BLKÖ:Ungar, Karl Raphael

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Ungár, Adolph
Band: 49 (1884), ab Seite: 40. (Quelle)
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Ungar, Karl Raphael (Prager Universitätsbibliothekar, geb. zu Saaz in Böhmen am 16. April 1743, gest. zu Prag 14. Juli 1807). Seinen Familiennamen Unger hat er eigenmächtig in Ungar umgewandelt. In seiner Vaterstadt besuchte er die Elementar- und Gymnasialclassen. Nach Abschluß der letzteren trat er am 14. October 1759 in den Orden der Prämonstratenser-Chorherren im Stifte Strahow zu Prag, seinen Taufnamen Karl mit dem Klosternamen Raphael vertauschend. Die philosophischen und theologischen Studien beendete er im erzbischöflichen Collegium zu St. Adalbert in der Prager Altstadt. Am 17. Jänner 1761 legte er die Ordensgelübde ab, im Jahre 1768 erlangte er das Magisterium der freien Künste und 1769 das Baccalaureat der Theologie. Am 31. März 1770 zum Priester geweiht, wurde er zunächst Prediger in der Stiftskirche auf Strahow und zugleich Bibliothekar und Custos der Münzsammlung des Stiftes, dann aber Professor an dem schon oben genannten Collegium zu St. Adalbert, wo er zuerst Philosophie, später durch acht Jahre Theologie vortrug. Am 2. December 1775 hielt er eine Inaugural-Disputation. Am 12. December 1778 wurde er zum ordentlichen Examinator der Theologie an der Prager Universität und daselbst, als ältester Professor der Theologie am St. Adalbertscollegium, zum Doctor der h. Schrift erhoben. Am 20. October 1780 ernannte ihn die Kaiserin Maria Theresia zum Vorstand der Prager Universitätsbibliothek, welchen Posten er nun bis zu seinem Tode, also durch volle 27 Jahre versah. In dieser Stellung erwarb er sich durch seine umsichtige treffliche Verwaltung unvergeßliche Verdienste, Dr. Anton Spirk, einer der späteren Nachfolger Ungar’s in dieser Stelle, schreibt betreffs desselben in seiner in den [41] Quellen angeführten Monographie über die Prager Universitätsbibliothek wörtlich: „Für die Bibliothek war die Ernennung dieses gelehrten, für Wissenschaft und Kunst begeisterten, seinem Berufe gewachsenen Mannes ein wahres Glück. Ohne seine Thätigkeit, seinen Feuereifer für das beste Gedeihen der ihm anvertrauten Anstalt würde sie schwerlich zu jenem Rufe gelangt sein, dessen sie sich zu seiner Zeit im Auslande erfreute“. Und nun führt Spirk alle Reformen und Einrichtungen im Einzelnen an, welche Ungar in der ihm anvertrauten Anstalt durchführte. Und dabei ging nicht Alles so glatt ab, wie man bei einem solchen äußerlich ganz harmlos und friedlich erscheinenden Dienste zu glauben geneigt sein möchte. Im Gegentheil, da Ungar, wo es sich um das Wohl der Bibliothek und ihre auf Recht gegründeten Ansprüche handelte, keine persönlichen Rücksichten kannte, so gerieth er, wie er es in einem Schreiben an den Gubernialrath von Riegger [Bd. XXVI, S. 121] selbst bemerkt, mit der halben böhmischen Welt in Streitigkeiten. „Dies müßte mich“, schreibt er, „dann gewiß mißmuthig machen, wenn ich nicht dabei das immer wahre Vergnügen bei dem Bewußtsein hätte, daß alle in- und ausländische Gelehrte, die ganze Landesstelle und der Monarch selbst meinen Eifer und meine Arbeiten erkennen und mir darüber so oft ihre Zufriedenheit zu erkennen gegeben“. Neben diesem bibliothekarischen Berufe versah Ungar noch verschiedene akademische Ehrenwürden, so war er dreimal – 1786, 1787 und 1788 – Dekan der theologischen Facultät, 1790 Rector magnificus der Prager Hochschule und einige Jahre Repräsentant der philosophischen Facultät auf dem Studienconseß, ferner Mitglied der gelehrten Gesellschaft zu Prag und später einige Zeit Redacteur der von ihr herausgegebenen Zeitschrift. 