Das Prinzliche Grundstück an der Zinzendorfstraße

Meißner Weinhandel 1583 Das Prinzliche Grundstück an der Zinzendorfstraße (1894) von Georg Beutel
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Ein Bildniß Canalettos
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Das Prinzliche Grundstück an der
Zinzendorfstraße.
Mit Zugrundlegung eines handschriftlichen Aufsatzes
des † Oberhofmeisters A. von Minckwitz[1]
von Dr. Georg Beutel.


Im Beginn des 16. Jahrhunderts war der vorstädtische Anbau um Dresden noch sehr spärlich. Die Pirnaische Gasse, damals noch ganz außerhalb der Mauern, ging wenig über die Ausdehnung der heutigen Landhausstraße hinaus. Jm Jahre 1486 betrug die Zahl der auf der Pirnaischen Gasse angesessenen geschoßpflichtigen Grundstücksbesitzer 35. Am rechten Ufer der Kaitzbach längs der Bürgerwiese und des Jüdenteichs – damals nannte man’s „auf der Katzbach“ – gab es 5 bebaute Grundstücke. Die damalige Borngasse, zu der auch die heutige Carusstraße gehörte, hatte 13. Die Feldfluren erstreckten sich vom rechten Ufer der Kaitzbach bis an die Zäune der Grundstücke an der Borngasse und bis vor die Pirnaische Gasse. – Der größte Theil dieser südöstlichen Gefilde vor der Stadt befand sich zu jener Zeit auf Grund frommer Stiftungen im Besitz der Kirche, insonderheit des Kreuzkirchenaltars Omnium Sanctorum. Eine Urkunde vom 14. Juli 1501, die den Umfang des Gerichtsbezirks der Stadt Dresden abgrenzt, giebt das Gefilde des Altars Aller Heiligen als gegenüber der alten Katzbach liegend an. Die Ausdehnung des umfangreichen Grundbesitzes der Altarstiftung, sowie die Höhe der darauf ruhenden Zinsen und Gefälle ergiebt sich aus den Rechnungen und Registern des seit der Reformation mit der Verwaltung der früheren geistlichen Lehen betrauten städtischen Religionamts. Im Reformationsjahre 1539 wurden nämlich aus dem Besitz der erledigten geistlichen Lehen auch 35 Parzellen von dem Grund und Boden des Altars Omnium Sanctorum mit veräußert, die zur Anlage von Häusern und Gärten längs der Südseite der seit 1528 angelegten Neuen oder Langen Gasse – auch Neue Sorge genannt – dienten. Wir beobachten hier also, daß zur Förderung des vorstädtischen Anbaues ehemalige geistliche Grundstücke verkauft wurden; dasselbe läßt sich übrigens auch für andere Stadttheile urkundlich nachweisen. Jene 35 Parzellen, ursprünglich von gleichem Umfange, mit einer Frontlänge von insgesammt 880 Ellen, mußten, abgesehen von der Kaufsumme, jährliche Erbzinsen von je 4 Groschen an das Religionamt entrichten, die in den Rechnungen desselben mit der Gesammtsumme von 2 Schock 20 Groschen eingetragen sind.

Durch Verschmelzung mehrerer solcher Theilstücke entstand in der Ecke der Langen und der Pirnaischen Gasse ein größeres Grundstück, das später unter dem Namen „der Taube’sche Garten“ bekannt geworden ist. Die erste Anlage des Gartens mag bereits in der ersten Zeit nach der Veräußerung des Altarbesitzthums erfolgt sein: vielleicht durch den ersten Besitzer Nickel Preuß, Hofschneider des Kurfürsten Moritz. Ihm folgte im [154] Besitz Joachim von der Heide: sein Grundstück umfaßte 5 solcher Theilstücke und hatte 20 Groschen Erbzins ans Religionamt abzuführen. Der nächste Besitzer, seit 1574 Jorge Rappolt, kurfürstlicher Kornschösser, vergrößerte den Garten durch Ankauf von zwei weiteren Parzellen. An der Hand des davon zu entrichtenden Erbzinses von 1 Gulden 7 Groschen als des siebenfachen Betrages einer Parzelle, der in den Rechnungen des Religionamts immer nur an dieser Stelle wiederkehrt, läßt sich die Geschichte des Gartens mit Zuverlässigkeit weiter verfolgen. Auch das Längenmaß der an der Langen Gasse sich hinziehenden Gartenseite vermittelt uns die Gewißheit der Identität: jede der genannten 35 Parzellen hatte bei dem Gesammtmaß von 880 Ellen eine Frontlänge von 251/7 Ellen, 7 also 176 Ellen – und das ist auch das Maß des späteren Taube’schen Gartens. – Seit 1581 ist Eigenthümer dieses Gartens der kurfürstliche Kammermeister Hans Harrer[2]. Derselbe besaß zuvor bereits in der Pirnaischen Gasse ein Haus, das zu dem Altar Aller Heiligen in keiner Beziehung stand: der darauf ruhende Erbzins war vielmehr ins städtische Zinsamt abzuführen. Fortan blieb dieses Haus mit dem Garten in einer Hand vereinigt: es mag wohl an der Stelle gestanden haben, wo noch in unseren Tagen das unter dem Namen „Zinzendorffs“ bekannte Gebäude sich befand. – Nach Harrers Tod behielten das Grundstück zunächst seine Erben bis 1623. Dann trat eine Zeitlang ziemlich rascher Besitzwechsel ein. Bis 1630 besaß es der aus einem Freiberger Patriziergeschlechte stammende Valentin Trainer, bis 1641 der Oberst Hans Rudolf von Bindauff. Seitdem trat das aus Livland stammende Geschlecht der Taube in den Besitz des Grundstücks ein. Im Beginn des 17. Jahrhunderts hatten sich mehrere Mitglieder dieses Geschlechts aus ihrer alten Heimat nach Sachsen gewendet, erwarben hier bedeutenden Grundbesitz und bekleideten am Hofe Johann Georgs I. angesehene Stellungen. Heinrich Taube zu Reichstädt, Nöthnitz, Berreuth, Püchau etc., geb. 1592, war Oberhofmarschall und Oberkämmerer Johann Georgs I. Von seinen beiden Töchtern vermählte sich die ältere, Marie Luitgard, mit ihrem Vetter, dem Obersten Claus Taube, Stadtkommandanten zu Dresden und Hauptmann der Aemter Chemnitz und Augustusburg. Der Oberst ist seit 1641 im Besitz des von da ab nach ihm benannten Grundstücks. Er schenkte den Garten seiner Gemahlin: die Steuerbefreiung, die diese dafür erlangte, ist am 12. Februar 1646 ausgefertigt. Nach dem 1654 erfolgten Tode ihres Gatten heirathete Marie Luitgard im Jahre 1656 Herrn Christof Vitzthum von Eckstädt zu Wölkau. Den Garten aber hatte vorher ihr Vater von ihr erkauft und seiner Gattin, einer geborenen Clara Schütz aus Orlamünde, zum Geschenk gemacht. Von ihr erbte den Garten die jüngere Tochter Dorothee Sibylle; diese war zweimal vermählt gewesen, mit dem Oberküchenmeister und Oberschenk Rudolf von Bünau und mit dem kurprinzlichen Oberkämmerer Sebastian Hildebrand von Metzsch. 1668 ging sie eine dritte Ehe ein mit den Landkammerrath Christian Albrecht von Kromsdorff. Von ihm her trägt das Grundstück nun auch die Bezeichnung „Kromsdorff’scher Garten“. Nachdem seine Gemahlin im Oktober 1681 gestorben war, veräußerte er den Garten 1682 an den Kurfürsten; er selbst starb als der Letzte seines Geschlechts im Oktober 1684.

Zu dem Garten, wie ihn die Taube und Kromsdorff besessen haben, gehörten auch Felder, die unter der Bezeichnung Tannenbergs, Nicol Palitzschens und Georg Hoffmanns Aecker erwähnt werden. – Ueber die Gebäude, die sicher schon in dem Grundstück standen, ist Näheres, als was wir aus späterer Zeit über solche erfahren, nicht bekannt. – Daß ein Bierschank darauf ausgeübt wurde, ist aus einem späteren Kaufvertrag ersichtlich.

