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der Familie benutzt worden sein, am wenigsten zur Zeit, wo die Herrin ihrer Niederkunft entgegensah.

Aus seiner ersten Ehe hinterließ Graf Georg Ludwig einen Sohn Friedrich Christian und eine Tochter Susanne Luise. Sie waren gemeinschaftlich mit dem sechs Wochen alten Nicolaus Ludwig die Erben des väterlichen Besitzes. Der Vormund der Kinder erster Ehe war der Bruder des Vaters, Graf Otto Christian, Stadtkommandant von Dresden und Gouverneur sämmtlicher Landesfestungen. Für Nicolaus Ludwig versah seine Mutter die Stelle des Vormundes. Die Vormünder verkauften den Garten mit allem Zubehör, nachdem er schon verpachtet gewesen war, am 26. September 1703 an den bisherigen Pachter, Lieutenant Christof Winkler, alles in allem für 10 000 Thaler. Der Preis war also gegenüber dem Kauf vom Jahre 1694 zurückgegangen, auch wenn man eine kleine Verminderung des Grundstücks in Rechnung bringt, die dadurch entstanden war, daß Graf Georg Ludwig im Herbst 1694 einen Scheffel Feld an der Pirnaischen Straße an Dr. Gottfried Leonhard Brodkorb für 60 Gulden verkaufte. Ferner waren auch in den Kauf mit Winkler nicht mit eingeschlossen die im Lustgarten befindlichen zwei Statuen mit Postamenten, bleiernen Röhren, messingnem Hahn etc., also jedenfalls Brunnenfiguren, sowie die welschen Bäume und Gewächse im Gartenhause: die Pflanzen sollten nebst dem Gärtner bis zum Frühling am alten Orte bleiben.

So war denn das Grundstück nur wenig über 15 Jahre in dem Besitze der Familie, von der es doch den Namen bis auf die jüngste Zeit in Volksmunde behielt. Das ist die Macht des Klanges eines guten Namens! Und jetzt noch, nachdem die als „Zinzendorffs“ bezeichneten Gebäude völlig verschwunden, hat dieser Name, bestrahlt von der Berühmtheit eines seiner Träger, seine Macht bewährt und den Jahrhunderte alten Namen der dort vorübergehenden Straße verdrängt.

Während der Besitzzeit der Familie Zinzendorff, sowohl unter dem Fräulein als ihrem Bruder und dessen Erben haben außer dem Haushofmeister und dem Gärtner mit ihren Leuten niemals andere Leute zur Miethe die Gebäude bewohnt. Nur um der ländlichen Erholung und der landwirthschaftlichen Nutzung willen hat die gräfliche Familie das Grundstück besessen. – Das wurde unter dem neuen bürgerlichen Besitzer anders. Christof Winkler war Lieutenant im Heyne’schen Grenadierregiment und wird seit 1715 Hauptmann genannt. Zunächst veräußerte er nach einander fast den gesammten Feldbesitz, der zu dem Grundstück gehörte, unmittelbar nach der Erwerbung: 1703 am 29. September von den Fleischerfeldern, Köppel’schen und Wittber’schen Feldern über 26 Scheffel für 1300 Thaler an Dr. Gottfr. Leonh. Brodkorb; am 3. Oktober von den Wittber’schen Feldern 1 Malter an den Seifensieder Johann Balthasar für 648 Thaler; am 10. Oktober an den Böttcher Jeremias Schneider 8 Scheffel vom Köppel’schen Feld für 400 Thaler; am 13. Oktober an den Kunstgärtner Johann Christian Unger das Oehmich’sche und Martini’sche Feld, über 18 Scheffel, für 977 Thaler 4 Groschen 6 Pfennige; am 17. Oktober 7 Scheffel Feld an den Böttcher Seb. Fischer für 350 Thaler; am 30. Oktober 11 Scheffel von den Köppel’schen und Wittber’schen Feldern an den Witthumsrath der Kurfürstin-Mutter Bartholomäus Lenthe für 550 Thaler. Ein Jahr später, am 24. September 1704, verkaufte er die zwei über der Kaitzbach drüben gelegenen Felder, vormals Findekellers und Fritzsches, zusammen 14 Acker, an den kurfürstlichen Kämmerer Hans Adolf von Haugwitz für 1400 Thaler[1]. Insgesammt verkaufte Winkler über 114 Scheffel Feld und behielt außerhalb der Umzäumung des Gartens nur 7 Scheffel von den Fleischerfeldern übrig. Er löste für die verkauften Felder eine Gesammtsumme von 5625 Thalern 4 Groschen 6 Pfennigen.

Besseren Gewinn als aus der Landwirthschaft glaubte Winkler aus dem eigentlichen Gartengrundstück und namentlich aus dessen Gebäuden ziehen zu können, deshalb wendete er ihnen hauptsächlich seine Aufmerksamkeit zu. Ueber den Zustand des Grundstücks, wie es auf Winkler gekommen, erfahren wir mancherlei. Das Aussehen der Gebäude zeigt die nachstehende Abbildung. Sie stammt aus dem im Hauptstaatsarchiv aufbewahrten, mit Wasserfarben ausgeführten Vermessungswerke des Samuel Nienborg, das derselbe um 1706 aufnahm: es sollte alle Vorstädte umfassen, gedieh aber nur wenig über die Pirnaische Vorstadt hinaus. Die Aufnahmen sind sehr genau und setzen uns in den Stand, ein vollständig klares Bild über die Bebauung und das äußere Aussehen dieser Vorstädte zusammenzufügen. Jedes Fascikel des Werkes enthält zunächst einen Hauptplan über ein größeres Gebiet und bringt dann besondere Pläne für jedes einzelne Grundstück mit erläuternden Angaben; diesen Einzelplänen ist stets eine Gebäudeansicht hinzugefügt. Einer solchen ist unsere Abbildung nachgebildet. Sie zeigt nur die Stirn der Gebäude an der Pirnaischen Gasse. Das Giebelhaus rechts ist das Hauptgebäude, es liegt mit seiner Längsseite auf der Langen Gasse. Das lange Haus links neben dem Thoreingang ist als Seitengebäude und das nach links den Abschluß bildende als


  1. Der Acker (=55,1 Ar) hat 2 Morgen oder Scheffel. Der Scheffel ist eigentlich ein Hohlmaß: aufs Flächenmaß übertragen bedeutet er die Größe eines Stück Feldes, für das ein Scheffel Aussaat gebraucht wird. Der Malter hat 12 Scheffel. – Der Scheffel oder Morgen Feldes hat hier den Preis von 50 Thalern.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/169&oldid=- (Version vom 30.4.2024)