Die Abbassiden − 9. Gesang
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Neunter Gesang.
Durch die Magierstadt indessen wälzte
Sich Tumult und nach dem Haven drängt sich
Alles Volk. Man sieht mit ausgespannten,
Vollen Segeln nahn sich eine Flotte.
Steigt ein Herold; dieser heischt, dem König
Vorgeführt zu sein, und augenblicklich
Vor den König führen ihn Trabanten.
Drauf zu Schehriar beginnt der Fremdling:
Durch Gewalt erobert, dir entbietet
Ihren Gruß die Königin Selmira,
Die sich gürtet mit dem Schwert Muhammeds.
Dir gebeut sie, dieses Land vom schnöden
Wieder aufzubau’n Moscheen und Thürme,
Und die Gläubigen zum Gebete fünfmal
Jeden Tag zu rufen. Deiner Krone
Dir nur angemaßten Reif befielt sie
Deren Eigenthum er ist, zu setzen.
Doch vor Allem dieses Eine heischt sie:
Wenn vielleicht in dieser Stadt, von deiner
Bösen List umgarnt, verweilt der jüngste
Sollst du sonder Zögerung den Jüngling
Meinen Händen übergeben. Gnade
Mag dir dann vielleicht ein Wink verheißen;
Doch, versagst du dich gerechter Fodrung,
Führen über diese Stadt, und ackern
Auf den Trümmern deiner falschen Herrschaft!
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Nicht vergeblich droht sie dir: an’s Fenster
Komm, es weht in diesen Wimpeln allen
Hier beschützen dich allein Trabanten,
Feige Söldner, denn es haßt das Volk dich;
Dieß bedenk’ und weigere nicht Gehorsam!
Stolzen Blicks erwidert Schehriar ihm,
Melde deiner Königin, wie glänzend
Diese Waffe sei, wie frei von Rost noch.
Mag sie landen, wenn es ihr gelüstet;
Aber nie mehr wird sie dann im Schatten
Nicht Moscheen und Thürme, Gräber wollen
Bau’n wir ihr und allen ihren Sklaven.
So der König, der den Feind entlassend
Rasch zu Pferd steigt. Mit verhängtem Zügel
Einzusammeln. Auf des eignen Pallasts
Flaches Dach indessen läßt die beiden
Abbassiden wohlbewacht er führen,
Wohlgefesselt: Sollten je, gedenkt er,
Möge Harun Alraschid in Bagdad
Durch der eignen Söhne schmählich Ende
Seines gläubigen Volks Triumph bezahlen!
Unterdessen wehte hoch und stattlich
Durch den günstigen Wind getrieben, drängte
Schiff an Schiff sich, folgend eins dem andern,
Um die Wette steuernd. Also folgen
Auf der Rennbahn oft sich edle Rosse
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Nebenbuhlerisch den Preis erjagen.
Kaum der Landung widersetzt das Volk sich,
Schehriar, der seine Mannen anführt,
Reiht sie außerhalb des Thors in Ordnung;
Immer neue Krieger, nach der Stadt zu
Drängt das Heer der Königin den König.
Wie die See, wenn sturmbewegt sie brandet,
Stets mit schäumiger Flut die Felsengrotten
Weichend abfließt; so mit stetem Andrang
Führte Schehriar voran die Seinen;
Aber immer ward zurückgestoßen
Seine Schaar, und selbst die Mauern schützen
Sich verbirgt. Es dringt der Feind gewaltig
Durch das Thor ihm nach. In allen Gassen
Wütet bald der laute Kampf. Selmira
Zieht den Ihrigen selbst voran, und eine
Ueber’m Haubt ihr wehende bunte Fahnen.
Als der König bis zum eignen Pallast
Sich zurückgetrieben sieht, besetzt er
Alle Thore mit dem Rest der Seinen;
Bei dem Bruder stand. Von schweren Ketten
Waren beide zwar belastet; dennoch
Voll von Hoffnung folgten ihre Blicke,
Nach der Stadt hinabgewandt, dem Ausgang
Hohn im Angesicht, erscheint vor ihnen:
Junge Thoren, ruft er ans, bejubelt
Nicht zu zeitig meine Niederlage,
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Die beschleuniget euren Tod wie meinen.
Wenn ich denke, daß der Freund Selmira’s,
Daß der Mörder meines Sohns zugleich fällt.
Drauf zum Rand des Daches, das mit schönem
Steingeländer war umgeben, tritt er:
Laß die Banner über deinem Haubte
Sich zertheilen, um das prächtige Schauspiel
Nicht zu missen, das ich vorbereite!
Schehriar, dein überwundener Feind, will
Aber ehe dieser Speer (du siehst ihn)
Meinen Busen spaltet, erst erproben
Seine Schärfe will ich hier an beiden
Söhnen Harun Alraschid’s, Beherrschers
Doch getrost, o Königin! Sobald ich
Ihre Leichen dir hinabgeworfen,
Stoß’ ich selbst in meine Brust die Lanze.
