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Leidringen,

Gemeinde II. Klasse[1] mit 1182 Einw. worunter 1 Katholik. a. Leidringen, Pfarrdorf mit Marktrecht, 1156 Einw.; b. Amselreute, Haus, mit Kopfenhof, Haus, 6 Einw. c. Bommlershof, Haus, 6 Einw. d. Brestneckermühle, Haus, 4 Einw. e. Krempenhof, Haus. f. Michelesmühle, Haus, 8 Einw. g. Schorenhof, Haus, 2 Einw. h. Weiherhof, Haus. – Ev. Pfarrei; die Katholiken sind nach Böhringen O.A. Rottweil eingepfarrt.

Der große, mit breiten, reinlich gehaltenen Straßen versehene Ort liegt 31/2 Stunden südöstlich von der Oberamtsstadt, auf der Hochebene zwischen den Thälern der Schlichem und der Stunz. Östlich am Ort erhebt sich der kleine Heuberg, der dem Ort einigen Schutz gegen die Nordost- und Ostwinde gewährt, und von dem man auf dem sog. Bub, eine ausgedehnte Rundsicht an die Alp bis in die Gegend von Tübingen, über den Schwarzwald, in das obere Neckarthal bei Rottweil etc. genießt; durch die Lücke zwischen Schwarzwald und Alp sind der Lupfen und im Hintergrunde die Appenzeller Hochalpen noch sichtbar.

Die meist ansehnlichen aus Holz erbauten und mit steinernen Unterstöcken versehenen Bauernwohnungen (Haus und Scheune unter einem Dach) sind etwas weitläufig gestellt und nicht selten von zwischen liegenden Baumgärten unterbrochen, was zur Freundlichkeit des Orts viel beiträgt.

Die am westlichen Ende des Orts gelegene Pfarrkirche, welche die Stiftungspflege zu unterhalten hat, enthält spitze Eingänge und Fenster ohne Füllungen. Der monströse, viereckige Thurm trägt ein| an den Giebelecken abgestutztes Satteldach. Das dunkle, unansehnliche Innere der Kirche enthält einen im gothischen Geschmack gut ausgeführten Taufstein und von dem Langhaus führt ein spitzer Triumphbogen in den mit einem schön construirten Netzgewölbe gedeckten, vierseitig schließenden Chor. Die Gewölbegurten gehen von bemalten Apostelbildern aus und die Schlußsteine sind ebenfalls bemalt.

Der um die Kirche gelegene ummauerte Begräbnißplatz ist im Jahr 1828 aufgegeben und ein neuer außerhalb (westlich) des Orts angelegt worden.

Das Pfarrhaus hat eine freundliche Lage in der Nähe der Kirche; es ist schon alt, jedoch gut unterhalten und bildet mit seinem Öconomiegebäude, Hofraum und ansehnlichen Garten einen angenehmen Pfarrsitz. Die Unterhaltung desselben liegt dem Staat ob.

Das Schul- und Rathhaus, ein sehr ansehnliches Gebäude, welches vor der Reformation ein zum Kloster St. Georgen gehöriger Klosterhof, später die Wohnung der kirchenräthlichen Pfleger war, im Jahr 1828 von der Gemeinde um 1800 fl. erkauft und zu seinen gegenwärtigen Zwecken eingerichtet wurde. Es enthält außer den Gelassen für den Gemeinderath 3 geräumige Lehrzimmer und die Wohnungen für die an der Schule angestellten Lehrer (ein Schulmeister und ein Unterlehrer).

Von öffentlichen Gebäuden sind ferner vorhanden: 2 Waschhäuser, 2 Backhäuser, 1 Armenhaus und 1 Schafhaus.

An Wasser ist kein Mangel, indem eine Menge Pump- und Schöpfbrunnen vorhanden sind, welche gesundes Trinkwasser hinreichend liefern.

Die Einwohner sind im Allgemeinen schöne, wohlgewachsene kräftige Leute, die nicht selten ein hohes Alter erreichen. Die häufigste Krankheit, woran 1/3 der Erwachsenen stirbt, ist die Wassersucht. In Sitte und Lebensweise sind die Einwohner einfach und die malerische Tracht der Voreltern hat sich noch ziemlich allgemein erhalten. Ackerbau und Viehzucht bilden die Erwerbsquellen, welche den Einwohnern ein ziemlich gutes Auskommen sichern. Der größte Güterbesitz beträgt 50 Morgen Feld und 6–8 Morgen Wald; der mittlere 20–25 Morgen Feld und 2–3 Morgen Wald und der geringste 1–11/2 Morgen. Unterstützung von Seiten der Gemeinde erhalten gegenwärtig 8 Personen.

