BLKÖ:Šembera, Alois Adalbert

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Šembera, Joseph
Band: 34 (1877), ab Seite: 75. (Quelle)
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Šembera (sprich: Schembera), Alois Adalbert (čechischer Schriftsteller, geb. zu Hohenmauth in Böhmen 21. März 1807). Š. besuchte in den Jahren 1819–1825 das Gymnasium und das erste Jahr der Philosophie in Leitomischl und vollendete sodann die philosophischen und die juridischen Studien an der Universität in Prag. Im Jahre 1830 trat er als Gerichtspraktikant bei dem Magistrate in Brünn ein und erhielt nach Ablegung der appellatorischen und politischen Prüfungen im Jahre 1833 eine Raths-Auscultantenstelle daselbst. Am 5. December 1839 wurde er zum Professor der böhmischen Sprache und Literatur an der Landes-Akademie (bezüglich Universität) in Olmütz ernannt, welches Amt er bis zum Jahre 1847 alldort und nach [76] Uebertragung der Akademie nach Brünn, in den Jahren 1848 und 1849 in letzterer Stadt versah. Im October 1849 erging an ihn von dem Justizministerium die Aufforderung, die Redacteurstelle des böhmischen Reichsgesetzblattes bei diesem Ministerium, und von dem Unterrichtsministerium der Ruf, die damals erledigte Lehrkanzel der böhmischen Sprache und Literatur an der Wiener Universität zu übernehmen, welche beiden Aemter, das erstere, in der Eigenschaft eines Regierungsraths, er bis nun bekleidet. Šembera befaßte sich schon frühzeitig mit Vorliebe mit linguistischen und historischen Studien und namentlich mit der historischen Topographie. Die bibliographische Aufzählung seiner Werke folgt weiter unten. In der Absicht, eine genaue Sprach- und Ortskarte von Mähren und Schlesien herauszugeben, bereiste er in den Ferien der Jahre 1841–1845 beide Länder nach allen Richtungen, sammelte sämmtliche Namen der Flüsse, Berge und Ortschaften aus dem Munde des Volkes, verglich sie mit jenen in Urkunden und der Landtafel, und veröffentlichte im Jahre 1863 die so zu Stande gebrachte Karte von Mähren (Mapa Moravská) mit mehr als 10.000 Namen und genauen Sprachgrenzen. Ebenso bereiste er als Vorstudium zu seinem Werke: „Die Westslaven in der Vorzeit“, Wien 1868 (Západní Slované v pravěku) alle benachbarten, einst von Slaven bewohnten Länder, von Niederösterreich aus bis Triest, dann Ungarn, Bayern, Sachsen, die Lausitz, Pr.-Schlesien, Böhmen u. s. w., studirte die Specialkarten und Diplomatare dieser Länder und verfaßte auf Grund des so gesammelten und gesichteten Materials und der römischen und griechischen Autoren das erwähnte Werk, in welchem er nachwies, daß die genannten Länder seit vorhistorischer Zeit (vor Julius Cäsar) von Slaven (und nicht von Kelten) bewohnt gewesen. Bei seinen Bereisungen und örtlichen Forschungen entdeckte er einige für die Geschichte nicht uninteressante Punkte und Denkmale. Im Jahre 1838 fand er in Brandeis am Adler die verschollene Gruft der mährischen Herren von Žerotin, wo auch die Gebeine des berühmten Karl v. Žerotin (gest. 1636) beigesetzt waren, leitete die Ausgrabung derselben und veranlaßte die Ueberführung der Gebeine in die neue Familiengruft zu Blauda in Mähren. In Brandeis machte er gleichzeitig jenes Haus unter dem Berge Klopot ausfindig, wo Amos Comenius im Jahre 1623 sein denkwürdiges Werk „Labyrint světa“ schrieb, an welcher Stelle über seinen Vorschlag 1865 ein Monument errichtet wurde. In Olmütz bezeichnete er im Jahre 1845 diplomatisch den noch unversehrt erhaltenen steinernen Gang in der dortigen Domdechantei als denjenigen, wo im Jahre 1306 der böhmische König Wenzel III. meuchlings ermordet wurde. Bis dahin war man der irrigen Meinung, daß der Mord in der im 17. Jahrhunderte eingerissenen Dechantei bei St. Peter geschehen sei. Auch an dieser Stelle ließ der damalige