Deutsches Frauenleben im Mittelalter (Die Gartenlaube 1878/43)

Textdaten
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Autor: Friedrich Helbig
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Titel: Deutsches Frauenleben im Mittelalter.
5. Erziehung und Unterricht.
6. Frauenschöne und Frauendienst
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 710–712
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutsches Frauenleben im Mittelalter.
Eine culturhistorische Studie von Fr. Helbig.

5. Erziehung und Unterricht.

Sobald das Kind die Wände beschrieen hatte, wie der Ausdruck der deutschen Rechtssprache lautet, war es damit auch rechtlich in’s Dasein getreten. Der Vater nahm es auf die Arme, begoß es mit Wasser und gab ihm einen Namen. In vornehmen Kreisen wurden zu diesem Acte Zeugen herangezogen, und es war wohl statt des Vaters der Vornehmste in der Familie, der diese Namengebung verrichtete und sie mit einem Geschenke begleitete. So fand das einziehende Christenthum die Taufe in ihrer äußerlichen Form bereits vor. Es brauchte dieselbe nur der profanen Hand des Laien zu entziehen und ihr die geistliche Folie zu leihen.

Das fröhliche Ereigniß des Hauses versammelte die Frauen der Sippe und Nachbarschaft zu „Kindbetthöfen“, das heißt zu Gastereien, bei denen neben dem schmeckenden Gaumen auch der geschwätzigen Zunge ihr volles Recht verblieb.

Frei und lose, in Thierfelle oder linnene Tücher gewickelt, lag der kleine Germane auf dem Teppich des Estrichs, bis ihn in späterer Zeit, fest und gut geschnürt, die schaukelnde Wiege aufnahm, wie Bilder des vierzehnten Jahrhunderts uns vor Augen stellen. Schon Tacitus erzählt uns, wie es der Stolz der deutschen Mutter gewesen sei, ihr Kind selbst zu stillen. Der Brauch erhielt sich auch lange („Parcival“ II, 16). Im fünfzehnten Jahrhundert aber war in vornehmen Kreisen das Halten von Ammen schon zur Regel geworden. Die übergeschäftige Liebe der weiblichen Umgebung, das Zumarktetragen der Weisheit von Muhmen und Basen fehlte dem Kinde schon damals nicht. Davon liefert der wandernde Sittenprediger Bruder Berthold von Regensburg (dreizehntes Jahrhundert) in seinen uns theilweise noch überlieferten Predigten eine ergötzliche Schilderung: „Da macht ihm, dem Kinde.,“ sagt er, „seine Schwester ein Müslein und streicht es ihm ein. So ist sein Magen klein und schier voll geworden. Da kommt dann die Muhme, die thut ihm dasselbe. So kommt dann die Amme und spricht: ‚O weh, mein Kind. Du aßest heute noch nichts.‘ Und sie streicht ihm ein, wie die erste und zweite, daß das Kind greint und zabbelt.“

Auch der spielende Verkehr mit Puppen („Docken“), welche römische Kinder schon kannten, war dem deutschen Kinde bereits früh vertraut. Urkundlich verbrieft ist derselbe im neunten und zehnten Jahrhundert. Selbst die größten Meister der Dichtkunst verschmähen es nicht, die Freude zu verherrlichen, welche die Kinder über diese stummen Miniaturbilder des wirklichen Menschen empfanden, denen ihre kindliche Phantasie Bewegung und Leben verlieh. Naiv rührend ist die Klage der kleinen Burggrafentochter in Wolfram’s „Parcival“, welche dem einkehrenden Gaste, der sich scherzend zu ihrem Ritter erklärt, Gaben verehren möchte, und doch nichts weiter besitzt als ihre Docken, die, wenn er sie nähme, sie gern würde geben, ob sie auch viel schöner sind, als die der Nachbarskinder.

