BLKÖ:Storck, Joseph C.

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stork
Band: 39 (1879), ab Seite: 197. (Quelle)
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Storck, Joseph C. (Architekt, geb. zu Wien 22. April 1830). Bereits in den unteren Classen der Volksschule hatte Storck einen unbezwingbaren Drang zum Zeichnen und Malen und er war fest entschlossen, Maler zu werden. Aber der Vater, ein unbemittelter Uhrmacher, theilte die in bürgerlichen Kreisen landläufige Ansicht von der Unsicherheit einer Künstler-Existenz. Um indeß der ausgesprochenen Neigung des Knaben wenigstens theilweise gerecht zu werden, bestimmte er ihn für einen Beruf, welcher zwischen Kunst und Handwerk lag, der Sohn sollte Dessinateur, Zeichner für textile Industrie werden, jenen Industriezweig also ergreifen, welcher allein in den Dreißiger-Jahren in Oesterreich überhaupt künstlerisch gebildete Kräfte von allerdings bescheidener Qualität in Anspruch nahm. Storck war zufrieden damit, konnte er nun doch seiner Neigung zum Zeichnen nachgeben. Im Jahre 1844 bezog er die Akademie der bildenden Künste in Wien, Blumenmalen bei Professor Wegmayer, Ornamentik bei Bongiovanni, Compositionen für textile Industrie bei Professor Gruber waren die Gegenstände seines eifrigsten Studiums, so zwar, daß ihm im Jahre 1849 bei der von der Akademie veranstalteten Preisausschreibung vom Collegium drei erste Preise zuerkannt wurden. Eine der Aufgaben, Entwurf eines indischen Shawls, der sich durch nichts weiter auszeichnete, als daß Storck bei der Composition an altorientalische Muster anzuknüpfen versuchte, erregte im Collegium die Aufmerksamkeit Van der Nüll’s [Band XX, Seite 422]. Er ließ den jungen Zeichner zu sich kommen und erkundigte sich eingehend nach dessen Verhältnissen, worauf dieser unter Anderem ihm erzählte, daß ein Wiener Shawl-Fabrikant sich erboten habe, die genannte Composition sofort ausführen zu lassen, wenn sich Storck entschließen könne, die Zeichnungen von einem in diesem Fache anerkannten Dessinateur in Paris signiren zu lassen, da er selbst sich nicht getraue, eine von dem herkömmlichen Formen-Charakter so ganz abweichende Composition, die ihm übrigens gefalle, ohne weiters zur Ausführung zu übergeben. Van der Nüll, sichtlich entrüstet über eine so demüthigende Zumuthung, drang nun in Storck, sofort einen Kunstzweig zu verlassen, welcher in einer so erbärmlichen Abhängigkeit von den Franzosen stehe. „Widmen Sie [198] sich der Architectur, Sie haben das Zeug dazu“, mahnte er den jungen Künstler. Dessen Bedenken, daß er, neunzehn Jahre alt, eine neue Laufbahn, für welche ihm nahezu alle Vorbedingungen fehlten, ohne Mittel kaum wagen könne einzuschlagen, begegnete Van der Nüll mit dem Antrage, ihm eine Stellung in seinem Atelier zu geben, welche ihm einerseits die Subsistenzmittel, andererseits zugleich die Möglichkeit biete, sich neuen Studien nun unbehindert hingeben zu können. Ueberglücklich nahm Storck dieses Anerbieten an. Dieser Episode aus seinem Leben wird deshalb hier gedacht, weil sie den entscheidendsten Einfluß auf seine künstlerische Entwicklung und überhaupt auf seine Zukunft nahm. Er erzählt sie heute und immer wieder, weil Dankbarkeit ihn drängt, des Mannes zu gedenken, dessen Großherzigkeit ihm die neue Bahn seines künstlerischen Schaffens eröffnete. Mit Lust und Eifer warf er sich nun auf das Studium der Architectur, namentlich aber auf den rein künstlerischen decorativen Theil derselben. Sowohl seine Neigung als auch seine mannigfaltigen Vorstudien wiesen ihn zunächst dahin, und die Arbeiten der gesammten inneren decorativen Ausstattung der neuen Altlerchenfelder Kirche, welche unter der Leitung Van der Nüll’s ausgeführt wurden, boten ihm ein weites Feld, welches nahezu das Gesammtgebiet sowohl der decorativen Architectur als auch der Kunstindustrie umfaßte. Ferner erschloß sich ihm in einer Reihe von nach Van der Nüll’s Angabe ausgeführten Arbeiten der Kleinkunst, unter denen die reichen Einbände (ein Geschenk Seiner