Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Victorin, Franz Leo
Band: 50 (1884), ab Seite: 293. (Quelle)
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Viktorin, Joseph (slovakischer Schriftsteller, geb. zu Zavař im Preßburger Comitate Ungarns 12. März 1822). Sein Vater war mährischer, seine Mutter čechischer Abkunft. Die Normalschulen und das Gymnasium besuchte Joseph zu Tyrnau. Nach dem frühen Tode des Vaters kämpfte er mit mancherlei Entbehrungen. Sein Freund Johann Palárik [Bd. XXI, S. 195] weckte der Erste in ihm das nationale Gefühl, welches durch die Bekanntschaft mit Ljudevit Stur [Bd. XL, S. 218][WS 1], der damals in Preßburg die „Slovenske narodne noviny“, d. i. Die slovakische Volkszeitung, und den „Orel Tatranski“, d. i. Der Adler des Tátra, herausgab, nur noch mehr angefacht wurde. In diese Zeit fallen seine ersten schriftstellerischen Arbeiten, da er für die vorgenannten Blätter Stur’s schrieb und diesen auch sonst noch in der Redaction derselben unterstützte. Viktorin und sein Freund Palárik, welche Beide im Tyrnauer geistlichen Seminar Theologie studirten, wurden als panslavistischer Umtriebe verdächtig bald dem Erzbischof Primas Kopácsy denuncirt und sollten das Seminar verlassen. Der Primas aber ließ sich durch dergleichen Denunciationen nicht anfechten und ertheilte Beiden am 15. Jänner 1847 die Priesterweihe. Viktorin trat nun in die Seelsorge und kam als Caplan nach Senica in der Neutraer Gespanschaft, unweit Hlubok, wo um jene Zeit, der evangelische Pfarrer Hurban [Bd. IX, S. 436] sich befand, den seiner ausgesprochen slavischen Richtung wegen die Magyaren bitter haßten. Viktorin und Hurban, von denselben patriotischen Gefühlen durchdrungen, befreundeten sich bald, in Folge dessen sich die Verfolgungen gegen Ersteren ob panslavistischen Umtrieben von Neuem regten und er deshalb auch noch im Jahre 1847 nach Nadaš im Tyrnauer Comitate versetzt wurde. Dort erging es ihm noch schlimmer: unter dem Vorwande, daß er durch Hetzereien die Ausschreitungen gegen die Juden veranlasse, in Wahrheit wegen seiner ausgesprochen slavischen Gesinnung und Parteinahme, nahm man ihn fest, belegte alle seine Papiere mit Beschlag und führte ihn am 26. April genannten Jahres in das Gefängniß des Stuhlrichters von Preßburg ab. Als aber diese Stadt am 24. December d. J. wieder in den Besitz der Kaiserlichen gelangte, ward er aus seiner Haft befreit und kehrte auf seine Caplanei in Nadaš zurück, wo er bis Ende April 1850 verblieb. Nun kam er in gleicher Eigenschaft nach Ungarisch-Skalitz. Dort hielt er sich an die Partei, welche Lichard, Palárik, Radlinski und andere Slovaken bildeten, die, von dem Minister Leo Grafen Thun unterstützt, im Gegensatze zu Hurban und dessen Partei die Čechisirung der Slovaken in Schrift und Sprache anbahnten. Darüber entspann sich unter den damaligen slovenischen Hauptblättern, und zwar dem „Videňsky Denník“, d. i. Wiener Tagblatt, „Pražské noviny“, d. i. Prager Zeitung, und dem von Havliček redigirten „Slovan“ einerseits und den von Hurban herausgegebenen „Slovenskje pokladi“, d. i. Slavische Schätze, andererseits eine heftige Polemik, an welcher Viktorin in ganz energischer [294] Weise theilnahm. Diese Zustände führten zu seiner Versetzung nach Alt-Ofen, wo er inmitten einer deutschen und magyarischen Bevölkerung seine panslavischen Agitationen lahm gelegt sah. Um diese Zeit, 1854, verband er sich mit seinen obgenannten Parteigenossen und betrieb die Errichtung eines Denkmals für Johann Hollý [Bd. IX, S. 230], für welches dieselben bereits längere Zeit gesammelt hatten. Im Juli 1854 wurde ihm die Administration der Alt-Ofener Pfarre übertragen, als dann im März 1855 die Ernennung des neuen Pfarrers erfolgte, blieb er noch als Caplan auf seinem bisherigen Posten, bis er Ende letztgenannten Jahres auf sein eigenes