Im Germanischen Museum in Nürnberg befindet sich eine Anzahl kleiner, kaum einen Daumen langer Figuren aus weißem Thon, die bei Umlegung des Nürnberger Straßenpflasters gefunden wurden. Sie stellen Frauengestalten in der Tracht des vierzehnten Jahrhunderts dar. Es sind Kinderpuppen, bei denen die in dem Brusttheile der Figuren befindliche Vertiefung zur Einlegung des Pathenpfennigs diente; daneben stellen einige der Figuren auch Reiter, Wickelkinder, Heiligenbildchen dar. Ferner finden wir ein zinnenes Schwert, eine bewegliche Ente, irdene Näpfchen und Tellerchen. Bleisoldaten gehören einer späteren Zeit an. Auch Puppenhäuser, Puppenstuben, Kaufläden und Küchen bescheerte man im Mittelalter schon den Kindern. Das genannte Museum hat eine Anzahl davon, welche durch die Reichhaltigkeit der Ausstattung fast frappiren. Eins davon scheint nach der Art der Ausrüstung noch in das späte Mittelalter zu fallen, wenn auch die anderen mehr der Rococozeit angehören. Die Puppen sind aus Wachs geformt und vollständig bekleidet; [711] eine bewegt sich in einem Laufstuhle; dabei finden wir ein Bett, Kronleuchter, Vogelbauer mit Vogel, Kleiderhalter, Spinnrocken mit Gestell, einen Kachelofen und allerlei Hausrath. Auch hölzerne Nußknacker sind ein sehr altes Spielzeug.

Sicher sind auch die heutigen Kinderspiele, denen vielfach eine tiefere Deutung innewohnt und welche darum auch das Auge des modernen Forschers wieder lebhaft auf sich gezogen haben, noch die gleichen, wie in den ersten Zeiten germanischen Lebens, denn die im Sinn und Empfinden engbegrenzte Welt des Kindes unterliegt nicht dem ewigen Wechsel der Geschichte. Zur Erheiterung des kindlichen Gemüths dienten auch die in den Frauengemächern gehaltenen Singvögel, die sprechenden Staare und Papageien, deren wir bereits gedachten.

Da in jenen Tagen noch nicht das Geizen mit Platz und Raum bestand, wie es die Noth der Gegenwart in großen Städten gebieterisch heischt, so waren die Kinder nicht eingeengt in dumpfe Stuben und schmale Gänge. Weite, hohe Gemächer, breite Corridore und lichte Treppen, der geräumige Burghof, dem nicht das schirmende Dach einer Linde fehlte, der breite menschenleere Marktplatz, das grasige Ried, und vor den Thoren draußen Wallgraben, Anger und Trift wurden zur Basis der freiesten Entfaltung ihrer jugendlichen Kraft, die noch nicht gebändigt war durch den herben Zwang der Schule. Den Kindern der Edeln gesellte man Gespielen zu, meist aus den Kreisen niederer Geschlechter. „Hoher Herren Kinder,“ sagt Pater Berthold, „erhalten Zuchtmeister, die Jungfrauen Zuchtmeisterinnen, die allezeit bei ihnen sind und sie Zucht und Tugend lehren. Ihr armen Leute,“ fährt er dann predigend fort, „könnt sie Euern Kindern nicht halten. Da Ihr aber und Eure Kinder das Himmelreich ebenso nöthig habt, sollt Ihr sie selber erziehen.“ Und nun giebt er ihnen dazu Rath und Anschlag. „In der Zeit, da das Kind zu sprechen anfängt, sollt Ihr ein kleines Rüthelein bei Euch haben, das jederzeit in der Diele oder in der Wand steckt, und wenn das Kindlein ein unzüchtig oder böses Wort spricht, so sollt Ihr ihm ein Schmitzlein geben auf die bloße Haut. Ihr sollt es aber nicht auf das bloße Haupt schlagen, wenn Ihr es nicht wollt zu einem Thoren machen. Thut Ihr nicht also, so werdet Ihr Kummer an dem Kinde erleben.“

Man brachte die jungen Mädchen auch wohl in Frauenklöstern unter. Dort lernten sie von den Nonnen feine weibliche Arbeit und die Kenntniß alter Legenden, Gebete und biblische Geschichte. In literarischen Besitzstande der Frau fehlte nie das Psalterbuch. Als ausschließliches Fraueneigen (Gerade) erbte es auch weiter von Frau zu Frau.

