Schaffleisch, welches sie einsalzen und räuchern. Unter den Getränken ist der Most bei der Landbevölkerung und bei der arbeitenden Klasse in den Städten am beliebtesten; überdieß wird von der wohlhabenden Landbevölkerung und von den bessern Ständen in den Städten der Wein häufig und gerne genossen. Auch das Bier bürgert sich immer mehr ein und ist beinahe in jedem größeren Ort zu haben, wodurch auch der früher häufige Genuß der gebrannten geistigen Getränke mehr und mehr abnimmt.
Der moralische Charakter der Bezirkseinwohner ist bei dem größten Theil derselben ein guter, indem bessere Sitten, Fleiß, Sparsamkeit und religiöser Sinn vorherrschen; auch die Sonntagsfeier wird meist streng eingehalten. Der Hang zum Sektiren zeigt sich hauptsächlich im östlichen Theil des Bezirks, namentlich in und um Fornsbach, wo sich die sog. Jerusalemsfreunde immer mehr ausbreiten und bereits haben in neuerer Zeit wohlhabende Bauern ihre Güter verkauft, um nach Jerusalem ziehen zu können. Ein freier heiterer Sinn im Umgang und Verkehr zeigt sich in den gewerblichen Orten, besonders aber in dem östlichen und nordöstlichen Theil des Bezirks, der an das ehemalige Fränkische grenzt und wo die Bewohner einen merklichen Übergang von dem Schwaben zu dem Franken repräsentiren; man trifft hier mehr Leichtigkeit und Beweglichkeit im Umgang, theilweise Gewandtheit im Ausdruck, während die Bewohner im Westen und Süden des Bezirks etwas ernster, schwerfälliger und wortkarger in ihrem Benehmen sind. Auch in Murrhardt hat der Charakter der Leute in Vergleichung mit anderen altwürttembergischen Landstädten eine etwas fränkische Färbung beibehalten, die sich, wenn möglich, durch Lebhaftigkeit und Geselligkeit äußert. Vorliebe zum Gesang findet sich überall, obgleich die eigentlichen Liederkränze bis jetzt wenig Eingang gefunden haben. Wenn man Abends, namentlich an Sonntagen, durch die Orte geht, so trifft man beinahe allgemein die jungen Leute singend spazieren gehen, auch auf den Wiesen und Wegen sieht man ganze Reihen Mädchen, welche sich traulich Hand in Hand führen und ihre fröhlichen Lieder ertönen lassen, während die männliche Jugend Sonntag Nachmittags auch gern in die Stadt geht, um sich da zu belustigen. Tanzbelustigungen finden an größeren Hochzeiten, Kirchweihen, am Oster- und Pfingstmontag, sowie an Markttagen immer noch häufig statt, obgleich sie seit der Abschaffung der alten besonderen Kirchweihen merklich nachgelassen und an einzelnen Orten beinahe ganz aufgehört haben. Auch bei dem Tanz werden, besonders in den Waldorten, die Zwischenpausen häufig mit Gesang ausgefüllt und das sog. „Aufgeben“ eines Tanzes, indem der Tänzer ein Liedlein der Musik vorsingt, ist immer noch Sitte. Das Kegel- und Kartenspiel ist sehr verbreitet und die ledigen Bursche thun sich gerne an Sonn- und Feiertagen zusammen, um eine Uhr, Tabakspfeife
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Backnang. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1871, Seite 059. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABacknang.djvu/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)