BLKÖ:Zimmermann, Johann Wenzel

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 60 (1891), ab Seite: 123. (Quelle)
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Zimmermann, Johann Wenzel (Schriftsteller, geb. zu Tomitz in Böhmen 4., nach Anderen 5. Mai 1788, gest. in Prag an der Cholera 27. August 1836). Er erscheint auch mit den Vornamen Johann Nepomuk. Nach beendetem Gymnasium bezog er die Prager Hochschule und trat 1808 in den Orden der Kreuzherren mit dem rothen Sterne, in welchem er an der Universität die theologischen Studien beendete. 1812 erlangte er die Priesterweihe und wirkte einige Zeit in der Seelsorge als Caplan der Kreuzherrenpfarre in der Prager Altstadt, wurde aber dann dem hebräischen Censor Fischer zur Seite gegeben. 1815 erhielt er die jüngste Scriptorstelle an der Prager Universitätsbibliothek und rückte bis zur ersten vor, in welcher er 1836 an der Cholera starb. In der Zwischenzeit wurde er auch 1820 als k. k. Büchercensor angestellt. Von ihm [124] sind im Druck erschienen: „Příběhové království Českého zběhli za panování Ferdinanda I.“, d. i. Begebenheiten des Königreichs Böhmen, die sich unter der Regierung Ferdinands I. zugetragen, 2 Theile (Prag 1820, 8°.); – „Beneše z Hořovic pokračování kroniky neb příbehů země české od l. p. 1395 az do 1470 zběhlych kteréž ponejprv na svetlo vydal“, d. i. Abgekürzte Chronik des Benesch von Horzovic oder die im Böhmerlande von 1395 bis 1470 vorgefallenen Begebenheiten zum ersten Male ans Licht gestellt (Prag 1819, Haase, 8°.); – „Příběhové království Českého za panování Maximiliana II.“, d. i. Begebenheiten des Königreichs Böhmen unter der Regierung Maximilians II. (Prag 1822, 8°.); – „Marka Tullia Cicerona Laselius aneb o přátelstvi, latinskym textem“, d. i. Des M. T. Cicero Laelius oder von der Freundschaft, zugleich mit lateinischem Texte (Prag 1818, 12°.); – „Jana Joviana Pontana knihy o statečnosti valečné atd. Reh. Hrného z Jelení přeloženy z latinského“, d. i. Des Joh. Jov. Pontanus Buch von der Tapferkeit, aus dem Lateinischen (Königgrätz 1819, 8°.); – „Památka stoleté slavnosti svatořecení Jana Nepomuckého“, d. i. Andenken der hundertjährigen Heiligsprechung des Johann Nepomuk (Prag 1830, 8°.); – „Vorbote einer Lebensgeschichte des h. Johann von Nepomuk“ (Prag 1829, 8°.); – „Životopis sv. Jana Nepomuckého zpovědníka královny Johanny etc.“, d. i. Lebensbeschreibung des h. Johannes Nepomuk, des Beichtvaters der Königin Johanna u. s. w. (Königgrätz 1829, mit K., 12°.); – „Palma Svatojanská aneb modlitby pri mai svaté i. t. d.“, d. i. St. Johannespalme oder Gebete zur h. Maiandacht u. s. w. (Königgrätz 1830, 12°.). Ein Jahr nach Zimmermann’s Tode gab Dr. Legis Glückselig aus dessen Handschrift heraus: „Diplomatische Geschichte der aufgehobenen Klöster, Kirchen und Capellen in Prag“ (Prag 1837, 8°., XII und 246 S., Urkunden 548 S.), wovon aber schon 1831 die ersten zwei Hefte erschienen waren. Auch soll Zimmermann noch andere didaktische und geschichtliche Werke herausgegeben haben, deren bibliographische Titel ich aber nicht auffinden konnte, so eine Tugendlehre, eine Uebersetzung des Buches von der Regierung Böhmens von Bohuslaw von Lobkowitz, etliche Fragmente aus den Werken Cicero’s und Anderes. Es erscheint dies Alles als eine verdienstliche, und anständige schriftstellerische Thätigkeit, aber wie ganz anders stellt sich der Werth dieser Schriften dar, wenn man aus den über sein Leben und Wirken vorhandenen Nachrichten erfährt, daß er als Priester ein Zelot, als Censor ein Idiot, als Geschichtsschreiber ein Fälscher und Verstümmler von Handschriften war. Ueber seine haarsträubenden Striche als Censor vergleiche man S. 125 die Quellen. Nur ein Wort wollen wir beisetzen über seine Verbrechen als Fälscher und Verstümmler von Handschriften. Dr. Hanuš, Universitätsbibliothekar in Prag, fand bei Gelegenheit, als er einen neuen Bücherschrank aufstellen wollte und deshalb eine hinderliche Verschalung wegräumen mußte, hinter derselben unter anderem Gerümpel herausgerissene Blätter und verstümmelte Reste einer alten Chronik, die man schon