Johann Georg III. erwarb zugleich mit dem Taube-Kromsdorff’schen Garten auch den benachbarten Rechenberg’schen. Der Kammerjunker Johann Georg von Rechenberg hatte auf dem Gebiet südlich vom Taube’schen Garten am 10. April 1639 von Clara Catharina von Schwalbach, geb. Schütz von Holzhausen, der Wittwe des Generalfeldzeugmeisters und Obersten Melchior von Schwalbach, für 1200 Thaler einen Garten mit Gebäuden gekauft, der vorher bis 1636 der Frau Elisabeth Hersan von Harras, geb. von Haugwitz gehörte. Rechenberg erweiterte in den Jahren 1651–1658 durch verschiedene Ankäufe von Gärten und Feldern diesen Garten sehr beträchtlich; insbesondere hätte er gern den anstoßenden Wildeck’schen Garten dazu gehabt; diesen hatte der kurfürstliche Buchführer Christian Wildeck 1607 für 2260 Gulden zusammengekauft und dann ein neues Gebäude für 900 Gulden darin errichtet. Der jetzige Besitzer, der Enkel des ersten, Christian Friedrich Wildeck, Kandidat der Rechte, wollte den ganzen Garten nicht abtreten, sondern verkaufte 1656 nur den zunächst an den Rechenberg’schen Garten stoßenden Theil für 600 Gulden. Johann Georg II. gab Anfang 1657 Befehl, Herrn von Rechenberg aus Anlaß dieser Kaufsache 3000 Thaler auszuzahlen. Der Garten erstreckte sich nach allen diesen Ankäufen bis nahe an die Kaitzbach heran und gewann die Gestalt eines länglichen Vierecks, weshalb er auch oft schlechthin als der „Lange Garten“ bezeichnet wurde. Es war ein ansehnliches Lusthaus [155] darin, bestehend aus einer offenen Säulenhalle und einem aufgesetzten Stockwerk mit acht eng zusammenstehenden Fenstern, darüber ein dreigiebeliges Dach und zu beiden Seiten je ein Thurm, die nur wenig über das Ganze herausragten. Ein Gastmahl, das der Freiherr dem Kurfürsten und dem Kurprinzen am 24. Juni 1653 darin gab, veranlaßte eine Abbildung des Gebäudes, gestochen von Joh. Casp. Höckner[3]. Darunter stehen folgende Verse, die mit E. Geller[4] unterzeichnet sind:

„Was mag Phäacien Alcinos Garten führen
Bis an die Sternenburg? hier kann er nicht bestehn.
Des Herrn von Rechenbergs ist höher zu erhöhn,
Weil ihn Kursachsen selbst und dessen Helden zieren.“

In dem erweiterten Garten wurde auch ein Kanal angelegt, der ebensowohl dem praktischen Zweck der Bewässerung wie dem Vergnügen gedient haben mag. Zugleich besaß Rechenberg ein Haus und Vorwerk auf der Pirnaischen Gasse, wo sich auch der Eingang zum ganzen Grundstück befand. – Johann Georg von Rechenberg war 1610 auf dem väterlichen Gute Cunnersdorf bei Görlitz geboren und kam schon in den ersten Jünglingsjahren als Page an den Hof. Seit 1636 war er dem Kurprinzen, dem späteren Kurfürsten Johann Georg II., als dessen Oberkämmerer und erster Kammerjunker beigesellt und rückte bei dessen Regierungsantritt sofort in die Stellung des Oberhofmarschalls ein. Er hatte in dieser Eigenschaft großen Einfluß bei Hofe, namentlich hatte seine Stimme bei dem kunstliebenden Fürsten viel Gewicht in Sachen der Kunst. 1652 erhob ihn der Kaiser in den Reichsfreiherrnstand. Rechenberg war dreimal verheirathet, zuletzt durch des Kurfürsten Vermittelung mit der reichen Erbin Rahel von Werthern, die ihm ihr ganzes Vermögen zubrachte. Er war einer der glänzendsten Kavaliere und hielt ein Haus im größten Stil. 1664 starb er und hinterließ von seiner dritten Gattin zwei Söhne, Hans Dietrich und Johann Georg. In deren Besitz nun ging auch der vom Vater angelegte Garten auf der Langen Gasse über. Am 9. März 1682 schließen sie über diesen Garten eine Punktation mit dem kurfürstlichen Kämmerer August Abraham von der Sahla ab. Darin wurde der Garten für 3600 Thaler verkauft. Da er noch in demselben Jahre in den Besitz des Kurfürsten überging, so kann man in dieser Punktation einen Vorvertrag sehen, den der Kämmerer als Vermittler und Beauftragter des Kurfürsten einging[5].

Johann Georg III. vereinigte diese beiden ansehnlichen Gärten zu einem Ganzen und machte den daraus entstandenen großen Lustgarten oft zum Schauplatz höfischer Festlichkeiten. Daher findet sich der Garten oft erwähnt, namentlich auch in den Hofjournalen, und wird als der kurfürstliche Taube’sche Garten, oder auch im Gegensatz zu dem seit 1676 angelegten Großen Garten als der kurfürstliche kleine Lustgarten vor dem Pirnaischen Thore bezeichnet. Es lohnt sich, an der Hand der Hofjournale, d. h. der Aufzeichnungen des Hofmarschallamts, die in dem Garten veranstalteten Festlichkeiten zu verfolgen: denn ein gutes Stück höfisches Kunstleben damaliger Zeit spiegelt sich darin ab. Der Magister Velthen mit seiner berühmten Schauspieltruppe, der schon 1678 während der durchlauchtigsten Zusammenkunft in Dresden gespielt hatte, traf nach längeren Wanderzügen wieder um die Karnevalszeit des Jahres 1684 in der sächsischen Residenz ein. Er führte vor dem Kurfürsten im Taube’schen Garten Komödien und Possenspiele auf. Am 28. Januar 1684 begab sich der Kurfürst um 5 Uhr hinaus: eine halbe Mondtafel von 25 Couverts fand statt; gegenüber der Tafel auf dem „Theatro“ wurde „die verstellte Tollheit“ gespielt. Am 30. Januar kam dort zur Aufführung „sein selbst eigen gefangener Sicilianer“, eine Uebersetzung des Molière’schen Stücks „l’amour peintre“. Am 2. und 3. Februar gingen über die Bühne „Jungfer Capitän“, „Visibilis et invisibilis“ und „Müllers Tochter“. Am 7. Februar, nach einem mit Ball verbundenen Gastmahl bei der Kurfürstin-Mutter, fuhr der Kurfürst wieder hinaus und ließ sich „Mascarilias“ vorspielen, ein Stück, das gleichbedeutend mit Molières „l’étourdi“ ist. Am 8. Februar war im Taube’schen Gartengebäude wieder eine Halbmondtafel für 24 Personen aufgestellt, außerdem waren noch Gäste im Nebengemach: bei Tafel hörte man die Komödie „der alte Geizhals“ von Molière. Nach Beendigung der Vorstellung führte der Kurfürst bei Fackelschein und unter dem Klang der Trompeten und Schalmeien „das Frauenzimmer“[6] dreimal um den Markt. Tags darauf, nach einer Schlittenfahrt, fand die Komödie „Adamira“ statt. Den nächsten Abend wurde eine Schäferei von 19 Paaren im Taube’schen Garten abgehalten: während der Tafel ging die Komödie „die Statue der Ehren“ über die Bühne; [156] die kurfürstliche Kapelle musizirte und ein Ball schloß sich an. Den Beschluß dieser ununterbrochenen Karnevalsfestlichkeiten – am 15. Februar war Aschermittwoch – bildeten der 13. und 14. Februar: im Taube’schen Garten wurden der erste und zweite Theil von „Trappolino“ gegeben. – Solche Komödien wurden damals in der Karnevalszeit bei Hofe fast täglich aufgeführt, auch an anderen Orten noch, z. B. im Riesensaal des Schlosses und im Schießhause. Sehr häufig waren Darstellungen Molière’scher Stücke in Uebersetzung. Velthen war es, der den großen französischen Lustspieldichter auf der deutschen Bühne einbürgerte: er besorgte auch selbst eine Uebersetzung, die gegenüber den bisherigen einen Fortschritt bedeutete. Die Vorstellungen im Taube’schen Garten haben wohl hauptsächlich den Kurfürsten bewogen, den Magister mit dem Kern seiner Truppe in ständige Dienste zu nehmen[7]. – Während des Winters 1684/85 hielt sich der Kurfürst in Italien auf und besuchte auch den berühmten Karneval zu Venedig. Erst am 13. Juli 1685 wieder erfahren wir von einer Festlichkeit im Taube’schen Garten: ein Gesellenringrennen mit 15 Rennern und 4 Carrièren wurde abgehalten; abends bei der Tafel wurde „die assyrische Sklavin“ aufgeführt. Am 13. Juli des folgenden Jahres fand wieder ein Ringrennen draußen statt, ein sogenanntes Nationenringrennen. Als Zuschauer wohnten bei: die Kurfürstin-Mutter, „das Markgräflich Bayreuth’sche Fräulein“, und u. a. auch die drei gräflichen Fräulein von Zinzendorff. Vor dem mittelsten Gebäude saßen die Preisrichter. An diesen Ringrennen im Hofkreise nahm wohl der Kurfürst meist persönlich Theil; wir erfahren, daß er einstmals am Tage vor einem Ringrennen im Taube’schen Garten Pferde probirt hat. – Seit 1686 haben wohl keine Hofvergnügungen mehr in dem Gartengrundstück stattgefunden, wenigstens erwähnen die Hofjournale nichts davon. – Es waren diese Jahre die äußerlich glanzvollste Zeit, die der Garten gesehen hat. In den vermuthlich nicht eben prächtigen Räumen und in den Gängen des Gartens wogt hin und her, zu Zeiten täglich, das bunte Gepränge einer eleganten Hofgesellschaft, hingegeben den Freuden der Tafel, des Spiels, der Musik und des Tanzes; an ihrer Spitze ein Fürst, den die Geschichte rühmend nennt als den Befreier Wiens von Türkennoth, hier aber vor allen Vertreter der zum Regierungsgrundsatz gewordenen fürstlichen Anschauung jener Tage, daß fürstliche Macht ihren lebendigsten Ausdruck finde und finden müsse in fürstlicher Pracht. – Die Gebäude, in denen die Festlichkeiten, außer wenn sie im Freien stattfanden, sich abgespielt haben, sind jedenfalls dieselben gewesen, die die weiter unten wiedergegebene Abbildung aus dem Jahre 1706 zeigt.