Majestät des Kaisers an die Königin Victoria), eine ganze Suite von Cassetten, Enveloppes, das Gebetbuch für Ihre Majestät die Kaiserin (ein Geschenk der Akademie) genannt seien, das Gesammtgebiet der Kunstindustrie, ein Gebiet, welches damals fast allein von Van der Nüll gepflegt wurde, dessen eminente Begabung den Keim legte zur späteren, durch glückliche Verhältnisse begünstigten raschen Entwicklung der Kunstindustrie in Oesterreich. Im Jahre 1862 in der Akademie zum Supplenten Van der Nüll’s für ornamentales Zeichnen ernannt, übernahm Storck 1866 die Docentur für Ornamentik an der technischen Hochschule. Nach dem im Jahre 1867 erfolgten Tode Van der Nüll’s und dessen Collegen Sicard von Siccardsburg [Band XXXIV, Seite 204] wurde ihm zugleich mit seinem Berufsgenossen Gugitz die Vollendung des inneren Ausbaues des Hof-Operntheaters übertragen, an dessen decorativer innerer Ausstattung er übrigens schon von Anfang an thätig gewesen. Im Jahre 1868 erfolgte seine Berufung als Director und Professor für Architectur an der Kunstgewerbeschule des k. k. österreichischen Museums für Kunst und Industrie, in welcher Eigenschaft er zur Stunde noch thätig ist. Seit seinem Eintritte in die genannte Schule hat er sich der kunstgewerblichen Richtung sowohl als Lehrer wie als ausübender Künstler nahezu ausschließlich zugewendet. Seine Stellung gewährte ihm dabei auch reichlich Gelegenheit, in organisatorischer Hinsicht an der Schöpfung des in Oesterreich aufblühenden kunstgewerblichen Unterrichtswesens theilzunehmen, indem das k. k. Handelsministerium ihn als Mitglied in den artistischen Aufsichtsrath berief und [199] ihm zugleich das Referat über das gesammte Lehrmittelwesen und die Ausarbeitung der Lehrpläne für die diesem Ministerium unterstehenden kunstgewerblichen Fachschulen übertrug. Da ein Haupttheil seiner Aufgabe darin bestand, die zahlreichen und in ihren Zielen so verschiedenen Lehrwerkstätten mit gediegenen Vorlagewerken für den Unterricht und mit Mustergegenständen für die praktische Ausführung zu versorgen, so widmete er sich mit besonderem Eifer der Herstellung einer Reihe von Arbeiten dieser Art, von welchen im Folgenden als die hervorragendsten angeführt seien; „Thür- und Fensterverschlüsse“ (aus dem Nachlasse Siccardsburg’s); – „Einfache Möbel“ (beide bei Wenzel und Lehmann in Wien erschienen), und „Kunstgewerbliche Vorlegeblätter“ (Wien, bei R. von Waldheim). Nach dem Ableben des Professors Teirich übernahm er auch die Redaction der im Verlage bei von Waldheim in Wien erscheinenden „Kunstgewerblichen Blätter“. Seine künstlerische Thätigkeit umfaßt in Folge einer so vielseitigen Inanspruchnahme beinahe das Gesammtgebiet der Kunstindustrie, und zwar in quantitativ so bedeutendem Maße, daß an diesem Orte auf die Aufzählung seiner einzelnen Arbeiten verzichtet werden muß. Um den praktischen Einfluß seiner Entwürfe auf die österreichische Kunstindustrie anzudeuten, dürfte eine einfache Hinweisung auf die Firmen: Philipp Haas und Söhne, im Textilfache, L. Lobmayer, im Glasfache, Hollenbach, Hanusch und Dziedzinski, in Broncen, Girardet und H. Klein, in Ledergalanterie, Schütz, in Poterie, Chadt, im Emailfache u. s. w. genügen. Nun wollen wir noch einige seiner neuen und neuesten Leistungen nennen, und zwar: das im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers gefertigte Glasservice im Styl der rudolphinischen Zeit, den Schmuckschrank im Besitze Ihrer Majestät der Kaiserin (Intarsia-Arbeit), den Tafelaufsatz in Silber und Email für Seine Majestät den Kaiser etc. etc., ferner die Ausstattung der beiden Hofsalons im Kaiserpavillon der Wiener Weltausstellung 1873, der Wohnungen der Fürsten Liechtenstein in deren neuem Palais, Joseph Ritters von Lippmann, des Redacteurs Friedländer; den ungemein schönen Deckel eines Albums, das sich im Besitze Seiner kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Rainer befindet; dieser Deckel ist mit Emailmalerei verziert, welche nach Zeichnungen von Storck und Laufberger ausgeführt