1788 trat er mit Bewilligung des Prager Consistoriums und der kaiserlichen Regierung in den Stand der Weltgeistlichkeit über und nahm wieder an Stelle seines bisherigen Klosternamens Raphael seinen Taufnamen Karl an. Schließlich erhielt er noch den Titel eines kaiserlichen Rathes und ein Canonicat am Capitel von Altbunzlau. Sein angestrengter bibliothekarischer Beruf ließ ihm nur wenig Zeit zu schriftstellerischer Thätigkeit, daher ist auch nach dieser Richtung über ihn verhältnißmäßig wenig zu berichten. Während er noch als Professor der Philosophie am St. Adalbert-Collegium wirkte, gab er in Gemeinschaft mit Aegid Chladek, auch einem Prämonstratenser-Chorherrn von Strahow, folgende Schrift heraus: „Universa Philosophia ad mentem Isaaci Newton et Rogeri Boscowich in Archiepiscopali Seminario Pragensi ad S. Adalbertum publicae concertationi exposita...“ (Pragae 1775, Fr. Aug. Hoechenberger, gr. 8°., 41/2 Bogen); – ferner erschienen von ihm: „Oratio de S. Joanne Nep. Neopragae in Skalka habita...“ (Pragae 1776); – „Von den gegenseitigen Hauptpflichten des Hirten und der Heerde. Predigt, gehalten zu Saaz“ (1777); – „Nöthige Beilage zu des Hauptmanns von Archenholtz’ „Minerva“. Februar 1793, als Gegenstück der Schilderung Josephs II.“ (Prag 1793, Calve, 8°., 71 S.); – „Oratio ad senatum academicum, quum universitas Pragensis Francisci II. natalem diem coleret“ (1799); – in den „Schriften der böhmischen gelehrten Gesellschaft“ sind von Ungar’s Arbeiten abgedruckt: „Žižka’s militärische Briefe und Verordnungen“ [1790, II. Folge, Bd. I, 371], „Biographie [42] des Jos. Edlen von Plencic“ [1785, Abhandlungen, I. Folge, Bd. I, S. 20]; – „Versuch einer Geschichte der Bibliotheken in Böhmen“ [1785, I. Folge, Bd. I, S. 234]; – „Ueber den Zustand einiger Gymnasien unter der Aufsicht der Karolinischen Universität“ [1798, II. F., Bd. III, S. 173 u. f.]; – „Von dem Zustande der Schulen und der lateinischen Literatur in Böhmen vor Errichtung der hohen Schule zu Prag“ [1784, Pr. G., Bd. VI, S. 127]; – „Neue Beiträge zur alten Geschichte der Buchdruckerkunst in Böhmen“ [1795, II. Folge, Bd. XXV, S. 195]; – alsdann besorgte er eine mit Anmerkungen vermehrte Ausgabe von Balbin’s „Bohemia docta etc.“ 3 Theile (Prag 1776–1780), nicht zu verwechseln mit der gleichzeitigen von Pater Candidus a Sancta Theresia herausgegebenen, welche jedoch in ihrem Werthe hinter jener Ungar’s zurücksteht; – redigirte die „Revision der böhmischen Literatur“ 3 Hefte und arbeitete an einer Ergänzung der alten čechischen Bücherkunde unter dem Titel: „Allgemeine böhmische Bibliothek“, wovon aber nur ein Bruchstück in Dobrovsky’s „Literarischem Magazin von Böhmen und Mähren“ [I Stück] zum Druck gelangte. Dadurch, daß er eine Sammlung čechischer Drucke seit ihrem Anbeginn ins Auge faßte, ist er auch der Begründer einer čechischen Nationalbibliothek. Zum Schlusse sei noch erwähnt, daß vornehmlich durch seine Bemühungen das Waisenhaus zu St. Johann dem Untergange, von dem es bedroht war, entrissen wurde. In seinen letzten Lebensjahren meist leidend, starb Ungar im Alter von 65 Jahren.