Laut Schenkungsbrief vom 26. Januar 1688 schenkte der Kurfürst dem Fräulein Margarethe Susanne Gräfin von Zinzendorff den Taube-Rechenberg’schen Garten.

Das Adelsgeschlecht, aus dem diese Dame entsprossen war, stammt aus Oesterreich und war schon zur Zeit der Babenberger Herzöge dort angesessen. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts ruht bei den Zinzendorffs das Obererblandjägermeisteramt von Unterösterreich. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Johann von Zinzendorff lutherisch. Seine Nachkommen blieben trotzdem auf ihren angestammten Gütern sitzen und widmeten ihre Dienste den Habsburgern. Erst Graf Max Erasmus, der Vater des Fräuleins Susanne Margarethe, gab sein altes Vaterland und seine Güter auf, um nicht Gewissenszwang erdulden zu müssen, und ließ sich in der Nähe von Nürnberg nieder; er starb 1672. Seine Wittwe Anna Amalie, eine geborne Gräfin Dietrichstein, begab sich mit ihren zwei Söhnen und mehreren Töchtern an den sächsischen Hof, wo ihre Schwester mit dem bei Johann Georg III. in großer Gunst stehenden Oberhofmarschall von Haugwitz vermählt war.

Gräfin Susanne Margarethe war am 26. Juli 1660 geboren. Nachdem die junge Gräfin in die Welt eingeführt worden war, wurde sie bald die gefeiertste Schönheit unter den Damen der Hofgesellschaft. Bei allen Aufzügen, Maskeraden, Kostümbällen, Schlittenfahrten und wo sonst die Anordnung paarweise geschah, pflegte sie die Partnerin des Kurfürsten zu sein. Bei einer Maskerade im Schlosse zur Karnevalszeit 1688 war ihr, wohl als der schönsten, die Rolle des Frühlings anvertraut; Herbst und Winter wurden von ihrer Mutter und ihrer Tante Haugwitz dargestellt. Noch 1690, während des Karnevals, war sie bei einem Zigeuneraufzug, sowie bei einer Quadrille italienischer Charaktermasken die Partnerin Johann Georgs III. Nach seinem Tod erst geht ihre hervorragende Stellung bei den Hoffesten an andere über. Der Italiener Gregorio Leti in seinen ritratti della casa di Sassonia singt Sonette zum Lob ihrer Schönheit und nennt sie „tra le più belle e graziose del secolo bellissima e graziosissima“: aber neben ihrer „engelgleichen“ Schönheit rühmt er auch die zahllosen Tugenden ihrer Seele, die ihrer Schönheit einen überirdischen Reiz verleihen.

Indem der Kurfürst ihr seinen Lustgarten schenkte, wollte er ihr damit einen glänzenden Beweis seiner Gunst geben. Zusammen mit dem Garten schenkte er ihr auch noch die zwischen diesem und dem Großen Garten gelegenen Felder und Wiesen. Die Erwerbung dieser Grundstücke hatte im Jahre 1687 im Zusammenhang mit der Erwerbung der zu dem dritten Quadrat [157] des neuen Großen Gartens zu schlagenden Felder stattgefunden. Am 4. Juni 1687 wurden die Besitzer der Felder hinter dem Taube-Rechenberg’schen Garten bedeutet, daß der Kurfürst einen Tausch mit ihnen eingehen möchte. Am 17. Juni fanden Tauschverhandlungen statt, die schließlich von Erfolg begleitet waren. Die bisherigen Besitzer der Grundstücke waren Dr. Johann Ludwig Köppels Erben, Dr. Johann Jacob Wittbers Wittwe, Johann Christof Martinis Wittwe, geb. Strauch, Christof Oehmichens Gattin und Johann Küffners Gattin. Das Hauptgrundstück endlich waren die Fleischerfelder, die unmittelbar an das kurfürstliche Gartengrundstück stießen und sich in der ganzen Länge mit demselben berührten. Sie waren Eigenthum des Fleischerhandwerks und in 33 Theilen zu 33 Fleischbänken gehörig, mit denen sie zugleich verkauft, sowie auch versteuert und verzinst wurden. Die Fleischer hatten zum Umtausch entweder die Hofwiese bei Ullersdorf oder die Hofwiese unterhalb Blasewitz vorgeschlagen: die letztere wurde ihnen eingeräumt. Die übrigen Besitzer erhielten gleichfalls Entschädigung durch Tausch oder durch Baarzahlung. – Die auf den abgetretenen, nunmehr landesherrlichen Grundstücken ruhenden Abgaben mußten die vorigen Besitzer mit auf die eingetauschten hinübernehmen: nur der ins Religionamt abzuführende Erbzins auf den Fleischerfeldern blieb darauf stehen. – Die dem Landesherrn zukommende Steuerbefreiung blieb der Gräfin für den Garten, sowie für die jüngst dazu erkauften Felder durch ausdrückliche kurfürstliche Bestätigung erhalten: aber freiwillig erklärte sie sich bereit, die auf den Fleischerfeldern haftenden 12 Fl. 12 Gr. 1 Pf. Erbzins, wozu noch Naturalabgaben kamen, ins Religionamt abzutragen, ebenso Rathsgefälle auf dem Taube’schen Garten und eine kleine Abgabe ins Zinsamt. – Von den Feldern, die von früherher zum Taube’schen Garten gehört hatten, trennte der Kurfürst, als er der Gräfin die Schenkung zudachte, Theile ab und zog einzelne zum Großen Garten, andere schenkte er der Erbin des Kämmerers August Abraham von der Sahla, Johanna Caritas Starke, zur Entschädigung für einige früher dem Kämmerer zugeeignete, jetzt in den Großen Garten mit einbezirkte Felder. Dagegen erfuhr der Garten, während er Eigenthum der Gräfin war, folgende Erweiterungen. Schon am 16. September 1687 hatte die Gräfin ein kleines, ehemals Wolff Köhler’sches Haus an der Pirnaischen Straße am Fleischergäßchen[8], von des Baretmachers Martin Dietrichs Erben um 70 Fl. erkauft, das nun dem Taube’schen Garten einverleibt und bald darauf abgetragen wurde. Dann wurden zwei Felder über der Kaitzbach drüben am sogenannten Kälberweg, vormals Steuersekretär Findekellers und Steuerkassirer Fritzsches Felder, die zum Großen Garten erkauft worden waren, jedoch bei der Abgrenzung außerhalb liegen blieben und zwar in ganz verwüstetem Zustande, durch kurfürstlichen Befehl vom 27. Februar 1694 der Gräfin Zinzendorff zur Wiederherstellung und Nutzung zugeeignet. Endlich wurden noch Matthes Männigers und Thomas Kunzes Baustellen in der Neuen Gasse zur Vergrößerung des Gartens erworben und eingezogen.