Indeß blieb auch die weltliche Literatur der Frau keineswegs fern. Dicht neben Psalter und Gebetbuch lagen auf ihrem Putztische, hie und da wohl heimlich versteckt, Liederbüchlein, in denen sie mit zierlichem Stift die Lieder der Minnesänger eingezeichnet hatte, auch wohl größere Bände mit den lustigen und traurigen Geschichten der schönen Magellone, der Pfalzgräfin Genoveva, des Ritters Galmy und manch Anderer, denn während die streitbaren Männer jede gelehrte Beschäftigung als pfäffisch und unmännlich verachteten, sodaß selbst der große Dichter Wolfram von Eschenbach nach seinem eigenen Geständniß nicht lesen konnte, fand sie in dem mehr auf’s Innere gerichteten Gemüthe der Frau einen weit zugängigeren Boden. Mönche und Klostergeistliche, die damaligen Träger der Bildung, gaben den Frauen Unterricht im Lesen und Schreiben und sogar im Latein. Als dann im Laufe der Zeit das welsche Wesen immer größeren Einfluß gewann, drang auch, schon im vierzehnten Jahrhundert, die französische Sprache in’s deutsche Frauengemach. War sie doch vielfach die Dolmetscherin des höfisch feinen Anstands. Auch fahrende Sänger und Spielleute nahmen oft eine längere Einkehr im Hause und Schlosse, um den Frauen ihre Lieder und das Spiel der Harfe, der wälschen Fiedel und sechssaitigen Laute (Rotte) zu lehren. Die „Meisterin“ der Zucht aber unterwies das sittige Fräulein in den Regeln der „Moralität“, der Kunst der schönen Sitten, oder wie wir heute sagen würden der Anstandslehre. Ihr, der Mutter und den Mägden fiel daneben der hauptsächlichste Theil der Frauenweisheit zu, der Unterricht in der Führung des Hauswesens, im Spinnen, Nähen, Weben, Sticken und Schneidern, wovon wir später des Weitern berichten wollen.

Dagegen hielt sich die Frau trotz ihrer vielfach den Mann überragenden Kenntnisse fast ganz fern vom eigenen literarischen Schaffen. Unter all den zahlreichen Sängern der Minne befindet sich keine einzige Frau. Die Gandersheimer Nonne Roswitha, welche im neunten Jahrhundert lateinische Komödien schrieb, und eine Oesterreicherin, die unter Beihülfe ihrer Brüder das Leben Jesu in sehr trockener Weise bearbeitete, bestätigen in ihrer Vereinzelung nur die allgemeine, tief in der Sitte der Zeit und dem ganzen Wesen der Frau, das vor aller öffentlichen Schautragung scheu zurückbebte, begründete Regel. Um so größer und bestimmender war ihre Einwirkung auf das ganze dichterische Schaffen der Zeit. „Niemals,“ sagt Vilmar, „hat sich die Männerwelt inniger und tiefer in die Gedanken- und Gefühlswelt der Frauen eingelebt, niemals sich für alle poetischen Motive stärker von ihr inspiriren lassen, als in der Zeit des Minnesangs.“ Die Poesie trug ganz den Charakter des Frauenhaften an sich und in sich.

„O Frau, Du selten reicher Hort,
Daß ich zu Dir hie sprech’ aus meinem Munde!
Ich lob’ sie in des Himmels Pfort,
Ihr Lob zu End’ ich nimmer bringen kunnte.
Deß lob’ ich hier die Frauen zart mit Rechten,
Und wo im Land ich immer fahr’,
Muß stets mein Herz für holde Frauen fechten.“

So klingt die Weise Heinrich’s von Meißen, genannt „Frauenlob“.