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. V, S. 465. – Neue Annalen der Literatur und Kunst des österreichischen Kaiserstaates (Wien, Doll, 4°.) I. Jahrg (1807), Intelligenzblatt, December, Sp. 278. – Schmidl (Ad. Dr.). Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst (Wien, 4°.) I. Jahrg. (1844), Beiblatt Nr. 1, 2, 3, S. 5 und 12, im Artikel von Spirk: „Geschichte und Beschreibung der k. k. Universitäts-Bibliothek zu Prag“. – (Becker’s) National-Zeitung, 1807, Stück 40. – Leipziger Literatur-Zeitung, 1807, Intelligenzblatt, Nr. 39. – Baur (Samuel). Allgemeines historisch-biographisch-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in dem ersten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts gestorben sind (Ulm 1816, Stettini, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 632 [nach diesem geboren 12. April 1743]. – (De Luca) . Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.) I. Bds. 2. Stück, S. 230. – Abhandlungen der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (Prag, 8°.) 1811, 3. Bd. S. 43. – Voigt a S. Germano (Adauct.). Acta litteraria Bohemiae et Moraviae (Pragae 1774, 8°.) p. 426. – Oesterreichische Biedermanns-Chronik. Ein Gegenstück zum Phantasten- und Prediger-Almanach (Freiheitsburg [Akademie in Linz], Gebrüder von Redlich, 1784, kl. 8°.) S. 203. [Daselbst heißt es in Betreff Ungar’s wörtlich: „Auch einer der gelehrten und biederdenkenden Männer. – Ehedem wurden zu Prag alle freien Bücher von dem Consistorium confiscirt und alljährlich am grünen Donnerstag (mit dem Judas) verbrannt. Auf Ungar’s Vorstellung befahl der Monarch, daß dieser Unfug unterbleiben und jedes dieser Bücher ihm (Ungar) eingeliefert werden sollte. Alle Verzeichnisse verbotener Bücher, welche sonst von Seiten des dasigen Erzbischofs ausgegeben und allen Pfarrern und Caplänen um einen Gulden zu kaufen aufgelegt worden, mußten ihm gegen Schein behändigt werden, weil ihm die Systemisirung des neuen übertragen ward. Aus dieser Einrichtung entstand das Gute einer Nationalbibliothek, worin bereits (1784) sich über 2500 Stück böhmische Bücher befinden“.] – Zlatá Praha, d. i. Das goldene Prag (illustr. Zeitschrift, Fol.) 15. November 1864, Nr. 22 und 23: „Rafael „Ungar“.
Ungar’s Grabdenkmal. Karl Raphael Ungar ist in Prag auf dem Wolschaner Friedhöfe begraben; daselbst haben ihm Freunde einen Denkstein gesetzt mit folgender Inschrift: [43] „Carolo.Ungar.Augustissimis. a.Consiliis.et.a.Bibliotheca.de.literis.patria .humanitate.immortaliter.merito.Amici.posuere.Obiit.pridie.Idus.Quintilis.MDCCCVIII“.
Porträte. 1) Medaillonbildniß. Im Quaderstein, auf welchem das Medaillon ruht, steht: „Raphael Ungar, | erster k. k. | Bibliothekar zu Prag“. Unter dem Bildrande: Gemalt von Gebh. Kneipp, gestochen von J. Balzer (8°.). – 2) Unterschrift: „Rafael Ungar“. Kreslil Garrais (sic). Holzschnitt nach Zeichnung von Gareis. R. J. sc. in der „Zlatá Praha“, 1864, S. 255.