Nicht lange hat die Gräfin Zinzendorff das Grundstück besessen. Schon am 24. März 1694 verkaufte sie es, wie es lag und stand, an ihren Bruder Georg Ludwig mit allen Lust-, Wohn- und anderen Gebäuden, Scheunen und Ställen, mit fremden und einheimischen Gewächsen, mit dem Pomeranzenhause, den Statuen, mit sämmtlichem Inventar an „Vieh, Schiff und Geschirr“ und endlich auch mit allen Feldern. Der Kaufpreis betrug 11 000 Thaler. – Kurz nach dem Verkauf des Gartens vermählte sich die Gräfin mit dem Freiherrn Eberhard Julius Matthias von Polheim am 29. November 1694. Aber nach kaum 10jähriger Ehe im Juni 1704 verlor sie den Gatten. Sie starb sechzigjährig am 8. März 1720.

Graf Georg Ludwig von Zinzendorff und Pottendorff, geboren am 9. Oktober 1662, war königlich polnischer und kursächsischer Geheimrath und Kammerherr, später Konferenzminister. Ein tiefreligiöser Sinn zeichnete ihn aus und brachte ihn in ein freundschaftliches Verhältniß zu Spener. Seit 1687 war er vermählt mit Maria Elisabeth Teuffel von Gunderstorff, die 1698 als die letzte ihres väterlichen Stammes starb. 1699 führte er die zweite Gemahlin heim, Charlotte Justine, die Tochter des Geheimrathsdirektors Nicolaus von Gersdorf: sie wird als eine gelehrte und geistreiche Dame gerühmt. Aber nicht ein ganzes Jahr genoß er dieses zweite Eheglück: er starb am 9. Juli 1700 und wurde in der Sophienkirche begraben. Aus dieser zweiten kurzen Ehe entsproß der berühmte Stifter der Herrnhuter Brüdergemeinde, Nicolaus Ludwig Graf von Zinzendorff. Doch hat die Annahme, daß er in dem Gartenvorwerk das Licht der Welt erblickt habe, sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich, wie schon einmal in diesen Blättern ausgeführt worden ist[9]. Die Familie besaß ein Wohnhaus innerhalb der Stadtmauern auf der Scheffelstraße (heute Nr. 9). Auf dem Garten vor dem Thor suchte sie nur ländliche Erholung und Vergnügen. Die Gebäude dort draußen dienten hauptsächlich Wirthschaftszwecken und werden wohl kaum je als Wohnung von [158] der Familie benutzt worden sein, am wenigsten zur Zeit, wo die Herrin ihrer Niederkunft entgegensah.

Aus seiner ersten Ehe hinterließ Graf Georg Ludwig einen Sohn Friedrich Christian und eine Tochter Susanne Luise. Sie waren gemeinschaftlich mit dem sechs Wochen alten Nicolaus Ludwig die Erben des väterlichen Besitzes. Der Vormund der Kinder erster Ehe war der Bruder des Vaters, Graf Otto Christian, Stadtkommandant von Dresden und Gouverneur sämmtlicher Landesfestungen. Für Nicolaus Ludwig versah seine Mutter die Stelle des Vormundes. Die Vormünder verkauften den Garten mit allem Zubehör, nachdem er schon verpachtet gewesen war, am 26. September 1703 an den bisherigen Pachter, Lieutenant Christof Winkler, alles in allem für 10 000 Thaler. Der Preis war also gegenüber dem Kauf vom Jahre 1694 zurückgegangen, auch wenn man eine kleine Verminderung des Grundstücks in Rechnung bringt, die dadurch entstanden war, daß Graf Georg Ludwig im Herbst 1694 einen Scheffel Feld an der Pirnaischen Straße an Dr. Gottfried Leonhard Brodkorb für 60 Gulden verkaufte. Ferner waren auch in den Kauf mit Winkler nicht mit eingeschlossen die im Lustgarten befindlichen zwei Statuen mit Postamenten, bleiernen Röhren, messingnem Hahn etc., also jedenfalls Brunnenfiguren, sowie die welschen Bäume und Gewächse im Gartenhause: die Pflanzen sollten nebst dem Gärtner bis zum Frühling am alten Orte bleiben.

So war denn das Grundstück nur wenig über 15 Jahre in dem Besitze der Familie, von der es doch den Namen bis auf die jüngste Zeit in Volksmunde behielt. Das ist die Macht des Klanges eines guten Namens! Und jetzt noch, nachdem die als „Zinzendorffs“ bezeichneten Gebäude völlig verschwunden, hat dieser Name, bestrahlt von der Berühmtheit eines seiner Träger, seine Macht bewährt und den Jahrhunderte alten Namen der dort vorübergehenden Straße verdrängt.

Während der Besitzzeit der Familie Zinzendorff, sowohl unter dem Fräulein als ihrem Bruder und dessen Erben haben außer dem Haushofmeister und dem Gärtner mit ihren Leuten niemals andere Leute zur Miethe die Gebäude bewohnt. Nur um der ländlichen Erholung und der landwirthschaftlichen Nutzung willen hat die gräfliche Familie das Grundstück besessen. – Das wurde unter dem neuen bürgerlichen Besitzer anders. Christof Winkler war Lieutenant im Heyne’schen Grenadierregiment und wird seit 1715 Hauptmann genannt. Zunächst veräußerte er nach einander fast den gesammten Feldbesitz, der zu dem Grundstück gehörte, unmittelbar nach der Erwerbung: 1703 am 29. September von den Fleischerfeldern, Köppel’schen und Wittber’schen Feldern über 26 Scheffel für 1300 Thaler an Dr. Gottfr. Leonh. Brodkorb; am 3. Oktober von den Wittber’schen Feldern 1 Malter an den Seifensieder Johann Balthasar für 648 Thaler; am 10. Oktober an den Böttcher Jeremias Schneider 8 Scheffel vom Köppel’schen Feld für 400 Thaler; am 13. Oktober an den Kunstgärtner Johann Christian Unger das Oehmich’sche und Martini’sche Feld, über 18 Scheffel, für 977 Thaler 4 Groschen 6 Pfennige; am 17. Oktober 7 Scheffel Feld an den Böttcher Seb. Fischer für 350 Thaler; am 30. Oktober 11 Scheffel von den Köppel’schen und Wittber’schen Feldern an den Witthumsrath der Kurfürstin-Mutter Bartholomäus Lenthe für 550 Thaler. Ein Jahr später, am 24. September 1704, verkaufte er die zwei über der Kaitzbach drüben gelegenen Felder, vormals Findekellers und Fritzsches, zusammen 14 Acker, an den kurfürstlichen Kämmerer Hans Adolf von Haugwitz für 1400 Thaler[10]. Insgesammt verkaufte Winkler über 114 Scheffel Feld und behielt außerhalb der Umzäumung des Gartens nur 7 Scheffel von den Fleischerfeldern übrig. Er löste für die verkauften Felder eine Gesammtsumme von 5625 Thalern 4 Groschen 6 Pfennigen.

