Das Zellengefängniß der jugendlichen Verbrecher in Paris

Textdaten
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Autor: Gustav Rasch
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Titel: Das Zellengefängniß der jugendlichen Verbrecher in Paris
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 472–473
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Das Zellengefängniß der jugendlichen Verbrecher in Paris.

In Frankreich und England ist die Periode des Isolirsystems entweder schon vorüber, oder man hat, wo die Isolirhaft noch verhängt wird, doch eingesehen, daß sie nur auf eine ganz kurze Zeit und nur zu dem Zwecke angewendet werden darf, um den Charakter des Verbrechers und die Art und Weise, wie in seiner moralischen Besserung vorgegangen werden muß, kennen zu lernen. Weder in La Roquette, wo, wie wir neulich (Gartenlaube Nr. 1, Jahrgang 1864) sahen, die Bagnosträflinge bis zu ihrer Deportation und die zum Tode Verurtheilten bis zu ihrer Hinrichtung detinirt werden, noch in Mazas, welches ebenfalls ein Detentionshaus für Untersuchungsgefangene und für Sträflinge bis zu ihrer Abführung geworden ist, noch in St. Pelagie und in den Madelonettes, zwei Strafhäusern, noch in St. Lazare, einem Besserungshause, weder in den Gefängnissen der Conciergerie, noch in denen der Polizeipräfectur fand ich bei der Behandlung und Besserung der Gefangenen die Isolirhaft mit ihrer Einsamkeit und mit ihrem Schweigen. Um so mehr war ich daher erstaunt, auf meinen Wanderungen durch die Gefängnisse von Paris noch einem Kerker zu begegnen, wo mir die Isolirhaft in ihrer ganzen schroffen Strenge und Härte entgegentrat. Es ist das Gefängniß der jugendlichen Verbrecher, „la prison des jeunes détenus“, wie es in der amtlichen Sprache heißt, welches ich meine. Das Gefängniß der jugendlichen Verbrecher liegt in der Straße de la Roquette, dem Gefängniß der Deportirten und der zum Tode Verurtheilten gerade gegenüber. Schon seine äußere Gestalt machte mir wenig Hoffnung, in seinen innern Räumen das System der Milde und der Besserung zu finden, welches sonst in allen Pariser Gefängnissen bei der Behandlung der Gefangenen maßgebend ist.

Eine hohe Mauer umgab den ganzen Raum, auf dem das Gefängniß erbaut ist, und über derselben ragten die Giebel eines großen, fächerartig aufgeführten Gebäudes empor. Der innere Hof, den ich durch das gefängnißartige Eingangsthor betrat, hatte ein nichts weniger als düsteres Aussehen. Das Quergebäude, welches seine Breitseite einnahm, zeigte einen fast bürgerlichen Anstrich. Aber es war das Haus, in dem sich die Bureaux und die Registraturen befinden und wo die Beamten des Gefängnisses wohnen. Der Kerker selbst erhebt sich hinter diesem Hause. Als der Greffier das Papier geprüft halte, welches mich zu der Besichtigung des Gefängnisses ermächtigte, übergab er mich einem von den Aufsehern mit dem Auftrage, mich in allen Räumen desselben umherzuführen, mir die Einzelzellen zu zeigen und mich von der Behandlungsweise der Gefangenen genau zu unterrichten. Der Aufseher war ein Mann in den Fünfzigen, der bereits viele Jahre seinem traurigen Posten vorstehen mochte. Seine Züge trugen den Stempel jener Gleichgültigkeit und Herzenshärte, welche die Folge einer so langen, traurigen Beschäftigung sein müssen. Das Gefängniß gehört nicht zu den neueren Pariser Gefängnissen. Es ist schon unter der Regierung Karl’s des Zehnten erbaut worden.

