Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 55 (1887), ab Seite: 10. (Quelle)
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Wenzel, Andreas (64. Abt des Benedictinerstiftes Schotten in Wien, geb. zu Wien am 4. März 1759, gest. daselbst 17. November 1831). Nach dem frühzeitigen Tode des Vaters, eines gemeinen Soldaten, erwirkte die mittellose Witwe für den Knaben, der in der Taufe den Namen Joseph erhalten hatte, eine Zufluchtsstätte im kaiserlichen Waisenhanse zu Wien. In dieser Stadt besuchte er dann bei den Piaristen die Grammaticalclassen, und als er 17 Jahre zählte, trat er aus eigenem Antriebe in das Benedictinerstift bei den Schotten ein, wo er seine Studien fortsetzte und am 12. März 1783 das Ordensgelübde [11] ablegte, bei welcher Gelegenheit er seinen Taufnamen Joseph mit dem Klosternamen Andreas vertauschte. Am 22. Juni desselben Jahres las er die erste Messe. 1786–1798 versah er den Dienst eines Cooperators an der damals neu errichteten Pfarre St. Lorenz am Schottenfelde und wirkte dann in gleicher Stellung an der Stiftspfarre. 1806 übertrug ihm Abt Benno die Leitung der alten Stiftspfarre St. Ulrich. Nach dem am 14. Februar 1807 erfolgten Tode des Abtes Benno Pointner [Bd. XXIII, S. 35] wählten ihn seine Mitcapitularen am 18. Juni 1807 zum Nachfolger desselben, und am 9. August empfing er die Pontificalien und die Inful. Im Jahre 1809 wurde er Rector magnificus der Wiener Universität, am 26. Februar 1814 Director der theologischen Studien, dann Beisitzer der Studien-Hofcommission und wirklicher niederösterreichischer Regierungsrath, 1818 zum zweiten Male Rector Magnificus und am 20. April 1819 k. k. Hofrath. Mit diesen Andeutungen sind die äußeren Ehren und Würden unseres Prälaten abgeschlossen. Wir werfen nun noch einen Blick auf seine vielseitige Wirksamkeit als Abt. Als eine seiner ersten Thaten in dieser Stellung ist die Errichtung des Stiftsgymnasiums zu bezeichnen, das am 4. November 1807 eröffnet wurde; heute noch zählt diese Lehranstalt zu den gediegensten der Monarchie, und Zöglinge derselben, gleich denen des Stiftes Kremsmünster, gelten immer als bevorzugt. Schwere Zeiten traten für das Stift im Kriegsjahre 1809 ein. Es trug reichlich zur Ausrüstung des 4. Bataillons der Wiener Freiwilligen bei, welches bei Ebersberg und in den nachfolgenden Gefechten und Schlachten so rühmlich kämpfte. Dem Vaterlande in dessen Noth zu dienen, gab das Stift sein Silber hin. Es trug die schweren Lasten der französischen Occupation. Das Kloster, das 200–300 Mann im Quartier hatte und mit Allem verpflegte, glich mehr einer Kaserne als einem Ordenshause. Der Feind hauste mit erbarmungsloser Willkür. Aus dieser Zeit wird der nachstehende Zug des Prälaten erzählt. Das Vermögen des Stiftes bestand hauptsächlich in den vollen Weinkellern. Diese sollten nach der Schlacht von Aspern auf feindlichen Befehl geleert werden. Das Gebot war so grausam, daß sogar ein feindlicher Obercommissär, der damals im Stifte im Quartier lag, darüber entrüstet, den Abt fragen ließ, ob er denn nicht den Muth habe, sich in Person vor die Thür des Kellers zu stellen und tapfer den Eintritt zu verwehren? Abt Andreas bejahte ohne Bedenken und stand um die vierte Nachmittagsstunde, für welche der fremde Commissär angesagt war, auf dem Posten. Der Commissär erschien mit Gefolge, um die Fässer in Empfang zu nehmen. Als er den Abt Andreas vor der Thür sah, stutzte er erst, dann tobte er und zückte drohend seinen Degen, aber fest und unbewegt, ohne die geringste Furcht zu verrathen, ganz des Sohnes eines österreichischen Kriegsmannes würdig, bleibt der Abt in seiner Stellung, bis endlich der Abgeordnete doch, keine fernere Gewaltthat wagend, wuthergrimmt abzog. Aber das Vermögen des Klosters war gerettet. Dagegen erlitt das Stift durch die wilde Soldateska, die überall