« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Backnang Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.
A. Bevölkerungsstatistik.[1]
1. Bewegung der Bevölkerung im allgemeinen.
Obgleich das jetzige Oberamt Backnang die früheren Sitze der beiden altwürttembergischen Oberämter Backnang und Murrhardt enthält, so kann die Bevölkerung des Bezirks doch nicht weiter, als in das zweite Jahrzehnt des Jahrhunderts zurückverfolgt werden, weil früher die Gemeinde-, Bezirks- und Kreiseintheilung eine ganz andere war. Von den Amtsorten der beiden altwürttembergischen Oberämter | Backnang und Murrhardt gehört jetzt eine beträchtliche Anzahl in die Oberamtsbezirke Gaildorf und Welzheim; einige sind auch im Oberamt Marbach und Waiblingen und von jenen beiden altwürttembergischen Oberämtern selbst, welche am 1. Januar 1794 eine Bevölkerung von 13.690 anwesenden Staatsangehörigen zählten, war Backnang nach der Organisation von 1807 dem Kreis Heilbronn, Murrhardt aber dem Kreis Schorndorf zugetheilt. Durch die Organisation von 1810 dagegen wurde Murrhardt zwar mit Backnang vereinigt und der Landvogtei am untern Neckar zu Heilbronn einverleibt, aber erst nach einigen im Jahr 1813 in Folge der Anflösung des Unteramts Mainhardt erfolgten Abänderungen in der Zutheilung der Gemeinden ist der Oberamtsbezirk von da an bis zur Einrichtung der Kreiseintheilung im Jahr 1817 und bis auf die Gegenwart unverändert geblieben.

Der hiernach beigefügten Übersicht I zufolge, in welcher die Bevölkerung des ganzen Bezirks von 1813 an nach verschiedenen Zählungsperioden angegeben ist, zeigt sich bei der ortsangehörigen Bevölkerung – eine unbedeutende Abnahme von 1843 bis 1846 ausgenommen – im ganzen übrigen Zeitraum von 1813–1852 ein fortwährender Zuwachs, so daß die Bevölkerung von 24.377 auf 32.706 Personen stieg oder um 34,16%, oder jährlich um 0,99% sich vermehrt hatte. Von da aber bis 1858 ergab sich eine Abnahme bis auf 31.578 Personen oder, den Stand von 1852 = 100 angenommen, von 3,45% oder jährlich um 0,58%, welcher Abnahme jedoch bis zum Jahr 1867 wieder eine Vermehrung folgte, so daß der Stand dieser neuesten Zählung mit 33.150 Personen den von 1852 noch übertrifft; – und für die ganze 54jährige Periode von 1813 bis 1867 ein Zuwachs von 35,98% sich berechnet oder ein jährlicher von 0,66%, was einer Verdopplung in 150 Jahren gleichkäme.

Bei der ortsanwesenden Bevölkerung dagegen beginnt die Abnahme schon mit dem Jahr 1846, von wo an der Stand der Bevölkerung mit 30.635 bis zum Jahr 1858 auf 27.440, also auf 89,57% herabfiel oder jährlich um 0,87%. Von 1858–1867 aber ist nur eine ganz geringe Vermehrung um 1,01% eingetreten, so daß der Stand von 1846 noch nicht wieder erreicht ist und für die ganze Periode der Zollvereinszählungen von 1834–1867 nicht nur keine Vermehrung erscheint, sondern sogar eine Abnahme von 27.854 auf 27.746 oder von 0,39%, während für die gleiche Periode bei der ortsangehörigen Bevölkerung eine Vermehrung von 15,27% erscheint.

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I. Übersicht über die Bevölkerung des Oberamtsbezirks im Ganzen und zwar:
in den Jahren I. der orts-
angehörigen.
II. der ortsanwesenden und zwar von 1834 an nach der 3jährigen Zollvereinszählung.
a) Personen über  b) Personen unter
14 Jahren
c) Im Ganzen
männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus.
1813      1. November 12.053 12.324 24.377 –      –      –      –      –      –      11.564 12.345 23.909
1822      12.777 13.064 25.841 –      –      –      –      –      –      12.746 13.163 25.909
1824      13.274 13.468 26.742 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1827      13.751 13.908 27.659 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1832      a) nach der jährl. Zählung 14.365 14.433 28.798 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
 b) nach der 10jähr. Zählung 14.142 13.385 28.527 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1834     15. Dezember 14.162 14.597 28.759 8.963 9.632 18.595 4.611 4.648 9.259 13.574 14.280 27.854
1837      14.623 15.010 29.633 9.375 9.921 19.296 4.643 4.811 9.454 14.018 14.732 28.750
1840      15.218 15.587 30.805 9.552 10.189 19.741 4.852 5.112 9.964 14.404 15.301 29.705
1842      15.549 15.877 31.426 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1843      15.692 16.107 31.799 9.569 9.774 19.343 5.534 5.418 10.952 15.103 15.192 30.295
1846      3. Dezember
 a) nach der jährl. Zählung
16.161 16.527 32.688 9.753 10.246 19.999 5.209 5.427 10.636 14.962 15.673 30.635

 b) nach der 14jähr. Zählung
15.750 16.023 31.773 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1849      16.091 16.344 32.435 9.365 10.007 19.372 5.273 5.487 10.760 14.638 15.494 30.132
1852      16.177 16.529 32.706 9.125 10.015 19.140 5.033 5.309 10.342 14.158 15.324 29.482
1855      15.482 16.049 31.531 8.596 9.650 18.246 4.155 4.789 9.204 13.011 14.439 27.450
1858      a) nach der jährl. Zählung 15.793 16.308 32.101 8.866 9.930 18.796 4.155 4.489 8.644 13.021 14.419 27.440

 b) nach der 12jähr. Zählung
15.423 16.155 31.578 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1861      15.783 16.576 32.359 9.037 10.210 19.247 4.090 4.450 8.540 13.127 14.660 27.787
1862 15.849 16.608 32.457 –      –      –      –      –      –      –      –      –     
1864      16.002 16.809 32.811 9.083 10.166 19.249 4.039 4.460 8.499 13.122 14.626 27.748
1867      16.032 17.118 33.150 8.776 10.094 18.870 4.241 4.635 8.876 13.017 14.729 27.746
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II. Übersicht über den Stand der Bevölkerung in sämtlichen Gemeinden des Bezirks in den Jahren
Gemeinden. 1824.     1834.
Ortsangehörige
Bevölkerung
1834.     1846     1858.     1867.
Ortsanwesende
Bevölkerung.
1867.
Orts-
angeh.
Bevöl-
kerung.
  1) Backnang 3.943 4.000 4.135 4.289 4.253 4.277 4.543
  2) Allmersbach 667 725 672 705 639 604 812
  3) Althütte 941 1.032 890 1.029 928 1.022 1.388
  4) Bruch 290 298 269 288 274 256 323
  5) Cottenweiler 282 309 263 293 293 281 357
  6) Ebersberg 382 400 361 396 303 296 433
  7) Fornsbach 762 727 776 741
  8) Grab 634 658 845
  9) Groß-Aspach 1.489 1.537 1.469 1.524 1.339 1.277 1.628
10) Groß-Erlach 884 819 1.162
11) Heiningen 350 342 332 336 299 272 330
12) Heutensbach 302 343 305 351 300 322 384
13) Jux 610 670 623 677 550 565 770
14) Lippoldsweiler 772 839 831 854 807 856 1.015
15) Maubach 194 207 214 251 226 213 234
16) Murrhardt 4.609 4.787 4.779 5.549 4.089 4.318 5.000
17) Neufürstenhütte 359 410 349 335 347 347 493
18) Oberbrüden 899 904 922 1.011 959 953 1.113
19) Ober-Weissach 447 449 411 460 431 408 474
20) Oppenweiler 721 741 714 803 625 593 786
21) Reichenberg 1.156 1.341 1.300 1.469 1.141 1.086 1.331
22) Rietenau 536 535 510 550 540 537 617
23) Sechselberg 738 801 710 822 722 794 1.021
24) Spiegelberg 1.148 1.258 1.245 1.358 1.267 1.186 1.506
25) Steinbach 564 589 543 590 459 471 634
26) Strümpfelbach 219 235 240 245 225 244 247
27) Sulzbach 3.599 4.304 4.203 3.914 2.564 2.645 3.033
28) Unterbrüden 460 489 443 491 438 450 541
29) Unter-Weissach 845 968 874 1.012 929 934 1.082
30) Waldrems 220 246 247 271 248 286 307
26.742 28.759 27.854 30.635 27.440 27.746 33.150

Anmerk. zu 7 und 27. Fornsbach mit den Parzellen: Köchersberg, Berghöfle, Raithöfle, Mettelberg, Schloßhof und Hinterwestermurr, gehörten früher zur Gemeinde Sulzbach.