Wir traten nun eine Wanderung an, welche ich zu den düstersten rechne, die ich in Paris in die Wohnstätten der Verbrecher und der Elenden gemacht habe. Es waren das Verbrechen und die moralische Verkommenheit der frühesten Jugend, welche in den verschiedensten Bildern an mir vorüberzogen. Das Gefängniß der jugendlichen Verbrecher in Paris nimmt nur Knaben und Jünglinge auf, welche das zwanzigste Jahr noch nicht erreicht haben und nicht unter sechs Jahren sind. Entweder das Verbrechen führt sie hinein, oder der Wille ihrer Eltern oder Vormünder, welche hoffen, von einer kürzern oder längern Haft ihre Besserung zu erzielen. Die Bestimmungen des Code pénal (des Strafgesetzbuches) geben in Frankreich dem Vater oder dem Vormunde das Recht, ein Kind auf einige Zeit in ein Besserungshaus zu bringen, wenn dasselbe sich der Erziehung und dem Willen seiner Eltern durchaus nicht fügen will. Es ist zu einer solchen Maßregel nur der Beschluß des Tribunalspräsidenten nothwendig, in dessen Gerichtsbezirk die Eltern des Kindes domicilirt sind. Für junge Mädchen dient als solches Besserungshaus Saint Lazare, für Knaben unsere prison des jeunes détenus. Länger als bis zum zwanzigsten Jahre bleibt Niemand im Gefängnisse der jungen Verbrecher. Der Knabe, welcher auf Veranlassung seiner Eltern hierher gebracht ist, geht dann in das Haus der Eltern zurück; der Verbrecher, dessen Urtheil auf eine längere Zeit lautet, wird in das Centralzuchthaus des Departements gebracht.

Ich sah auf meiner Wanderung durch die sechs Flügel des Gefängnisses Knaben auf allen Altersstufen, Kinder von sieben, acht, neun Jahren und junge Burschen von vierzehn bis zwanzig. Am Tage, wo ich das Haus besuchte, befanden sich darin nicht weniger als 600 Knaben und Jünglinge. Das ganze Gefängniß ist durchgehends nach dem Zellensystem eingerichtet. Sämmtliche sechs Flügel vereinigten sich sternförmig in einem Thurme, welcher für die Besuche der Eltern, Freunde oder Verwandten sehr sinnreich in der Weise eingerichtet ist, daß ein Beamter, welcher in der Mitte dieses Thurmes auf einem erhöhten Aussichtspunkte steht, sämmtliche Besucher sowie die Kinder, welche die Besuche empfangen, auf einmal übersehen und beaufsichtigen kann. Die Kinder und die Personen, welche sie besuchen, sind von einander durch einen mehrere Fuß breiten Raum getrennt, den sie nicht überschreiten können, da er von beiden Seiten von zwei einander gegenüberstehenden Barrieren eingehegt wird. Sich gegenseitig die Hand zu reichen, ist ebensowenig möglich wie irgend eine andere Berührung.

Es ist eine raffinirte Grausamkeit, in solcher Weise dem Unglücklichen, der sich fortwährend in einsamer Haft befindet, selbst die Momente des Besuchs eines Freundes oder Verwandten zu verderben. In der Einsamkeit und in dem Schweigen der Isolirzelle bildet ein solcher Besuch einen lichten und erregenden Moment, nach dem der Gefangene sich lange sehnt und dessen Erinnerung ihm Wochen lang theuer bleibt, wie ein Gedenkblatt der Liebe und der Freundschaft. Und hat eine solche Maßregel einen Zweck? Gar keinen, denn Niemand wird doch behaupten wollen, daß in den wenigen Minuten, welche ein solcher Besuch dauert, das Gemüth des Verbrechers demoralisirt werden kann, abgesehen davon, daß der Person, welche denselben im Gefängnisse besucht, eine solche Absicht gänzlich fern liegt. Diese Einrichtung des Besuchsthurmes im Hause der jungen Verbrecher gehört zu jenen tollen Ausschreitungen, zu denen die Isolirhaft in Europa gelangt ist.

