Das Jubelfest der königlichen Landesschule St. Afra zu Meissen

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Titel: Das Jubelfest der königlichen Landesschule St. Afra zu Meissen
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aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843, S. 89–92
Herausgeber: Johann Jacob Weber
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Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung: Feier zum 300. Jubiläum des Sächsischen Landesgymnasiums Sankt Afra zu Meißen
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Das Jubelfest der königlichen Landesschule St. Afra zu Meissen.

Dreihundert Jahre sind bereits verflossen, seitdem durch die sächsischen Herzöge Moritz und August die Landesschule zu Meißen gestiftet wurde. Zu gleicher Zeit mit ihr traten die Landesschulen zu Pforta bei Naumburg und die zu Grimma bestehende, zur Zeit ihrer Stiftung im Jahre 1543 für Merseburg bestimmt, in das Leben. Dankbare Erinnerung an die Segnungen der durch Luther bewirkten Reformation, verbunden mit dem Wunsche, durch Lehre und Unterricht die Wohlthaten derselben auch dem kommenden Geschlecht zu erhalten, waren die innersten Beweggründe zu ihrer Stiftung. Die äußere Veranlassung gaben die bei Einführung der Reformation eingezogenen geistlichen Güter und Ländereien, deren Ertrag man wiederum zu geistlichen Zwecken benutzen wollte. Die Stiftungsurkunde der Landesschule zu Meißen spricht sich darüber in folgenden unzweideutigen Worten aus: „Nachdem unsere, auch unsrer Unterthanen Vorfahren aus Andacht, die sie zu Gott gehabt, etliche Güter zusammen getragen, gestiftet

St. Afra zu Meißen.

und geordnet, daß der Allmächtige durch die Ordenspersonen und andere, so dieselben zu gebrauchen gehabt, sollte gelobt und gepriesen werden, daraus aber merkliche Irrthümer und Mißbräuche erfolgt, wie denn männiglich wißlich und am Tage, uns aber als einem christlichen Regenten dasselbe in unsern Landen länger zu gestatten nicht gebühren wollen, so haben wir betrachtet, wie solche Güter Gott zu Lobe in andre christliche und milde Sachen könnten angewendet werden und deshalb den Ausschuß unsrer Lande Thüringen und Meißen zu uns erfordert und sammt ihnen erwogen, daß einem jeden Lande nichts so hoch von Nöthen, als daß die Jugend in Gottes Furcht ihm zu Lobe erzogen und in den Sprachen und guten Künsten unterwiesen werde, woraus denn erfolget, daß gelehrte Kirchen- und andre des gemeinen Nutzens Diener auferzogen und zu bekommen seien, ohne welche die christliche Gemeine nicht kann gelehrt noch regiert werden.“

Am 3. Juli 1543 wurde die Landesschule zu Meißen eröffnet. Laut der Stiftungsurkunde sollte sie 60 Zöglinge in Kost und Pflege nehmen, aber es mehrte sich bald die Zahl der Stellen bis auf hundert. Der erste Rector, Hermann Vulpius, blieb nur drei Jahre in seinem Amt; auf ihn folgte Georg Fabricius aus Chemnitz, unter welchem die Schule den Grund zu ihrem wissenschaftlichen Rufe legte. Fabricius galt für einen der gelehrtesten und geistvollsten Männer seiner Zeit, war gleichsehr erwärmt für christliche Tugend und Frömmigkeit, als für den hohen Werth der altclassischen Sprachen und im Verein dieser Eigenschaften am vollkommensten geeignet, den Absichten zu entsprechen, welche die sächsischen Fürsten bei Gründung der Anstalt hatten.

Bald nach ihrer Gründung hatte die Schule vielfache widrige Schicksale zu erfahren. Zur Zeit des schmalkaldischen Krieges ließ Churfürst Johann Friedrich, der am 5. April 1547 Meißen einnahm, 23 Schüler aus adligen Familien als Geißeln nach Wittenberg abführen, die erst im folgenden Jahre durch Churfürst Moritz wieder in Freiheit gesetzt wurden. Hierzu kamen Seuchen, in Folge deren 1552, 1576 und 1611 die Schüler entlassen wurden. Hatte aber die Schule schon während dieser Zeit außerordentlicher Unterstützungen bedurft, so wurden ihre Kräfte zur Zeit des dreißigjährigen Krieges so gänzlich erschöpft, daß die Schüler wiederholt aus einander gingen. Am härtesten wurde der Anstalt 1637 von den Schweden begegnet. Nach Herstellung des Friedens erfreute sich durch die Fürsorge Churfürst Johann Georg’s I. die Anstalt von Neuem eines glücklichen und ungestörten Fortgangs bis zum Jahr 1681, wo eine in Sachsen und besonders in Meißen wüthende Pest abermals zu einer Entlassung der Schüler nöthigte. Zu jener Zeit gab es Rathgeber, welche die Anstalt lieber in eine Stuterei verwandelt hätten, aber Churfürst Georg wies sie mit Unwillen zurück, und wollte die Schule als ein Bethaus, aus welchem viel Gutes auf das ganze Land komme, unangetastet wissen. Bis zum Jahre 1706, wo der damalige Rector Stübel nur durch fußfälliges Flehen von Karl XII. erlangte, daß die Schule nicht beunruhigt werden sollte, genoß die Schule eines gedeihlichen Fortgangs und unter der Regierung König August II. wurden 1716 ein ganz neues Schulhaus und 1727 neue Wirthschaftsgebäude von Grund aus erbaut, insbesondere aber auch ein den Bedürfnissen der Zeit mehr angemessener Lehrplan eingeführt. Auch König August III. sorgte für das Wohl der Anstalt, die unter seiner Regierung am 3. Juli 1743 das Andenken an ihre Stiftung nach zweihundertjährigem Bestehen durch ein dreitägiges Jubelfest feierte. Unter die damaligen Jubelafraner gehörte auch Lessing, der am 21. Juni 1741 aufgenommen, am 30. Juni 1746 nach öffentlich gehaltener Abgangsrede die Anstalt verließ und nachmals über seine Schuljahre und Schulstudien in den Worten sich aussprach: „Schon in den Jahren, da ich nur die Menschen aus Büchern kannte, beschäftigten mich die Nachbildungen von Thoren, an deren Dasein mir nichts gelegen war. Theophrast, Plautus und Terenz waren meine Welt, die ich in dem engen Bezirk einer klostermäßigen Schule mit aller Bequemlichkeit studirte. Wie gerne wünschte ich mir diese Jahre zurück, die einzigen, in welchen ich glücklich gelebt habe.