Anm. zu 8, 16 und 27. Grab und die Parzellen: Mannenweiler, Morbach, Rösersmühle, Schönbronn und Schönthalerhöfle, waren früher beim Gemeindebezirk Murrhardt, Trauzenbach mit Hohenbrach dagegen bei Sulzbach.

Anm. zu 10, 16, 21, 27. Groß-Erlach mit den Parzellen: Erlach, Glashütte, Klein-Erlach, gehörte früher zum Gemeindeverband Sulzbach; Mittel-, Ober- und Unter-Fischbach dagegen waren der Gemeinde Reichenberg zugetheilt und Liemersbach dem Gemeindebezirk Murrhardt.

Anm. zu 24. Zum Gemeindebezirk Spiegelberg gehören jetzt die Parzellen: Groß-Höchberg, Roßstaig und Vorder-Büchelberg, welche früher eigene Gemeinden bildeten.

| Der so große Abmangel der ortsanwesenden Bevölkerung gegenüber der ortsangehörigen betrug 1864 5063 oder 18,2% der ortsanwesenden, womit Backnang schon damals nur den Oberämtern Nürtingen und Welzheim nachstand, 1867 aber 5404 Personen oder 19,5%. Er weist daraus hin, daß eine Menge der bezirksangehörigen Einwohner sich in der Regel in andern Bezirken oder auch im Ausland aufhält, was bei der alljährlichen Ermittlung des Standes der Bevölkerung auf Grund der Familienregister entweder vorschriftsmäßig außer Berücksichtigung bleibt, wie z.B. bei den als Dienstboten Abwesenden, oder gar nicht zur Kenntniß der Behörden kommt, wie bei solchen, die sich im Auslande aufhalten ohne ausgewandert zu sein. Hiedurch löst sich auch der scheinbare Widerspruch zwischen der oben berechneten Vermehrung der ortsangehörigen und der Verminderung der ortsanwesenden Bevölkerung in der Periode von 1834/67. Indessen zeigen beide Zählungen eine große Abnahme derselben in der Zeit des Anfangs der 1850er Jahre in Württemberg eingetretenen ökonomischen Nothstandes, namentlich von 1852 bis 1855, und der Bezirk Backnang war damals auch unter denjenigen, in denen vergleichungsweise die größte Zahl der Gante vorkam, in welchen also auch der ökonomische Zerfall am weitesten um sich gegriffen hatte, denn nach einem Durchschnitt der 3 Jahre 1. Juli 1850/53 kam jährlich je auf 37 Familien 1 Gant, so daß allein der Oberamtsbezirk Oberndorf noch mehr aufzuweisen hatte. Für die einzelnen Perioden berechnet sich der Bevölkerungszuwachs folgendermaßen:

Derselbe betrug auf 1000 Personen der ortsangehörigen Bevölkerung durchschnittlich jährlich

in der Periode im ganzen
Land
im Neckar
kreis
im O.A.-Bezirk
Backnang
O.Z.
1812–22 5,50  5,80  12,50  1  
1822–32 9,16  9,34  13,64  7  
1832-42 8,58  8,50  10,16  18  
1842–52 5,59  6,44  4,07  46  
wobei der natürliche Zuwachs durch den Überschuß der Geburten über die Todesfälle betragen hat
in der Periode im ganzen
Land
im Neckar
kreis
im O.A.-Bezirk
Backnang
O.Z.
1812–22 6,14  7,52  8,90  10 
1822–32 9,54  10,72  13,95  3  
1832–42 8,92  9,46  11,33  13  
1842–52 9,05  10,42  8,97  33.  
Sowohl der natürliche Zuwachs, als die Zunahme der Bevölkerung im Ganzen erscheint also für die 30jährige Periode 1812/42 bedeutend, während von 1842/52 zwar eine relativ erheblich geringere Bevölkerungszunahme, im Ganzen jedoch keineswegs ein ebenso auffallendes | Zurückgehen des natürlichen Zuwachses erscheint. Für das folgende Decennium von 1852 an und für die spätere Zeit fehlt zwar eine auf die Aufnahme der ortsangehörigen Bevölkerung gegründete Berechnung über den Gang der Bevölkerung in allen Bezirken, der bedeutende Rückgang der Bevölkerung von 1852–1858 findet jedoch seine weitere Bestätigung in den Darstellungen des Ganges der Bevölkerung für die einzelnen Jahre, welche zeigen, wie für Backnang die Wirkungen jenes Nothstandes nach 52 eingetreten sind. So war der Bezirk z. B. im Jahr 1854 derjenige, welcher nach Oberndorf die größte Zahl der Gestorbenen zählte, nämlich auf 1000 Lebende 42,46 Gestorbene (O.Z. 2) und während die Auswanderung früher im Vergleich mit andern Oberämtern nicht besonders stark war, denn es kam in dem Jahrzehnt 1842/52 1 Auswanderer erst aus 417 Einwohner (O.Z. 41), tritt Backnang den vorliegenden Berechnungen zufolge doch in den Jahren 1856 und 1857 mit 1 Auswanderer auf 216 und aus 213 Einwohner (O.Z. 9 und 19) in der Reihe der Oberamtsbezirke besonders hervor. Damals hatte aber die Stärke der Auswanderung in den übrigen Oberamtsbezirken, welche in Württemberg im Jahr 1854 ihren Gipfelpunkt erreichte, schon nachgelassen und gerade in diesem Jahr stand Backnang mit einem Mehr der Auswanderung über die Einwanderung von nur 264 Personen hinter vielen andern Bezirken zurück, denn solches betrug z. B. in den 18 Bezirken, wo dasselbe den höchsten Stand erreicht, 432–864 Personen. Hält man hiemit den Umstand zusammen, daß Backnang 1854 nach Oberndorf die größte Zahl von Todesfällen hatte, so dürfte daraus hervorgehen, daß der gleiche Nothstand, welcher in andern Landestheilen eine noch etwas mehr bemittelte Bevölkerung zur Auswandernug trieb, in diesem ärmern Bezirke eine größere Sterblichkeit zur Folge hatte. Von 1858/66 sodann ergibt sich nach den vom Medicinalcollegium veröffentlichten, jedoch auf die ortsanwesende Bevölkerung gegründeten Berechnungen für Backnang ein natürlicher Zuwachs von 10,56, wornach der Bezirk seine frühere Fruchtbarkeit, die sich für die ganze Periode 12/42 aus 11,39 berechnet, nahezu wieder erlangt zu haben scheint. Da nun die Zahl der Auswanderer nach 1857, wie überhaupt, so auch im Oberamt Backnang nicht mehr sehr bedeutend war (denn von 1863/68 z. B. wanderten aus dem Oberamt Backnang im Ganzen 598 Personen, also jährlich im Durchschnitt 100 Personen aus), so ist die Erklärung des Umstands, daß die Zunahme der faktischen Bevölkerung von 1858/67 dennoch so ganz geringfügig erscheint, hauptsächlich auch darin zu suchen, daß der Bezirk eine große Zahl Arbeitskräfte aus der Altersklasse der reifern Jugend an andere Bezirke abgibt. Auch mag eine beträchtliche Anzahl von Personen, ohne förmlich auszuwandern, ihren ständigen | Aufenthalt im Ausland nehmen. Indessen glauben wir dem erstern Umstand, mit Rücksicht auf die weiter unten bezüglich der Besetzung der Altersklassen aufgestellten Zahlen, immerhin eine nachhaltige Wirkung beimessen zu dürfen. Auch steht hiemit ohne Zweifel die so große Zahl der unehelich Gebornen im Zusammenhang; denn einerseits sehen sich Viele dieser unehelich Geborenen, sobald sie in das reifere arbeitsfähige Alter kommen, ohne Vermögen, ohne Anhaltspunkt in einer Familie, darauf angewiesen, ihren Unterhalt als Dienstboten zu verdienen, und andererseits muß jener Umstand selbst wieder auf die Zahl der unehelich Gebornen steigernd rückwirken, indem die ohne Aussicht in der Fremde befindliche weibliche Jugend der Versuchung mehr ausgesetzt ist und die unehelichen Kinder solcher weiblichen Dienstboten stets in dem Heimathort der letztern registrirt werden, nicht in dem ihres vorübergehenden Aufenthalts.