Mein Begleiter war anderer Meinung. Er that sich auf die sinnreiche Einrichtung seines Besuchsthurmes ordentlich etwas zu Gute, sagte mir, daß es in Paris keinen ähnlichen Thurm gebe, und ich mußte mich durchaus auf die Tribüne des Aufsehers stellen, um diese sinnreiche Einrichtung auch selbst mit einem umfassenden Blick zu überschauen. Er machte mich dabei darauf aufmerksam, daß ich mich auf dem Punkte, auf dem ich stand, gerade in der Mitte des Gefängnisses befände. Vergebens suchte ich ihn von der raffinirten Grausamkeit und von der nutzlosen Härte der ganzen Maßregel zu überzeugen. Er blieb bei seiner Meinung. Sein Herz war in seiner langen Kerkermeisterlaufbahn hart wie ein Stein geworden, und sein Kopf hatte über das, was er in dieser Zeit im Gefängniß gesehen, wohl niemals nachgedacht.

Verdrießlich fuhr ich ihn, als alle meine Gründe ihn nicht überzeugen konnten, an: „Waren Sie je im Gefängniß? Gewiß nicht, sonst würden Sie die Qual einer langen, einsamen Haft kennen!“

Da sah der Mann mich erstaunt an. „Ich im Gefängniß?“ rief er, „niemals, denn ich habe niemals ein Verbrechen begangen.“

„Aber Sie können auch für ein sogenanntes politisches Verbrechen in’s Gefängniß kommen!“

„Herr,“ sagte er, „ich bin ein guter Unterthan und befolge die Gesetze, welche die Regierung, der ich diene, vorschreibt.“

Da hatte ich die Erklärung, weshalb meinem Begleiter sein Gefängniß gefiel. Er war aus einem denkenden und fühlenden Wesen eben eine Maschine geworden. Wozu weiter mit ihm reden? Eine Maschine hört nicht und antwortet nicht; sie bewegt sich, wie die Kraft will, welche sie sich bewegen und still stehen läßt. „Sprechen wir nicht mehr davon,“ sagte ich; „weiter!“

Die sechs Flügel der Gefängnisse hängen mit dem Thurme durch sechs fliegende Brücken zusammen, oder eigentlich durch achtzehn, denn jeder Flügel hat drei Stockwerke und jedes Stockwerk ist mit dem Thurme durch eine ähnliche fliegende Brücke verbunden. Jeder Flügel besteht aus einer Anzahl kleiner Zellen je von [473] der Länge von sechs und der Breite von drei Schritt, welche, zu beiden Seiten des Gebäudes belegen, durch einen zwischen ihnen durchlaufenden Gang getrennt sind. Jede Zelle war das Gefängniß eines Knaben, in welchem er sich außer den Freistunden, die er, ebenfalls allein, in einem von den Höfen, welche die Flügel des Gebäudes von einander scheiden, zubringen durfte, Tag und Nacht aufhielt. In diesem traurigen, einsamen Gefängnisse arbeitete, las, schrieb, lernte, aß, trank und schlief er, zu fortwährendem Schweigen verurtheilt. Die einzige Unterbrechung, welche in diesem raffinirten System des Schweigens und der Einsamkeit täglich eintritt, besteht in den Unterrichtsstunden, welche ihm von seinem Lehrer, ebenfalls in der Isolirzelle, ertheilt werden, oder in den wenigen Worten, welche der Wärter mit ihm wechselt, der ihm das Frühstück oder das Mittagsessen bringt. Für den Knaben, welcher ein Handwerk im Gefängnisse erlernt, tritt in dieser schweigenden, einsamen Existenz noch die Abwechselung hinzu, welche die Erlernung oder der Betrieb des Handwerkes nothwendig macht. Der Leser sieht, es war das Zellensystem in seiner schärfsten Anwendung. Sogar die Abwechselung und die Unterbrechung, welche ein gemeinsamer Schulunterricht mit sich bringt, fehlt in diesem entsetzlichen Gefängnisse, in diesem steinernen Grabe voller Einsamkeit und Schweigen.