Domdechant Freiherr von Thysebaert über Š.’s Antrag eine gußeiserne Tafel mit einer lateinischen Inschrift einsetzen. Im Jahre 1871 gelang es dem Professor Šembera, das seit lange gesuchte römische Comageni, den zeitweiligen Sitz des h. Severin (Jahr 454), als das heutige St. Andrä vor dem Hagenthal, und den Mons Comagenus wo Karl der Große im Jahre 791 die Avarenburg zerstörte, als den anstoßenden Kumenberg festzustellen, [77] woselbst über seine Anregung der niederösterreichische Landesausschuß im Jahre 1876 ein Denkmal aufstellen ließ. In dem darüber gehaltenen Vortrage wies er zugleich die in neuerer Zeit viel bestrittene Identität des Hauptsitzes des h. Severin Faviana (J. 454 bis 482) mit dem heutigen Wien unumstößlich nach . Ein weiteres Ergebniß seiner historisch-topographischen Forschungen ist die von ihm dargethane Thatsache, daß der aus der böhmischen Geschichte bekannte Kirchencongreß im Jahre 1221, bei welchem der langjährige Streit zwischen dem böhmischen König Přemysl Otakar I. und dem Prager Bischofe Andreas geschlichtet wurde, auf dem Schatzberge zwischen Joslowitz und Seefeld Statt fand, während die böhmischen Geschichtschreiber seit 100 Jahren den Mons Scach, wie dieser Berg in den Urkunden genannt wird, vergeblich anderswo in Böhmen und Mähren gesucht haben. Endlich constatirte er i. J. 1875 in einem Aufsatze in der böhmischen Museums-Zeitschrift das Dorf Jaroměřic bei Gewitsch in Mähren als jenen strittigen Ort, wo im Jahre 1145 von dem Znaimer Fürsten Conrad das berüchtigte meuchlerische Attentat an dem Olmützer Bischöfe Heinrich Zdik verübt wurde und entdeckte gleichzeitig die für abhanden gehaltene werthvolle Büchersammlung des Karl von Žerotin in der Stadtbibliothek zu Breslau. Seine vieljährigen Studien der mährischen Diplomatik und der altböhmischen Sprache führten ihn zu der Erkenntniß der Fälschung und Mutilirung mehrerer Urkunden in Boček’s „Codex diplom. Moraviae“, wie auch zu der Erkenntniß der Unterschiebung einiger Erzeugnisse der böhmischen Literatur. Schon vor mehr als 25 Jahren erklärte Šembera die 14 sogenannten „Fragmenta Monseana“ im Boček’schen Diplomatar für ein Machwerk der Neuzeit und ebenso bezeichnete er [in seiner „Geschichte von Olmütz“, 1861] die 9 Auszüge aus dem sogenannten „Hildegardus Gradicensis“ nebst mehreren anderen Urkunden desselben Diplomatars für gefälscht. Er führte, der Erste, in seiner „Geschichte der böhmischen Literatur“ (1858) aus sprachlichen Gründen den Beweis, daß das bekannte Lied König Wenzel’s I. und das Lied „Unter dem Wyňehrad“ (Píseň pod Vyšehradem) welche bis dahin der Königinhofer-Handschrift[WS 1] beigedruckt wurden, Producte der neueren Periode sind und ihren Ursprung den Jahren 1816 und 1819 verdanken. Aus Merkmalen der Sprache bestimmte er auch das Alter des Glossariums „Mater Verborum“ (um 1252), der böhmischen Alexandreis (1300) und einiger anderer Denkmale genauer, als es von den bisherigen böhmischen Literaturhistorikern geschehen war. Die literarische Thätigkeit des Professors A. Šembera begann bereits im Jahre 1827 mit der böhmischen Uebersetzung eines Theiles von Florus Epitome rerum romanarum und im Jahre 1829 mit Aufsätzen in der „Zeitschrift des böhmischen Museums“, unter denen „Die Geschichte des technischen Instituts in Prag“ (1831), „Die Gruft der Žerotine in Brandeis am Adler“ (1840), „Die Geschichte der mährischen Landtafel“, eine historisch-ethnographische Abhandlung über die „Slaven in Niederösterreich“ (1844–1845), dann der erwähnte Aufsatz über das Attentat gegen Heinrich Zdik mit der Bestreitung der Existenz von Župen in Böhmen und Mähren und eine statistische Abhandlung über die Zahl und die Wohnsitze der Čechoslaven (1876) [78] hervorgehoben werden. Er lieferte Beiträge historischen, historisch