2. Geburten insbesondere.

Die Zahl der Geborenen verhält sich zur ortsangehörigen Einwohnerzahl nach jährlichen Durchschnitten

in der Periode  in Württemberg  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
1812–22 1:26,25 1:26,03 1:25,35 18
1822–32 1:26,10 1:26,10 1:23,80 10
1832–42 1:23,12 1:22,90 1:21,97 19
1842–52 1:24,85 1:24,59 1:24,68 28
1846–56[2] 1:26,30 1:26,64 1:25,71 24
1858–66[3] 1:24,50 1:24,50 1:22,10 9.

Über das Verhältniß der unehelich Geborenen zu den Geborenen geben nachstehende Zahlen Aufschluß.

Das Verhältniss der unehelich Geborenen zu den Geborenen überhaupt war:

von  in Württemberg  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
1812–22 1 : 9,08 1 : 10,60 1 : 7,66 54
1822–32 1 : 8,10 1 : 9,20 1 : 6,70 55
1832–42 1 : 8,68 1 : 10,10 1 : 6,90 58
1842–52 1 : 8,35 1 : 9,69 1 : 6,29 59.
Für die spätere Zeit sind vollständige Berechnungen der entsprechenden Proportionsziffer hierüber nicht vorhanden; jedoch ist aus den in den Württembergischen Jahrbüchern von 1852 bis 1862 alljährlich über den Gang der Bevölkerung veröffentlichten Darstellungen ersichtlich, daß die Zahl der unehelich Geborenen zu den Geborenen überhaupt im Oberamt Backnang von 1852/62 durchschnittlich | 23,34% ausmacht, oder sich verhält wie 1 : 4,28, somit noch viel stärker war, als in den frühern Decennien, wobei dem Oberamt Backnang in der Regel nur die beiden angrenzenden Oberamtsbezirke Gaildorf und Welzheim mit einer relativ noch größern Anzahl unehelicher Kinder vorangiengen. Auch nach den Zusammenstellungen über die neuern Jahrgänge ist das Verhältniß beinahe dasselbe geblieben. Die Zahl der unehelich Geborenen betrug nämlich in Prozenten sämtlicher Geborenen:
von 1862–63       24,67 %
  "   1863–64 25,64 "
  "   1864–65 22,84 "
  "   1865–66 23,09"
  "   1866–67 23,39"
  "   1867–68 21,40 "
  "   1868–69 20,19 "

also durchschnittlich jährlich 23,03 %, oder verhielt sich zur Zahl sämtlicher Geborenen wie 1 : 4,34.

Vergleicht man dagegen die Zahl der unehelich Geborenen mit der Zahl der unverheiratheten weiblichen Personen über 14 Jahren, wie folgt:

Zahl der unverheiratheten weib- 
lichen Personen über 14 Jahr
im Jahr
Zahl der
unehelich
Geborenen
 Auf 100 unverheirathete weibliche
 Personen über 14 Jahren kommen
 unehelich Geborene
1861      5903  326 5,52 
1864      5685  361 6,35 
1865      5470  307 5,61 

so zeigt sich im neuesten Stand von 1867 nur gegenüber von 1864, nicht aber gegen 1861, eine Abnahme.

Was das Geschlecht der Geborenen anbelangt, so kommen auf 100 weiblich Geborene männlich Geborene:

in der Periode      in Württemberg      im Neckarkreis      im O.A. Backnang      O.Z.
1842–52 106,28 106,33 105,55 43
sodann nach den Aufnahmen des Medicinalcollegiums:
1. Juli      in Württemberg      im Neckarkreis      im O.A. Backnang      O.Z.
1846–56 106,31 105,67 103,79 56
Ferner kommen auf 100 ehelich weiblich Geborene ehelich männlich Geborene:
in der Periode      in Württemberg      im Neckarkreis      im O.A. Backnang      O.Z.
1842–52 106,51 106,53 107,03 31
auf 100 unehelich weiblich Geborene unehelich männlich Geborene:
1842–52 104,57 104,61 97,11 56.
Bekanntlich ist von verschiedenen Seiten der Satz aufgestellt worden, daß das Überwiegen des männlichen Geschlechts bei der Zahl der Geborenen davon herrühre, daß der Vater in der Regel älter sei, als die Mutter. Wenn angenommen werden könnte, was | an sich nicht unwahrscheinlich ist, daß bei der unehelichen Zeugung, weil die Frage nach der Existenz der künftigen Familie, wenn nicht bei Seite gesetzt, doch jedenfalls weniger ernst ins Auge gefaßt wird, auch der Vater durchschnittlich der Mutter im Alter weniger vorangeht, als bei der ehelichen Zeugung, so würde diese Hypothese auch durch obige Zahlen ihre Bestätigung finden, da nicht nur in Württemberg im allgemeinen bei den ehelich Geborenen das männliche Geschlecht weit mehr überwiegt als bei den unehelich Geborenen, sondern insbesondere im Oberamt Backnang zwischen beiden Klassen von Geborenen in dieser Beziehung ein so bedeutender Unterschicd sich kenntlich macht.

Aus den im Jahr 1856 der württembergischen Jahrbücher von Finanzassessor v. Sick bearbeiteten Aufnahmen des Medicinalcollegiums sind außerdem noch folgende Verhältnißzahlen über Zahl und Verlauf der Geburten in dem Decennium 1. Juli 1846/56 vorzumerken.

Die Zahl der Geburten verhält sich zu der Zahl der über 14 Jahr alten Personen weiblichen Geschlechts:

im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
wie 1 : 9,39 9,36 8,83 19.


Dabei sind unter 100 Geburten

 im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
Zwillings Geburten 1,28 1,23 1,27 40
 
 Es kommen ferner unreif Geborene
 im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
auf 100 Geborene überhaupt 3,43 3,75 4,33 60
auf 100 männlich Geborene 3,70 3,94 4,32 59
auf 100 weiblich Geborene 8,16 3,54 4,35 62
   Todtgeborene
auf 100 natürliche Geburten 2,90 3,46 4,26 64
auf 100 künstliche Geburten 26,25 31,70 34,55 44
auf 100 Geborene überhaupt 4,07 4,82 5,22 62


Die erhebliche Fruchtbarkeit des Bezirks wird also durch die relativ große Anzahl der unreif und todt Geborenen in ihrer Wirkung wieder abgeschwächt.


Von 100 Gebärenden wurden künstlich entbunden:

 im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
5,26 5,01 3,38 7
Von 100 Gebärenden starben Mütter:
bei natürlichen Geburten 0,14 0,15 0,22 58
bei künstlichen      " 0,22 0,22 0,14 7
unentbunden 0,03 0,03 0,04 50
bei Geburten überhaupt 0,39 0,40 0,40 46
|
Auf 100 Geburten kamen:
im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
Kaiserschnitte 0,02 0,01 0,03 50
Zerstückelungen 0,04 0,04 0,02 20
Zangengeburten 2,09 1,80 0,65 1
Manuelle Operationen 2,09 2,12 1,57 9
Nachgeburtslösungen 1,98 2,07 1,60 24
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Geburtshilfliche
Operationen überhaupt
6,22 6,04 3,87 5


3. Todesfälle.

Das Verhältniß der Gestorbenen zu der Bevölkerung nach jährlichen Durchschnitten der Gestorbenen (einschließlich der Todtgeborenen) und der Bevölkerung war

in der Periode  im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
1812–22 1 : 31,30 1 : 32,43 1 : 32,70 30
1822–32 1 : 34,20 1 : 35,40 1 : 34,10 45
1832–42 1 : 28,81 1 : 29,00 1 : 28,80 35
1842–52 1 : 31,78 1 : 33,05 1 : 31,69 43
1846–56 1 : 31,64 1 : 33,50 1 : 28,89 55
1858-66 1 : 31,39 1 : 32,80 1 : 28,90 52

Der namentlich in der Periode von 58/66 gestiegenen Sterblichkeit steht nach der oben gegebenen weitern Übersicht über die Geburten, eine ebenso gesteigerte Geburtenzahl gegenüber, wobei zu bemerken ist, daß der Oberamtsbezirk Backnang sowohl im Jahrzehnt 1846/56 als von 1858/66 eine mehr als mittlere Kindersterblichkeit hatte, denn es starben von 100 Lebendgeborenen im ersten Lebensjahr:

in der Periode  im ganzen Land  im Neckarkreis  im O.A. Backnang  O.Z.
1846–56 34,78 30,25 34,81 41
1858–66 35,40 31,90 35,90 42

In Beziehung auf das Geschlecht der Gestorbenen ergeben sich für die zwei Perioden 1842–52 und 1846-56 folgende Verhältnißzahlen:

Es kamen: in Württemberg im Neckarkreis im O.A. Backnang
v.1842/52   v.1846/56     v.1842/52   v.1846/56     v.1842/52   O.Z.   v.1846/56
1) auf 100 weibliche Gestorbene männliche Gestorbene 104,66 103,08 104,61 103,70 106,42 47 102,04
2) auf 1 männlich Gestorbenen männliche Einwohner 30,46 30,18 31,75 32,13 30,47 42 27,59
3) auf 1 weiblich Gestorbene weibl. Einwohner 33,15 33,16 34,42 33,96 32,99 42 30,21
| Für die Periode 1842–52 zählte Backnang mit den angrenzenden Bezirken Welzheim und Weinsberg zu denjenigen Oberamtsbezirken des Landes, in welchen verhältnißmäßig die meisten Personen männlichen Geschlechts starben.