Die große, in die Länge gedehnte Markung, welche größtentheils für den Feldbau benützt wird, hat mit Ausnahme des kleinen| Heubergs und der Gehänge gegen die Thäler, eine ebene Lage und im Allgemeinen einen ziemlich fruchtbaren, jedoch sehr verschiedenen Boden. Auf der Anhöhe besteht derselbe aus einem zähen, schwer zu bebauenden Lehm, dem in unbedeutender Tiefe der Liaskalk als Unterlage dient. Der Boden des kleinen Heubergs ist meist mager und unfruchtbar, während an den Thalabhängen theils schwere Thone, theils sandige Bodenarten (Zersetzungen des Keupermergels und des grobkörnigen Keupersandsteins) auftreten. Am besten gedeihen: Dinkel, Haber und Ackerbohnen.

Die Luft ist rein und trocken, jedoch ziemlich scharf, was besonders im Frühling und Herbst fühlbar wird. Zur Winterszeit, wenn es nicht gerade stürmt, ist die Witterung öfters milder und angenehmer als in manchen tiefer gelegenen Gegenden. Feinere Gewächse, wie Gurken, Bohnen etc. gedeihen. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird fleißig und gut betrieben; der Pflug, welcher angewendet wird, ist zwar ein verbesserter, jedoch nicht der Schwerzische, weil dieser für die Bebauung des schweren Bodens zu schwach erscheint. Als Besserungsmittel des Bodens kommt außer dem gewöhnlichen Stalldünger, auch der Gyps und die Hallerde häufig in Anwendung. Die Düngerstätten sind zum Theil nach besseren Grundsätzen angelegt, so daß die Jauche, deren Werth man wohl zu schätzen weiß, nicht verloren geht.

In dreizelglicher Eintheilung mit mäßig angeblümter Brache baut man die gewöhnlichen Getreidefrüchte und überdieß Kartoffeln, Ackerbohnen, Futterkräuter (dreiblättrigen Klee und Luzerne), Hanf, Kraut und Reps, letzteren übrigens mit wenig günstigem Erfolg. Zur Aussaat rechnet man auf den Morgen 9–10 Sri. Dinkel, 5–6 Sri. Haber, 5 Sri. Gerste, 4 Sri. Weizen und 6 Simri Ackerbohnen, wenn sie lauter gesät werden, was jedoch selten geschieht. Der durchschnittliche Ertrag wird zu 8–10 Schffl. Dinkel, 4–6 Schffl. Haber, 3–4 Schffl. Gerste und 4 Schffl. Weizen per Morgen angegeben. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 20–450 fl. Von den Getreidefrüchten werden im Durchschnitt 1000 Schffl. Dinkel und 300 Schffl. Haber auf der Schranne zu Rottweil jährlich abgesetzt.

Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, von denen nur wenige bewässert werden können, liefern gutes Futter und ertragen 20–25 Centner Heu und 12 Ctr. Öhmd per Morgen. Die Preise eines| Morgens betragen 100–700 fl. Von dem Futterertrag wird nur ein kleiner Theil nach Außen verkauft.

Die Obstzucht ist nicht bedeutend, jedoch im Zunehmen begriffen; das Obst geräth nicht sonderlich gerne und feinere Sorten kommen nur wenige vor. Der Obstertrag wird nur für den eigenen Bedarf gedörrt und seltener gemostet.

In Beziehung auf Viehzucht ist die Zucht der Pferde im Abnehmen, weil man sich immer mehr der Ochsen und selbst der Kühe zum Zug bedient. Übrigens ziehen die Bauern ihren Bedarf an Zugpferden in der Regel selbst nach und die Stuten kommen auf benachbarte Beschälplatten zur Bedeckung. Fohlen und Pferde werden zuweilen um gute Preise nach Außen verkauft.

Von Bedeutung ist die Rindviehzucht; sie beschäftigt sich mit einer guten Landrace, welche man durch 3–4 tüchtige Farren immer mehr zu verbessern sucht. Die Zuchtstiere werden von der Gemeinde angeschafft und unterhalten.

Viehmastung findet nicht statt, dagegen ist der Handel mit Jung- und Melkvieh auf benachbarten Märkten, wie auch auf den Ortsmärkten ziemlich namhaft.

Auf der Markung laufen etwa 500 St. den Ortsbürgern gehörige Landschafe, die auch im Ort Überwinterung finden. Schafe und Wolle werden meist im Ort selbst verkauft. Weidegeld und Pferchnutzung tragen der Gemeinde 1000–1100 fl. jährlich ein.

Schweinezucht findet nicht statt, indem die Ferkel von Außen aufgekauft und meist nur für den eigenen Bedarf gemästet werden.

Ziegen werden in neuerer Zeit mehr gehalten als früher, was eine Folge zunehmender Verarmung ist, da Familien, welche früher eine oder zwei Kühe ernähren konnten, sich jetzt mit einigen Ziegen begnügen müssen.

Die Zucht des Geflügels, namentlich der Hühner, ist von einiger Bedeutung und erlaubt einen einträglichen Handel mit jungen Hahnen und Eiern vorzugsweise in das benachbarte Rottweil.

Die Bienenzucht wird von der Lage des Orts nicht begünstigt.