So der finstere Schehriar. Verzweiflung
Lebewohl zurufen sich die Brüder.
Aber als die gute Fee Melinda
Schon das edle Paar anheimgefallen
Sieht dem sichern Untergang, erbarmt sich
Einen Falken fliegen. Dieser Falke
Richtet nach dem Libanon den raschen
Zauberflug, wo eben Prinz Amin sich
Durch den Aether wiegte. Mit dem Schnabel
Den er weit entführt in Blitzeseile;
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Doch es folgt in gleicher Hast der Jüngling
Angstbekümmert auf dem Flügelrappen,
Denn der schönen Heliodora goldne
Nach der Magierstadt enteilt der Vogel,
Auf dem Dach von Schehriars Pallaste
Läßt er fallen seinen Raub, wie eben
Schon den Spieß erhub der greise König,
Mit Entsetzen sieht Amin gebunden
Seine Brüder stehn, er sieht den Wütrich
Im Begriff des Mords. Ein Stein, geworfen
Durch die Schleuder eines Knaben, donnert
Fährt Amin auf seinem Flügelrosse.
Drauf, mit Einem Hieb zerhaut des Königs
Schädel zornentbrannt der mutige Jüngling.
Schon entfliehen Schehriars Trabanten,
Lauter Beifall schon ertönt von unten
Aus dem Heer der Königin, die Brüder
Halten schon frohlockend sich umschlungen.
Doch sie steigen schnell herab, in Ehrfurcht
Welche friedlich nun die stolzen Fahnen
Senken läßt. − Im feierlichen Zuge
Nach dem Schloß, wo Diwisade haus’te,
Ziehn des Magiervolkes Abgesandte,
Darzubieten. Prinz Amin geleitet
Selbst den Zug; vor ihnen schwang sich Assad
Auf das Flügelroß, der theuern Gattin
Diese Botschaft anzukündigen. Assur
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Im Pallast, Gespräche süßen Inhalts
Fröhlich wechselnd. Mehr als Einmal dank ich
Dir das Leben, ruft der Sohn des Harun,
Möcht’ ich einst dir jenes Glück verdanken,
Leer und drückend uns erscheint, und spurlos
Geht vorüber. Schelten möchte Harun
Meine jugendliche Flucht, wofern ich
Nichts gewann, als lange Schmach und Leiden.
Der am Arm der schönen Königstochter
Wieder heimkehrt an’s Gestad’ des Tigris!
Ihm versetzt die Königin Selmira:
Nicht verdankst du mir das Leben, meinem
Aber gerne würde dich als Gastfreund
Noch einmal die Palmenstadt begrüßen,
Selbst als König − wenn du willst − und soll ich
Wählen einen Vater mir, so sei es
Dankend sinkt zu ihren Füßen Assur;
Bald erscheinen seine Brüder, ihnen
Folgt die königliche Diwisade,
Auf dem Haubt ein Diadem. Es grüßen
Zeigt dem Volk als seine Braut Selmira.
Doch Amin beginnt: O theure Brüder!
Mögt genießen ihr des Glücks der Liebe;
Morgen aber laßt der Kindespflicht uns
Tragen leicht der Hippogryph nach Bagdad.
Uns im feierlichen Zuge mögen
Dann die Frau’n gemach in Sänften folgen.
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So geschah’s. − Und als der Abend thaute,
Steigen ab und wandeln längs des Flusses
Zum Pallast. Ihr Auge ward indessen
Angezogen durch ein heiteres Schauspiel:
Auf dem Tigris schwamm, mit seidnen Wimpeln,
Perlgestickte, reiche Teppiche hingen
Vom Verdeck herab, und tausend Fackeln
Wurden rings von Sklavenhand geschwungen:
Zimbeln tönten und Gesang im Innern.
Dieser rief: Ihr Gläubigen, beugt die Kniee
Vor’m Kalifen aller Welt und Bagdads!
Froh vernehmen dieß die Söhne Haruns,
Einen Fischerkahn sogleich besteigend,
Eingelassen: aber welch Erstaunen
Faßt die Fürsten, die anstatt des Vaters
Einen Fremden sehn! Ein schlanker Jüngling,
Als Kalif mit allen Würdezeichen,
Prinz Alasnam war’s, der Sohn Abdalla’s.
Doch vernehmt indessen, welches Schicksal
Ihm zu Theil ward, seit dem alten Derwisch
Uebergab er seine Braut Amine:
Ihn hinunter in der Pyramide
Tiefen Schlund, sobald der zweite Morgen
Stieg empor. Das ihm verheißene Kleinod
Sucht er nicht, er sucht den Tod: Begraben,
Meine Leiche hier mit ihrer Leiche!
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Dieß gesagt, betritt den großen Saal er,
Dessen Spiegelwände mächtig leuchten.
Dort, auf einem Fußgestell von Marmor,
Dessen Reichthum allen Erdenreichthum
Ueberbieten soll an Wert. In einen
Flor verhüllt war’s: O wie dürftig scheinen
Jetzt die Güter dieser eitlen Welt mir,
Durfte geizen meines Sinns Verblendung?