Über das Alter der Gestorbenen sind für die Periode 1. Juli 1846/56 nachstehende Zahlen vorzumerken:

Von 100 Gestorbenen exclusive Todtgeborenen [4] standen

  1) in Württem-
berg
2) im Neckar-
kreis
3) im Oberamt
Backnang
im     1. Lebensjahr 42,18 38,55 39,47
 "      2 – 7.      " 9,99 10,74 10,39
 "      8 –14.      " 2,39 2,63 3,24
 "     15 –20.      " 1,91 2,15 2,06
 "     21 –45.      " 10,83 12,10 11,76
 "     46 –70.      " 20,69 22,13 22,66
über dem 70.      " 12,01 11,70 10,42

Die Sterblichkeit erscheint somit hauptsächlich für die Altersklasse der 8-14 und der 46–70jährigen relativ bedeutend.

Von 100 Gestorbenen inclusive Todtgeborenen starben ferner in den Monaten

  April bis Juni Juli bis Sept. Okt. bis Dec. Jan. bis März
in Württemberg 23,63  24,16  24,76  27,45 
im Neckarkreis 22,45  24,59  25,26  27,70 
im O.A. Backnang 23,13  25,08  24,51  27,28. 

Das zweite Maximum fällt hienach nicht wie im Durchschnitt des Landes und des Neckarkreises in die Periode Oktober bis December, sondern Juli bis September.

Von 100 Gestorbenen exclusive Todtgeborenen haben im Zeitraum von 1. Juli 1846–56

  in Württem-
berg
im Neckar-
kreis
im Oberamt
Backnang
ärztliche Hilfe genossen 45,36  50,95  42,72 
keine solche genossen 54,64  49,05  57,28 .

Ferner waren unter 100 Gestorbenen exclusive Todtgeborenen:

  in Württem-
berg
im Neckar-
kreis
im Oberamt
Backnang
Verunglückte 0,85  0,90  0,61 
Selbstmörder 0,36  0,44  0,30 
und kamen Einwohner
auf 1 Unglücksfall 3872  3944  4987 
auf 1 Selbstmord 9270  8082  10.146 
und es trifft
1 Selbstmord auf 6291  5451  6616 
über 14 Jahre alte Einwohner.
|
4. Trauungen.

Die Zahl der getrauten Paare war in den 20 Jahren 1838 bis 1857 nach der im Jahre 1858 veranstalteten Aufnahme im Oberamt Backnang 3566, wovon durch die evangelische Kirche 3465 und durch die katholische 101 getraut worden sind. Unter diesen Heirathen waren ferner 32 gemischte Ehen und zwar 17 bei denen der Bräutigam evangelisch und 15 bei denen er katholisch war. Über das Alter der Btautpaare ist Folgendes erhoben worden:

Es waren unter 3566 getrauten Paaren oder 7132 getrauten Personen

Überschuß der
Bräutigame,
welche alt waren
weniger als
Summe der
Bräutigame,
die alt waren
weniger als
1.a) Bräutigame von weniger als 25 Jahren   320
   b) Bräute           "       "       "  20      "   240     25 J.     80
2.a) Bräutigame von             25-30 Jahren 1705                        30 J.      1785
   b) Bräute           "             20-25     " 1214     30 J.     571
3.a) Bräutigame von             30-40 Jahren 1047                        40 J.      1618
   b) Bräute           "             25-30     " 1100     40 J.     518
4.a) Bräutigame von             40-50 Jahren   301                        50 J.        819
   b) Bräute           "             30-40     "   731     50 J.       88
5.a) Bräutigame von über             50 Jahren   193                                       281
   b) Bräute           "                   40     "   281                   0


Nach dem Civilstand klassificiren sich diese Trauungen folgendermaßen: Es waren:

a) Jung-
frauen
     b) Wittwen      c) geschied.
Frauen
     zus.
1) Trauungen von Junggesellen mit 2602 228 13      2843
2) Trauungen von Wittwern mit 580 121 8      709
3) Trauungen von geschiedenen Männern mit 14 –      14
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
3196 349 21      3566

Das Lebensalter der mittleren Verheirathungswahrscheinlichkeit ist nach der vorgenommenen besonderen Zählung der ortsanwesenden Bevolkerung Württembergs von 1861 nach Altersklassen und den hienach gefertigten Berechnungen:

für männliche
Personen
      für weibliche
Personen
im Bezirk Backnang das 30.   Jahr das 29.   Jahr
im Neckarkreis   "   31.      "   "   29.     "
in Württemberg   "   31.      "   "   29.     "
| Es waren ferner damals unter 1000 Einwohnern verheirathet oder verheirathet gewesen:
in Württemberg im Neckarkreis im Oberamt Backnang
375  360   366. 
Es waren verheirathet unter 100 25–30 Jahre alten
männl.       weibl.
Personen
männl.       weibl.
Personen
männl.       weibl.
Personen
31,3 44,7 34 47 36 46
Es waren unverheirathet unter 100 40-45 Jahre alten
männl.       weibl.
Personen
männl.       weibl.
Personen
männl.       weibl.
Personen
12,2 17,4 11 17 10 18
Das mittlere Lebensalter der Verheiratheten war bei den
männl.       weibl.
Personen
männl.       weibl.
Personen
männl.       weibl.
Personen
46,4 42,8 45,9 41,9 46,1 42,2
und die Altersdifferenz der Verheiratheten betrug somit
3,6 4 3,9.
Schließlich folgt noch eine Tabelle über die Häufigkeit der Ehen in der 20jährigen Periode 1838/57, worin sich die große Abnahme der Trauungen im Oberamt Backnang in den 4 Jahren 1851/54 als eine Wirkung des Eingangs berührten wirthschaftlichen Nothstandes bemerklich macht. |
Es war: I. in der 8jährigen Periode
von 1838-1845

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
II. in der 5jährigen Periode
von 1846-1850

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
III. in der 4jährigen Periode
von 1851-1854

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
IV. in der 3jährigen Periode
von 1855-1857

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
Trauun-
gen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
Trauun-
gen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
Trauun-
gen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
Trauun-
gen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
im Oberamt
Backnang
213 31.316 1 : 147 184 32.383 1 . 176 119 32.528 1 : 273 159 31.681 1 : 206
im Neckar-
kreis
3.547 473.759 1 : 134 3.479 495.926 1 : 143 2.487 505.115 1 : 203 2.725 498.530 1 : 183
in Württem-
berg
12.737 1.705.431 1 : 134 11.921 1.776.671 1 : 149 9.077 1.803.066 1 : 199 9.660 1.788.170 1 : 185
|
5. Vertheilung der Bevölkerung nach Religion, Familien-Verhältniß, Alter, Geschlecht, Beruf etc.

Die Vertheilung der Bevölkerung unter die verschiedenen Religionsbekenntnisse war folgende: Es wurden gezählt

Luthe-
rische.
Refor-
mirte.
Zusammen
Evange-
lische.
Katho-
liken.
Von andern
christlichen
Bekennt-
nissen.
Israe-
liten.
Zusammen
Ortsan-
gehörige.
1. Nov. 1813 23.868 1 23.864 513 - 24.377
1.   "     1822 25.291 1 25.292 549 25.841
1.   "     1832 27.886 2 27.888 639 - 28.527
3. Dez. 1846 31.067 704 1 1 31.773
3.   "     1858 30.764 723 91 31.578
Ortsanwesende
3.   "     1867 - 26.991 579 176 27.746.

Die Zahl der christlichen Dissidenten ist im Oberamtsbezirk Backnang verhältnißmäßig sehr beträchtlich, denn nach der Zählung von 1867 hatte nur der Stadtdirektionsbezirk Stuttgart mit 282, das Oberamt Weinsberg mit 275 und das Oberamt Ulm mit 202 Personen eine noch größere Anzahl aufzuweisen.