längst vermißte, und die nun in diesem argen Zustande sich vorfand. Die gewissenhaftesten Untersuchungen und Forschungen über den Urheber wiesen unwiderleglich auf Zimmermann [125] hin. Um seiner čechischen Nation den Ruhm dichterischen Schaffens zu einer Zeit (12. und 13. Jahrhundert) zu vindiciren, für welche bis dahin auch nicht ein literarisches Ueberbleibsel vorlag, verband er sich mit Hanka und Linda zu förmlichen Fälschungen von Liedern in der Weise jener in der vielbestrittenen Königinhofer Handschrift[WS 1]. Das Alles haben vorurtheilslose Forscher der deutschen und seiner eigenen Nation, wie Haupt, Büdinger, Feifalik, Šembera der Vater und Hanuš in unwiderleglicher Weise klar gelegt. Da nimmt sich die von čechischer Seite versuchte Ehrenrettung und wenn diese nach allen Seiten hinkte, die Annahme von Geisteszerrüttung ziemlich komisch aus: denn mit seinen Strichen als Censor die Fälschungen und Verstümmelungen der Manuscripte zusammengehalten, stellen sich seine Handlungen als zielbewußte Unthaten dar, die um so sträflicher erscheinen, als sie offenbare Verletzungen seines Diensteides an seiner Obhut anvertrautem Gute sind. Ueber den ganzen Sachverhalt geben die Quellen die nöthigen Nachweise. Dr. Hanuš, selbst ein begeisterter Čeche, ist es, welcher die Maske von dem Zeloten Zimmermann riß und den ganzen Schwindel, den dieser in dreifacher Eigenschaft als Mensch, Priester und Bibliothekar trieb, bloßlegte.

Zimmermann als Censor. Oben in der Biographie wird bemerkt, daß er frühzeitig dem hebräischen Büchercensor Fischer ad latus beigegeben, später aber, 1820, als k. k. Büchercensor angestellt wurde. Die Art und Weise, wie er sein Censoramt ausübte, ist – von der Infamie systematischen Gedankenmordes abgesehen – geradezu lächerlich. Er legte jedes Wort auf die Wagschale und ehe er eine Stelle in einem Werke passiren ließ, befragte er jedes Mal seine Loyalität und sein katholisches Gewissen. Zu seiner Zeit durfte kein „Roman“ erscheinen, dieses Wort verwandelte er in eine „Erzählung“. In einem Drama wurde der Name „Maria“ in „Marina“ umgeändert, weil ersterer Name eine Beleidigung der heiligen Jungfrau wäre. Jemand schrieb, daß es schicklich sei, Opfer auf den „Altar“ des Vaterlandes niederzulegen; allein Censor Zimmermann ließ diese Opfer auf den „Teller“ des Vaterlandes niederlegen! In einer Erzählung richtete ein Geliebter an seine Herzensdame die Frage, welcher Weg zu ihrem Schlafgemache führe, worauf diese antwortete: „Der Weg zu meinem Schlafgemache führt durch die Kirche.“ Die Kirche schien dem Censor in Verbindung mit dem Schlafgemache herabgewürdigt, und er schrieb statt „durch die Kirche“ ganz gemüthlich: „durch die Küche“! Die Worte „Freiheit“ und „Aufklärung“ durften in Schriften nicht vorkommen; als Jemand geschrieben: „Stellt die Aufklärung der Finsterniß entgegen“, strich er den Satz und schrieb: „Stellt Lichter der Finsterniß entgegen“. Statt des Satzes: „Der Vorhang wurde im Tempel zu Jerusalem durchrissen und das alte Testament vom neuen getrennt“, schrieb Zimmermann: „Der Vorhang wurde im Judenhause zerrissen und die alte Zeit von der neuen getrennt“. Genug der Proben.
Jungmann (Jos.). Historie literatury české. Druhé vydání, d. i. Geschichte der čechischen Literatur (Prag 1849, F. Řiwnáč, schm. 4°.). Zweite von W. W. Tomek besorgte Auflage. S. 657. – Šembera, (Alois Vojtěch). Dějiny řeči a literatury česko-slovenské. Věk novější, d. i. Geschichte der čechoslavischen Sprache und Literatur. Neuere Zeit (Wien 1869, gr. 8°.) S. 309. – Bohemia (Prager politisches und Unterhaltungsblatt) 1861, Nr. 284, S. 2700. „Der Bock als Gärtner“. – Dieselbe. 1868, Nr. 109 im Feuilleton: „Die gefälschten böhmischen Gedichte“. – Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger und J. Malý (Prag 1872, I. L. Kober, schm. 4°.) Bd. X, S. 356, Nr. 9. – Waitzenegger (Franz Joseph). Gelehrten- und Schriftsteller-Lexikon der deutschen katholischen Geistlichkeit (Landshut 1820, Trautmann, gr. 8°.) Bd. II, S. 540.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche dazu Königinhofer Handschrift (Wikipedia).