Von Gewerben sind nur 2 Mühlen (s. unten), 2 Schildwirthschaften und 2 Krämer zu erwähnen; die übrigen beschränken sich auf die nöthigsten Handwerker.

Vicinalstraßen führen nach Rosenfeld, Bickelsberg, Harthausen, Dautmergen und Erzingen.

Der Ort hat das Recht alljährlich zwei Vieh- und Krämermärkte| abzuhalten, auf denen jedoch der Verkehr nicht von großem Belang ist.

Die Gemeinde ist im Besitz von etwa 300 Morgen Waldungen; der Ertrag derselben wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 6–700 fl. sichert.

Dieser ehemalige Amtsort von Rosenfeld kam mit diesem an die Herrschaft Württemberg, welcher noch am 27. Aug. 1347 Burkhard und Reinhard von Ehingen zu Entringen hiesige Leute und Güter überließen. In die Geschichte tritt er ein in den 1080er Jahren, als das Kloster St. Georgen hiesige Besitzungen erhielt, welches namentlich in den Jahren 1088, 1094, 1139 mit solchen bedacht wurde (villa Lideringen. Mone, Zeitschr. 9, 203. 206. 217. 223). Als ihm solche P. Alexander III. im Jahre 1179 bestätigte, war bereits die Kirche und der halbe Zehnte darunter begriffen (Wirt. Urk.-Buch 2, 198). In den Aufzeichnungen dieses Klosters macht sich Luitfridus de Lideringen im J. 1094 als Wohlthäter gegen dasselbe bekannt (Mone, a. a. O. 217). Graf Egino von Freiburg beschenkte dasselbe am 21. Sept. 1231 unter Vorbehalt eines beschränkten Vogtrechts mit einem Gut, welches er seinem Dienstmann Berthold von Leidringen für 20 Mark Silber abgekauft hatte. (Neugart, Cod. dipl. 2, 163).

Das Kloster hatte in Leidringen einen Pfleger und einen Dinghof und auf diesem für alle seine im Rosenfelder Amt gelegenen Güter ein Dinggericht, aus 18 Richtern bestehend, welche sämmtlich Leibeigene oder Lehensleute des Klosters seyn mußten; die sämmtlichen klösterlichen Güterbesitzer hatten das Recht, die Abhaltung desselben alle zwei Jahre vom Abt zu verlangen, und mußten dabei erscheinen und zuerst anzeigen, was sie wußten, daß dem Kloster an dessen Gütern, Leibeigenen, Fällen etc. abgegangen oder verschwiegen worden war. Was auf solche Weise angezeigt ward, untersuchte und bestrafte man auf der Stelle und schlichtete dann auch alle Irrungen zwischen den Gutsbesitzern unter sich und mit dem Lehensherrn. Das Ganze endete gewöhnlich mit einem Schmauß. Der Abt erschien selbst dabei oder schickte einen Stellvertreter. Beim Hauptfall eines Leibeigenen erhielt das Kloster auch das beste Bett; wenn er jedoch eine Tochter hatte, bekam diese solches; dem Klosterbeamten mußten die Erben alles Vieh vorführen, damit er das beste Stück auswähle (Cleß, 2, 376. 429).

Von St. Georgen trugen zu Lehen die Kirche und den halben Zehnten im 14. Jahrhundert die Herren von Falkenstein; Zehntantheile| verkaufte 1423 Eglolf von Falkenstein an die hiesige Frühmesse. Betheiligt am Zehnten waren auch die Herren von Rosenfeld, unter geroldseckischer, später württembergischer Oberlehensherrlichkeit.

Im J. 1503 machte Aufsehen und fand in weiten Entfernungen Glauben eine Wundergeschichte, welche sich hier ereignet haben sollte, Christi Wundenmahle, einem 15jährigen Mädchen eingedrückt (Annales Mellicenses bei Pertz Script. 9, 528).

Zu der Gemeinde gehören:

b. Amselreute, mit Kopfenhof, zwei einzeln stehende Häuser, welche in geringer Entfernung von einander 1/2 Stunde südöstlich von dem Mutterort liegen.

c. Bommlershof, Haus, 1/2 Stunde nordwestlich von Leidringen oben an dem Abhang gegen das Trichtinger Thal gelegen.

d. Bresteneckermühle, mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang, liegt 1/4 Stunde südlich von dem Mutterort an der Schlichem.

e. Krempenhof, Haus, hat 1/2 Stunde östlich von dem Mutterort, unfern des Erlenbachs, eine freundliche Lage.

f. Michelesmühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang etwa 500 Schritte oberhalb der Bresteneckermühle an der Schlichem gelegen.

g. Schorrenhof, ein einzeln stehendes Haus, das auf dem kleinen Heuberg 3/4 Stunden östlich von dem Mutterort liegt.

h. Weiherhof, Haus, im Erlenbachthal unfern des Schorrenhofs gelegen.


  1. Leidringen kam den 24. Juni 1846 aus der dritten in die zweite Klasse der Gemeinden.
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