Die Abbassiden − 1. Gesang
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Erster Gesang.
Tausend Zelten waren aufgeschlagen
Durch’s Gefilde vor den Thoren Bagdads,
Um das Fest des neuen Jahrs zu feiern:
Auf dem Throne saß der große Harun
Rings im Cirkel seine Kronbeamten;
Doch zunächst die drei geliebten Söhne
Prinz Amin und neben Assur Assad.
Durch die Gärten lag zerstreut die Menge,
Unter Lauben, aus Jasmin gebildet,
Ruhten Frau’n und Männer; doch die Knaben
Schlangen Tänze mit den jüngsten Mädchen.
Vor des Herrschers Pavillon indessen
Nicht ein Roß war’s aus arabischem Blute,
Nicht ein Hengst aus Andalusien war es!
Nein − von Künstlerhand aus Holz gebildet,
Erz die Hufe nur und Gold die Mähne.
Aller Gläubigen, aller Völker Sultan!
Manche Gabe bringt an diesem Tage
Zum Geschenk dir deiner Sklaven mancher;
Doch die wundervollste biet’ ich selbst dir:
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Reich zerstörte, schätz’ ich diesen Rappen,
Den ein Magier durch Magie gebildet.
Wenn du je von Hippogryphen hörtest,
Die verschmähn der Erde Grund zu stampfen;
Wenn du’s je für eine Fabel hieltest,
Bilden kann ich aus der Fabel Wahrheit.
Auf den Rappen schwang sogleich der Mohr sich,
Flog empor und schien ein Punkt im Luftmeer,
Alles staunte, staunend sagte Harun:
Wahrlich, mehr gilt dieses Pferd, als meiner
Krone hundert beste Kronjuwelen:
Willst du diese, nimm sie, laß den Gaul mir!
Aller Gläubigen, aller Völker Sultan!
Gold und Edelsteine wiegen keinen
Zauber auf, wie diesen! Nur die Schönheit
Im Verein mit hoher Würde. Laß mich
Dein Wesir, und laß als deiner Tochter
Ehgemal mich ihren Schleier lüften!
Meine Wünsche sind, wie meine Gaben,
Groß und kühn, Kalif! Erwäge beide!
Allzufrech erschien des Mohren Fodrung;
Doch der Rappe war ein solches Wunder,
Daß der höchste Preis an Wert gering schien.
Schnell vom Sitze sprang Amin dagegen,
Sohn Mohadi’s, großer Abbasside!
Kannst du zaudern, dieses Hexenmeisters
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Kecken Anspruch mit dem Tod zu strafen?
Abgewogen gegen Fürstenehre
Mehr als Bagdad, mehr als tausend Städte
Gilt der fliegende Rappe; darfst du aber
Diesen Sklaven bis zum Thron erheben,
Aller Schätze holden Schatz, Amine,
Länger wäre nicht, nach solchem Entschluß,
Harun Alraschid das Bild der Weisheit!
Nur ein Blendwerk ist vielleicht des Mohren
Zauberpferd; ich will es selbst versuchen:
Zahle dann mit Gold und Gut, Kalif, es,
Aber nicht mit deiner Kinder Wohlfahrt.
Sprach’s Amin, und schwang sich auf den Rappen,
Flog empor und schien ein Punkt im Luftmeer;
Warf der Mohr sich hin und rief: Beherrscher
Aller Gläubigen, aller Völker Sultan!
Ohne Schuld an deines Sohns Verderben,
Wenn’s den Unvorsichtigen trifft, du siehst mich:
Allzuplötzlich stieg empor der Jüngling!
Schwingt sich Einer auf des Rosses Rücken,
Fliegt sogleich in alle Höh’n hinauf es;
Doch, um wieder es sanft herabzulenken
Unter’m Hals des flücht'gen Wunderpferdes.
Wenn der Prinz sie nicht entdeckt, so fliegt es
Ewig weiter durch den Raum der Sterne,
Bis zuletzt ihn Müdigkeit und Hunger
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Jäher Todessturz am Fels zerschmettert,
Oder tief in die tiefe See hinabtaucht.
Namenloser Schmerz ergriff den Vater,
Namenloser Schmerz das ganze Bagdad:
Wie zur Asche sinkt ein Jubelfeuer,
Das von Fischern am Johannisabend
Aufgeschichtet ward aus alten Scheitern,
Die das Meer am sandigen Ufer auswarf.
Ausgesendet wurde Bot’ um Bote
Gegen Nord und Ost und Süd und Abend;
Keine Kunde kam und kein Amin kam:
Tiefe Schwermut, immer tiefer nährte
Doch zum Bruder eines Morgens sagte,
Bei der Hand ihn zärtlich fassend, Assad:
Vielgeliebter, durch dieselbe Mutter
Mir Verwandter, meines Auges Apfel!