ist; um das Mittelfeld, welches außer den prächtigen Gestalten des Handwerks und der Kunst das Habsburgische Wappen und ein von zwei Genien gehaltenes Wappenschild mit dem Buchstaben R enthält, gruppiren sich die Köpfe von Männern, welche sich um die bildende Kunst unvergängliche Verdienste erworben; so sehen wir Benvenuto Cellini, den Meister der Goldarbeit, Lucca della Robbia, den Bildhauer und Goldschmied, Peter Vischer, den Erzgießer, Giovanni da Udine, Martin Schongauer und W. Jamnitzer, ferner Raphael Sanzio, Albrecht Dürer und Hans Holbein, endlich den Thonbildner und Glasmaler Bernard de Palissy. Eine Zeichnung dieses herrlichen Deckels brachte seinerzeit die in Wien bei Zamarski erscheinende „Neue illustrirte Zeitung“ [Jahrg. III (1875), Bd. I, Nr. 10, S. 13]. In jüngster Zeit decorirte Storck mehrere Apartements, [200] namentlich den Bibliotheksraum für Herrn von Waldheim; vollendete eine Folge von Vorlagen für genähte und geklöppelte Spitzen für die kunstgewerblichen Fachschulen und das Comité zur Hebung der Spitzenindustrie im Erzgebirge; entwarf ein Schmuckstück für Frauen, im Style des 16. Jahrhunderts; das Banner des Wiener Männergesangvereins, welches, in origineller Weise gehalten, von der bisherigen Fahnenform ganz abweicht und einen großen Kranz von Eichen- und Lorbeerblättern zeigt, innerhalb dessen zwei Schilde mit den Abzeichen des Vereines sich befinden; vom Knopfe des Banners flattern lange weißrothe Bänder, und ganz in neuester Zeit übernahm er im Auftrage des Wiener Gemeinderathes die Ausstattung der Huldigungsadresse desselben anläßlich der Feier der silbernen Hochzeit Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, gemeinschaftlich mit dem Maler Laufberger [Band XIV, Seite 220]. Er besorgte hierbei die ganz im Geiste der alten Kleinmeister durchgeführte äußere Ausschmückung. Durch solche Tüchtigkeit auf kunstgewerblichem Gebiete erwarb sich der strebsame, in seinem Zweige bahnbrechende Künstler mannigfache Auszeichnungen. So wählte ihn im Jahre 1866 die k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien zum wirklichen Mitgliede; 1869 wurde ihm, gelegentlich der Vollendung des Hof-Operntheaters, das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens verliehen; 1871 erfolgte seine Ernennung zum Prüfungs-Commissär für Lehramts-Candidaten des Freihandzeichnens an Mittelschulen; 1873, anläßlich der Wiener Weltausstellung, erhielt er den Orden der eisernen Krone dritter Classe, 1875 Titel und Charakter eines Regierungsrathes; für seine Leistungen auf der Münchener Kunst- und Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1876 das Ritterkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone. In welch hervorragender Weise seine Führerschaft an der Wiener Kunstgewerbeschule des k. k. österreichischen Museums sich bethätigt, dafür verzeichnen wir nur die eine Thatsache, daß auf der Ausstellung in Amsterdam im Jahre 1877, wo Oesterreich durch 32 Aussteller vertreten war, von denen zehn den ersten, drei den zweiten Preis und vier das Diplom erhielten, zu zehn Kunstobjecten, welche mit sechs ersten Preisen, respective vier Diplomen ausgezeichnet wurden, die Entwürfe von Storck herrührten und dieser also nicht weniger denn zehn Mitarbeiter-Medaillen davontrug.

Oesterreichische Kunst-Chronik. Herausgegeben von Dr. Heinrich Kábdebo (Wien, 4°.) I. Jahrg., Nr. 3, S. 43 und 44, Nr. 5, S. 55, Nr. 7, S. 104, Nr. 9, S. 135. – Ranzoni (Emerich), Wiener Bauten (Wien 1873, Lehmann und Wentzel, kl. 8°.) S. 43. – Neue freie Presse, 1866, Nr. 776. – Neues Wiener Tagblatt, 1869, Nr. 121, im Feuilleton: „Aus dem neuen Opernhause“ [mit interessanten Enthüllungen]. – Salzburger Gewerbeblatt. Herausgegeben von Camillo Sitte (Salzburg, 4°.) 1877, S. 49. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1874, Nr. 239, 27. August, Beilage, S. 3718, im XXI. Wiener Briefe von v. V.(incenti) [welche das interessanteste und reichhaltigste Material über das Wiener Kunst- und Culturleben dieses Decenniums enthalten].