<<< St. Petrus >>>
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St. Petrus,

Fürst der Apostel, zorniger Eiferer, der dem Malchus das Ohr abhaut, Gründer der Kirche, Führer der Schlüssel, Wächter am Thore des neuen Jerusalem, ist dieser grosse Apostel das irdische Nachbild des Engelfürsten Michael, des [212] kriegerischen Erzengels, der den Drachen überwindet, der den Abgrund verschliesst und das Paradies bewacht. Vgl. Durandi, rationale VII. 12.

Und doch ist derselbe Apostelfürst auch wieder Träger des specifisch Menschlichen. Denn wie er trutziger als andere Apostel ist, so auch wieder verzagter nach dem Spruch: „Des Menschen Herz ist ein trutzig und verzagtes Ding.“ Nur in ihm, der da sündigt und bereut, der da schwach ist und kleingläubig und doch wieder stärker als Andere und treu bis zum Tode, stellte die menschheitliche oder volksthümliche Seite der Kirche sich dar, die, von unten her, den Geist von oben empfängt. Darum ist er nicht trotz seiner Schwächen, sondern kraft derselben Fürst der sichtbaren Kirche auf Erden. Nicht das Hirn im Kopfe, sondern das Herz in der Brust ist ausersehen zum Grundstein des Tempels. Weil Petrus schwach genug war, sagt Durandus VII. 8. sehr schön, Gott dreimal zu verläugnen, war er auch stark genug, die Herrschaft seiner Kirche über drei Welttheile zu erstrecken, was durch die ihm gewidmeten drei Jahresfeste bezeichnet wird.

Petra heisst auf griechisch der Fels. Darum sprach Christus: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Und will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden seyn, und Alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los seyn.“ Matth. 16, 18. So hoher Ehren erklärte der Herr den für würdig, der sich kleingläubig erwies, als er zu ihm über das Meer schreiten sollte, der sich gegen Malchus im Zorn übereilte, der den Herrn dreimal verläugnete, der einschlief, als er für den Herrn wachen sollte, der lange von einem irdischen Reich des Herrn träumte und lange nicht begreifen konnte, es sey nicht von dieser Welt, der endlich auch nach dem Tode des Heilandes noch im Widerspruch mit Paulus die starren Satzungen des Judenthums festhalten wollte. Alle diese Fehler und Menschlichkeiten hielten den Herrn nicht ab, gerade Petro das Amt [213] der Schlüssel anzuvertrauen und gerade auf ihn seine Kirche zu gründen. Der Sinn ist: Da ihr Alle Menschen seyd und Engel nicht zu seyn vermöget (sind doch auch Engel gefallen!), so wollet ihr Alle, die ihr Christen seyd, Priester und Laien, jenem wahren Menschen Petro gleichen, dann werdet ihr genug gethan haben. Vermöget ihr die Schwächen der Menschen nicht abzulegen, so reiniget euch durch Reue und Busse.

So war Petrus ein ganzer Mensch, voll Fehler, aber doch stets bereit, sich zu bessern, und voll Muth zum Guten. Und so repräsentirt er die gesammte Christenheit, sonderlich der tapfern abendländischen Völker, deren erster Hirt er seyn sollte. Keine himmlische Reinheit ansprechend, war er seiner menschlichen Schwäche bei aller Kraft sich wohl bewusst und demüthigte sich. Daher liegt es auch noch im Geist seiner Kirche, nicht sowohl mit Engelsreinheit zu prahlen, als Sünden zu vergeben.

Im Mittelalter wurde diese menschliche Seite des Apostelfürsten klar erkannt und sinnig hervorgehoben. Seit der Reformation haben sich in einem gewissen eiteln Dünkel Viele von ihm abgewendet, als wenn er blos eine judaistische Auffassung des Christenthums gegenüber der reineren des Paulus vertreten hätte. Ueberhaupt hat man einen Riss zwischen diesen beiden grossen Aposteln gemacht, nachdem die Kirche vorher mit besserm Recht ihre Brüderlichkeit, wechselseitige Ergänzung und Unzertrennlichkeit festgestellt und ihr Gedächtniss am gleichen Tage zu feiern geboten hatte.

