Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rott, Karl Mathias
Band: 27 (1874), ab Seite: 149. (Quelle)
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Rott, Moriz (Schauspieler, geb. zu Prag 14. December 1793, gest. zu Berlin 11. März 1857). Sein wahrer Name ist Rosenberg, nicht Rosenthal, wie es hie und da steht, den er erst, nachdem ihm sein Vater, als der Sohn Schauspieler wurde, geschrieben: „wenn du unter die Komödianten gehst, nenn’ ich dich nicht mehr meinen Sohn“, mit dem Namen Rott vertauschte. Seine Eltern waren wohlhabende israelitische Kaufleute in Prag, insbesondere hatte die Mutter, die auch, so lange sie lebte, wesentlichen Einfluß auf ihren Sohn übte, ein ansehnliches Vermögen in’s Haus gebracht. Der Sohn besuchte das Gymnasium und sollte überhaupt die Studien vollenden, als die Mutter starb, ohne Testament gemacht zu haben, worauf nun der Sohn ganz der Willkür des Vaters anheimfiel, den Studien entsagen und Kaufmann werden mußte. Er fügte sich dem Allen und fand sich bald in das Comptoirgeschäft, wurde mit 19 Jahren erster Buchhalter in dem großen Prager Handelshause Schick, in welchem er zwei Jahre mit Fleiß und Geschick arbeitete. Von Jugend auf schwärmte er für das Theater und wäre längst zur Bühne gegangen, wenn nicht die Familienbande ihn an das Elternhaus geknüpft hätten; aber endlich siegte der mächtige Genius, er kündigte seinem Handelsherrn, der den geschickten und braven Buchhalter nur ungern ziehen ließ, und ungeachtet der oberwähnten Drohung des Vaters wurde er unter dem Namen Rott Schauspieler. Er ging zunächst nach Wien, wo zwei Männer sich seiner theilnahmsvoll annahmen und ihn im selbstgewählten Berufe nach Kräften förderten, nämlich der alte Bäuerle [Bd. I, S. 118] und der berühmte Schauspieler Eckardt genannt Koch [Bd. III, S. 419]. Durch Empfehlung des letzteren gelang es ihm, auf dem Josephstädter Theater aufzutreten. Am 6. Juni 1817 betrat Rott als Karl Moor in Schiller’s „Räubern“ zum ersten Male die Bühne. Der Erfolg war ein ungemein günstiger und hatte bereits zu Unterhandlungen mit der Direction geführt. Die nächste Rolle, welche Rott spielte, war jene Richer’s in „Johann von Finnland“. In dieser sah ihn der reiche ungarische Graf Pechy, der sich eben in Wien befand, um eine [150] Schauspielergesellschaft für das in Kaschau zu errichtende Theater zusammenzustellen. Rott gefiel dem Grafen so sehr, daß er ihn, nachdem ihn Bäuerle dem Grafen warm empfohlen hatte, bei seiner Gesellschaft als ersten Liebhaber mit ansehnlicher Gage anstellte. Rott begab sich nun nach Kaschau, wo er bald der Liebling des Publicums wurde. Im Sommer 1818 spielte er mit der Gesellschaft des Grafen in Eperies und Bartfeld. Besonders an letzterem Orte zeichnete ihn die Badegesellschaft aus und der anwesende Adel lud ihn oft ein, in seinen Privatcirkeln zu declamiren. Der über diese Gunstbezeugungen eifersüchtig gewordene Graf Pechy untersagte nun Rott diese Privatdeclamationen. Die darüber aufgeregte Badegesellschaft rächte sich am Grafen, indem sie beim nächsten Auftreten Rott mit namenlosem Applause, hingegen die Schauspielerin D ... g, die Geliebte des Grafen, mit Pfeifen und einem beispiellosen Gejohle empfing und nicht zum Spiele kommen ließ. Der darüber ergrimmte Graf Pechy entließ – ganz nach ungarischen Rechtsbegriffen – am nächsten Tage die ganze Gesellschaft, indem er nach solchen Vorgängen die Contracte für aufgelöst erklärte! Ein Recht in Ungarn zu finden, ist noch heute eine schwere Sache. Rott war also auf sich selbst gestellt. Wohl trug ihm eine reiche, von seiner stattlichen Persönlichkeit angezogene Fürstin an, sie, nach Jassy als Gesellschafter zu begleiten, aber Rott zog seine Unabhängigkeit dem vergoldeten