Bald nach der Jubelfeier betrafen die Schule neue Drangsale des Kriegs. Gegen Ende des Jahres 1745 rückte unter Anführung des Fürsten Leopold von Dessau ein starkes Heer in die Stadt ein. Die Lehrer gingen ihm mit zwölf der kleinsten Schüler entgegen und baten fußfällig um Schonung der Landesschule. Dieser Act wiederholte sich, als Friedrich der Große selbst mit einem starken Corps in Meißen anlangte, und außer den Beschwerden der Einquartierung und Krankenpflege hatte die Schule nichts zu erleiden; selbst die Verlegung eines preußischen Lazareths in die Anstalt, blieb auf die Gesundheit der Schüler, die oftmals über die im Wege liegenden und in Stroh gehüllten Leichen hinwegsteigen mußten, ohne nachtheiligen Einfluß. Freilich hatte sich ihre Zahl während aller dieser Bedrängnisse ansehnlich vermindert und diejenigen, welche aushielten, mußten längere Zeit mit geringer Kost zufrieden sein. Die Sorge der sächsischen Regierung blieb jedoch fortdauernd auf Erhaltung ihrer Fürstenschulen gerichtet: ihre Verwaltungsangelegenheiten wurden aufs Neue geordnet, reichere Hülfsquellen wurden eröffnet und so gelang es, auch St. Afra von Neuem zu dem Ansehen zu erheben, in welchem sie zu ihrer blühendsten Zeit gestanden hatte; eine der wesentlichsten Veränderungen erfolgte im Jahre 1812, wo die Vertheilung der Schüler in sogenannte Zellen, deren 52 waren, aufgehoben und acht größere Locale eingerichtet wurden, in denen sie wohnen und studiren. Zum Schlafen dienen zwei große Säle, auf deren jedem 60 bis 65 Bettstellen sich befinden.