Verlangen die Caplanstelle zu St. Anna in Ofen erhielt. Ende April 1866, nach nahezu zwanzigjährigem Wirken als Caplan, wurde er Pfarrer zu Ungarisch-Vysehrad an der Donau. Wie schon oben bemerkt, war Viktorin frühzeitig schriftstellerisch thätig. Im Jahre 1858 veröffentlichte er den belletristischen Almanach „Concordia Slovanský Letopis“, in welchem er die čechischen, Palárik die slovakischen Aufsätze besorgte. Der „Concordia“ folgte die „Lípa. Národní zábavník“, d. i. Die Linde. Nationales Unterhaltungsbuch, wovon 1860 zu Ofen der erste, 1862 und 1864 zu Pesth der zweite und dritte Jahrgang erschien. Hierauf gab er eine slovakische Grammatik heraus, von welcher die dritte Auflage unter dem Titel: „Grammatik der slovakischen Sprache. Zum Schul- und Privatunterrichte, bearbeitet mit Uebungsaufgaben, Gesprächen, einem ausführlichen Wörterverzeichnisse und einer populären Chrestomathie“ (Pesth 1864, Lauffer, 8°.; 1. Aufl. 1860; 2. Aufl. 1862) veranstaltet wurde. Im Jahre 1863 besorgte er auf seine Unkosten die Ausgabe der Dichtungen Hollý’ s unter dem Titel: „Jana Hollého spisy básnické“ (Pesth 1863) und bald danach jene der poetischen Arbeiten Jonas Zaborský’s unter den Titeln: „Jonasa Zaborského básně dramatické“, d. i. Dramatische Dichtungen (Pesth 1865); – „Bajky slovenske“, d. i. Slovakische Fabeln (ebd. 1866), und „Lžidimitriady čili búrky lžedimitrizovské v Rusku“, d. i. Pseudodimitriaden. Episoden aus der Geschichte Rußlands. Dargestellt in neun dramatischen Gedichten. Seine nächste literarische Arbeit war die slovakische Uebersetzung des berühmten Werkes „Die Nachfolge Christi von Thomas a Kempis“ unter dem Titel: „Tomáša Kempenského o následování Krista“ (Pesth-Ofen 1867). Gedruckt wurde dann auch noch seine vor einer großen Versammlung von Andächtigen gehaltene „Rede bei der Einweihung des Clarakreuzes unter den Burgruinen Vysehrad“, anläßlich der Erinnerungsfeier an die unglückliche Clara aus dem Geschlechts Záčov. Seinen Aufenthalt in Vysehrad benützte er zu eingehenden historischen Forschungen dieser Stadt, über welche er dann eine Monographie in deutscher Sprache: „Wischehrad einst und jetzt. Geschichte und Beschreibung der ehemaligen Königsburg und Residenzstadt mit besonderer Rücksicht auf die Erhaltung der Burgruinen“ (Pesth 1872) veröffentlichte, wovon noch im nämlichen Jahre auch eine magyarische Ausgabe: „Visegrád hajdan és most“ (ebd.) herauskam. Diese Schrift richtete die Aufmerksamkeit des Landes auf die alte Stadt und veranlaßte die ungarische Regierung, die Schonung der alten Denkmäler derselben anzuordnen, und nun säumten selbst die Pesther magyarischen Journale nicht, die Verdienste Viktorin’s um diese Angelegenheit zu [295] würdigen. Ueberdies machte er sich als Pfarrer von Vysehrad um die Verschönerung der romantischen Umgebung dieser Stadt verdient. Als Politiker wie als Priester liberal, muntert er seine Landsleute auf, die čechische Literatur fleißig zu pflegen und sie als ihre eigene anzusehen. 1863 ernannte ihn die russische Universität Charkow zu ihrem Ehrenmitgliede. 1874 war Viktorin, wie Kertbeny in seiner „Bibliographie ungarischer nationaler und internationaler Literatur 1441–1876“ (Budapesth 1876, P. Tettey und Comp., gr. 12°.) S. 57, Nr. 131 berichtet, irrsinnig.

Majer (István). Bibliographia Cleri Archidioecesis Strigoniensis in Hungaria. Az esztergomi érseki-főmegye Papságának közműveltségre ható irodalmi müködése a legújabb korban. (Esztergomban 1873, Horák, gr. 8°.) p. 40. – Slavische Blätter. Illustrirte Monatshefte für Literatur, Kunst, Wissenschaften ... der slavischen Völker. Herausgegeben von Abel Lukšić (kl. 4°.) I. Jahrg. (1865) S. 122.
Porträt. Unterschrift: „Jos. Viktorin“. Lithographie von Weibezahl (Wien, Hermann Markgraf, 1863, gr. 4°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XL, S. 189].