Das Zellengefängniß für junge Verbrecher soll als Besserungs- und als Durchgangshaus für andere Gefängnisse oder für die Freilassung dienen. In seiner jetzigen Gestalt würde es seinen Zweck nicht einmal erfüllen können, wenn seine Bewohner erwachsene Leute wären. Es handelt sich nicht allein darum, die moralische Ansteckung unter den Gefangenen zu verhindern, sondern auch durch Zuspruch, Unterricht, Thätigkeit und liebevolle Behandlung ihre Seele wieder aufzurichten und sie aus dem Sumpf moralischer Verkommenheit zu einem anderen Leben emporzuheben. Der erste Zweck wird allerdings hier erreicht. Ein Kind kann Jahre lang in seiner Zelle zubringen, ohne das Kind, welches sich in der benachbarten Zelle befindet, jemals zu erblicken, geschweige denn mit ihm ein Wort zu wechseln. Selbst in den Spiel- und in den Unterrichtsstunden ist hier keine Annäherung möglich, weil auch diese Stunden nicht gemeinschaftlich, sondern einsam zugebracht werden. Ich sah aus dem Fenster eines Ganges auf den Hof. Er bildete eine Sandfläche ohne allen Blumen- oder Blätterschmuck. Die grauen Mauern auf dem grauen Sande gaben ein entsetzlich eintöniges Bild, in welches einzig und allein die Sonnenstrahlen und die langen Mauerschatten etwas Abwechselung brachten. Auf der grauen Sandfläche spielte ein zehnjähriges Kind einsam und allein mit dem Reifen, den es mittelst eines Stockes im Kreise umherjagte. Der sich drehende Reif und das laufende Kind bildeten das einzige sich bewegende Element in dieser wüsten Oede. Dann schien das Kind vom Laufen ermüdet, Reif und Stock lagen im Sande, das Kind lehnte sich an die Mauer, sein Auge blickte im Hofe umher und suchte vergebens eine Beschäftigung, welche es nirgends fand. Traurig schlich es dahin, um nach einiger Zeit den Reif wieder aufzunehmen und sein monotones Spiel von Neuem zu beginnen: Muß, in dieser Weise zugebracht, die Spielstunde nicht zu einer Stunde der Qual und der Langeweile werden? Die Einsamkeit des Erwachsenen beleben die Bilder der Erinnerung aus dem vergangenen Leben; die Einsamkeit des Kindes wird zur geistlosen Träumerei, welche die Kraft der Seele abstumpft und ihre geistigen Schwingen lähmt. Schließlich verliert das Kind die Lust sich zu bewegen, da es nicht weiß, worauf es die Bewegung richten soll, und so geht selbst der Nutzen, den die körperliche Bewegung für die Glieder haben könnte, verloren. Das gesellige Zusammensein ist aber ein für das geistige Leben des Kindes durchaus nothwendiges Element. Die Kinder, welche ich entweder mit einer Handarbeit oder mit Schreiben und Lesen beschäftigt in den Zellen sah, schienen alle geistige Frische eingebüßt zu haben. Theilnahmlos und gleichgültig antworteten sie auf meine Fragen. Auch ihre Gesichtsfarbe entbehrte der körperlichen Frische der Jugend. Wie vermag die Seele sittlich, groß, rein und edel zu werden in dieser düstern Einsamkeit, und ist das Gesicht nicht der Spiegel der Seele? Unbegreiflich, daß sich die Gedanken eines Menschen, der die Seele eines Mitmenschen bessern und sittlich veredeln will, zu einer solchen Behandlungsweise moralisch verderbter Kinder verirren können. Nur der Geist eines „Bruders aus dem Rauhen Hause“ kann auf derartige Abwege gerathen, oder das Gemüth eines Kerkermeisters, welches in seinem langjährigen Beruf hart und empfindungslos geworden ist, wie der Stein seiner Gefängnißmauern. Nochmals klopfte ich bei dem Herzen meines Begleiters an. Es gab keine Antwort. Der Mann fand alle Einrichtungen seines entsetzlichen Gefängnisses vortrefflich, wie er die zellenartige Einrichtung des Besuchthurmes vortrefflich gefunden hatte. Mit einem Gefühle innerer Zufriedenheit beschrieb er mir den Einschachtelungsplan des Unterrichts und der Behandlungsweise der Kinder in seinem Gefängnisse, wie die einzelnen Gänge in verschiedene Abtheilungen gesondert und jede Abtheilung ihren besondern Lehrer und ihre besondern Aufseher habe, wie selbst die Erholungsstunden der Knaben so künstlich vertheilt und in die Zeit des Tages eingeschachtelt seien, daß niemals ein Knabe mit dem andern in den Spazierstunden und Spielstunden zusammentreffen könne.

