Christliche Symbolik/Edelsteine
Nach der Offenb. Joh. 21, 19 und 20. sind die Mauern des neuen Jerusalems gegründet in zwölf Edelsteinen, entsprechend den zwölf Thoren, über denen nach Vers 12 die Namen der zwölf Stämme geschrieben waren. Auch sind die hier genannten Edelsteine meistens die nämlichen, die nach 2. Mos. 28, 17 f. auf dem Brustschilde des Hohenpriesters vorkommen und auch hier die zwölf Stämme bedeuten sollen, nur in etwas anderer Ordnung. Am Brustschild nämlich: Sarder, Topas, Smaragd, Rubin, Saphir, Demant, Lyncurer, Achat, Amethyst, Türkis, Onyx, Jaspis. Im neuen Jerusalem: Jaspis, Onyx, Chalcedon, Smaragd, Sardonix, Sardis, Chrysolith, Beryll, Topas, Chrysopras, Hyacinth und Amethyst. Wenn das Brustschild des Hohenpriesters das Palladium des Volkes war und dessen Einheit in steter Erinnerung bewahren sollte, so gehört dagegen das neue Jerusalem rein der christlichen Symbolik an, erhebt sich über den nationalen Horizont der Juden und hält die altjüdische Symbolik der zwölf Edelsteine nur fest, um eine christliche Anwendung von ihnen zu machen. Das alte Jerusalem nämlich war Sitz des Volkes Gottes in dem beschränkten Sinn des alten Testaments, ausschliesslich die Juden in sich begreifend; das neue Jerusalem aber sollte Sitz des Volkes Gottes in dem höhern Sinne werden, in welchem es alle Heiligen und Seligen der christlichen Kirche, ohne Unterschied der Nation, in sich vereinigen sollte. In diesem Sinne pflegten die zwölf Apostel an die Stelle der zwölf Söhne Jakobs zu treten, oder auch die christlichen Tugenden. Vgl. Didron, annales V. 221 f. [223] Inzwischen weichen die Kirchenväter und Mystiker in den einzelnen Bezeichnungen ziemlich von einander ab, so dass eine klare Tabelle nicht zu ermitteln ist. Was klar hervorleuchtet, werde ich in den Artikeln, die von den Edelsteinen im Einzelnen handeln, beibringen. Den zwölf Aposteln entsprechen: Jaspis = Petrus; Smaragd = Paulus (aber auch Andreas); Chalcedon = Jakobus major; Onyx = Philippus; Sardon = Bartholomäus; Chrysolith = Matthäus; Beryll = Thomas; Topas = Jacobus minor; Chrysopras = Thaddäus; Ligurius = Simon; Amethyst = Mathias.
Ueber das Orakel der Urim und Thumim und über die Frage, ob Urim und Thumim mit dem Brustschild des Hohenpriesters identisch oder von ihm verschieden sey, vgl. Winer, bibl. Realwörterbuch s. v. und noch insbesondere Züllich, Offenbarung Johannis I. 408f. II. 427f. Der christlichen Symbolik kommt es nicht mehr darauf an, ob und wie der Hohepriester im Spiegel der Edelsteine die Verhängnisse des jüdischen Volkes gelesen habe.
Philo glaubte in den zwölf Edelsteinen die zwölf Himmelszeichen wiederzufinden, und erklärte demnach das Prophezeihen aus denselben auf astrologische Art. Vgl. Züllich I. 443. Das hing mit der Aeonenlehre zusammen. Sofern nun aber das neue Jerusalem nur Sinnbild für den christlichen Himmel überhaupt war, lag es nahe, auch die zwölf Edelsteine mit den himmlischen Heerschaaren zu identificiren, den Engel- und Heiligenchören, die eben so die Bevölkerung des himmlischen Jerusalems bilden sollen, wie die Nachkommen der zwölf Stämme des alten irdischen Jerusalems. Daher in dem altdeutschen Vaterunser des Heinrich von Krolovitz im 19ten Bande der Bibliothek der Nationalliteratur die ausführliche Vergleichung der Edelsteine im neuen Jerusalem mit den einzelnen Heerschaaren des Himmels. Auch hier kommen wieder Abweichungen im Namen der Edelsteine vor. Der Weise bedeutet die Maria, der Kristall die Engel, der Diamant die Erzengel, der Magnet die Patriarchen, der Smaragd die Propheten, der Jaspis die Apostel, der Karfunkel [224] die Evangelisten, der Rubin die Martyrer, der Saphir die Heiligen, der Sardonix die keuschen Jungfrauen, der Chrysopras die frommen Wittwen, der Hyazinth die frommen Eheleute.