topographischen und ethnographischen Inhaltes in die Zeitschriften „Čechoslav“ (1830–1831), „Poutník“ (1846 bis 1847), „Týdenník moravsky“ (1848), in die „Památky archeologické“ (1860 bis 1871), und den „Časopis matice moravské“ (1871); schrieb literatur-historische Aufsätze in „Ost und West“ (1838–1839), in die „Sitzungsberichte der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“ und periodische Berichte über böhmische Literatur in verschiedene Blätter. An selbstständigen Werken veröffentlichte er nachstehende: I. Werke literatur-historischen und linguistischen Inhaltes: „Magistri Joannis Hus Orthographia bohemica. Addita eadem orthographia in linguam bohemicam translata atque ejusdem orthographiae documenta“ (Vindobonae 1857, S. 48). Zum ersten Male herausgegeben, mit kritischen Anmerkungen; – „Kdy a od koho byla sepsána česká Alexandreis“, d. i. Ueber die Zeit der Abfassung und den Verfasser der böhmischen Alexandreis (Prag 1859, 4°.), auch in den „Sitzungsberichten der königl, böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften; – „Dějiny řeči a literatury české“, Geschichte der böhmischen Sprache und Literatur. Alte Zeit (Wien 1858, 1859, 1869 und 1872); – „Věk nový“, Neue Zeit (1868 und 1869, S. VIII und 578); – „Základové dialektologie československé“, d. i. Grundzüge der böhmisch-slavischen Dialektologie. Mit Beispielen aller slavischen Sprachen und der böhmisch-slavischen Sprecharten (Wien 1864, 8°., S. X und 180); – „Deutsch-böhmische Terminologie der Rechts- und Staatswissenschaften“ (zum Druck vorbereitet). – II. Werke historischen und historisch-topographischen Inhaltes: „Historie pánů z Boskovic a hradu Boskovického na Moravě“. Zweite Ausgabe unter dem Titel: „Páni z Boskovic a potomní držitelé hradu Boskovického“, d. i. Die Geschichte der Herren von Boskowic und der Burg Boskowic in Mähren (Brünn 1836, 2. Aufl., Wien 1870, S. XII und 207, mit 2 Abbildungen); – „Vpád Mongolů do Moravy“, d. i. Der Mongoleneinfall in Mähren im Jahre 1241. Mit der älteren Geschichte der Mongolen (Olmütz 1841, 2. Aufl., Olmütz 1842, S. IV und 74, mit 3 Abbildungen); – „Vysoké Mýto, král. věnńé město v Čechách“, d. i. Geschichte und Beschreibung der königlichen Stadt Hohenmauth (Olmütz 1845, S. IV und 150, mit 5 Abbildungen); – „Paměti a znamenitosti města Olomouce“, d. i. Denk- und Merkwürdigkeiten von Olmütz (Wien 1861, S. X und 148, mit 8 Abbildungen); – „Mapa země Moravské“, d. i. Sprachen- und Ortskarte von Mähren und Schlesien. 4 Blätter in Kupfer gestochen (Wien 1863 und 1875). Diese Karte wurde bei der ethnographischen Ausstellung in Moskau (1867) mit der silbernen und bei der geographischen Ausstellung in Paris (1875) mit der großen bronzenen Medaille prämiirt; – „Západní Slované v pravěku, S mapou Germanie a Illyrie“, d. i. Die Westslaven in der Vorzeit oder kritischer Nachweis, daß die Slaven in Germanien und Illyrien seit vorhistorischer Zeit wohnen. Mit einer Karte beider Länder im zweiten Jahrhunderte nach Christo (Wien 1868, S. XVI und 380. Mit Ergänzungen, Wien 1871); – „Ueber die Lage der Wohnstätten des heiligen Severin Comageni, Astura und Faviana in Niederösterreich. Eine kritische Untersuchung“ (Wien [79] 1871, S. 24); – „O sjezdu církevním r. 1221 na vrchu, řečeném Mons Scach v Dolních Rakouskích“, d. i. Ueber den Kirchencongreß auf dem Schatzberge in Niederösterreich im Jahre 1221 (Prag 1871), auch in den „Archeolotické památky“. – III. Werke juridisch-politischen Inhaltes (meist Uebersetzungen und Compilationen): „Ueber die Gleichberechtigung der beiden Landessprachen in Mähren“ (Brünn 1848, S. 33). Erschien böhmisch und deutsch; – „Řád soudu civilního pro Uhry“, d. i. Civilproceßordnung für Ungarn (Wien 1853, S. 206); – „Zákon horní“, d. i. Das Berggesetz (1854); – „Zákon