In Beziehung auf den Familienstand vertheilte sich die Bevölkerung nach den 4 letzten Zählungen zu Zollvereinszwecken folgendermaßen. Es wurden gezählt:

am Unverheirathete Verheirathete Verwittwete Geschied. Zusammen
3. Dez. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
1858 8233 9202 4151 4194 629 1000 8 23 13.021 14.419
1861 8249 9340 4276 4307 591 990 11 23 13.127 14.660
1864 8004 9149 4477 4481 631 975 10 21 13.122 14.626
1867 7775 9061 4598 4624 631 1024 13 20 13.017 14.729

Das Verhältniß des männlichen und weiblichen Geschlechts war folgendes: Es kamen auf je 100 männliche ortsanwesende Einwohner

in Württem-
berg
Ortsanwesende
im Neckarkreis
im O.A.
Backnang
Ortsan-
gehörige
1858 107,48 106,01 110,73 104,7
1861 107,3 106,5 111,7 105,0
1864 107,0 105,0 111,0 105,0
1867 107,0 106,0 113,2 106,8.
Faßt man die ortsanwesende Bevölkerung ins Auge, so ist das Oberamt Backnang eines derjenigen, in welchen die weibliche Bevölkerung am meisten überwiegt, während der Unterschied bei der ortsangehörigen Bevölkerung weit weniger beträchtlich ist. Im Jahr 1846, zur Zeit wo die Dichtigkeit der Bevölkerung des Bezirks vor Eintritt des allgemeinen Nothstandes ihrem Kulminationspunkt entgegengieng, | war das Verhältniß sogar derart, daß Backnang unter diejenigen Bezirke gezählt wurde, in denen der Zahlenunterschied beider Geschlechter am geringsten war, denn es kamen damals auf je 100 ortsangehörige

männliche Einwohner weibliche:

in Württemberg im Neckarkreis im O.A. Backnang
104 103,6 101,6.

Aber auch bei den Ortsanwesenden war im Bezirk Backnang das Verhältniß der männlichen und weiblichen Personen nur 100 : 104,8. Auch diese Zahlen sprechen für einen seither eingetretenen bedeutenderen Abgang vorzugsweise von männlichen Personen, die fortwährend als Landesangehörige in den Familienregistern fortgezählt werden, von denen also anzunehmen ist, daß sie des Unterhalts wegen in andern Bezirken Beschäftigung suchen. Hiemit stimmt alsdann auch der weitere Umstand überein, daß der Bezirk Backnang bei der Zählung der Ortsanwesenden im Jahr 1855 und 1858 zu denjenigen zählte, in welchen durchschnittlich ein verhältnißmäßig kleiner Prozent Erwachsener oder über 14 Jahre alter Personen auf die Familie kam, nämlich:

1855 66,5% (O.Z. 50) und
1858 68,5% (O.Z. 52).

Die größte Prozentzahl hatten 1858, abgesehen vom Stadtdirektionsbezirk Stuttgart, die Oberamtsbezirke Ulm mit 75%, Ravensburg mit 74%.

Die Zahl der Ausländer, welche im Oberamt gezählt wurde, war verhältnißmäßig stets gering. Sie betrug

 in Württemberg   im Neckarkreis   im O.A. Backnang 
auf je 1000
Einw.
auf je 1000
Einw.
auf je 1000
Einw.
1861 19.006 11   6.110 12       70 2,5
1864 20,881 12   7.707 15       70 2,5
1867 34.457 19   11.138 21       58 2. 

Ungeachtet der Bezirk bei der großen Ausdehnung der Waldfläche hinsichtlich der für den Unterhalt einer größern Volkszahl förderlichen landwirthschaftlichen Productivität wenig begünstigt ist, so gehört derselbe dennoch zu denjenigen Oberämtern, welche eine dichtere das Landesmittel übersteigende Bevölkerung aufweisen; denn es kamen ortsanwesende Einwohner auf eine geographische Quadrat-Meile:

in Württemberg im Neckarkreis im O.A.
Backnang
1858 4773 8054 5342
1861 4857 8230 5409
1864 4935 8474 5401
1867 5020 8671 5401.
Die Bevölkerung ist über den Bezirk so vertheilt, daß auf die zwei Städte des Bezirks, Backnang und Murrhardt, |
Einwohner in Proc.
zusammen 8.595 31%
kommen. Außerdem besteht nur noch eine einzige größere Gemeinde, das Pfarrdorf Sulzbach mit mehr als 2000, nämlich mit 2.645   10%
Von der weitern Einwohnerschaft kommen auf 4 Gemeinden mit 1000 bis 2000 Einwohnern 4.571   16%
auf 11 Gemeinden von 500 bis 1000 Einw. 8.089   29%
und auf 12 Gemeinden von weniger als 500 Einwohnern   14%
––––––––––––––––––
Zusammen 27.746 E. 100%.

Im Ganzen kommen also auf die größeren Gemeinden des Bezirks von mehr als 1000 Einwohnern 57%, auf die kleineren von weniger als 1000 Einwohnern 43%, der Einwohnerschaft des Oberamts.

Nach den angeordneten besondern Zählungen der ortsanwesenden Bevölkerung Württembergs vom 3. Dezember 1861 und 1867 nach Altersklassen war im Oberamtsbezirk Backnang:

im Alter
von Jahren
am 3. Dezember 1861
die Zahl der
am 3. Dezember 1867
die Zahl der
Ledigen
männl.     weibl.
Verheiratheten od.
Verheirathet gewes.
männl.     weibl.
Ledigen
männl.     weibl.
Verheirathet od.


Verheirathet gewes.
männl.     weibl.

  0 –   5 1.878 2.065 1.790 1.949 -
  5 – 10 1.227 1.373 1.512 1.655
10 – 15 1.440 1.594 1.183 1.325 1
15 – 20 1.477 1.596 24 1.160 1.326 1 17
20 – 25 965 1.067 22 221 859 995 55 241
25 – 30 501 517 289 442 553 568 367 568
30 – 35 246 279 473 631 245 335 543 634
35 – 40 166 226 661 710 122 225 585 663
40 – 45 83 149 696 658 117 184 611 699
45 – 50 86 155 655 697 73 132 736 691
50 – 55 31 120 616 627 53 113 611 624
55 – 60 39 95 520 480 55 109 551 548
60 – 65 35 72 413 391 33 88 472 428
65 – 70 26 33 269 203 28 47 343 308
70 – 75 10 19 147 144 13 13 199 150
75 – 80 2 15 75 62 6 10 115 69
80 – 85 1 3 26 14 2 5 40 26
85 – 90 1 7 3 8 7
über 90 3 1 1
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8.213 9.379 4.872 5.307 7.804 9.079 5.238 5.675
27.771. 27.796.
| Auf je 10,000 Einwohner kamen ferner Personen nach der Zählung vom
am 3. Dezember 1861: am 3. Dezember 1867:
von
Jahren
zus. in
Württem
berg
zus. im
Oberamt
Backnang
zus. in
Württem
berg
zus. im
Oberamt
Backnang
  0 –   5 1.261  1.423   1.212   1.345
5 – 10 939   936   1.027   1.139
10 – 15 1.028   1.093   906   903
15 – 20 1.090   1.115   940   901
20 – 25 910   819   897   773
25 – 30 718   629   832   740
30 – 40 1.244   1.220   1.277   1.206
40 – 50 1.100   1.145   1.116   1.167
50 – 60 944   910   908   958
60 – 70 535   519   630   628
70 – 80 199   170   217   207
80 – 90 31   20   36   32
über 90 0,6   1   2   1

Man sieht hieraus, daß nach beiden Zählungen von 1861 und 1867 die Altersklassen von 0 – 10 Jahren weit stärker als im Landesdurchschnitt, dagegen die der 15 – 40jährigen weit schwächer und der 20 – 30jährigen besonders schwach besetzt sind, was in Übereinstimmung mit dem oben Bemerkten gleichfalls auf eine Abwesenheit vieler arbeitskräftiger Personen hindeutet.

Bei der angeordneten besondern Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung pro 3. December 1864 nach Familienstand wurden 5853 Haushaltungen gezählt, während die Zollvereinszählung 5871 Familien ergibt.