Zürnend reißt den Schleier weg der Jüngling;
Doch, o Himmel! Was erblickt er? Lächelnd
Steht vor ihm in ihrer seligen Unschuld
Freundlich reicht ihm ihre Hand das Mädchen,
Die er wonnetrunken faßt, von Wahnsinn
Fast ergriffen, zwischen Schmerz und Jubel.
Drauf an’s Tageslicht die Braut geleitend,
Dieser spricht zu ihm: O Sohn Abdalla’s,
Sei beglückt und kehre heim! Das eine
Wort, vernimm es noch: Der Geisterkönig
Lebt im Mund des Volks allein, die Schätze
Ist die Schöpfung meiner Kunst; ich wollte
Lehren dich des Lebens beste Güter!
Dankend eilt mit seiner schönen Hälfte
Prinz Alasnam nach dem alten Cairo;
Seinen Großwesir mit einem Heere
Gegen ihn gesandt der Fürst des Glaubens.
Mehr, als Alles, galt es nun, den Vater
Auszusöhnen. Selbst Aminens Rettung
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Eine List drum sinnt er aus, in Bagdad
Ungehindert und zugleich im Schutze
Seiner Mannen einzudringen. Reichlich
Nimmt er Gold mit sich und einen Haufen
Holde Gattin. Am Gestad’ des Tigris
Läßt er schmücken jenes Schiff, in Bagdad
Selbst bereiten einen prächtigen Pallast,
Dort ein Fest zu feiern, um die Neugier
Unter dessen Namen ihm die Einfahrt
Nach der Stadt gelingt. Und also fanden
Ihn die Fürsten. Bald erklärt sich Alles,
Und die Schwester übernimmt Vermittlung.
Nur für wenige Stunden eures Vaters
Wiedersehn verschieben, wolltet ihr mich
Nach dem Pallast ungesäumt begleiten,
Dann, fürwahr, befürcht’ ich nichts; es wird mir,
Ihm zurück die vielgeliebten Kinder,
Gern verzeih’n der milde Sohn Mohadi’s:
Solche Pfänder sind die höchste Bürgschaft!
So geschah’s; sie landen am Pallaste,
Während tausend Candelaber brannten.
Lieblich wanden blühende Tänzerinnen
Ihren Reigen zwischen schöne Knaben
Hand in Hand hindurch mit seltner Anmut.
Schließt Alasnam auf, wohin er selbst sich
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Hinbegiebt, mit ihm die theuern Lieben;
Denn er wußte, daß um diese Stunde
Jeden Abend, sammt dem greisen Mesrur,
Wenige Zeit verstrich, da wandelte wirklich,
Wie gewohnt er war, der Fürst des Glaubens,
Samt dem greisen Freunde längs des Tigris.
Als das schön erleuchtete Haus er wahrnimmt,
Ihm versetzt die Menge: Dieses Fest wird
Vom Kalifen, der in prächtiger Gondel
Eben angelandet ist, gefeiert.
Voll Erstaunen tritt der Sohn Mohadi’s
Nach dem Saal emporzusteigen. Eben
Ließ ein üppiger Chor von Sängerinnen
Dieses Lied zur Laute hold ertönen:
Heil der Schönheit, die dem Erdenbürger
Alles Andere täuscht das Herz mit eitlen
Leeren Bildern. Ruhm und Gold und Würde
Haben keinen noch beglückt in Wahrheit.
Nur die Schönheit lehrt den Erdenbürger,
Nein, zu fassen ist mit beiden Armen!
So das Lied. Es horchte wohlgefällig
Harun Alraschid, und dann beginnt er:
Holde Mädchen! Wer vermag zu sagen,
Spricht’s, und plötzlich zeigt sich ihm Alasnam.
Schaudernd wendet sich der Fürst des Glaubens,
Seine Hand am Schwert. Für Augenblicke
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Nur bezähme deinen Zorn, o Harun,
Deren Fürwort dich vielleicht besänftigt!
Sagt’s und öffnet schnell die Thür. An ihres
Zärtlichen Vaters Busen sinkt Amine,
Sinkt Amin und neben Assur Assad.
Lange sprachlos, drückt die holden Kinder
Fest an’s Herz der überraschte Harun.
Arm in Arm, Erzeuger, Söhne, Tochter,
Weinten laut die edeln Abbassiden;
Sohn Abdalla’s, meines Busenfreundes!
Mit dem Geber solcher Gaben darf ich
Nicht zu rechten mich erkühnen! Was auch
Leichter Sinn und Unbedacht verbrochen,
Hin und her bewegt vom Sturm des Schicksals,
Zeigt der Mensch uns bald die schönere Seite,
Bald die schlimmere, wie die Malereien
Auf dem Wimpel eines Schiffs. Im Leben
So der Abbasside. Freudig drängen
Seine Söhne sich um ihn, erzählend
Wechselseits der allzulangen Irrfahrt
Mißgeschick und ihr vergnügtes Ende. −
War es Harun Alraschid in Bagdad.