Hiermit kommen wir auf die gegenwärtige Einrichtung der Anstalt, die wir mehr für die Gegner als die Freunde derselben beschreiben, indem wir die Ordnung eines Sommertags mittheilen. Früh halb fünf Uhr läutet die Glocke zum Aufstehen; einer der zwölf obersten Schüler, die als Unteraufseher oder Hausinspectoren über ihre Mitschüler gesetzt sind, ruft zum Gebet, welches um fünf Uhr von einem Lehrer – Hebdomadarius genannt, weil er mit seinen Collegen wöchentlich abwechselnd die Inspection führt – gehalten wird. Bis 6 Uhr wird das Frühstück eingenommen, wo der Hausinspector zur Ordnung ruft. Auf diesen Ruf begiebt sich jeder an seinen in einer der acht Wohnstuben ihm angewiesenen Platz, wo sie sich mit Fertigung ihrer Aufgaben, mit Lesung eines lateinischen oder griechischen Schriftstellers, und mit Vorbereitung und Wiederholung der Lehrstunden beschäftigen. Während dieser Stunde werden die verschiedenen Stuben vom Hebdomadarius besucht, der sich zu überzeugen hat, ob Alle an ihren Plätzen und beschäftigt sind. Um 7 Uhr beginnen die öffentlichen Lehrstunden für jede der vier Classen und dauern, mit Unterbrechung einer Viertelstunde um 9 Uhr, bis 11 Uhr. Unterrichtsgegenstände sind in den verschiedenen Lehrstunden: Religion, deutsche, lateinische, griechische, hebräische, französische Sprache, Mathematik und Physik, Geographie und Geschichte. Der deutsche Sprachunterricht knüpft sich vorzugsweise an schriftliche Ausarbeitungen, zu denen in Prima das vorgelegte Thema der freien Behandlung überlassen wird. Das Lateinische wird bis zur Fertigkeit im freien schriftlichen Ausdruck und im Sprechen getrieben, das Griechische bis zur Fertigkeit in schriftlichen Uebertragungen aus dem Deutschen oder Lateinischen, das Hebräische bis zum genauen grammatischen Verständniß, das Französische bis zur Gewandtheit im schriftlichen Ausdruck, Mathematik bis zur Trigonometrie und Lehre von den Kegelschnitten, Geographie und Geschichte nach dem ganzen Umfang ihres Gebiets. Von 11 bis 12 Uhr ist Freistunde, während welcher auch Privatunterricht ertheilt oder Uebungen im Turnen vorgenommen werden. Um 12 Uhr geht es unter Begleitung des aufsichtführenden Lehrers zum gemeinschaftlichen Mahl. Nach Abhaltung eines kurzen Tischgebets wird eine Suppe, darnach entweder Fleisch und Gemüse oder – Sonntags und Donnerstags – Braten mit Salat oder Obst aufgetragen und mit kurzem Gesang und Gebet die Mahlzeit geschlossen. Nach 1 Uhr versammeln sich die Schüler wieder an ihren Plätzen in den Stuben, wo jeder Obere einen oder einige seiner speciellen Unterweisung übergebene Untere unterrichtet. Man muß Zeuge dieser Methode sein, um ihre Möglichkeit sowohl als ihre Fruchtbarkeit zu begreifen. Sie gehört zu den wesentlichsten Vortheilen der Landesschulen. Es gewinnen dabei die Oberen, indem sie das Selbstgelernte zum Vortrag bringen, und die Unteren, indem sie einen Lehrer haben, der sich ausschließlich mit ihnen beschäftigt, auf die Bedürfnisse des Einzelnen genauer eingehen kann und gleichsam für sie allein da ist. Man hat diese Einrichtung auch auf solchen Gymnasien nachzuahmen gesucht, in denen die Schüler nach den öffentlichen Lehrstunden wieder aus einander gehen. Aber der Erfolg ist hier geringer, weil sich die Schüler fremder sind und mit ihren leiblichen und geistigen Interessen weniger in einander verwachsen. Auf den Landesschulen dagegen ist der Fall nicht selten vorgekommen, daß ein Unterer seinem wackern Oberen den wesentlichsten Theil seiner Bildung verdankte, und für das ganze nachmalige

Rector Baumgarten-Crusius.

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Festgabe
der Frauen von St. Afra.

Festgabe
der Frauen von St. Afra.

Leben sich ihm verpflichtet fühlte. Außerdem fördert diese Einrichtung des Lehrens und Lernens unter einander das gute Einvernehmen der Oberen mit den Unteren, indem es den Oberen empfiehlt, wenn sich Untere um einen Platz an dem Tische, wo er den Vorsitz führt, bewerben. Nur untauglichen Oberen werden Untere nicht anvertraut.

Von 2 bis 4 Uhr dauern wieder die öffentlichen Lehrstunden; von 4 bis 7 Uhr, wo das frugale Abendbrod eingenommen wird, studiren alle diejenigen auf ihren Stuben, welche keine Privatstunden haben oder das Elbbad besuchen dürfen, doch tritt um 5 Uhr eine kurze Unterbrechung ein. Nach dem Essen ist wieder bis 8 Uhr frei; dann gehen die Schüler wieder auf ihre Plätze in den Stuben und dürfen sich einer freieren Beschäftigung hingeben, entweder deutsche Bücher lesen, die sonst nicht zugelassen werden, oder Musik treiben, oder Briefe schreiben und dergleichen. Um 9 Uhr wird das Tagewerk, wie es am Morgen mit Gesang und Gebet begonnen wurde, ebenso beschlossen. Nach dem Gebet gehen die Schüler gegen halb 10 Uhr zu Bett.

Der kommende Tag gestattet vielleicht unter Vorgang des Hebdomadarius einen längern Spaziergang ins Freie oder es ist ein sogenannter Studirtag, an welchem die öffentlichen Lehrstunden völlig ausgesetzt sind und eine ununterbrochene Zeit für die eigne Selbstthätigkeit der Schüler, die sich da auf ihren Wohnstuben befinden, gegeben wird, denn die Landesschulen halten sehr viel auf den Privatfleiß, auf Beschäftigung mit schriftlichen Arbeiten und Belebung der Selbstthätigkeit. Dabei beruht das Geheimniß ihres ganzen Regiments auf fortdauernder Beaufsichtigung. Die Gesammtheit ist beaufsichtigt durch den Rector und den jedesmaligen Hebdomadarius, die Schüler in ihrem Beisammenleben durch die Hausinspectoren und Tischoberen, die Classen unter einander durch Einhaltung gewisser Vorrechte und Befugnisse, deren Ueberschreitung niemals ungestraft hingeht. So muß die Uebung des Gehorsams alsbald zur Fertigkeit werden. Gehorsam aber und Fleiß sind die Bindemittel des Ganzen. Wohl der Anstalt, die es darin zu einer solchen Gewohnheit gebracht hat, daß Allen die Ueberzeugung beiwohnt, es könne gar nicht anders sein!