Unter jenen 5853 Haushaltungen sind nun begriffen:

1) Solche, die nicht mehr als 5 Personen zählen 3840 66%,
2)     "      deren Vorstände verheirathete Männer sind 4294 73%,
3) Haushaltungen mit Kindern unter 14 Jahren 3625 62%,
4)          "           mit nicht mehr als 2 Kindern unter 14 Jahren 2303 39%,
5) Haushaltungen mit Personen über 14 Jahren, ausgenommen den Hausherrn und die Hausfrau 4085 70%,
6) Haushaltungen mit nicht mehr als 2 solcher Personen über 14 Jahren 2774 47%,
7) Haushaltungen mit Dienstboten 1342 23%,
8)           "           mit nicht mehr als 2 Dienstboten 1154 20%.
Ferner kamen nach dieser Zählung auf 100 Haushalte |
in Würt-
temberg
im
Oberamt
Backnang
O. Z.
Personen überhaupt 477  474  35 
Vorstände nebst Ehefrauen 173  173   
Kinder (Pers. unter 14 Jahren) 138  145  22 
Erwachsene Hausgenossen (Personen über 14 Jahren) 166  156  37. 

In Beziehung auf letztere Zahlen steht somit der Oberamtsbezirk Backnang dem Landesmittel sehr nahe, namentlich also auch hinsichtlich der Zahl der erwachsenen Hausgenossen (mit Ausnahme des Hausherrn und der Hausfrau).

Dieß ist auch der Fall hinsichtlich der Zahl der Dienstboten, indem von sämtlichen Haushaltungen 23% Dienstboten besitzen; während in den Oberämtern Böblingen, Vaihingen, Nürtingen nur 12%, in den Oberämtern Leutkirch, Ravensburg, Wangen dagegen 31% aller Haushaltungen Dienstboten halten. Da nun aber andrerseits die Altersklassen des reifern Alters, hauptsächlich von 20 – 30 Jahren, verhältnismäßig schwach besetzt sind, so dürfte daraus hervorgehen, daß die Zahl der in den Haushaltungen gezählten Erwachsenen vorzugsweise der Klasse der 15 – 20jährigen angehört.

Schließlich ist noch die im Jahr 1853 veranstaltete Aufnahme der Irren, Kretinen, Taubstummen und Blinden zu erwähnen, wornach sich für den Oberamtsbezirk Backnang folgende Verhältnißzahlen ergeben. Es wurde gezählt:

in Würt-
temberg
im
Neckar-
kreis
im
O.A.
Backnag
O. Z.
auf Einwohner
1 Irre 943  871  1422  9 
1 Kretine 484  462  467  39 
1 Taubstummer 962  906  495  49 
1 Blinder 1194  1165  1486  13 

Der Kretinismus war nach jener Aufnahme in einigen Orten des Bezirks relativ stark verbreitet, insbesondere wurde in den am Südwestabhang des Murrhardter Waldes gelegenen Gemeinden Steinbach, Ober- und Unter-Brüden 1 Kretine auf 191, 184 und 185 Einwohner gezählt, sodann noch mehr in den südlich der genannten Orte gelegenen Gemeinden Ebersberg und Bruch, nämlich 1 Kretine auf 63 und 84 Einwohner.

Die Ursache soll namentlich in den mit Gyps durchsetzten Keupermergeln liegen, welche das Trinkwasser ungesund machen.

Auch Taubstumme zählte der Bezirk sowie der ganze Landstrich zwischen Schorndorf, Marbach, Öhringen und Crailsheim relativ viele, wie dieses Übel überhaupt als Begleiter des Kretinismus auftritt. Dagegen wurden wenig Blinde gezählt, wie denn im Allgemeinen die Beobachtung gemacht wurde, daß sich in Distrikten, in | welchen der Kretinismus sehr verbreitet ist, auffallend wenige Blinde finden.

Nach der mit der Zollvereinszählung im Jahr 1861 verbunden gewesenen Aufnahme wurden gezählt:

Irrsinnige 9, Blödsinnige 64, Taubstumme 45, Blinde 15.

Dagegen war im Jahr 1853 die absolute Zahl derselben im Oberamt Backnang:

Irrsinnige 23, Blödsinnige 70, Taubstumme 66, Blinde 22.


B. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.[5]

Die Einwohner des Oberamtsbezirks gehören im Allgemeinen dem rein schwäbischen Stamme an; nur im östlichen Theile des Bezirks, dessen Mittelpunkt Murrhardt bildet, läßt sich eine Verwandtschaft mit dem fränkischen Stamme nicht verkennen.

Der Menschenschlag gehört zu den kräftigen, wenn man auch selten den hohen breitschulterigen Gestalten begegnet, wie man sie in andern Theilen Schwabens zu sehen gewohnt ist; die Größe ist eine mehr mittlere; der Körperbau kann im Allgemeinen als ein normal geformter und namentlich als ein harter Arbeit wohl gewachsener bezeichnet werden; insbesondere ist dieß bei den Bergbewohnern der Fall. Die Gesichtsbildung ist durchschnittlich eine regelmäßige und ansprechende; die weibliche Jugend hat großentheils ein hübsches blühendes Aussehen; man findet unter derselben mehr untersetzte als schlanke und hochgewachsene Gestalten.

Nach einer 24jährigen Durchschnittsberechnung von den Jahren 1834 – 1857 waren in dem Bezirk unter 100 Konscriptionspflichtigen 15,47 wegen mangelnder Größe untüchtig, so daß derselbe unter den 64 Oberämtern des Landes die 60. Stelle einnimmt und somit zu den ungünstigen gehört (die günstigsten Verhältnisse lieferte Wangen mit 4,22, die ungünstigsten Weinsberg mit 18,83). Wegen Gebrechen waren unter 100 Pflichtigen 39,42 untüchtig, so daß in dieser Beziehung der Bezirk unter den 64 Oberämtern die 24. Stelle einnimmt, und somit zu den günstigen gehört (die günstigsten Ergebnisse lieferte Saulgau mit 32,99 und die ungünstigsten Sulz mit 49,78). Überhaupt untüchtig waren 54,89, so daß in dieser Beziehung der Bezirk die 49. Stelle einnimmt (die günstigsten Resultate lieferte Saulgau mit 37,76, die ungünstigsten Freudenstadt mit 63,86). Unter sämtlichen der ärztlichen Visitation und dem Messen unterworfenen Konscribirten (von 1834 – 1857 : 4939) waren 764 wegen mangelnder Größe, 1947 wegen Gebrechen, im Ganzen 2711 untüchtig (s. Württ. Jahrb. 1857. Heft I. S. 157 und 158).

| Der Gesundheitszustand ist als ein günstiger zu bezeichnen; eigentlich endemische Krankheiten kommen nicht vor; auch größere Epidemien sind eine Seltenheit; die letzten Berichte über Epidemien von Schleimfieber und Typhus an einzelnen Orten, wie Jux mit Roßstaig, Groß-Erlach, Oppenweiler, stammen vom Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre; in den letztgenannten Jahren war die Kräze in einem großen Theil des Bezirks wahrhaft epidemisch verbreitet; seit neuerer Zeit macht sich aber dieses Übel nicht mehr in auffallender Weise fühlbar. Epidemische Kinderkrankheiten, wie Masern, Scharlachfieber, Keuchhusten, stellen sich, wie überall, von Zeit zu Zeit ein, gelangen aber nicht wohl zu größerer Ausdehnung.

Die Pocken erreichten im Bezirke im Jahr 1870 an mehreren Orten, namentlich in Backnang, Ober- und Mittel-Brüden, Steinbach, einen größeren Umfang; die Gesamtzahl der zur Kenntniß gekommenen Pockenfälle betrug 168 mit 23 Sterbfällen.

Unter den akuten Krankheiten sind vom Herbste an über den Winter bis ins Frühjahr die Brustkatarrhe wie die Entzündungen des Brustfells, der Bronchien und der Lunge die herrschenden; namentlich sind unter den Kindern die Branchiten sehr häufig, während Croupfälle seltener beobachtet werden. Über den Sommer herrschen die Katarrhe der Magen- und Darmschleimhaut, mit und ohne Fieber, vor; zuweilen steigern sie sich zur Brechruhr, welche unter den kleinen Kindern fast jeden Sommer stärker auftritt, und häufig zahlreiche Opfer fordert; dagegen ist die Ruhr eine seltener gesehene Krankheit.

Akute Gelenksrheumatismen werden im Murrthale fast das ganze Jahr hindurch beobachtet.

