Der Dichter der „Heinzelmännchen“

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Titel: Der Dichter der „Heinzelmännchen“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 354, 355
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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August Kopisch.
Nach einer Zeichnung von Wilhelm Hensel.

Der Dichter der „Heinzelmännchen“. (Mit Bildnis.) Als 1848 die Sturmflut der nationalen Freiheitsbewegung ihre höchsten Wellen schlug, ließ August Kopisch in Berlin einen Band Gedichte erscheinen, der den Titel „Allerlei Geister“ trug. Die hier beschworenen Geister waren aber keine Sturmgeister, wie sie um die gleiche Zeit Freiligraths Poesie entfesselte, die Gedichte Kopischs behandelten die Sagen von den kleinen Elementargeistern, Zwergen und Kobolden, die nach dem Volksglauben in früherer Zeit den Menschen hilfreich waren oder auch, je nach Verdienst, sie neckten und irreführten. Mit naivem Humor und lebensvoller Anschaulichkeit war darin das Treiben der kleinen Erdgeister geschildert; am köstlichsten in dem seither weltbekannt gewordenen Gedicht „Die Heinzelmännchen“, das mit dem Seufzer schließt:

„Ach, daß es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!“

Dieser Seufzer ist bezeichnend für die fröhlich beschauliche Grundstimmung des Dichters, der vor hundert Jahren am 26. Mai in Breslau zur Welt kam. Kopischs Dichtergemüt hielt sich abgewandt von den politischen Stürmen, die seine Zeit bewegten; es bedurfte des Sonnenscheins heiteren Glückes, um sich zu entfalten, aber das Lebensbehagen war ihm da am anziehendsten, wo es zugleich auch echt volkstümlich war.

In sorgenlosen Verhältnissen aufwachsend, in seinen künstlerischen Neigungen von der Familie gefördert, bezog er in seinem sechzehnten Jahre die Akademie zu Dresden, um Maler zu werden. Bereits hier, noch mehr in Prag und Wien, wo der Jüngling seine Studien als Maler fortsetzte, regte sich aber in ihm die „Lust zu fabulieren“ gar mächtig, und als ihn das Unglück traf, sich durch einen Sturz auf dem Eise die rechte Hand schwer zu verletzen, was ihn am Zeichnen und Malen behinderte, fand er Trost in der Pflege seiner poetischen Neigungen. Eine Reise nach Italien, die er 1822 antrat, sollte seiner Hand Heilung bringen; doch verschlimmerte sich nur sein Leiden, als er in Rom wieder zum Pinsel griff. Das Studium des damals noch so überaus urwüchsigen und malerischen italienischen Volkslebens bot ihm Ersatz. Ein mehrjähriger Aufenthalt in Neapel machte ihn mit demselben aufs innigste vertraut. Im Umgange mit Donizetti, im täglichen freundschaftlichen Verkehr mit dem Lustspieldichter Camerano, dem besten Kenner des süditalienischen Wesens, ging er selbst völlig in dem dortigen Volksleben auf. Seine farbenfrische Novelle „Ein Karnevalsfest auf Ischia“, seine Sammlung italienischer Volkspoesien „Agrumi“, wie gar manches eigene Gedicht spiegeln diese Vertrautheit wider. Der Verkehr mit dem Dichter August von Platen, welcher gleichfalls in Neapel lebte, war von geringerem Einfluß auf seine poetische Art. Mit dem aus Heidelberg stammenden Landschaftsmaler Ernst Fries wohnte er 1826 längere Zeit auf der Insel Capri, die sonst noch wenig von [355] Fremden besucht war. Von ihrem Wirt, Don Giuseppe Pagano, erfuhren sie, daß sich in einem felsigen Abhang des nördlichen Ufers der niedrige Eingang zu einer Höhle befinde, die übel berufen sei, so daß sich niemand hineinwage. Kopisch beredete seinen Freund und den Wirt, sich mit ihm dorthin rudern zu lassen, und drang dann schwimmend in die Grotte ein, gefolgt von den andern. So entdeckte er die seitdem vielbewunderte Grotte, die er nach dem zauberhaften blauen Schimmer, der Luft und Wasser in ihr durchleuchtet, die „blaue Grotte“, „la grotta azurra“ nannte. Erfüllt von dem Geschauten, schrieb er nach der Rückkehr in Paganos Fremdenbuch eine Schilderung der Entdeckung, die bald in der Welt von sich reden machte.

Ein Besuch des kunstsinnigen preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm in Neapel wurde dann für Kopischs weiteres Leben entscheidend. Der Dichter, der inzwischen selber eine populäre Persönlichkeit Neapels geworden war, den als solche unter dem Namen „Don Augusto Prussiano“ sein Freund Camerano auf die Bühne gebracht hatte, erhielt den Auftrag, zu Ehren des fürstlichen Gastes ein großes Fest zu arrangieren. Den Mittelpunkt desselben bildete ein Volkslustspiel, wozu Kopisch mit Camerano zusammen ein Vorspiel in neapolitanischem Dialekt schrieb, in welchem der Pulcinell deutsch sprach. Die ausgezeichnete Wirkung dieser Improvisation veranlaßte den Kronprinzen, den Dichter nach Berlin in seine Umgebung zu ziehen. Noch vor der Thronbesteigung betraute ihn Friedrich Wilhelm IV mit der Aufgabe, ein Werk über die Schlösser und Gärten bei Potsdam zu schreiben. In diese Stadt siedelte Kopisch dann über.

Er starb am 6. Februar 1853 ganz plötzlich, im zweiten Jahre seiner mit Marie von Sellin geschlossenen glücklichen Ehe.

Das daseinsfrohe, echt schlesische Naturell des Dichters, das sich im Freundeskreise beim Wein durch allerlei gesellige Talente hervorthat, spiegelt sich am anziehendsten in jenen schwankartigen volkstümlichen Gedichten wider, zu denen „Die Heinzelmännchen“ gehören, sowie in seinen humoristischen Trinkliedern. Von diesen erfreut sich ganz besonderer Beliebtheit jene Historie vom Noah, dem nach der Sündflut das Wasser gar nicht mehr schmecken will, „dieweil darin ersäufet sind all’ sündhaft Vieh und Menschenkind“, worauf ihm Gott der Herr aus dem Paradies einen Weinstock stiftet. Die erste Sammlung seiner „Gedichte“ erschien 1836; seine „Gesammelten Werke“ gab 1856 Karl Bötticher heraus.