Mit den frohesten Hoffnungen auf rege Theilnahme konnte diese Anstalt, die von jeher eine gute Mutter der ihr anvertrauten Zöglinge gewesen war, der Festfeier ihres dritten Jahrhunderts entgegensehen. Schüler und Zöglinge, welche durch sechs Jahre langes Beisammensein in einer Lehranstalt mit einander verwachsen, bewahren nach ihrer Trennung auf den verschiedenen Berufswegen ihres nachmaligen Lebens einen Fonds der Erinnerung, die niemals erlischt. Noch ehe von Seiten der Schule öffentliche Ankündigungen über die bevorstehende Festfeier erlassen waren, kamen Anmeldungen und vielfache Bezeigungen der Theilnahme. Und diese Merkzeichen mehrten sich wie ein fortlaufender Strom, je näher die Tage der Feier heranrückten.

Festlich ausgeschmückt in allen Räumen mit Blumenguirlanden, Kränzen und Fahnen eröffnete die Anstalt am 1. Juli ihre Pforten. Ein geschmackvolles Portal trug nach außen die Inschrift:

     Quisquis ades faveas! Afrae sua sacra parantur.
     (Freue dich, der du kommst! Es gilt die Feier St. Afra’s.)
nach innen:
     Egrediens Afram matrem laudabis et intrans!
     (Schreitend herein und hinaus lobpreise die Mutter St. Afra.)

Die erste Huldigung wurde der Anstalt durch Ueberreichung einer Fahne gebracht, welche die Frauen des Schulcollegiums mit ihren Töchtern unermüdlich ausdauernd gestickt hatten. Die treffende Anrede einer der Frauen beantwortete der Rector, nahm ihr Geschenk im Namen der Anstalt in Empfang, dankte ihnen, die in das Thun der Männer das Schöne hineinzuweben vermöchten, und bezeichnete den anwesenden Hausinspectoren die Fahne als das Banner der Humanität, welche innere Sittlichkeit höher stelle als äußere Sitte, als das Banner, um welches sie sich versammeln müßten, um alles Gemeine fern zu halten. Hierauf sprach der Primus der Schule in kurzen Worten den Dank der Gesammtheit der Schule aus, die, auf dem Schulhofe versammelt, mit der Fahne in geschlossenen Reihen vor den Damen vorüberzog, und ihnen ein Vivat brachte. Die Fahne selbst, von weißer und grüner Seide in Gold und Chenille gestickt, hat drei Ellen Länge und Breite und zeigt auf der einen weißen Seite Eckstücke von Eichenzweigen. Die Mitte bildet in großen englischen Schriftzügen die Inschrift: „Zum 300jährigen Jubelfeste 1843.“ Ein Epheukranz umschließt auf der andern grünen Seite das in gothischen Schriftzügen mit Arabesken verzierte Wort St. Afra. Auch sind hier die Eckstücke mit Epheublättern in weißem Sammet und Gold gestickt. Kurz vor Ueberreichung der Fahne hatten die Hausinspectoren im Namen des Coetus einen geschmackvollen Teppich übergeben, dessen Kosten die Schüler aus den Ersparnissen ihres Wochengeldes gewonnen hatten. Es soll derselbe bei öffentlichen Schulfeierlichkeiten zur Decoration des Rednerplatzes der Alumnen dienen.

Der 2. Juli, der Tag der Vorfeier, ward früh 4 Uhr mit dem Geläute aller Glocken und unter Kanonenschüssen angekündigt. Um 6 Uhr ward vom Chor der Schüler, vom breiten Thurme der Domkirche herab, unter Begleitung von Blasinstrumenten ein Morgenlied gesungen, darauf ein zweites vom Prof. Diller für die Festfeier gedichtetes, nach der Mel.: Nun danket alle Gott. Es schließ mit dem Vers:

Im Lichte wandelt seine Bahn,
Wer Gottes Geist empfangen.
Nur der Verblendung irrem Wahn
Mag vor dem Lichte bangen.
O leuchte, Himmelsstrahl,
Pilgern im Erdenthal!
Daß Gott den Herrn erkennt,
Wer seinen Namen nennt,
Und Lob und Preis ihm singe.

Um 9 Uhr begann in der Afrakirche der Gottesdienst. Nach Aufführung einer Festmusik und einleitendem Gesang sprach Pastor Schmidt mit Unterlegung des Textes Psalm 48, 2. 3. über das Thema: „Warum haben wir uns der höhern Bildungsanstalten unsres Vaterlandes so dankbar zu erfreuen?“ und beantwortete diese Frage mit den trefflich ausgeführten Worten: „in ihnen besitzen wir die köstlichste Segensfrucht der Reformation, in ihnen die preiswürdigsten Vermächtnisse treuer Fürstensorge, in ihnen die ergiebigsten Quellen fortschreitender Gesammtwohlfahrt, in ihnen die rührendsten Zeugen von Gottes gnadenreichem Walten.“ Nach dem Gottesdienst erfolgte der Empfang der Deputationen und die Uebergabe der Ehrengeschenke von Auswärtigen. Es würde zu weit führen, wollten wir Titel und Namen der wohlwollenden Begrüßer und ihrer Festgaben hier vollständig aufführen. Darum genüge die Bemerkung, daß vom Domstift zu Meißen, von dem evangel. Landesconsistorium, von der Thomasschule und Nicolaischule zu Leipzig, der Fürstenschule zu Grimma, der Kreuzschule zu Dresden, der Schule zum Kloster beatae virginis zu Magdeburg, dem Gymnasium zu Bautzen, der Landesschule Pforta bei Naumburg, dem Vitzthum’schen Geschlechtsgymnasium zu Dresden, dem Gymnasium zu Freiberg, von der Kirchengemeinde zu St. Afra, vom Superintendent Dr. Schumann in Annaberg, vom Comthur Dr. Hermann und vom Licentiaten Dr. Hölemann Votivtafeln, Gedichte u. Gratulationsschriften verschiedener Art eingegangen sind, auch