Von chronischen Krankheiten ist vor allen die Wassersucht anzuführen, welche am häufigsten durch Lungenkatarrhe und Fehler der Herzklappen, weniger durch Affectionen der Leber bedingt ist; Lungenemphyseme kommt nicht häufig vor, öfter Lungentuberkulose und Lungenschwindsucht. Unter den Krankheiten des weiblichen Geschlechts ist die Bleichsucht eine selten vorkommende, Blutarmuth ist unter der ärmern Klasse häufiger; auch weißer Fluß kommt im mittleren und späteren Alter häufig zur Behandlung. Die Zahl der künstlichen Geburten ist im Verhältniß zu andern Bezirken keine allzugroße.

Die Zahl der im ersten Lebensjahre Gestorbenen ist eine verhältnisnnäßig große, sie beträgt meist über ein Drittheil sämtlicher Gestorbenen; die Zahl derselben schwankt aber je nach den herrschenden Kinderkrankheiten. Was die Ernährung betrifft, so sind in dieser Beziehung gegenüber von andern Bezirken keine besondere Mißbräuche zu bemerken; das Säugen der Mütter ist fast durchgängig Regel, und Ausnahmen sind nur durch besondere Verhältnisse bedingt; im | Jahr 1869 haben von 1281 Müttern, welche geboren hatten, 1090, im Jahre 1870 von 1257 Müttern 1044 gesäugt.

Ärztliche Hilfe wird bei Kindern unter einem Jahre, die größern Orte ausgenommen, nur selten nachgesucht; bei der großen Mehrzahl der im ersten Lebensjahre Gestorbenen sind in den Leichenschauregistern die Gichter als Todesursache angeführt; und natürlich gegen die Gichter kann ja kein Arzt helfen; und doch wäre wohl noch manches Kind zu retten, wenn bei weniger fatalistischer Anschauung der Arzt veranlaßt würde, der Ursache der Gichter nachzuforschen, und dieselbe zu beseitigen.

Anschwellungen der Kropfdrüse auch ohne kretinische Beimengung sind häufig, doch weniger auf den Bergen als in den Thälern. Kretinismus findet sich in einzelnen Exemplaren überall im Bezirke herum zerstreut vor; in mehr endemischer Weise herrschte er in früheren Jahren im obern Theile des Murrthales und in einigen Seitenthälern, so in Siebersbach, Gemeindebezirks Sulzbach, in Sigelsberg, Gemeindebezirks Murrhardt, und in Fornsbach. Gegenwärtig sind kretinische Kinder eine große Seltenheit; die meisten Kretinen haben das erwachsene Alter erreicht. Die Ansiedlungen Auswärtiger an den befallenen Orten, dann Kreuzung der Racen, das Eindringen der allgemeinen Kultur in die derselben bisher verschlossenen Orte durch bessere Straßen und der dadurch erweckte Sinn für größere Reinlichkeit ist hiebei von günstiger Einwirkung.

Die Lebensweise [6] der Bezirkseinwohner ist in den meisten Orten eine einfache und mäßige. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Kartoffeln, Milch- und Mehlspeisen, bei der unbemittelten Klasse beinahe ausschließlich aus Kartoffeln und Brot und nur etwa Sonntags aus Fleisch. Die Vermöglicheren, namentlich die auf dem Lande wohnenden, entbehren dagegen die Fleischnahrung nicht, indem sehr viele nach althergebrachter Sitte im Winter oder im Frühjahr eine Kuh oder ein Schwein aus ihrem Stall schlachten und einsalzen. In der Oberamtsstadt ist der Fleischverbrauch ein sehr bedeutender, weil die zahlreichen Gerber mit ihren Arbeitern viel Fleisch speisen, was schon die verhältnißmäßig große Anzahl Metzger in Backnang nachweist; daselbst beginnt im Herbst der besonders stark betriebene sog. Hammelstich, welcher bis Weihnachten andauert und täglich hunderte von Schafen und Hämmeln zur Schlachtbank führt. Nach Beendigung der Weinlese kommen nämlich die Leute aus den benachbarten Weinorten des Rems- und Bottwarthals, wie auch aus der Weinsberger Gegend und kaufen sich hier ganze Trachten Hammel- und | Schaffleisch, welches sie einsalzen und räuchern. Unter den Getränken ist der Most bei der Landbevölkerung und bei der arbeitenden Klasse in den Städten am beliebtesten; überdieß wird von der wohlhabenden Landbevölkerung und von den bessern Ständen in den Städten der Wein häufig und gerne genossen. Auch das Bier bürgert sich immer mehr ein und ist beinahe in jedem größeren Ort zu haben, wodurch auch der früher häufige Genuß der gebrannten geistigen Getränke mehr und mehr abnimmt. Der moralische Charakter der Bezirkseinwohner ist bei dem größten Theil derselben ein guter, indem bessere Sitten, Fleiß, Sparsamkeit und religiöser Sinn vorherrschen; auch die Sonntagsfeier wird meist streng eingehalten. Der Hang zum Sektiren zeigt sich hauptsächlich im östlichen Theil des Bezirks, namentlich in und um Fornsbach, wo sich die sog. Jerusalemsfreunde immer mehr ausbreiten und bereits haben in neuerer Zeit wohlhabende Bauern ihre Güter verkauft, um nach Jerusalem ziehen zu können. Ein freier heiterer Sinn im Umgang und Verkehr zeigt sich in den gewerblichen Orten, besonders aber in dem östlichen und nordöstlichen Theil des Bezirks, der an das ehemalige Fränkische grenzt und wo die Bewohner einen merklichen Übergang von dem Schwaben zu dem Franken repräsentiren; man trifft hier mehr Leichtigkeit und Beweglichkeit im Umgang, theilweise Gewandtheit im Ausdruck, während die Bewohner im Westen und Süden des Bezirks etwas ernster, schwerfälliger und wortkarger in ihrem Benehmen sind. Auch in Murrhardt hat der Charakter der Leute in Vergleichung mit anderen altwürttembergischen Landstädten eine etwas fränkische Färbung beibehalten, die sich, wenn möglich, durch Lebhaftigkeit und Geselligkeit äußert. Vorliebe zum Gesang findet sich überall, obgleich die eigentlichen Liederkränze bis jetzt wenig Eingang gefunden haben. Wenn man Abends, namentlich an Sonntagen, durch die Orte geht, so trifft man beinahe allgemein die jungen Leute singend spazieren gehen, auch auf den Wiesen und Wegen sieht man ganze Reihen Mädchen, welche sich traulich Hand in Hand führen und ihre fröhlichen Lieder ertönen lassen, während die männliche Jugend Sonntag Nachmittags auch gern in die Stadt geht, um sich da zu belustigen. Tanzbelustigungen finden an größeren Hochzeiten, Kirchweihen, am Oster- und Pfingstmontag, sowie an Markttagen immer noch häufig statt, obgleich sie seit der Abschaffung der alten besonderen Kirchweihen merklich nachgelassen und an einzelnen Orten beinahe ganz aufgehört haben. Auch bei dem Tanz werden, besonders in den Waldorten, die Zwischenpausen häufig mit Gesang ausgefüllt und das sog. „Aufgeben“ eines Tanzes, indem der Tänzer ein Liedlein der Musik vorsingt, ist immer noch Sitte. Das Kegel- und Kartenspiel ist sehr verbreitet und die ledigen Bursche thun sich gerne an Sonn- und Feiertagen zusammen, um eine Uhr, Tabakspfeife | u. dergl. herauszukegeln. Auch das Scheibenschießen wird in einigen Orten noch getrieben, während das früher allgemein eingeführte „Eierlesen“ größtentheils abgegangen ist und nur noch in einzelnen Orten zuweilen abgehalten wird, wie in Althütte, Groß-Aspach, Rietenau, Sechselberg und Sulzbach; in Ober-Brüden wurde es in den 50ger Jahren und in Unter-Brüden vor 35 Jahren das letztemal abgehalten, dagegen wird in Strümpfelbach noch diese alte Sitte alljährlich am Ostermontag ausgeübt. Auch das Pfeffern am Tage der unschuldigen Kindlein, wie das Anklopfen am Donnerstag vor dem Christfest nimmt immer mehr ab und ist nur noch in den Waldorten etwas üblicher. Die sog. Sichelhänget, wenn das Getreide eingeführt ist, wird nur noch bei größeren Bauern gehalten. Das Schießen bei Taufen, Hochzeiten und besonders in der Neujahrsnacht ist noch sehr im Gebrauch.