o živnostech řemeslnických a obchodnických. S výkladem“, d. i. Das Gewerbegesetz. Mit einem Commentar (Wien 1860); – „Obecný občanský zákonník rakouský. S přídavkem“, d. i. Das allgemeine österreichische bürgerliche Gesetzbuch. Mit einem Anhange (Wien 1862, 2. Aufl., Wien 1872, S. 272 und 150); – „Základní zákonové státní království Českého“, d. i. Die Staatsgrundgesetze des Königreiches Böhmen (Prag 1864); – „Základní zákonové státní csařství Rakouského“, d. i. Die Staatsgrundgesetze des Kaiserthums Oesterreich (Wien 1868). Šembera’s wissenschaftliche Wirksamkeit wurde in Fachkreisen und auch sonst mehrfach gewürdigt. Š. ist Ritter des kaiserlich russischen St. Annen-Ordens 2. Classe mit der Krone, correspondirendes Mitglied der kaiserlich russischen Akademie der Wissenschaften und der kaiserlich geographischen Gesellschaft in Petersburg, der k. Akademie der Wissenschaften in Krakau, der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag, der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde in Brünn, der k. k. Centralcommission für die Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale in Wien, wirkliches Mitglied der geographischen Gesellschaft in Wien, der kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften und der archäologischen Gesellschaft in Moskau, wirkendes Mitglied des böhmischen Museums in Prag, Ehrenmitglied der kais. Universität in Moskau und Ehrenbürger der Städte Hohenmauth, Leitomischl und Boskowic. Als vortrefflichen und humanen Lehrer widmeten ihm seine Zuhörer an der Wiener Universität im Jahre 1861 einen Almanach (Dunaj) mit seinem Bildnisse und der aus ihnen gebildete Akademische Verein wählte ihn im Jahre 1869 zu seinem Ehrenmitgliede und veranstaltete ihm zu Ehren im Jahre 1875 nach Vollendung seiner 25jährigen Lehrthätigkeit an der Universität eine Ovation und an seinem 70. Geburtstage am 21. März 1877 ein glänzendes Fest, bei welchem ihm ein kostbares Album mit mehreren Hunderten Photographien seiner Schüler und Verehrer und ein künstlerisch ausgestatteter Almanach mit seinem Porträt überreicht wurde.

Světozor (Prager illustrirte Zeitschrift) 1867, S. 196 und 204. – Slavin (Pantheon) „Sbírkin podobizen., autografů a zivotopisů předních mužů československých“, d. i. Slavin, Sammlung von Bildnissen, Autographen und Biographien denkwürdiger čechoslavischer Männer (Prag 1872, F. Bartel, 8°.) S. 252. – Slavische Blätter. Herausgegeben von Abel Luksić (Wien, 4°.) 1865, S. 380. – d’Elvert (Christian Ritter), Geschichte der Musik in Mähren und Oesterreichisch-Schlesien u. s. w. (Brünn 1873, Winiker, gr. 8°.) S. 381. – Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger und J. Malý (Prag 1872, Kober, Lex. 8°.) Bd. IX. S. 33, Nr. 2. – Almanah, vydaný[80] na oslavu 10. narczen in A. V. Šembery. Ve Vídni 1877, S. 10–59, d. i. Almanach zur Feier des 70. Geburtstags des A. V. Šembera herausgegeben (Wien 1877), S. 10-59.
Porträte. 1. Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: A. V. Šembera. Lithographie von Kolarz. Beilage zum Almanach „Dunaj“ (Wien 1861). – 2. Unterschrift: Alois Vojtěch Šembera. In Abel Luksić’s „Slavische Blätter“ (1865), S. 379. – 3. Dieselbe Unterschrift. Holzschnitt in der Zeitschrift „Světozor“ (1867), S. 196 [minder gelungen]. – 4. Dieselbe Unterschrift. Zeichnung von Kriehuber in der Zeitschrift „Květy“ (1871), S. 170 [sehr ähnlich]. – 5. Facsimile des Namenszuges: A. V. Šembera. Holzschnitt in F. Bartel’s „Slavin“ (1872) und in der Zeitschrift „Komenský“, Olmütz, 1874. – 6. Facsimile des Namenszuges: A. V. Šembera. Lithographie von Eigner. In dem Festalmanache, (Wien 1877) [sehr ähnlich].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche dazu den Nachtrag zu Swoboda, Wenzel Alois, Band 41, Seite 300 (1880).