Besseren Gewinn als aus der Landwirthschaft glaubte Winkler aus dem eigentlichen Gartengrundstück und namentlich aus dessen Gebäuden ziehen zu können, deshalb wendete er ihnen hauptsächlich seine Aufmerksamkeit zu. Ueber den Zustand des Grundstücks, wie es auf Winkler gekommen, erfahren wir mancherlei. Das Aussehen der Gebäude zeigt die nachstehende Abbildung. Sie stammt aus dem im Hauptstaatsarchiv aufbewahrten, mit Wasserfarben ausgeführten Vermessungswerke des Samuel Nienborg, das derselbe um 1706 aufnahm: es sollte alle Vorstädte umfassen, gedieh aber nur wenig über die Pirnaische Vorstadt hinaus. Die Aufnahmen sind sehr genau und setzen uns in den Stand, ein vollständig klares Bild über die Bebauung und das äußere Aussehen dieser Vorstädte zusammenzufügen. Jedes Fascikel des Werkes enthält zunächst einen Hauptplan über ein größeres Gebiet und bringt dann besondere Pläne für jedes einzelne Grundstück mit erläuternden Angaben; diesen Einzelplänen ist stets eine Gebäudeansicht hinzugefügt. Einer solchen ist unsere Abbildung nachgebildet. Sie zeigt nur die Stirn der Gebäude an der Pirnaischen Gasse. Das Giebelhaus rechts ist das Hauptgebäude, es liegt mit seiner Längsseite auf der Langen Gasse. Das lange Haus links neben dem Thoreingang ist als Seitengebäude und das nach links den Abschluß bildende als [159] Hintergebäude bezeichnet. Im ersten Stock des Hintergebäudes nach dem Garten heraus befand sich die Wohnung Winklers. Das Seitengebäude hat nach hinten heraus einen Altan. An das Hintergebäude schließt sich rückseitig, auf unserem Bild nicht sichtbar, ein zweites Seitengebäude mit Außentreppe an, und an dieses wieder Scheune und Schuppen, die auf der Langen Gasse an das Vordergebäude stoßen und die Kette schließen. Eingeschlossen von allen diesen Gebäuden liegt ein stattlicher Hof mit Thoreingang auf der Pirnaischen Gasse. Durch den eigentlichen Lustgarten geht ein langer Kanal, an beiden Enden in Teiche mündend; es ist jedenfalls derselbe, der sich schon in dem alten Rechenberg’schen Garten vorfand, westlich davon läuft eine 500 Ellen lange Lindenallee; die östliche Seite ist als Feldgarten bezeichnet. Außer den verschiedenen Lusthäuschen, die in dem ganzen Garten verstreut sind, fällt uns noch ein Kegelplatz ins Auge. Der Kanal, in dem Winkler Fische hatte, wurde von einem starken Wasserzufluß mittels Röhre aus der Kaitzbach gespeist. Die Wasserversorgung des gesammten Grundstücks erfolgte durch ein von Johann Georg III. hergestelltes starkes Röhrwasser aus dem königlichen Mühlgraben bei der Hochplauenschen Mühle. Die Gräfin Zinzendorff hatte dies Röhrwasser in zwölf Theile zerlegen lassen, sodaß auch benachbarte Grundstücke von hier aus mit Wasser versorgt werden konnten. Auch ging durch den Garten von Alters her eine steinerne Schleuse zur Abführung des Regen- und Schneewassers aus den an der Kaitzbach gelegenen Feldern; sie mündete in eine durch die Lange Gasse nach der Elbe zu gehende Schleuse.

Zinzendorffs im Jahre 1706.

Um die möglichste Ausnutzung der Gebäude zu erreichen, nahm Winkler ziemlich umfangreiche bauliche Veränderungen vor. Zuerst setzte er auf das vormalige Waschhaus einen Stock auf und richtete ihn zu sechs Miethwohnungen ein: 1715 waren fünf davon bewohnt. Dann ließ er in den Jahren 1728 und 1729 auf dem Platze des abgetragenen Dietrich’schen Hauses ein Wohngebäude aus Stein und Holz mit Ziegeldach vom Grund heraus neu aufführen; die Baukosten betrugen 7366 Thaler. Auch in diesem befanden sich Miethsräume.

Ferner wurde der auf dem alten Taube’schen Garten ruhende Bierschank, der während der kurfürstlichen und der Zinzendorff’schen Besitzzeit wahrscheinlich nicht ausgeübt worden war, unter Winkler schwungvoll betrieben. Winkler hatte ihn an den Schänkwirth Johann Georg Beutner verpachtet. Diese Gartenschänke war sehr belebt und oft ging es dort recht toll her. Schon 1704 war der Zulauf des Volkes groß; Torgauer und anderes fremdes Bier wurde dort geschänkt. Die benachbarten Schänkhäuser aber waren verödet und leer; ihre Besitzer führten Beschwerde beim Rath und baten, das Schankrecht des Zinzendorff’schen Gartens zu untersuchen. Der Saal wurde zu Hochzeiten, Schmausereien und anderen Versammlungen um Geld hergeliehen. Auch Spieltische wurden dort gehalten, selbst Sonntags während der Kirche. Die Spieler waren meistens Militärs, und die Spiele, die sie trieben, nicht die harmlosesten, so das Basse Billard oder Scheffelspiel[11]. Zweimal, 1712 und 1722, sah sich der Rath genöthigt, gegen solchen Unfug einzuschreiten. Die Tanzmusiken, die im Saal stattfanden, erfreuten sich guten Zuspruchs und arteten oft in Ueppigkeit und Zügellosigkeit aus. Sonntags war damals das Tanzvergnügen in der Stadt untersagt und nur auf den umliegenden Dörfern gestattet. Winkler aber pochte im Oktober 1718 auf eine mündliche Zusage des Königs, die ihm derselbe bei einer Anwesenheit im Garten im Beisein des Grafen Vitzthum und Geheimraths von Watzdorf gegeben habe. Auf Vortrag des Raths entschied der König gegen Winkler.

Ueberhaupt hatte Winkler viel Reibereien mit Behörden und mit Privatpersonen. Er war eine händelsüchtige und rohe Soldatennatur, leicht zu Uebergriffen geneigt. Ueberall suchte er seine Ansprüche und seinen Nutzen, selbst auf gewaltthätige Art, durchzusetzen und war wenig bekümmert um fremden Schaden. So z. B. brach er die Schleuse aus, die durch seinen Garten ging, so daß das Wasser bei Regen und im Winter übertrat und in den Gärten der Nachbarn Sümpfe bildete. [160] Im Jahre 1705 suchte Winkler ein Stück Land, das vor dem ersten Portal des Großen Gartens einen freien Raum zum Eingang bildete, an sich zu ziehen, als ob es zu den Zinzendorff’schen Gütern gehörte. Die Regierung mußte ihn unter Hinweis auf die gänzliche Hinfälligkeit dieses Vorgebens erst nachdrücklich in seine Schranken zurückweisen. Eine Quelle endloser Streitigkeiten bildete auch die Steuerfrage. Die Steuerbefreiung nämlich, mit der Johann Georg III. 1688 die Gräfin sowie zugleich auch „ihre Nachkommen und künftigen Besitzer“ begnadet hatte, ward unter dem bürgerlichen Besitzer entgegen dieser ausdrücklichen Verbriefung und trotz des nachhaltigsten Widerstandes Winklers durch Verfügung vom 30. März 1720 wieder aufgehoben. Der Rath deutete das der Gräfin verliehene Privileg so, „daß es ultra descendentes primi gradus nicht zu extendiren sei“ und das kurfürstliche Obersteuerkollegium schloß sich dieser Auffassung an. Jedoch zahlte Winkler nicht; er starb darüber. Seine Wittwe Clara Sophia geb. Zschimmer berichtigte, nachdem ihr mit militärischer Exekution gedroht worden war, wenigstens die laufenden Jahresbeträge. Die alten Steuerreste, die mehrere hundert Thaler ausmachten, vermochte sie nicht zu tragen und reichte deshalb ein Gesuch um Erlaß derselben an den König ein. Schließlich deckte der nächste Besitzer diesen Rest in und mit der Kaufsumme: nur die Jahre 1703–1714 erließ der König in Rücksicht auf die Armuth der Winkler’schen Erben, damit der Kauf zu Stande käme.

Denn in der größten Dürftigkeit lebten die Wittwe und die verheirathete Tochter Winklers. Trotz seiner Bemühungen, das Grundstück möglichst auszunutzen, scheint Winkler nur rückwärts gekommen zu sein, wahrscheinlich in Folge der kostspieligen baulichen Umgestaltungen. Die Wittwe klagt in ihrem Gesuch um Steuererlaß 1738 über die vielen Schulden, die das Grundstück belasten, und über die schlechte Nutzung desselben. Die über die Nutzung angestellte Untersuchung ergiebt Folgendes: Die Gastwirthschaft mit dem Bierschank bringt jährlich 155 Thaler Pachtgeld; die Nutzung vom Waschhaus bringt wöchentlich ungefähr 2 Thaler; 20 Wohnungen sind vermiethet und tragen einen Miethzins von zusammen ziemlich 300 Thalern, wovon aber die Hälfte theils aus Bosheit, theils aus Armuth unbezahlt bleibt. Es waren also die Bewohner meist Leute aus den untersten Ständen. Der Krätzgarten ist für jährlich 30 Thaler verpachtet; Viehzucht, Ackerbau, Obst- und Grasgarten hat die Besitzerin selbst; 12 Scheffel Korn und 13 Scheffel Gerste sind ausgesät; 2 Pferde, 7 Kühe und 1 Ziege bilden den Viehstand. Feld und Wiese, zusammen 30 Morgen, sind in dieser Gegend noch die besten, obgleich’s an Dünger fehlt; die Gebäude sind ziemlich baufällig. 5400 Thaler Schulden ruhen auf dem Grundstück.