Bei den Taufen gehen nur die Pathen mit dem Vater des Täuflings und der Hebamme, die das Kind vorausträgt, in die Kirche; während des Kirchgangs wird alsdann von den ledigen Burschen tüchtig geschossen. Der Taufschmaus ist in dem westlichen und südwestlichen Theil des Bezirks nirgends mehr üblich, dagegen in den Waldorten, namentlich in den Filialorten, wenn das Kind auswärts zur Kirche getragen werden muß, begibt sich der Vater des Täuflings mit den Gevattersleuten (Pathen) und der Hebamme in das Wirthshaus und regalirt daselbst seine Begleitung. Von da geht es alsdann nach Hause zum Taufschmaus; die Unbemitteltern begnügen sich mit Kaffee und Kuchen, Wein und Käse. Bei den Wohlhabenden aber wird eine förmliche Mahlzeit veranstaltet, bei der so reichlich aufgetragen wird, daß dem Gaste sofort zwei Teller vorgesetzt werden, auf dem einen verspeist er so viel als möglich, auf dem anderen thürmt er ganze Schichten, besonders von Fleischstücken auf einander, die er alsdann nach Hause der Familie bringt.

Die Hochzeiten sind meistens sog. Zechhochzeiten und dauern, insbesondere in den Waldorten, im engern Kreise, d. h. bei den Brautleuten, Gesellen und Gespielinnen öfters zwei, zuweilen drei Tage. Vor allem sehen die Brautleute darauf, einen recht großen „Kirchgang“ zu bekommen, deßhalb wird schon mehrere Tage vor der Hochzeit der Hochzeitläder in alle Häuser der Heimat des Bräutigams und der Braut mit dem Gesuche herumgeschickt, den Brautleuten das Geleite in die Kirche zu geben. Nicht selten läßt auch der Wirth, bei dem die Hochzeit gehalten wird, noch im eigenen Interesse zur Hochzeit laden. Der Kirchgang ordnet sich gewöhnlich am Hause der Braut, voran ziehen bekränzte Kinder in buntem Anzug, ihnen folgen Gesellen (Brautführer) und Gespielinnen Paar um Paar mit Sträußchen am Hut und Kränzen in den Haaren, an sie schließt sich Bräutigam und Braut mit dem Myrthensträußchen und Myrthenkranz an. | Den Reigen beschließen verheirathete Männer und Frauen, während die ledigen Bursche unterwegs nach althergebrachter Sitte ihre Schüsse aus Pistolen abfeuern. Bei Hochzeiten in den Filialorten, die in den Mutterort zur Kirche gehen müssen, begleiten die Schießenden den Zug bis in den Nachbarort. Aus der Kirche geht es wieder eine Zeit lang im Zuge, allmählig wickelt sich aber derselbe ab, bis auf die Brautleute, Gesellen und Gespielinnen und die nächsten Verwandten des Brautpaares, die alsdann an dem Hochzeitsessen theilnehmen; ein allgemeines Hochzeitsmahl findet seltener statt und erst Nachmittags oder Abends sammeln sich die Leute zur geselligen Unterhaltung durch Tanz oder Gesang, das oft bis in die späte Nacht hinein fortdanert. Bei diesen sog. Zechhochzeiten oder rechten Hochzeiten, wie man sie in der Gegend nennt, nehmen nur die besonders Eingeladenen Theil am Hochzeittisch, und beschenken alsdann das Brautpaar, während die übrigen theils wegen der Brautleute oder deren Verwandten, sehr oft aber nur dem Wirth zu Liebe, kommen und auf ihre Kosten zechen.

Zu den stillen Hochzeiten werden nur die nächsten Verwandten geladen, auch wird nicht zur Kirche geläutet, wie bei den rechten Hochzeiten.

Die Leichenbegängnisse werden der kirchlichen Vorschrift gemäß unter großer Betheiligung der betreffenden Ortseinwohner in den Städten und auf dem Lande mit Ernst und Würde begangen. In der Klage gehen die Männer voran, wenn der Verstorbene männlichen Geschlechts, im anderen Fall folgen die Frauen unmittelbar dem Sarge; die in der Klage gehenden weiblichen Personen tragen auf dem Lande schmal und lang zusammengelegte weiße Tücher über die gefalteten Hände, was einen sehr feierlichen Eindruck macht. Die Leiche begleitet in der Regel der Schulmeister mit den Schulkindern, die vor dem Trauerhaus, an Haltstellen und am Grabe geistliche Lieder singen. Nach der Bestattung wird in der Regel eine Leichenrede in der Kirche gehalten. In Althütte behalten die Männer während der Predigt die Hüte auf dem Kopfe. Der Leichenschmaus oder Leichentrunk ist beinahe ganz abgegangen und findet nur noch zuweilen in einigen Orten statt, wie auf den Parzellen der Gemeinde Fornsbach, in Reichenberg, Sechselberg, Spiegelberg, Strümpfelbach und Unter-Brüden. In Murrhardt wird bei den Leichenbegängnissen zuerst mit den drei Glocken der Klosterkirche geläutet, bis der Zug am Ende der Stadt angekommen ist, von da an schweigen diese, dagegen läutet man alsdann die Glocken auf der Walderichskirche; bei stillen Leichen werden nur letztere geläutet, auch findet dabei kein Gesang und keine Predigt statt.

Die Volkstracht wird im allgemeinen täglich mehr von der städtischen verdrängt und weicht leider einem charakterlosen Gemische | von moderner und ländlicher Tracht; doch trifft man immer noch, wenigstens bei den älteren Männern, den dreispitzigen Hut, den langen blauen Tuchrock und den Zwilchkittel, die gelben Lederhosen und zuweilen auch das rothe Brusttuch. In den Waldgegenden, namentlich bei Murrhardt und Sulzbach, tragen die Männer häufig den auffallend großen dreispitzigen Hut mit einer breiten Silberschnalle und schwarzen Bändern, die in kleinen Maschen an den Hut geheftet sind; die große heruntergeschlagene Krämpe ist gegen vorne gerichtet. Die ledigen Bursche, häufig auch verheirathete Männer, tragen die tuchene Schildkappe, während die pelzverbrämte mit goldener Troddel verzierte Mütze beinahe ganz in Abgang gekommen ist; dagegen legen die ledigen Bursche einen großen Werth auf den Besitz schwerer silberner Ketten an Uhr und Tabakspfeife und selten sieht man an Sonntagen einen ledigen Mann ohne diesen Schmuck. Auch das weibliche Geschlecht, das sonst auf dem Lande an der althergebrachten Tracht zäher hängt, beginnt dieselbe aufzugeben, doch ist das gut kleidende deutsche Häubchen mit den breiten Bändern über den Rücken noch ziemlich allgemein, namentlich in den Waldorten, hier hat sich auch die runde, anliegende schwarze Haube noch theilweise erhalten, wodurch sich die weibliche Tracht, wie durch die auffallend großen dreispitzen Hüte die Tracht der Männer, der fränkischen nähert. Auch den vielgefältelten Wilflingrock, den schwarzen Kittel und meist die blaue oder violette, auch schwarze Schürze findet man noch in den Waldgegenden. Im allgemeinen herrscht die schwarze ernste Kleidung bei dem weiblichen Geschlecht vor.

Die Mundart ist im allgemeinen die schwäbische und nur in dem nördlichen und nordöstlichen Theil des Bezirks zwischen der Murr und der Lauter macht sich der Übergang in die fränkische auffallend geltend; die Sprachgrenze ist so scharf gezogen, daß man in einem Orte noch ganz die schwäbische Sprachweise und in einem nur 1/2 Stunde entfernten anderen Orte die annähernd fränkische mit ihren eigenthümlichen Provinzialismen findet; man hört dann schon das fränkische „nä“ statt „nein“«, „Woga, zohla“ statt „Wagen, zahlen“, während man nur 1/4-1/2 Stunde davon das schwäbische „noa“ oder „noi“ statt „nein“, „gaun“ statt „gehen“ etc. spricht.

Die Vermögensverhältnisse der Bezirkseinwohner sind auf dem Flachlande im Südwesten des Bezirks und in den Thalebenen im allgemeinen günstig, dagegen die der Bergbewohner weniger befriedigend, theilweise gering (s. hier. die Ortsbeschreibungen).



  1. Von Finanzassessor Kull.
  2. Die beiden letzteren Zahlenreihen sind nach der Aufnahme des Medicinalkollegiums mit Zugrundlegung der ortsanwesenden Bevölkerung berechnet (s. auch Medicinisches Correspondenzblatt Nro. 23 von 1870).
  3. (wie vorstehend)
  4. s. württemb. Jahrbücher 1853. II. S. 108.
  5. Von Oberamtsarzt Dr. Köstlin in Backnang.
  6. Über Lebensweise, Sitten, Gebräuche etc. der Einwohner lieferten der resignirte Apotheker Fr. Esenwein in Backnang und Pfarrer Müller in Spiegelberg sehr schätzbare Beiträge.


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