6. Frauenschöne und Frauendienst.

Das Mittelalter, das idealenreiche, schuf sich auch ein Schönheitsideal der Frau. Zu ihm gehört zunächst blondes Haar, mit goldenem Schmelz und Schimmer um schneeweiße, feingeäderte Schläfen sich ringelnd. Die blonde Farbe des Haares nahm im Mittelalter ein so ausschließliches Schönheitsrecht in Anspruch, daß dunkelhaarige Frauen sich das Haar golden färbten. Gleicher Vorzug genoß die Bläue der Augen, aber noch mehr galt jener unbestimmte unklare Farbenwechsel, wie er „im Auge der Vögel sich zeigt“. Von der schönen Blankflos rühmt ihr Sänger, Conrad von Flecke, daß über ihre Augen, deren Gewalt keiner sich erwehren könne, mit aller Kunst gerade Brauen sich hinzögen, scharf und schmal wie Pinselstriche. Die Weiße der Haut verglich sich dem Schwan und der Schlehenblüthe. Durch dasselbe hindurch muß das Roth schimmern wie glühende Rosen. Aus dem schwellenden festgeschlossenen Munde blicken, wenn er sich zu Rede oder Lächeln öffnet, die weißen Zähne wie „Hermelin aus Scharlach“. Weiß wie Elfenbein, mit gerundetem Grübchen, glänzt das Kinn und „wie eine Ameise“, zierlich schlank ist die Taille. „Finger lang, gerad und glatt, Arme weiß gerundet fein –“ lautet weiter der allgemeine Schönheitsspruch. Die Füße aber sind schön, wenn sie neben ihrer Kleinheit und Schmalheit so gewölbt sind, daß „sich ein Vöglein drunter bergen kann“.

In der Blüthe des Mittelalters erweiterte sich die ideale Verehrung der Frau zu einem förmlichen geregelten Cultus, zu einer Art Frauendienst, der dem Verhältnisse des Lehnsherrn zum Vasallen entsprach. Seine besondere Ausbildung erlangte er in der Provence, dem Lande der Troubadoure; er wurde hier zum gefährlichen Spielzeuge für die südliche Gluth der Sinne. Nach Deutschland trug sich nur seine ideale Grundstimmung hinüber. In der That war es dort zumeist nur das Ideal der Frau, nicht eine lebendige Person, die der begeisterte Ritter und Sänger im Herzen trug und mit allen Wundern der Phantasie umgab. War die gefeierte Geliebte auch wirklich ein lebendes Wesen, so hatte der blöde Sänger sie doch nicht mit Augen geschaut. Er hatte nur gehört, daß auf einsamer Burg in ferner Grenzmark eine Frau lebe, reich an Schönheit und an Tugend – und aller Welt wie ihr selbst unbewußt, erkor er sie zu den bereits traumhaft in ihm schlummernden Ideale seines Herzens. Nie hat der deutsche Idealismus, von dem so viel die Rede geht, mächtigere Blüthen getrieben, als in jener Zeit der ritterlichen Minne.

Wurde die phantastisch genährte Sehnsucht dem Sänger zu stark, so machte er sich wohl auf den Weg nach der Burg, wo die Erkorene heimte. Unterwegs schon hatte er in allen Herbergen und Schlössern ihr Lob verkündet. Dann umschlich er unerkannt und geheim die Stätte ihres Waltens und sandte seine Lieder in stiller Nacht zu ihr hinauf, bis die Gefeierte heraustrat auf den mondbeschienenen Söller und ihm ein Zeichen der Erhörung oder auch die Lauge des Spottes herabschickte. [712] Ein wahrhaft rührendes Beispiel solch still genährter Liebessehnsucht ist der provençalische Troubadour Joufras Rudel, Prinz von Blaia, jener Rubello, dessen Schicksal Ludwig Uhland in seinen Romanzen von Sängerliebe besingt. Pilger aus dem Morgenlande hatten es ihm zugetragen, wie dort die Krone aller Frauen lebe, in der Gräfin von Tripolis. Zu ihr in Liebe entbrannt, zieht er als Kreuzfahrer nach dem gelobten Lande. Unterwegs fällt er in schweres Siechthum und kommt halb schon dem Tode verfallen, nur von der Sehnsucht noch am Leben erhalten in Tripolis an. Die Gräfin, der man die Kunde seiner rührenden Neigung vertraut, eilt an das Lager des Sterbenden und in ihren Armen haucht er die treue Seele aus, Gott preisend, daß er ihm noch vergönnt hat, die Ersehnte zu schauen.