Die ärmlichen Verhältnisse der Winkler’schen Erben werden auch auf die Veräußerung des Grundstücks hingedrängt haben. Am 26. Januar 1742 verkaufte Frau Maria Sophia Zaulich geb. Winkler den Garten mit allem, was dazu gehörte, an den Festungsmaurermeister Gottfried Findeisen für 10 000 Thaler. Ziemlich 9200 Thaler alte Schulden waren vorhanden und wurden durch die Kaufsumme gedeckt: für die Verkäuferin blieb also herzlich wenig übrig. Der hier gezahlte Kaufpreis ist äußerlich dem von 1703 gleich, steht aber thatsächlich weit über ihm, da der Kaufgegenstand durch die Veräußerung des Feldbesitzes sehr bedeutend geschmälert worden war. – Der neue Besitzer verstand sich dazu, alle von Winkler und dessen Erben bisher erhobenen Einwendungen gegen die Steuerverpflichtung fallen zu lassen.

Während Findeisen im Besitz des Zinzendorff’schen Gartens war, zog der siebenjährige Krieg mit seinen schweren Leiden und Verwüstungen über Dresden hinweg. Auch das Zinzendorff’sche Gartengrundstück trug seinen vollwichtigen Theil an der allgemeinen Noth. Im November des Jahres 1758, nach dem siegreichen Ueberfall von Hochkirch, ging Generalfeldmarschall Daun mit Entschiedenheit ans Werk, die von den Preußen unter Graf Schmettau besetzte sächsische Hauptstadt dem Feind zu entreißen. Am 9. November leitete die österreichische Armee einen ernsthaften Angriff auf die Stadt vom Großen Garten her ein. Es fanden Scharmützel statt: im Zinzendorff’schen Garten waren vier preußische Geschütze aufgestellt, die die Flanke der Oesterreicher beschossen. Da Graf Schmettau fürchtete, die Pirnaische Vorstadt, die er wegen ihrer hohen Häuser für einen günstigen Stützpunkt zu einem Angriff auf die Festung hielt, dem andrängenden Feind gegenüber nicht halten zu können, so ließ er sie am frühen Morgen des 10. November durch Pechkränze in Brand stecken. 292 Häuser wurden ein Raub der Flammen, darunter auch die Gebäude des Findeisen’schen Grundstücks. Der preußische Kommandant hatte seinen Zweck mit dieser Gewaltthat erreicht: Daun erkannte, daß der Vertheidiger der Festung den letzten Mann und das letzte Haus aufopfern würde, und stand, um nicht die Residenz des verbündeten Monarchen vernichten zu müssen, am 16. November von der Belagerung ab. – Zwei Jahre später, als die Preußen die nun von den Oesterreichern besetzte Stadt belagerten, waren bei dem Zinzendorff’schen Garten preußische Batterien aufgepflanzt, die ihre Feuerschlünde auf die Stadt entluden.

Wie weit sich die Zerstörung der Gebäude durch den Brand von 1758 erstreckte und wann die in Asche gelegten Gebäude wieder aufgebaut wurden, ist nicht bekannt. Durch Findeisen selbst geschah die Wiederherstellung [161] jedenfalls nicht mehr, denn er starb bereits am 26. Januar 1759, also nur wenige Monate nach dem entsetzlichen Brandunglück. – Seine Erben verkauften das Grundstück am 27. November 1764 an den Generalkriegszahlmeister Christian Friedrich Riehle für 14 000 Thaler. Dem Kaufpreis nach, der wesentlich höher ist, als der 1742 von Findeisen gezahlte, möchte man zu dem Urtheil gelangen, daß die Gebäude sich baulich wieder völlig im Stand befanden.

Riehle war nur Scheinkäufer. Der wirkliche Käufer, für den jener den Kauf nur vermittelte, war der Feldmarschall Johann Georg Chevalier de Saxe, der Sohn Augusts des Starken und der Fürstin Lubomirska, Reichsfürstin von Teschen[12]. Der Chevalier hatte in den Feldzügen Sachsens mit Auszeichnung gekämpft und wurde daher am 30. März 1763 nach dem Rücktritt des Grafen Rutowski mit dem Oberbefehl über die sächsische Armee und dem Gouvernement von Dresden betraut und wenig später zum Generalfeldmarschall befördert. Kurfürst Friedrich Christian ertheilte dem neuen Oberbefehlshaber den Auftrag zur Reorganisation der durch den letzten Krieg ganz in Verfall gerathenen sächsischen Armee. Dieser schwierigen Aufgabe unterzog sich der Ritter von Sachsen mit treuester Hingebung und größter Gewissenhaftigkeit. Jedoch fanden seine Verdienste nicht den Dank und die Anerkennung des Prinzen Xaver, der nach dem frühzeitigen Tod Friedrich Christians die Regentschaft für den unmündigen Friedrich August führte. Vielmehr erschwerten ihm fortgesetzte Kränkungen und Zurücksetzungen von dieser Seite her sein Wirken und ließen in ihm eine gewisse menschenfeindliche Stimmung reifen, die schließlich den Entschluß zum Rückzug aus dem geschäftlichen und geselligen Leben in die Einsamkeit zeitigte. In solcher Stimmung dachte er daran, sich für den Fall des Rückzugs aus der Oeffentlichkeit einen stillen Zufluchtsort zu sichern, und ließ durch seinen Beauftragten das Findeisen’sche Grundstück ankaufen.

Er führte über das Grundstück, um es für seine Absicht gerecht zu machen, eine Epoche der völligsten Umgestaltung und Verschönerung herauf. In der Mitte des Gartens ließ er durch den berühmten Oberlandbaumeister Krubsacius ein Palais im Rokokostil erbauen. Daran schlossen sich Neben- und Seitengebäude an; der Stall bot Raum für 60 Pferde; vom Stall führte ein Heckengang zu dem geräumigen Reithaus mit 11 großen Arkaden. Der Eingang für das Palais wurde auf der Langen Gasse hergestellt; zu diesem Zwecke wurden folgende Grundstücke dort käuflich erworben: eine Baustelle von Johann Martin Naackes Erben für 1000 Thaler am 19. April 1765, und gleich daneben eine Brandstelle von des Hofküchenschreibers Müllers Erben für 580 Thaler am 30. November 1765. Mehrere Jahre später, am 6. Februar 1772, kam noch die Brandstelle der verwittweten Frau Rosine Hitzschke hinzu, zur Anlegung des Stallhofthorweges. – Die neuen Bauten mußten eine völlige Erneuerung und Umgestaltung der Gartenanlagen zur Folge haben. Damit war zugleich eine beträchtliche Erweiterung verbunden. Ein Theil von den zum Grundstück gehörigen Feldern ward nun zum Garten gezogen. Einige andere wurden dazu käuflich erworben: am 31. Mai 1765 von der Wittwe des Senators Büttner 12 Scheffel von den ehemals Brotkorb’schen Feldern an der Pirnaischen Straße für 1800 Thaler, am 4. November 1766 vom Fleischermeister Bähr ein Feld von 11/2 Scheffel für 180 Thaler. Auch ein an das Büttner’sche Feld grenzendes Stück Wiese sollte mit erworben werden: Frau Senator Büttner war aber nicht zu bewegen, es einzuräumen, nur zu dem Versprechen, dort niemals ein Gebäude aufzuführen, ließ sie sich bereit finden. Diese Grundstücke hatten früher schon zum Zinzendorff’schen Garten gehört, waren aber von Lieutenant Winkler 1703 mit verkauft worden. – Der so erweiterte Garten wurde mit einer Mauer eingefriedigt. Mehrere neuerbaute Pavillons gewährten eine Aussicht nach Süden und Südosten. Die neuen Gartenanlagen waren im Geschmack des bekannten Gartenkünstlers Le Nôtre gehalten. Die Anordnung scheint ein Zeugniß für den menschenscheuen Sinn des Besitzers abzulegen: denn die Hauptallee sammt dem Palais wurden auffälligerweise nicht in der Perspektive auf die Hauptallee des Großen Gartens, sondern seitwärts davon angelegt. Aus dem herrlichen Baumwuchs des Gartens leuchteten auch prächtige Erzeugnisse der Kunst hervor, bildhauerische Gruppen von Mattiellis Meisterhand, die einst den Brühl’schen Garten in Friedrichstadt (später Marcolinischen Garten, jetziges Stadtkrankenhaus), das ehemalige Besitzthum seines Stiefvaters, des Prinzen von Württemberg, geziert hatten: sie stellten dar Herkules und Omphale, Rom und Athen. – Im Zusammenhang mit der Errichtung des Palais und der Umgestaltung des Gartens mußte auch der große Kanal, auf dem Lustschiffchen fahren konnten, in der Mitte ausgefüllt werden: nur die beiden Enden mit den Teichen, in die sie mündeten, blieben erhalten. Selbstverständlich fiel auch die Lindenallee. Später verschwand der Kanal ganz; statt dessen ist die Kaitzbach in vielen, oft überbrückten Windungen durch den Garten geleitet worden. – Hasche in seiner „umständlichen Beschreibung“ (II, 140 ff., 1783) ist voller Lobeserhebungen für Palais und Garten und widmet ihnen eine eingehende Schilderung von nahezu 14 Seiten; auch das Innere des [162] Palais beschreibt er ausführlich. Ebenso hält sich auch Weinart in seiner Topographie (1777) lange bei dem Palais auf. – Eine Abbildung findet sich in den Prospekten Schlitterlaus.