Das Kreuz auf dem Götterfelsen.

[91] vom Ritter Dr. Bräunlich 100 Thlr. zu Prämien für arme Schüler, und von der Universität Jena für den Rector Baumgarten-Crusius das Diplom eines Doctors, für den Prof. Flügel das eines Licentiaten der Theologie überbracht wurde. Ueberaus zahlreich waren insbesondere die Schriften, die von alten Afranern und von den gegenwärtigen Lehrern dem Jubelfest gewidmet worden waren.

Gegen 3 Uhr des Nachmittags zogen die jetzt in Leipzig studirenden ehemaligen Afraner, in Begleitung vieler andrer alten Afraner und im Gefolge der gegenwärtigen Schüler, umringt von einer zahllosen Menschenmenge zu Wagen und zu Fuß, unter klingendem Spiel nach dem Buschbade bei Meißen. In der Nähe dieses Bades befindet sich der sogenannte Götterfelsen, auf welchem am Morgen desselben Tages auf Veranstaltung der Studirenden ein kolossales, gußeisernes Kreuz errichtet worden war. Dieser Fels wurde zur Errichtung des Kreuzes gewählt, weil seit vielen Jahren bei Gelegenheit des Afranischen Schulfestes am frühesten Morgen dahin gezogen wird, um beim Aufgang der Sonne ein Morgengebet zu halten. Die auf dem Postament des über 20 Centner wiegenden Kreuzes in vier Feldern angebrachten lateinischen Inschriften sind in deutscher Uebersetzung folgende:

„Zum Andenken an die vor 300 Jahren eröffnete berühmte Afraschule errichteten die in Leipzig studirenden ehemaligen Afraner zur Zierde eines durch feierliche Gebete geweihten Ortes ein Kreuz.“ „Am dritten Juli 1843.“ „Frömmigkeit ist der Quell der Freude.“ „Auf der Höhe dem Höchsten.“

Zur Einweihung dieses Kreuzes wurden die auf dem Buschbad anwesenden Lehrer und Zöglinge der Anstalt durch zwei Abgeordnete der Studirenden eingeladen; trotz der Ungunst der Witterung und des schlüpfrigen Wegs war die Zahl der unter bunten Dächern von Regenschirmen an einander gedrängten Theilnehmer außerordentlich groß. Die Weihe begann mit dem Gesang eines vom Stud. theol. Rüling gedichteten Liedes, worauf Stud. jur. Roux aus Bautzen mit angemessener Rede das Kreuz der Anstalt übergab und nach abermaligem Gesang der Bacc. medic. Kersting ein von ihm verfaßtes Gedicht sprach, aus dem wir folgende Stelle entlehnen:

Du heil’ge Afra, die des Geistes Augen
Durch’s Morgenroth der Alten vorbereitet,
Daß sie die Sonne zu ertragen taugen,
Die siegreich jetzt durch Wahn und Dunkel schreitet,
Du hast gelehrt, des Wissens Schatz zu brauchen
Zum höchsten Schmuck, der Sterbliche bekleidet,
Zum heil’gen Kreuz, das, wenn’s auf Erden dunkelt,
Dem frommen Blick am Sternenhimmel funkelt.

Zur Erwiederung sprach der Rector, deutete hin auf die Gemüthserhebung, welche die Zöglinge Afra’s so oft schon auf der Höhe des Götterfelsens erfahren, auf den Segen der Erinnerung, welcher sie begleite, auf das Sinnbildliche des Glaubens, welches das Kreuz uns darstelle. Er rühmte die erhebende Gesinnung der für St. Afra begeisterten Geber, und warnte vor der frevelnden Hand, die es wagen könnte, sich an diesem Zeichen des Trostes und der Hoffnung zu vergreifen. Mächtig war der Eindruck, welchen diese Feier der Kreuzesweihe hervorbrachte. Während der Himmel in starkem Regen sich ergoß, weihten dankbare Zöglinge von St. Afra den Erguß ihrer Herzen und das fromme Denkmal ihrer Gesinnung der umringenden Schar von Lehrern und Schülern!

Die letzte erhebende Feier des Tages fand auf dem Gottesacker der Afrakirche statt. Hier wurde die Erinnerung an heimgegangene und auf diesem Friedhof begrabene Lehrer durch Pastor Uhlmann aus Freiberg gefeiert.