schonungslos hauste, unersetzlichen Schaden, die Klosterhöfe zu Ottakring und Enzersdorf wurden geplündert und verheert, ein Gleiches war in Eggersdorf und Gaunersdorf der Fall, wo überdies Pfarrschulhaus und Kirchen einer vandalischen [12] Verwüstung anheimfielen, und ähnliches Geschick erlitten die Pfarreien des Stiftes zu Hobesbrunn, Martinsdorf, Breitenlee, Stammersdorf, Pulkau u. a. Der Abt wirkte in dieser verhängnißvollen Periode mit der ganzen Macht und dem Ansehen seines heiligen Amtes, um Unglück und Schädigung zu verhüten und die erlittenen Schäden zu heilen. Er war Mitglied des verstärkten ständischen Ausschusses zur Berathung und Besorgung der Landesangelegenheiten, dann der Deputation, welche von dem siegreichen Kaiser Napoleon in Schönbrunn um Schutz für Wien bat. Durch sein Verhalten in dieser traurigen Zeit hatte er sich so sehr das allgemeine Vertrauen erworben, daß ihm die Stände die erste erledigte Stelle eines Ausschußrathes verliehen und ihm später der Prälatenstand das Amt eines Abgeordneten übertrug. Als von Seite der kaiserlichen Regierung an die Stifte die dringende Aufforderung erging, dafür zu sorgen, daß es unter den Ordensmitgliedern nicht an gediegenen Vertretern der Wissenschaften, namentlich der theologischen und kirchengeschichtlichen, fehle, richtete Abt Andreas sein besonderes Augenmerk auf die wissenschaftliche Richtung und Ausbildung seiner Capitularen, und treffen wir in der Zeit, in welcher er seine abtliche Würde trug, unter denselben: den Orientalisten Andreas Oberleitner, den gelehrten Theologen Paul Hofmann, die Kirchenhistoriker Bernard Wagner und Leander König, den gediegenen Schulmann Meinrad Lichtensteiner, den Naturforscher und Mathematiker Ernest Kuschel, den Pädagogen und Philologen Berthold Sengschmidt, den Homileten Adrian Gretsch, den Patristiker Lambert Mick und den Humanisten Maximilian Rumelsberger, welcher der Erste war, der in Wien zu Gunsten der Armen die Neujahr-Enthebungskarten einführte. Dabei behielt er fest im Auge ebenso die Aufrechthaltung der klösterlichen Ordnung, wie die ökonomischen Verhältnisse des Stiftes, die unter seiner Oberleitung langsam, aber stetig gediehen. Die Stiftskirche zu den Schotten in Wien bewahrte ihre Anziehungskraft für die christliche Bevölkerung, wozu das würdevolle echt priesterliche Verhalten der Capitularen in nicht geringer Weise beitrug, sowie auch in allen übrigen Verhältnissen des Stiftes ein gesundes Gedeihen sich kundgab. Noch eins war dem Prälaten beschieden, Entwurf und Beginn des Baues im großen Schottenhofe und die Aufführung des neuen Conventgebäudes, womit sich derselbe ein dauerndes Denkmal selbst gesetzt hat. Am 6. April 1831 fand die Grundsteinlegung zu dem neuen Schottenstifte durch den damaligen Kronprinzen König Ferdinand V. in Gegenwart der Erzherzoge Franz Karl, Karl, Anton Victor und Ludwig in feierlichster Weiser Weise statt, doch die Vollendung der von ihm begonnenen großen Bauunternehmung sollte der Abt nicht mehr erleben. Im Spätherbst 1831, an der Schwelle seines fünfzigjährigen Priesterjubiläums stehend, beschloß er seine irdische Laufbahn, das Andenken eines würdigen Vorstandes seiner Abtei, die er durch nahezu ein Vierteljahrhundert und in schweren Zeitläuften geleitet, hinterlassend.

Pietznigg (Franz). Mittheilungen aus Wien. Zeitgemälde des Neuesten und Wissenswürdigsten u. s. w. (Wien 1832, J. P. Sollinger, 8°.) Bd. II (1833) S. 150: „Andreas Wenzel, Abt des Stiftes Schotten“. – Oesterreichisches Archiv für Geschichte, Erdbeschreibung u s. w. (Wien, 4°.) 1831, Nr. 144, S. 570: „Wehmüthige Erinnerung“. [13]Hauswirth (Ernest Dr.). Abriß einer Geschichte der Benedictinerabtei[WS 1] U. L. F. zu den Schotten in Wien (Wien 1858, Mechitaristen-Druckerei, gr. 4°.) S. 157–165.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Benedictinerbtei.