Allen meinen Einwendungen begegnete er mit der stereotypen Redeweise, daß diese Härte und Abgeschlossenheit in der Behandlung für so verdorbene und verbrecherische Jungen gerade am Platze seien, um den störrischen Sinn zu beugen und auf andere Wege zu bringen. Ich ließ mir noch einige Zellen öffnen. Ueberall derselbe in gleicher Weise ausgestattete Raum, ein Tisch, ein Stuhl, das Waschgeschirr, Bücher, Schreibmaterial, Handwerksgeräth, die Matratze an der Wand hinaufgeschlagen, die vergitterten Fenster in der obern Hälfte der Wände, dieselben freudelosen und gleichgültigen Gesichter von Knaben in allen Altersclassen. Traurig über Alles, was ich gesehen, verlangte ich zu dem Greffier zurückgeführt zu werden, um meine Vollmacht zur Besichtigung der Pariser Gefängnisse wieder in Empfang zu nehmen.

„Nun, wie hat es Ihnen bei uns gefallen?“ fragte mich der Greffier, als ich wieder in seinem Zimmer stand und er mir das Papier, mit seiner Unterschrift versehen, zurückgab, „sind Sie zufrieden?“

„Zufrieden?“ wiederholte ich entrüstet, „ist das Scherz oder Ernst? wie kann ich mit einem solchem System zufrieden sein? Ich finde das Behandlungssystem in Ihrem Gefängniß miserabel und für die Zwecke, welche Sie erreichen wollen, vollständig unpraktisch.“

Da fuhr der Mann von seinem Stuhl auf. „Miserabel und vollständig unpraktisch?“ rief er. „Da haben Sie Recht, ich bin vollständig mit Ihnen einverstanden. Das System ist gar nicht zu verantworten.“

„Aber weshalb ändern Sie es denn nicht?“ fragte ich ganz erstaunt über diese Antwort.

„Das will ich Ihnen sagen,“ rief der Greffier mit echt französischer Lebhaftigkeit. „Es war vor uns, vor der jetzigen Direktion, ein Director hier, ein harter, unpraktischer Mann, dem die Theorie der amerikanischen Systeme zu Kopfe gestiegen war; dieser Mann hat die Einrichtungen, welche Sie leider noch heute vorgefunden haben, sämmtlich eingeführt. Wir geben uns jetzt alle mögliche Mühe, die uns vorgesetzten Behörden von der Nothwendigkeit der Abschaffung des jetzigen Systems zu überzeugen. Man hat im Ministerium wohl noch keine Zeit gehabt, sich darum zu bekümmern. Aber es soll und wird ein Ende haben, seien Sie dessen versichert. Verdüstert im Gemüth, mit hartem Herzen, zuweilen geschwächt an Geist und Körper verlassen die Knaben das Gefängniß. Man findet auch kein zweites Gefängniß in Paris wie das unsrige. Aber es wird und soll damit ein Ende haben.“

Herzlich drückte ich dem wackern Manne die Hand, als ich ihn verließ. Möchten seine Worte von allen jenen Zuchthausverwaltern gehört und beherzigt werden, welche in deutschen Strafhäufern längst abgethane Theorieen amerikanischer Isolirsysteme mit zäher Consequenz zur Geltung zu bringen suchen! Aber ich fürchte, mein Wunsch wird sobald noch nicht in Erfüllung gehen.
R.