Am frühen Morgen des 3. Juli, des eigentlichen Schulfesttages, zogen die gegenwärtigen Schüler unter Musikbegleitung durch die Stadt auf den Götterfelsen hinaus, um dort in gewohnter Weise ihre Morgenandacht zu verrichten. Der Himmel schien sich aufheitern zu wollen, so daß auf der Höhe des Götterfelsens das Kreuz im langersehnten Strahl der Morgensonne glänzte. Die Schüler traten in einen Kreis und sangen ein vom Prof. Kraner gedichtetes Lied:

Wie heilig ist’s, o Herr,
Im Geist vor dich zu treten!
Frohlockend stehen wir,
Dich dankend anzubeten;
In deines Tempels Pracht,
Auf heil’gen Bergeshöh’n
Soll unsres Liedes Klang
Lobsingend dich erhöh’n.

Nach 8 Uhr kehrte der Coetus wieder in die Stadt zurück, wo indessen die Zahl der Festbesucher mächtig angewachsen war. Eine große Schar alter Afraner war mit dem Dampfschiff von Dresden angekommen, und noch vor 9 Uhr versammelten sich in den Räumen der Anstalt alle Theilnehmer zum festlichen Zug in die Afrakirche. Voran ging ein Musikcorps, welches einen vom Musikdirector Anacker in Freiberg componirten Parademarsch spielte, darauf folgten die gegenwärtigen Schüler der Anstalt, die Lehrer derselben, die alten Afraner, die ehemaligen Lehrer der Anstalt, die städtischen Behörden, die Comité-Mitglieder, die Deputationen, die Landesbehörden, der Staatsminister. Den Gottesdienst, bei dem vom Singchor der Schule das Hallelujah aus dem „Messias“ von Händel aufgeführt wurde, hatte der Religionslehrer der Anstalt, Oberlehrer Schlurick, geordnet, auch besondere Lieder dazu gedichtet, und machte durch seine Festpredigt: die Verklärung unserer Festfreude durch fromme Erhebung, tiefen Eindruck auf die Gemüther, da sie nach Form und Inhalt der Feier den ächten Charakter religiöser Erhebung gab. Nach diesem Gottesdienst ging der Zug in die Anstalt zurück, wo im geschmackvoll decorirten Festsaal derselben ein Redeact gehalten wurde. Zuerst erhob sich Staatsminister von Wietersheim, als oberster Vorstand der Schule. In einem zur Bewunderung hinreißenden Flusse der Beredsamkeit sprach derselbe über die geistigen Bestrebungen im 16. u. 19. Jahrhundert, zog die interessantesten Parallelen zwischen diesen Zeiten, deren Gepräge vor seiner lichtvollen und kernhaften Darstellung in scharfen Umrissen hervortrat. Er entwickelte, wie die Bewegung im 16. Jahrhundert innerhalb des kirchlich-religiösen Lebens beschlossen gewesen und die Richtung der Gegenwart auf das politische gehe; wie damals der Glaube, so dränge sich jetzt das Wissen hervor. Aber weder dem Glauben noch dem Wissen allein gebühre der Vorrang; in seiner Vereinzelung führe beides auf Abwege, bezeichnet einerseits durch Schwärmerei, andererseits durch Vergötterung des Selbstbewußtseins. Darum nehme an dem Glauben die Vernunft und am Wissen das Herz seinen Antheil, „daß beides zu einer geweihten Flamme ausschlage, die lichtverbreitend und wärmespendend die Bestrebungen des nach Wahrheit ringenden Geistes segne.“ Nach einem ergreifenden Schlußwort an die Afranische Jugend traten fünf Schüler auf, die durch ihre Vorträge ein würdiges Zeugniß von dem wissenschaftlichen Charakter der Anstalt ablegten. Den Actus beschloß die öffentliche Nennung derjenigen Schüler, welche bei dem Fest oder der letztvorausgegangenen Prüfung durch Prämien ausgezeichnet worden waren, und leitete der Rector diese Feierlichkeit mit einer lateinischen Rede ein, worin er des ächten und wahren Ruhmes gedachte, dessen die Anstalt sich freuen müsse und auf den allein sie Werth legen könne, das sei der Ruhm, durch gründliche classische Bildung zu ächter Humanität zu führen. Dankend nannte derselbe die Namen der Churfürsten Moritz und August, deren Bildnisse durch die Kunst neu hergestellt im Festsaale prangten, die Namen des Rivius und Fabricius, welche, verdient um den ersten wissenschaftlichen Ruhm der Anstalt, bei dem Feste durch eiserne Gedenktafeln in Goldschrift geehrt wurden, die Namen des frommen Liederdichters Paul Flemming’s, der als Zögling von St. Afra bisher noch weniger bekannt war, Fürchtegott Gellert’s, dessen Bildniß schon seit mehren Jahren den Festsaal der Anstalt schmückt, ferner Ephraim Lessing’s, dessen Gemälde durch das Hohe Ministerium zur dritten Säcularfeier der Schule verehrt worden war. Nach diesem lateinischen Vortrage theilte der Rector ein überaus huldvolles Handschreiben des allverehrten Königs Friedrich August mit, das wir hier vollständig wiedergeben:

„Die Wiederkehr des Tages, an welchem einer Meiner Vorfahren vor dreihundert Jahren die Landesschule zu Meißen gründete, giebt Mir Veranlassung, Ihnen, Mein Herr Rector und Ihren Collegen, Meine aufrichtige Theilnahme an der Feier eines Ereignisses auszudrücken, das zur Erhaltung und Förderung der wissenschaftlichen, vor Allem der classischen Bildung im sächsischen Volke und zur Begründung seines wohlverdienten Ruhmes in dieser Hinsicht so wesentlich beigetragen hat.