Das Vorwerk mit Gebäuden und Feldern, sowie das noch einige Zeit weiter blühende Wirthshaus wurden verpachtet. Dieses Verhältniß hat bis in die neuere Zeit fortbestanden.

Am 30. Januar 1770 nahm der Chevalier seinen Abschied. Seine Stimmung war immer trüber und melancholischer geworden. Nun ihn keine amtlichen und geselligen Pflichten mehr an die Stadt fesselten, überließ er sein Palais am Zeughaus dem Herzog von Kurland und siedelte ganz in sein Gartengrundstück über, wo er schon bisher oft und gern geweilt hatte und wo er nunmehr ganz der Ruhe, der Einsamkeit und seinen Liebhabereien lebte. Eine treffliche Bibliothek und eine werthvolle Militärkarten- und Plansammlung boten seinem Geist Beschäftigung und Unterhaltung. Trotz seiner Zurückgezogenheit aber umgab er sich, wie er gewohnt war, mit einem förmlichen Hofstaat, von seinen Generaladjutanten, den Oberstlieutenants von Sydow und von Dürrfeld, an bis hinab zum Lakaien. Der gesammte Haushalt war kostbar und durchweg im Stil eines Grandseigneurs eingerichtet. Aber nur wenige Jahre genoß er die ersehnte Ruhe und Muße in seiner selbstgeschaffenen Einsamkeit: am 25. Februar 1774 verschied er im Alter von 70 Jahren. Die Leipziger Zeitung zeigte amtlich an, daß „Seine Durchlaucht der Prinz Chevalier de Saxe“ verstorben sei. Der menschenscheue Einsiedler, schon bei Lebzeiten vom Reiz des Geheimnißvollen umsponnen, lebte auch nach dem Tode in der abergläubischen Einbildungskraft der Menge fort. Noch in späterer Zeit erzählte eine Dame, daß ihr beim Lustwandeln in den einsamen Gängen des Gartens plötzlich eine geharnischte Gestalt entgegengetreten sei, in der sie den Chevalier erkannt zu haben meinte.

Der Verblichene hinterließ ein Testament, in dem er seine Halbschwester, die Gräfin Mosczynska, geborene Gräfin Cosel, zur Universalerbin einsetzte, ihr aber die Verpflichtung auferlegte, den Garten mit dem Palais nach einander dem Kurfürsten und dem Prinzen Karl für 15 000 Thaler zum Kauf anzubieten und erst für den Fall der Ablehnung den Garten selbst zu behalten, jedoch gegen Erlegung eines Kapitals von 10 000 Thalern zur Abstoßung der Schulden. Sofort nach der Eröffnung des Testaments wurde es vom Malteserorden, dem der Chevalier seit 1728 angehört hatte, auf Grund der Ordensprivilegien angefochten. Es kam zum Prozeß, den die Leipziger Juristenfakultät zu Gunsten des Ordens entschied. Es war freilich kein sehr begehrenswerthes Erbe. Der Chevalier hatte in seinem Testament seine Schulden bedeutend unterschätzt; sie beliefen sich auf ungefähr 36 000 Thaler und zwar gingen sie größtentheils auf den Erwerb des Gartens und die Erbauung des Palais zurück. Ueber den Nachlaß wurde der Konkurs verhängt, der für die Gläubiger 80 Prozent ergab. Dem Orden verblieben nach der im Jahre 1776 erfolgten Abwickelung des Verfahrens außer dem Grundstück nicht ganz 5000 Thaler. – Am 27. März 1778 verkaufte der Malteserorden durch seinen Kommendator, den Kabinetsminister Freiherrn von Forell, das Palais mit Garten und Vorwerk für den niedrigen Preis von 12 000 Thalern an die Kurfürstin-Mutter Maria Antonia Walpurgis.

Die Kurfürstin ließ 1779 in einem schattigen Theil des Gartens eine sogenannte „Eremitage“ erbauen. Darin befanden sich nebst mehreren Nebenräumen ein mit Fresken geschmücktes Wohnzimmer und eine Hauskapelle. Nicht weit davon war eine geräumige Volière, mit Hunderten von Vögeln bevölkert. – Das Erbrecht auf das Grundstück übertrug sie ihrem Lieblingssohne Karl, dem nächstältesten Bruder Kurfürst Friedrich Augusts III. Er trat den Besitz nach dem am 23. April 1780 erfolgten Tod der Mutter an.

Auch noch in anderer Weise hatte Maria Antonia für den Prinzen Karl gesorgt. In einem Vertrag vom 6. Oktober 1776 hatte sie ihre Ansprüche auf das Allodialerbe des kurbairischen Hauses, dessen Haupt, der Kurfürst Max Joseph, ihr Bruder, keine männlichen Erben hatte, an ihren Sohn Kurfürst Friedrich August III. abgetreten, sich aber als Gegenleistung die Bezahlung ihrer Schulden und die Errichtung einer Sekundogenitur, die zunächst ihrem zweiten Sohne Karl zu Gute kam, ausbedungen. Im Dezember 1777 starb der bairische Kurfürst. Im Frieden zu Teschen vom 13. Mai 1779, der den unblutigen bairischen Erbfolgekrieg beendigte, erhielt der Kurfürst von Sachsen für seine Erbansprüche sechs Millionen Gulden. Dem Vertrag mit seiner Mutter nachkommend, errichtete nun der Kurfürst durch ein Abkommen vom Jahre 1781 eine Sekundogenitur für die nachgeborene Descendenz der Stifterin. Diese Stiftung begreift eine aus der Staatskasse zu zahlende Jahresrente von 85 000 Thalern. Der erste Inhaber der Sekundogenitur war Prinz Karl. Nach seinem Tod, der schon am 8. September 1781 eintrat, ward der Zinzendorff’sche Garten mit dem Palais zur Sekundogenitur geschlagen. – Die Sekundogenitur, die auch in das königlich sächsische Hausgesetz vom 30. Dezember 1837, im sechsten Abschnitt, Aufnahme fand, vererbt sich in der Linie des zweiten Prinzen des Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt weiter und fällt, wenn der Inhaber zum Thron gelangt, wieder mit Ausschluß des Thronfolgers an den nächstältesten Prinzen. Der Inhaber hat aus der Sekundogenitur den Unterhalt seines Stammes [163] sowie der hinter diesem folgenden Linien zu bestreiten, solange nicht die Antheile der einzelnen Glieder auf einen festgesetzten Mindestbetrag herabgesunken sind.

