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So geschah’s. − Und als der Abend thaute,

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Sehn die Brüder sich am Thore Bagdads,

Steigen ab und wandeln längs des Flusses
Zum Pallast. Ihr Auge ward indessen
Angezogen durch ein heiteres Schauspiel:
Auf dem Tigris schwamm, mit seidnen Wimpeln,

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Schön vergoldet eine prächtige Gondel;

Perlgestickte, reiche Teppiche hingen
Vom Verdeck herab, und tausend Fackeln
Wurden rings von Sklavenhand geschwungen:
Zimbeln tönten und Gesang im Innern.

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Vorn am Kiele stand ein bunter Herold,

Dieser rief: Ihr Gläubigen, beugt die Kniee
Vor’m Kalifen aller Welt und Bagdads!

Froh vernehmen dieß die Söhne Haruns,
Einen Fischerkahn sogleich besteigend,

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Der sie nach der Gondel führt. Sie werden

Eingelassen: aber welch Erstaunen
Faßt die Fürsten, die anstatt des Vaters
Einen Fremden sehn! Ein schlanker Jüngling,
Als Kalif mit allen Würdezeichen,

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Tritt gelassen ihrem Gruß entgegen:

Prinz Alasnam war’s, der Sohn Abdalla’s.

Doch vernehmt indessen, welches Schicksal
Ihm zu Theil ward, seit dem alten Derwisch
Uebergab er seine Braut Amine:

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Nicht die Habsucht, nein − es treibt Verzweiflung

Ihn hinunter in der Pyramide
Tiefen Schlund, sobald der zweite Morgen
Stieg empor. Das ihm verheißene Kleinod
Sucht er nicht, er sucht den Tod: Begraben,

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Ruft er schmerzlich, mag der Geisterkönig

Meine Leiche hier mit ihrer Leiche!

Empfohlene Zitierweise:
August Graf von Platen: Die Abbassiden. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Abassiden_(Platen).pdf/95&oldid=- (Version vom 31.7.2018)