessener Scenen und Orte wieder erweckt“.

Der Mensch weicht auffallend von allen übrigen Primaten darin ab, dass er fast nackt ist. Doch finden sich wenige kurze steife Haare über den grösseren Theil des Körpers beim männlichen Geschlecht und feine dunenartige an dem des weiblichen. Die verschiedenen Rassen weichen sehr in dem Behaartsein von einander ab; bei Individuen, welche zu derselben Rasse gehören, sind die Haare äusserst variabel, nicht bloss in der Menge, sondern auch in der Stellung. So sind bei manchen Europäern die Schultern völlig nackt, während sie bei anderen dicke Haarbüschel tragen.[2] Es lässt sich wohl kaum bezweifeln, dass die in dieser Weise über den Körper zerstreuten Haare die Ueberbleibsel des gleichförmigen Haarkleids der niederen Thiere sind. Diese Ansicht wird dadurch um so wahrscheinlicher, dass, wie bekannt ist, feine,


  1. The Physiology and Pathology of Mind. 2. Edit. 1868, p. 134.
  2. Eschricht, Ueber die Richtung der Haare am menschlichen Körper, in: Müller's Archiv für Anat. und Phys. 1837. S. 47. Ich werde mich oft auf diese sehr interessante Arbeit zu beziehen haben.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1878, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)