Um den Gegensatz zwischen Petrus und Paulus richtig zu würdigen, ist nothwendig, einen andern Gegensatz, den zwischen Petrus und Simon Magus, in’s Auge zu fassen. Indem Petrus die Strenge und Aeusserlichkeit des mosaischen Gesetzes nicht ganz aufgeben wollte, war dies nicht Engherzigkeit oder Verstocktheit, sondern er wurde dazu aufgefordert durch eine Uebertreibung auf der anderen Seite. Die Heidenchristen nämlich theilten sich in solche, die ihre altheidnische Bildung in frommer Hingebung ganz vom christlichen [214] Geist durchdringen liessen, und in solche, die in Kraft ihrer heidnischen Bildung das Christenthum, wenn sie es auch aufnahmen, eigenmächtig umzubilden und mehr oder weniger zu paganisiren trachteten. War nun Paulus vorzugsweise der Apostel jener erstgenannten bessern Heidenchristen, so trat dagegen Simon Magus als Vertreter der zuletzt Genannten auf, und dürfte daher auch, wie geschehen ist, wenn er auch nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit den späteren Gnostikern steht, doch als Vater der Gnosis aufgefasst werden, als derjenigen Tendenz im Christenthum, die notorisch zum Heidenthum reagirte. Gegen diese Tendenz aber waren begreiflicherweise die Judenchristen zunächst berufen, zu protestiren. Sollte nicht die christliche Lehre in gnostischen Mythus, die christliche Praxis in theatralische Magie aufgelöst werden, so musste daran erinnert werden, dass beide in Moses und den Propheten wurzeln. Deshalb ist es nach der Apostelgeschichte gerade Petrus, der den Zauberer Simon bekämpft und überwindet.

Petrus steht auf Kirchenbildern immer links, Paulus rechts. Petrus zeigt eine kürzere, gedrungenere Gestalt, Paulus eine längere, idealere. Jener hat krauses Haar (krauses Haar, krauser Sinn), seit dem Ende des Mittelalters wurde er ältlicher und mit einer Glatze gemalt. Paulus hat schlichtes Haar und einen längeren Bart. Petrus verräth in seinen Mienen verschlossenen Zorn, Paulus ist sanfter. Jener trägt seine ganze Menschlichkeit zur Schau, dieser erhebt sich höher. Petrus ist auch als Apostel noch immer ein Fischer, Paulus hat etwas von einem Redner und Gelehrten. Vgl. den petrinischen Typus nach Nicephorus Calixtus, wie er den Kirchenbildern zu Grunde gelegt wurde, bei Didron, man. p. 300: Petrus non crassa corporis statura fuit, sed mediocri; capilli crispi et densi, oculi quasi sanguine respersi et nigri, supercilia sublata. Nasus non in acumen desinens, sed pressus imusque magis.

Den kahlen Kopf, den Petrus übrigens erst in späteren Bildern, nicht in den ältesten, erhalten hat, suchte man symbolisch [215] zu deuten. Der altrömische Janus, von dem der Monat Januar den Namen hat, stand gleichsam an der Pforte (janua) des Jahres, ebenso wie Petrus an der Pforte des Himmels, dessen Schlüssel er führt. In dieselbe Zeit der Wintermitte fielen die Saturnalien, das Fest des kahlen Saturnus. Im Winter ist die Erde selber kahl. Man glaubte daher, auf den heiligen Petrus sey im Kalender übertragen worden, was vorher von Saturn und Janus gegolten habe, wie denn Petrus mit Paulus vereint allerdings die ersten beiden Jahresmonate beherrscht. Aber gerade die späteren Maler, die den heiligen Petrus kahl malten, haben schwerlich an eine Vergleichung mit Saturnus gedacht, sondern mehr die Tonsur, als das allgemeine Kennzeichen des Priesterstandes, im Sinne gehabt, wie sie denn auch den Abel in der Tonsur malten.