Mag ich ansehn unsers Vaters Leiden,
Dem ich schadenfroh vielleicht erscheine,
Weil die Flucht des ältern Sohns dem Throne
Näher bringt mich selbst. Ich will davonziehn,
Wär’s am Sonnenuntergang, zu suchen;
Sollt’ ich nichts als seine Leiche finden,
Laß beerdigen mich des Bruders Asche!
Ihm erwiedert Assur: Süßer Assad!
Vom Gespielen meiner Jugend scheiden?
Laß zusammen uns im Land umherspähn!
Traurig ist es, durch die Welt verlassen,
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Ungesellig allein sich durchzuwinden;
Ja, der Mensch verzehrt sich selbst in sich nur,
Der allein an fremde Menschen anstößt;
Aber brüderliche Liebe zaubert
Jeden Gram hinweg, und durch Gemeinschaft
Ihm erwiedert sein gerührter Bruder:
Allzu reizend malst du jene Fahrt mir,
Allzureizend durch den Bund der Freundschaft;
Aber nein, du mußt des Vaters Trost sein!
Zwei verschwinden ihm, der dritte bleibe!
Ihm versetzt der jüngste Sproß des Abbas:
Beide Söhne mögen ihm den dritten,
Arm in Arm, an seine Brust geleiten!
Unser Vater einst eroberte kühn sich
Manches Reich, ihm dienten hundert Völker:
Selbst der Herr des fernsten Abendlandes,
Carl, der Sohn Pipins, der mächtige Cäsar,
Nicht verweichlichen darf der Stamm des Großen!
Besser ist’s, er sieht die Söhne sterben,
Als verkümmern auf dem Sammt der Polster.
Leere Täuschung nenn’ ich Glück und Ruhe:
Ziemt die Rast dem kampfesmüden Kämpfer;
Doch der Mensch, bevor zu ruhn gedenkt er,
Wissen muß er erst, wovon er ausruht.
Laß in’s Ferne wandern uns, Geliebter!
Stähle doch und kräftige doch die Welt uns!
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So besprachen sich die Abbassiden.
Als zu graun begann der nächste Morgen,
Nahmen Beide vom Kalifen Abschied,
Doch sie ließen diesen Brief zurück ihm:
Harun Alraschid, Kalif in Bagdad!
Wenn du nicht zu sonst gewohnter Stunde
Assur wiederkehren siehst und Assad,
Deine Söhne suchen deinen Sohn auf!
Bald entfernten sich vom Jagdgefolge,
Beide Brüder durch der Wälder Dickicht,
Ueber Berg und über Haide schweifend,
Unter’m Dache bärtiger Hirten findend.
Eines Tags, an eines Stromes Ufer,
Der dem Hochgebirg entbrauste, trafen
Einen Fischerknaben beide Brüder.
Gestern sah ich durch die Luft ein Wesen,
Großgeflügelt, doch unkenntlich, schweben;
Für den Vogel Rock, o Freunde, hielt ich’s;
Der aus jenen sandigen Wüsten seinen
Ueber Berg und Meer zu felsigen Inseln,
Wo er brütet seine Rieseneier!
Doch es war vielleicht der fliegende Rappe,
Welchem nachforscht eure Neubegierde.
Diesem ungewissen Schein der Hoffnung
Folgte kühn das Brüderpaar, entschlossen,
Ueber’s Hochgebirg hinwegzusteigen,
Das vor ihnen wolkenhoch gethürmt schien.
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Ging die Wagefahrt. In tiefe Thäler
Oft hinuntergleitend, wiederum dann
Schroffe Wände gemsenhaft erklimmend,
Lebten Beide vom Ertrag der Jagd nur,
Die sie schüttelten aus den Pinienästen,
Die vom Erdbeerbaum sie durstig pflückten.
Gleich dem Manne, welcher hastig wandelt,
Spät des Nachts, an einem Havendamme,
Angebundne Schiffe ruhn, und Jener
Unaufhörlich über die Seile strauchelt:
Also drohte jeder Schritt den Brüdern
Jähen Fall, und über Fels und Baumstumpf
Aber als der achte Morgen graute,
Als die Jünglinge vom bemoosten Lager
Auf sich richteten, Arm in Arm geschlungen,
Welch ein Schauspiel bot sich dar! Sie sahen
Unter ihnen lag die weite Landschaft
Segenreich und unabsehlich lieblich,
Wo das Maisgefild, die Olivenpflanzung
Grünend wucherte, wo der edle Weinstock
Doch im Hintergrund ein Sonnenspiegel,
Lag im Morgenlicht das Meer, von Schiffen
Uebersät, von Kähnen übervölkert,
Und im Halbmond, um gekerbte Buchten,
Am Gestade Masten sich und Thürme.