Gern verbinde Ich damit die Versicherung Meiner Zufriedenheit mit dem dermaligen günstigen Zustande der Ihrer Pflege anvertrauten Anstalt und des Vertrauens, daß solche in wissenschaftlicher und religiöser Hinsicht ihrem hohen Berufe immer mehr entsprechen werde, indem Ich Ihnen in landesväterlicher Huld aufrichtig beigethan bleibe.“

     Pillnitz, den 1. Juli 1843.

Friedrich August 

An den Rector Baumgarten-Crusius zu Meißen.

An diese Vorlesung knüpfte sich die Verleihung des Civilverdienstordens an den Rector, eine Auszeichnung, welche gleichsehr den verdienten Empfänger, wie die seiner Obhut vertraute Anstalt ehrt. Es war gegen 2 Uhr, als die Festversammlung sich trennte. Die Schüler wurden darauf nach einem von ihnen selbst in Vorschlag gebrachten Tischzettel gespeist; der Minister von Wietersheim gab ein Ehrenmahl auf dem Buschbade, zu welchem, außer den Deputirten der Schulen, den Lehrern der Anstalt, den Mitgliedern des Festcomités, der Meißner Geistlichkeit und des Stadtraths, auch die Präsidenten beider Kammern nebst dem Directorium derselben, Consistorialpräsident von Weber, Vicepräsident von Ammon, und die Geheimen Räthe des Cultusministeriums sich zusammen fanden. Es war ein Mahl voll des geistigsten Genusses; ein Toast folgte dem andern, und alle waren der Religion und Wissenschaft und ihren Vertretern in Schule und Kirche geweiht.

Während dieses Mahles vergnügten sich die Schüler durch Vogelschießen und Tanz. Am Abend war die Stadt, die während der ganzen Festzeit mit Blumen und Laubgewinden, Kränzen und Fahnen reichlich geschmückt war, auf eine die herzlichste Theilnahme an der Bedeutung des Festes bekundende Weise bis in die abgelegensten Räume illuminirt. Am glänzendsten traten die Schule selbst und das Rathhaus hervor. Am Rathhaus erschien als Jungfrau St. Afra; am Rande des Gemäldes prangten die Namen der Churfürsten Moritz und August, ferner des Rivius und Vulpius als ersten Rectors und des Fabricius als des zweiten, und diesen gegenüber die Namen Gellert, Rabener, Lessing. Zu beiden Seiten des Hauptgemäldes befanden sich das sächsische und das Meißener städtische Wappen. An der Schule war der Verein der Religion und Wissenschaft in zwei allegorischen weiblichen Gestalten, welche, den Blick gegen einander gerichtet, die abwärts geneigte Hand sich gaben und mit entsprechenden Attributen versehen waren, auf ebenso sinnvolle als künstlerisch vollendete Weise dargestellt. Neben dem Hauptgemälde befanden sich zu beiden Seiten zwei andre Transparents, welche in Chronostichen die Jahreszahlen 1543 und 1843 ausdrückten. Das erstere hieß:

                         1543.
Aus eurer Finsterniß, ihr Klostermauern,
Quillt jetzt ein herrlich Licht für’s Volk hervor.

das zweite:

                         1843.
Und jubelnd rufet heut’ der Enkel Chor:
Des Lichtes Quell soll, Afra, ewig dauern.

Außerdem befand sich ein Transparent über dem obengenannten Portal, welches die Inschrift des Thores trug:

Mauritii pietas Augustique inclyta virtus
Hanc Christo et studiis constituere scholam.

(Der fromme Sinn des Churfürsten Moritz und die hohe Vortrefflichkeit August’s gründeten diese Schule für Gottesfurcht und Wissenschaft.)

Gegen 12 Uhr des Nachts zogen die Schüler in ihre Anstalt wieder ein, brachten dem Rector und dem Lehrercollegium ein Lebehoch und schlossen des Tages Feier mit dem Gesang des Liedes: Nun danket alle Gott.