Hatte der Ritter die Gunst der Herrin tatsächlich gewonnen, so trug er fortan ihre Farben, auch wohl ein besonderes von ihr erkorenes Wappenzeichen und die empfangenen Zeichen ihrer Geneigtheit, Ring, Gürtel, Haarband, Schleier oder Aermel, auf Schild, Lanze, Wams befestigt. Selbst ganze Gewänder fertigte die Frau mit eigner Hand für den Geliebten. Mit diesen Liebeszeichen zog er zum friedlichen Wettstreit des Turniers oder zu ernster Fehde. War der Aermel oder das Gewandstück, das er über der Rüstung trug, von Lanze und Schwert zerstochen und zerstückt, so brachte er es der darob froh entzückten Herrin zurück und sie trug es nun selbst als ihre schönsten Schmuck. („Parcival“ I, 14.)

Ziel und Gegenstand der Sängerliebe war oft genug eine bereits verheiratete Frau. Kam hier die Liebe bis zum Stadium der Erhörung – nach der provençalischen Liebeskunst ging ihm als erstes Stadium das schüchterne blöde Sehnen, als zweites das Geständniß vorher – so erhielt der ausharrende Sänger, im Beisein des Gatten der geliebten Frau, wohl das Zugeständniß eines Kusses und die Erlaubniß, ihre wirkliche oder vermeintliche Schönheit noch weiter in Liedern zu feiern, somit überhaupt das platonische Verhältniß fortzusetzen. Es war auf der Seite der Frau sowohl wie ihres Gatten ein gutes Stück Eitelkeit dabei im Spiele, besonders in dem Falle, wenn der Galan ein gefeierter Dichter war. Auch bestand wohl auf allen Seiten das Bewußtsein, daß das ganze absonderliche Bündniß nur ein äußerliches, in der Phantasie, nicht im Herzen begründetes war. Die Dichter mieden geflissentlich, den Namen der Geliebten in ihre Gesängen zu nennen. Die Geschichte des deutschen Minnelebens führt auch kein Beispiel einer ernsten Eifersucht auf, wie etwa jenes des Grafen Raimond von Roussillon, der seiner Gattin Margaride das gebratene Herz ihres Sängers und Buhlen Guillem de Cabestaing vorsetzte und damit diese selbst in den Tod trieb.

Auch der größte deutsche Minnesänger, Walther von der Vogelweide, der in seinen Liedern nicht blos von der Minne sang, sondern auch tapfer wider Rom für Kaiser und Reich stritt, hat ein solches minnigliches Verhältniß zu einer ritterliche Frau durchlebt, das so wenig zu seinem Ruhme endete, daß er die Liebe zu allem Weiblichen verschwor und fortan nur der Gottesminne lebte.

In der That vergalt die Frau nicht immer den Preis der Verehrung und des Lobes mit gleicher Münze. Ihre so sehr in’s Wachen gerufene Eitelkeit weckte auch die alte Evanatur auf. Verwöhnt und launisch gemacht, begann sie den treuen Ritter oft arg zu quälen und ihm allerlei mögliche und unmögliche Aufgaben aufzubürden, die den verheißenen Herzenslohn immer wieder in weite Fernen rückten. Da soll er, wie der Ritter und Minnesänger Tannhäuser, derselbe, dessen wildes Leben ihn zum Träger der Tannhäusersage gestempelt hat, parodirend singt, ihr den Rhein wenden, daß er nicht mehr nach Coblenz läuft, soll er dem Monde seinen Schein nehmen und von Galiläa den Berg ihr bringen auf dem Herr Adam saß.

Vielleicht ist in keinem ähnlichen Falle die Grenze zwischen dem Erhabenen und Lächerlichen enger gezogen gewesen als hier. Sie wurde zuletzt in der That auch überschritten. Zur Genüge ist beispielsweise der Lebenslauf jenes deutschen mittelalterlichen Don Quixote’s bekannt, des Ritters Ulrich von Lichtenstein, der aus liebender Verzückung das Waschwasser der Dame seines Herzens trank, um ihretwillen seine verwachsene Oberlippe wegschneiden ließ und ihr den abgeschnittenen Finger in einem reichverzierten Kästchen zuschickte, ohne in seiner verliebten Thorheit des Spottes inne zu werden, den sie beständig mit ihm trieb.