Assur sprach: O schöne Vorbedeutung
Froher Zukunft! Laß in fliegender Eile,
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Neugestärkt, in dieses Land des Frühlings
Voll Bedacht darauf erwiedert Assad:
Mich, wie dich, beflügelt solch ein Anblick
Nach der Drangsal! Aber ohne Vorsicht
Ziemt es nicht dem unbekannten Fremdling
Laß zuerst mich, ohne dich, hinabziehn,
Auszuforschen jener Menschen Sitten,
Ihr Gemüt und ihren Gottesglauben;
Bald, mit Lebensunterhalt beladen,
Ihm entgegnet Assur: Zwar den Jüngern
Nenn’ ich mich, doch nicht an Mut Verzagtern;
Trugst du doch des ganzen Zugs, o Bruder,
Größere Mühe, der du stets die Pfade,
Diesem Späherdienst hingegen fühl’ ich
Mich gewachsen, als ein Liebeszeichen
Fodr’ ich ihn von deiner Huld, Geliebter!
Also sprechend drückt er rasch die Hände
Mehr im Lauf, als im gemess'nen Wandel,
Steile Felsenwege fröhlich abwärts.
Als am Thor der Stadt er angelangt war,
Kommt ein Greis entgegen ihm, mit langem
Der betrachtet ihn und dann beginnt er:
Wenn der Schein mich nicht betrügt, so kommst du
Aus dem Reich der fernen Mosleminen,
Hier ein Gast in dieser Stadt, o Fremdling?
Nicht das Vaterland und nicht der Väter
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Glauben möcht’ ich und Gesetz verläugnen,
Und um Gastlichkeit zu bitten wag’ ich.
Aber wird bei diesem Volk, in diesem
Nicht der Herr und sein Prophet gepriesen?
Sprich gemach, entgegnet ihm der Alte,
Daß vom Volk dich Keiner hier vernehme;
Denn verhaßt sind alle Mosleminen!
Welche Sonn’ und Sterne göttlich ehren.
Noch vor Kurzem hat ein milder König
Hier geherrscht, dem Alcoran befreundet,
Aber Schehriar, sein Großwesir, nahm
Dieses Land dem Feuerdienst der Väter.
Selig preise dich, o holder Jüngling,
Daß ich dir auf deiner Fahrt begegnet,
Denn zerrissen hätte dich der Pöbel.
Trank und kräftige Speise dir, und deinem
Müden Leib ein laues Bad bereiten!
So der Greis. Es folgte dankend Assur;
Auf geheimen Wegen führt den Prinzen
Langt er an vor einem hohen Burgthor.
Beide treten ein, es thut ein weiter
Saal sich auf. Und rings im Zirkel saßen
Um ein Feuer silberbärtige Greise:
Blendendweiß, und eine bunte Schärpe
Hielt den weiten Schlepptalar zusammen.
Assur staunte; doch es neigte tief sich
Assur’s Führer vor dem Kreis der Alten:
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Die die Welt erleuchtet und befruchtet!
Feuer ist es, was die Sterne schimmern,
Feuer ist es, was den Tag zum Tag macht:
Was der Nahrung rohen Stoff dem Gaumen
Feuer ist es, was den Mann der Männin
Beigesellt und Menschen schafft. Erfindung,
Die des Dichters Brust entflammt, und kalte
Herzen flieht, es ist die Kraft des Feuers!
Kiesel selbst entspringt der ewige Funke!
Nimm den Funken aus der Sonne, schleunig
Sinkt zu Moder diese Welt zusammen.
Drum ertönt euch mein Gebet, der Flamme
Dieser Jüngling, der den falschen Götzen
Fröhnt am Grabe Mecca’s, möge bald er,
Wann der Neumond wiederkehrt, und euer
Heiliges Schiff zur Feuerinsel steuert,
Möge bald er auf dem Scheiterhaufen,
Den der Aloë Gedüft umweihraucht,
Asche werden durch die Kraft des Feuers!
So der Greis. Die heiligen Pfleger nickten
Winkten Alle mit der Hand den Schergen,
Die den Hintergrund des Saals erfüllten.
Diese faßten schnell den überraschten
Sohn des Harun Alraschid und trugen
Doch im Grund des Saals ergreift der erste
Häscher plötzlich einen Ring von Eisen,
Welcher auf der Erde lag, und öffnet
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Eine Fallthür. Siebenhundert Stufen
Dort hinabzusteigen winkt gebietrisch
Jener Schergenfürst dem Abbassiden.
Assur, halb entseelt und fast bewußtlos,
Steigt hinab in eine Kerkerhöhle,
Jene schließen mit Geräusch die Fallthür.