Attribute des heiligen Petrus sind: 1) die beiden Schlüssel des Himmels und der Erde, wozu auf älteren Bildern zuweilen noch ein dritter für die Hölle kommt. Vgl. d. Art. Schlüssel. Diese Schlüssel sind Attribute aller Nachfolger Petri auf dem römischen Stuhle geblieben, wie der Felsen Sinnbild der Kirche. Als Vorgänger der Päpste erscheint Petrus selbst zuweilen im päpstlichen Ornat mit dreifacher Krone. So auf einem alten Bilde in Köln. Kunstbl. 1841. S. 50. 2) Der Hahn. Derselbe kennzeichnet den Petrus schon auf den ältesten Katakombenbildern, nach Matthäus 26, 75: „Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich dreimal verläugnen.“

Die am meisten charakteristischen Situationen, in denen Petrus auf Kirchenbildern erscheint, sind ferner: 1) der Fischzug. Petrus hat lange vergebens gefischt, da heisst ihn der Herr sein Netz noch einmal auswerfen und es wird übervoll von Fischen. Damit ist gemeint: eigne Kraft thut’s nicht, was ihr vermöget, das vermöget ihr allein durch den Herrn. Unter den Fischen aber sind Seelen gemeint, die durch die heilige Taufe gerettet werden. 2) Das Wandeln über Meer. Petrus geht aus dem Schiff dem über das Meer wandelnden [216] Heiland entgegen, sinkt aber unter, weil er zweifelt, und die Hand des Herrn nur kann ihn retten. Darunter ist wieder die Unzulänglichkeit des Menschen verstanden, dem Gott allein die Stärke verleiht. Sofern aber das Schiff die Kirche bedeutet, wird hier das Verhältniss des Herrn zur sichtbaren Kirche und ihren Lenkern sehr deutlich bezeichnet. — 3) Die Befreiung des gefangenen Petrus durch einen lichten Engel aus Kerkernacht und Ketten. Vorbild der Befreiung der Kirche aus dem Heidenthum, und jedes frommen Christen aus der Qual des Lebens. Raphael malte diese Scene in den Stanzen im Vatican an die Wand unterhalb eines Fensters, also im ungünstigsten Schatten, aber mit solcher Meisterschaft, dass der Lichteffect der Engelserscheinung seine volle Wirkung behält. — 4) Die Fusswaschung. Petrus allein will sich vom Herrn nicht die Füsse waschen lassen, missverstehend die Liebe als zu weit getriebene Selbsterniedrigung. Damit wird aller menschliche Hochmuth auf’s Tiefste beschämt und sonderlich der Stolz des Priesterthums zur wahren Demuth hingewiesen. — 5) Die verkehrte Kreuzigung Petri. Nach alter Tradition bat Petrus, als er gekreuzigt werden sollte, man möge ihn kopfunter kreuzigen, weil er sich für unwürdig hielt, aufrecht wie der Heiland selbst zu sterben. Diese letzte Demuth im Sterben bewies, wie tief ihn jede Anwandlung von Stolz reute, dem er sich hingegeben.

In der Peterskirche zu Rom, der nach ihm benannten grossen Mutterkirche des Abendlandes, befindet sich als Reliquie sein Stuhl (von antiker Arbeit) in einem Ueberzug von vergoldeter Bronze. Daher heisst der päpstliche Thron der Stuhl Petri. Petri Stuhlfeier am 18. Februar bezieht sich dagegen auf den Bischofssitz des Apostels zu Antiochia. — Auch die Ketten, mit denen Petrus im Kerker gefesselt war, sind in Rom (in der Kirche S. Pietro in vincoli) aufbewahrt und ist ihnen am 1. August ein Fest gewidmet, Petri Kettenfeier. Beschreibung von Rom III. 2. 235. Sein Hauptfest ist aber seine und Pauli Todesfeier, 29. Juni. An diesem Tage wird [217] seine sehr alte Statue in der Peterskirche festlich geschmückt. v. Martens, Italien II. 575. Ein besonderes Heiligthum hat er zu S. Pietro in grado, wo er zuerst den italienischen Boden betrat, und in S. Pietro in montorio, wo er gekreuzigt wurde. Beschreibung von Rom III. 3. 619.

In Venedig heisst ein Fisch pasce san Piero (Zeus Faber, Linné), weil er schwarze Flecken hat. Es sollen die Spuren der Finger des Apostels seyn, der in dem Fische den Zinsgroschen gefunden und ihn dann wieder in’s Meer geworfen. v. Martens, Italien II. 366.