Der dritte Festtag war zunächst den alten Afranern gewidmet. Sie versammelten sich gegen 9 Uhr auf dem Schulhofe, wo zu dankbarer Erinnerung an die dritte Säcularfeier und zum Gedächtniß für die Nachkommen eine Linde gesetzt wurde. Nachdem die Versammelten in einen weiten Kreis getreten waren, hielt Prof. Diller die Weihrede, die er mit den Worten schloß: „So steige denn nieder in den Schooß der mütterlichen Erde, aus welcher du entnommen bist, umfasse sie mit kräftigem Arm, gebunden von ihr und wiederum sie bindend. Steige empor in das Reich der Luft und des Lichts, in das Reich der Freiheit. Sammle dereinst unter deine Schatten die Scharen treuer Enkel, daß sie deines grünen Daches sich freuen und mit einem Herzen voll inniger Empfindung der Liebe gedenken, die uns hier von fern und nah zusammenrief, der Liebe, die, einst in St. Afra erblüht, jetzt ihre reife Frucht der treuen Mutter bringt. Es stehe der Baum als ein unverletzliches Heiligthum Allen, die Afra als die Seinen erkannt, Allen, die es einst noch als die Seinen erkennen wird!“ Darauf sprach Dr. Ewald Dietrich, durch dessen Fürsorge der gesetzte Baum aus Moritzburg herbeigekommen war. Nach kurzem Gesang begab sich die Versammlung in den Festsaal der Anstalt. Hier trug Prof. Kreyssig unter lauten Acclamationen der Anwesenden eine lateinische Ode vor, darauf beantwortete Dr. Böttcher aus Dresden in humoristischer Weise die von ihm vorgelegte Frage: „Wie sieht Afra ihre Kinder wieder?“ Dieser Vortrag war reich an schlagendem Witz und erweckte die lebhafteste Zustimmung. Bei Nennung derjenigen Afranen, die in neuester Zeit einen großen Namen sich erworben, gedachte der Redner besonders auch des Begründers der Homöopathie, Dr. Hahnemann, der, in Meißen geboren, in den Jahren 1774 bis 1780 durch Lehrer der Fürstenschule sich bildete, und nur zwei Tage früher, 88 Jahre alt und noch jugendlich frisch, in Paris verstorben war. Nach Dr. Böttcher feierte [92] Candidat Budich aus Königsbrück im Odenschwunge den Namen Afra’s, worauf Kreisamtmann Cuno aus Freiberg ein launig gehaltenes deutsches Gedicht vortrug. Zum Schluß gab Prof. Oertel eine kurze Geschichte der Zeit von 1643, 1743 und von 1843. Sehr interessant war dieser Vortrag und reich an Gelegenheit zu Parallelen. Auf Grund der Geschichte ergab sich, daß wir alle Ursache haben, unsere Zeit zu preisen und die Vergangenheit nicht auf Kosten der Gegenwart zu erhöhen.

Als dieser Redeactus beendigt war, ordnete sich im Innern der Anstalt ein vom Dr. Böttcher aus Dresden sinnreich angelegter Festzug, welchen wir, um diese Mittheilungen nicht zu verzögern, in einer spätern Nummer geben werden.

Der geschmackvoll decorirte Festsalon, wohin durch einen großen Theil der Stadt der Zug sich bewegte, und welcher an 34 Tafeln 800 Personen faßte, war an seinen drei Eingängen mit folgenden Inschriften geziert, am Haupteingange: Salvete, am vordern Seiteneingange: Mementote Hilariae matris Afrae – gedenket der Hilaria, der Mutter der Afra –, am andern Seiteneingange: Notos vicinia reddit – die Nachbarschaft befreundet –. Unter der Büste des Königs stand: Augeat Augustum Regem rerum auctor – den König August kräftige Gottes Kraft. – Die eine Hälfte des Salons war von den alten Afranern eingenommen, deren Zahl über 400 war, die andere Hälfte von Ehrengästen und Freunden der Anstalt und ihrer Zöglinge. Die alten Afraner waren nach den Zeiträumen ihrer Schuljahre geordnet. Der erste Trinkspruch galt dem königl. Hause, der zweite dem Cultusministerium, der dritte der Stadt Meißen, der vierte der Schule zu St. Afra, der fünfte den alten Afranern, der sechste dem Liederdichter Gellert, dessen Geburtstag an demselben Tage war. Was späterhin gesprochen wurde, ward zum Theil von dem wachsenden Strome der Heiterkeit verschlungen.

Gegen 8 Uhr des Abends war das Mahl beschlossen; die Tische wurden weggeräumt, Frauen und Jungfrauen traten in den Saal und ein Ball begann, in welchem sich erst nach Verlauf einiger Stunden, nachdem viele der Gäste den Saal verlassen, die gelichteten Reihen der Tänzer entwickeln konnten. Es währte derselbe bis nach 2 Uhr des Morgens, wo die Musik zum Tanz dem vordringenden Gesange wich. In den Morgenstunden sammelte sich noch eine kleine Schar alter Afraner, um auf den benachbarten Götterfelsen auszuziehen und beim Aufgang der Sonne dem neuerrichteten Kreuz mit Gesang und Rede wiederholt ihre Verehrung zu bezeigen.

So wurde das Fest mit frommen Sinn beschlossen. Tiefe Eindrücke hat es in den Gemüthern der Theilnehmer zurückgelassen, hat die alten Bande der Wissenschaft, des Glaubens und der Liebe fester geknüpft und neue Hoffnungen für die Zukunft der gefeierten Anstalt erweckt. Dank, lauten Dank allen Denen, welche das Fest durch ihre Mitwirkung und Theilnahme verherrlichten! D.