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jedenfalls nicht mehr, denn er starb bereits am 26. Januar 1759, also nur wenige Monate nach dem entsetzlichen Brandunglück. – Seine Erben verkauften das Grundstück am 27. November 1764 an den Generalkriegszahlmeister Christian Friedrich Riehle für 14 000 Thaler. Dem Kaufpreis nach, der wesentlich höher ist, als der 1742 von Findeisen gezahlte, möchte man zu dem Urtheil gelangen, daß die Gebäude sich baulich wieder völlig im Stand befanden.

Riehle war nur Scheinkäufer. Der wirkliche Käufer, für den jener den Kauf nur vermittelte, war der Feldmarschall Johann Georg Chevalier de Saxe, der Sohn Augusts des Starken und der Fürstin Lubomirska, Reichsfürstin von Teschen[1] Der Chevalier hatte in den Feldzügen Sachsens mit Auszeichnung gekämpft und wurde daher am 30. März 1765 nach dem Rücktritt des Grafen Rutowski mit dem Oberbefehl über die sächsische Armee und dem Gouvernement von Dresden betraut und wenig später zum Generalfeldmarschall befördert. Kurfürst Friedrich Christian ertheilte dem neuen Oberbefehlshaber den Auftrag zur Reorganisation der durch den letzten Krieg ganz in Verfall gerathenen sächsischen Armee. Dieser schwierigen Aufgabe unterzog sich der Ritter von Sachsen mit treuester Hingebung und größter Gewissenhaftigkeit. Jedoch fanden seine Verdienste nicht den Dank und die Anerkennung des Prinzen Xaver, der nach dem frühzeitigen Tod Friedrich Christians die Regentschaft für den unmündigen Friedrich August führte. Vielmehr erschwerten ihm fortgesetzte Kränkungen und Zurücksetzungen von dieser Seite her sein Wirken und ließen in ihm eine gewisse menschenfeindliche Stimmung reifen, die schließlich den Entschluß zum Rückzug aus dem geschäftlichen und geselligen Leben in die Einsamkeit zeitigte. In solcher Stimmung dachte er daran, sich für den Fall des Rückzugs aus der Oeffentlichkeit einen stillen Zufluchtsort zu sichern, und ließ durch seinen Beauftragten das Findeisen’sche Grundstück ankaufen.

Er führte über das Grundstück, um es für seine Absicht gerecht zu machen, eine Epoche der völligsten Umgestaltung und Verschönerung herauf. In der Mitte des Gartens ließ er durch den berühmten Oberlandbaumeister Krubsacius ein Palais im Rokokostil erbauen. Daran schlossen sich Neben- und Seitengebäude an; der Stall bot Raum für 60 Pferde; vom Stall führte ein Heckengang zu dem geräumigen Reithaus mit 11 großen Arkaden. Der Eingang für das Palais wurde auf der Langen Gasse hergestellt; zu diesem Zwecke wurden folgende Grundstücke dort käuflich erworben: eine Baustelle von Johann Martin Naackes Erben für 1000 Thaler am 19. April 1765, und gleich daneben eine Brandstelle von des Hofküchenschreibers Müllers Erben für 580 Thaler am 30. November 1765. Mehrere Jahre später, am 6. Februar 1772, kam noch die Brandstelle der verwittweten Frau Rosine Hitzschke hinzu, zur Anlegung des Stallhofthorweges. – Die neuen Bauten mußten eine völlige Erneuerung und Umgestaltung der Gartenanlagen zur Folge haben. Damit war zugleich eine beträchtliche Erweiterung verbunden. Ein Theil von den zum Grundstück gehörigen Feldern ward nun zum Garten gezogen. Einige andere wurden dazu käuflich erworben: am 31. Mai 1765 von der Wittwe des Senators Büttner 12 Scheffel von den ehemals Brotkorb’schen Feldern an der Pirnaischen Straße für 1800 Thaler, am 4. November 1766 vom Fleischermeister Bähr ein Feld von 11/2 Scheffel für 180 Thaler. Auch ein an das Büttner’sche Feld grenzendes Stück Wiese sollte mit erworben werden: Frau Senator Büttner war aber nicht zu bewegen, es einzuräumen, nur zu dem Versprechen, dort niemals ein Gebäude aufzuführen, ließ sie sich bereit finden. Diese Grundstücke hatten früher schon zum Zinzendorff’schen Garten gehört, waren aber von Lieutenant Winkler 1703 mit verkauft worden. – Der so erweiterte Garten wurde mit einer Mauer eingefriedigt. Mehrere neuerbaute Pavillons gewährten eine Aussicht nach Süden und Südosten. Die neuen Gartenanlagen waren im Geschmack des bekannten Gartenkünstlers Le Nôtre gehalten. Die Anordnung scheint ein Zeugniß für den menschenscheuen Sinn des Besitzers abzulegen: denn die Hauptallee sammt dem Palais wurden auffälligerweise nicht in der Perspektive auf die Hauptallee des Großen Gartens, sondern seitwärts davon angelegt. Aus dem herrlichen Baumwuchs des Gartens leuchteten auch prächtige Erzeugnisse der Kunst hervor, bildhauerische Gruppen von Mattiellis Meisterhand, die einst den Brühl’schen Garten in Friedrichstadt (später Marcolinischen Garten, jetziges Stadtkrankenhaus), das ehemalige Besitzthum seines Stiefvaters, des Prinzen von Württemberg, geziert hatten: sie stellten dar Herkules und Omphale, Rom und Athen. – Im Zusammenhang mit der Errichtung des Palais und der Umgestaltung des Gartens mußte auch der große Kanal, auf dem Lustschiffchen fahren konnten, in der Mitte ausgefüllt werden: nur die beiden Enden mit den Teichen, in die sie mündeten, blieben erhalten. Selbstverständlich fiel auch die Lindenallee. Später verschwand der Kanal ganz; statt dessen ist die Kaitzbach in vielen, oft überbrückten Windungen durch den Garten geleitet worden. – Hasche in seiner „umständlichen Beschreibung“ (II, 140 ff., 1783) ist voller Lobeserhebungen für Palais und Garten und widmet ihnen eine eingehende Schilderung von nahezu 14 Seiten; auch das Innere des


  1. Vergl. über ihn ÔByrn, Johann George Chevalier de Saxe.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/172&oldid=- (Version vom 30.4.2024)