Mit der Einverleibung in die Sekundogenitur wird die bisher so wechselvolle Besitzgeschichte des Grundstücks in fest geregelte Bahnen gelenkt. Wir können uns daher darauf beschränken, im Weiteren nur noch kurz des Wechsels der Inhaber, sowie einiger wichtiger baulicher und räumlicher Veränderungen zu gedenken. – Seit dem 8. September 1781 war der Prinz Anton Inhaber der Sekundogenitur. Er behielt sie 46 Jahre lang, bis zu seiner Thronbesteigung 1827. Von ihm wurde der Teichpavillon, ein Rindenhäuschen, im nördlichen Theil des Gartens erbaut. Prinz Anton pflegte hier jeden Morgen einige Stunden rauchend zuzubringen, da die strenge Etikette das Rauchen im Palais selbst verbot. Ferner ließ der Prinz 1782 einen künstlichen Ruinenbau errichten. – Nach der Thronbesteigung Antons ging der Sekundogeniturbesitz an seinen nächsten Bruder, den Prinzen Max über. Nach dem Tod König Antons gab Prinz Max, der zur Thronfolge berechtigt gewesen war, aber schon 1830 zu Gunsten seines ältesten Sohnes, des nunmehrigen Königs Friedrich Augusts II., verzichtet hatte, den Besitz an seinen zweiten Sohn, den Prinzen Johann ab. Dieser ließ 1839 im Vorwerk an der Pirnaischen Gasse Bauten vornehmen, sowie 1844 und 1845 einen neuen Seitenflügel an dasselbe anbauen. Prinz Johann hatte die Sekundogenitur von 1837 bis 1854 inne und übergab sie nun, da er selbst König wurde, an seinen zweiten Sohn, den Prinzen Georg, der noch jetzt der Besitzer ist. Unter ihm gingen mit dem gesammten Grundstück zahlreiche und tief eingreifende Veränderungen vor sich. Zunächst wurde in den Jahren 1855–1857 nach dem Plane des Professors Nicolai im Mittelpalais ein Stockwerk aufgesetzt, und an Stelle des rechten Seitenflügels ein neuer Flügelanbau errichtet; dementsprechend wurde, um die Symmetrie der ganzen Anlage herzustellen, die Mansarde des linken Flügels durch ein ganzes Stockwerk ersetzt. Ferner erhielten die beiden Thorgebäude statt der Ziegeldächer niedrigere Schieferdächer. Weitere Flügelanbauten wurden in den Jahren 1867 und 1878/79 angefügt. Im Jahre 1887 wurde die südwestliche Gartenmauer an der Bürgerwiese und Langen Straße wegen ihrer Schadhaftigkeit neu aufgeführt. – Eine Vergrößerung des Grundstücks fand 1863 statt: der Prinz kaufte von der Wittwe des Dr. August Wilhelm Hedenus das Eckgrundstück an der Bürgerwiese und Langen Gasse dazu, das im 18. Jahrhundert der Klingner’sche Garten hieß. – Die einschneidendste Veränderung aber erfuhr das Grundstück in neuester Zeit, als es sich darum handelte, eine gerade Verbindung der inneren Stadt von der Moritzstraße aus mit dem Großen Garten herzustellen, d. h. also den Johannisplatz, der bisher von dem prinzlichen Grundstück versperrt war, durch dasselbe hindurch nach dem Großen Garten weiterzuführen. Diesem Unternehmen opferte im Jahre 1888 Prinz Georg den ganzen nördlichen Theil seines Gartens und verkaufte ihn an die Dresdner Baugesellschaft. Auf dem abgetretenen Gebiete laufen heute die Johann Georgen-Allee und die verlängerte Circusstraße, mit der Langen- jetzt Zinzendorfstraße und Pirnaischen Straße, mächtige Häuserviertel von stattlichem Aussehen umschließend. Damit fiel denn auch „Zinzendorffs“, an der Ecke der Pirnaischen und Langen Straße, das diesen Namen bis dahin gerade 200 Jahre getragen hatte. – Durch diese Abtretung wurden in dem prinzlichen Grundstück Verschiebungen und Neubauten nothwendig, die in den Jahren 1888 und 1889 ausgeführt wurden. Die prinzliche Hofgärtnerei, die in dem Vorwerke an der Pirnaischen Straße sich befand, wurde in die südöstliche Feldparzelle des prinzlichen Flurbesitzes an der Bürgerwiese und dem Environweg verlegt. Alle alten Gebäude zwischen Stallgebäude und der Stallhofeinfahrt mußten abgebrochen werden. An der Langen Straße ward anschließend ans Stallgebäude ein Verwaltungsgebäude und Beamtenwohnhaus erbaut. An der Johann Georgen-Allee, wo die Abtrennung erfolgt war, wurde eine neue Umfassungsmauer mit zwei Thorpavillons aufgeführt.

Wenn wir die wechselvolle Geschichte dieses Grundstückes im Geiste überschauen, so können wir drei Zeiträume unterscheiden. Im ersten, vor und nach der Vereinigung, waren es Lustgärten mit Vorwerken im Besitz reicher und hochstehender Herren, die, neben dem Zweck der landwirthschaftlichen Nutzung, vornehmlich ländliche Erholung und Zerstreuung dort suchten. Zu ihnen kann man selbst die bürgerlichen Besitzer Harrer und Trainer rechnen, den Handelsherrn und den Freiberger Patrizier, die ihren Wohnsitz innerhalb der Stadtmauern hatten. Und dazu gehört auch der Kurfürst, der diese Gebiete zu einem Ganzen vereinigte und die schimmernde Pracht des Hofes dahin versetzte. – Der zweite Zeitraum setzt mit dem Jahre 1703 ein. Bürgerliche Besitzer bewirthschafteten und bewohnten das Grundstück und suchten in seinen Erträgnissen tägliches Brod und Geschäftsgewinn. – Im dritten Zeitraume zogen wieder große Herren ein, Verwandte und Angehörige des Herrscherhauses, aber nicht mehr nur zum zeitweiligen Aufenthalt; die Zeit, wo die Vornehmen in den hohen Häusern der inneren Stadt wohnten, war vorüber; sondern zum ständigen Wohnsitz voll Pracht und Behagen richteten die jetzigen Besitzer mit vielem Aufwand das Grundstück her. Und zugleich kam es nunmehr in ein festes unauflösliches Besitzverhältniß, das es auf immer mit dem Hause Sachsen verbindet.


  1. Diese Handschrift wurde von dem Sohne des verstorbenen Verfassers, dem Herrn Oberförster von Minckwitz, der Stadtbibliothek geschenkt. – Von archivalischem Material wurden außerdem benutzt: die Akten des Rathsarchivs C. XVIII. 2, C. XXX. 2150, F. VI. 140P, F. IX. 10, F. X. 24, F. X. 201k, G. VIII. 37I-0, G. XIII. 9, H. IV. 2 und die vorstädtischen Geschoßbücher; Akten des Hauptstaatsarchivs: Finanzarchiv Rep. XXII. Nr. 253. Loc. 37 295 und „Das Seydelische Fohrwergk etc.“ Loc. 9545; endlich verschiedene Kauf- und Kontraktbücher des Stadtgerichts Dresden (im Amtsgericht befindlich).
  2. Vergl. über ihn als Beamten und Großkaufmann den Aufsatz von G. Müller im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. XV, S. 63 ff.
  3. Adelungs Verzeichniß S. 93, Nr. 22.
  4. Ernst G., Kammerschreiber des Kurprinzen. Der 24. Juni, Johannistag, ward von den Johann Georgen als Namenstag gefeiert. Geller hat gelegentlich dieses Festes noch verfaßt: Arkadischer Hirtenaufzug, als Herr Johann Georg, Herzog zu Sachsen und Kurfürst, Herr Johann Georg, Herzog zu Sachsen, Kuhrprinz, Herr Johann Georg, Herzog zu Sachsen, (später Johann Georg III.) Dero allerseits Nahmenstag begingen, den 24. Juni 1653. Vergl. Adelungs Forts. zu Jöchers Gel.-Lex. II, S. 1387.
  5. Dieser Garten ist nicht zu verwechseln mit einem anderen „Rechenbergischen Garten“ an der Halbengasse, den die Freiherren von Rechenberg Ende 1697 von Dr. Morgenstern erwarben, am 20. März 1727 aber an den Diakonus Joh. Jak. Stranz verkauften.
  6. Gemeint ist der weibliche Hofstaat.
  7. Vergl. Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters zu Dresden I, S. 271 ff. Ueber Velthen s. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst I, S. 225.
  8. Läßt sich nicht mit Sicherheit auf eine noch bestehende Gasse zurückführen, wird aber in der Nähe der Fleischerfelder gelegen haben.
  9. Jahrg. I. Nr. 2: Zinzendorf in Dresden, von Pastor Blanckmeister.
  10. Der Acker (= 55,1 Ar) hat 2 Morgen oder Scheffel. Der Scheffel ist eigentlich ein Hohlmaß: aufs Flächenmaß übertragen bedeutet er die Größe eines Stück Feldes, für das ein Scheffel Aussaat gebraucht wird. Der Malter hat 12 Scheffel. – Der Scheffel oder Morgen Feldes hat hier den Preis von 50 Thalern.
  11. Vergl. über dieses Zedler’s Universal-Lexikon XXXVIII, Seite 1621.
  12. Vergl. über ihn ÔByrn, Johann George Chevalier de Saxe.