Frohndienste vor und kündete – um sich aus der Geldverlegenheit zu reißen – ein Declamatorium an, das auch so glänzend ausfiel, daß es ihm nahezu tausend Gulden einbrachte. Mit dieser Summe in der Tasche, gerieth er in das Nebenzimmer, in welchem eine Gesellschaft mit einem Hazardspiel sich unterhielt. Rott hatte ja viel Geld in der Tasche, die Gesellschaft merkte auch bald, daß ein Huhn zu rupfen war, kurz, Rott verlor in kurzer Zeit seine ganze Einnahme und stand wieder rath- und geldlos da. Unter den Zuhörern seiner Declamation hatte sich auch der polnische Graf Skarbek – der nachmalige Erbauer des nach ihm benannten Theaters in Lemberg – befunden, der auch Zeuge seines Spielunglücks gewesen. Der Graf nahm sich Rott’s in seiner Bedrängniß an, empfahl ihn an den Director des Lemberger Theaters, Kratter [Bd. XIII, S. 144], bot ihm auch sonst Hilfe und Rott reiste von Bartfeld über die Karpathen nach Lemberg. Die Empfehlung des Grafen verschaffte ihm freundliche Aufnahme von Seite Kratter’s und seines Mitdirectors Batta, und Rott trat bald als Jaromir in Grillparzer’s „Ahnfrau* und Hugo in Müllner’s Schuld“ und wurde – dieses Mal wohl mit schmaler Gage– engagirt. Aber an Kratter und dem schon damals berühmten polnischen Schauspieler und Dichter Kamiński [Bd. X, S. 417] fand er zwei Männer, die ihm voll Theilnahme entgegenkamen und ihn in seinem Berufe, nachdem sie sein bedeutendes Talent erkannt, nach Kräften förderten. Auch in Lemberg gewann er bald die Liebe des Publicums. Von da aus machte er einen Ausflug nach Brody, wo er drei Declamationsabende veranstaltete, die ihm eine bedeutende Einnahme einbrachten. Aber auch diese ging am Spieltische verloren und R. hatte kaum so viel gerettet, um seine Rückreise nach Lemberg bewerkstelligen zu können. In Lemberg verweilte nun R. noch mehrere Monate, aber ein durch einen Treubruch[WS 1] herbeigeführtes, fast tragisches Ereigniß“, wie [151] einer seiner Biographen schreibt, drängte Rott aus dieser Stadt, in welcher er anderthalb Jahre glücklich gelebt und gewirkt hatte. Ohne Plan verließ Rott Lemberg und kam zuerst nach Brünn, wo kurz vor ihm Seydelmann gespielt hatte. Daselbst blieb er den Winter über. Ein mittlerweile nach Gratz eingegangenes Engagement wurde von dem Director, der seine Stelle niederlegte, nicht eingehalten. Rott ging nun nach Linz, von wo aus er Leipzig und im Jahre 1821 Wien zu Gastspielen besuchte. An letzterem Orte empfahl ihn Bäuerle dem kunstsinnigen Grafen Pálffy [Bd. XXI, S. 202], der damals das Wiedener Theater dirigirte und sofort Rott für seine Bühne gewann. Durch neun Jahre verweilte nun Rott in Wien, wurde Regisseur am Pálffy’schen Theater, erhielt auch das Pensionsdecret und würde wohl Wien nie verlassen haben, wenn nicht der Graf genöthigt gewesen wäre, die Bühnenleitung, die ihn in pecuniäre Verlegenheiten schlimmster Art gestürzt, ganz aufzugeben. In der Zwischenzeit, in den Jahren 1822–1829, gastirte R. in mehreren Städten, und zwar 1822 in Brünn, Pesth und Ofen, 1823 in Gratz, 1825 in Prag, Gratz und Breslau, an welch letzterem Orte er fast das ganze Jahr 1826 verweilte und als Gast zugleich die Regie des Theaters führte; 1826 in Berlin, 1827 in Preßburg und Brünn, 1828 in Lemberg, wo sich sein Gastspiel von 12 auf 30 Rollen ausdehnte, 1829 wieder in Prag, worauf er nach Lösung seiner Verbindlichkeiten am Theater an der Wien bei dem k. sächsischen Hoftheater in Leipzig engagirt wurde. Daselbst trat er am 2. August 1829 als Brutus in Shakespeare’s „Julius Cäsar“ auf und wirkte an dieser Bühne bis zum Jahre 1832. Verschiedene Biographien berichten, daß er auch auf dem Dresdener Hoftheater engagirt gewesen. Das ist unrichtig, wohl hatte er in Dresden gastirt und auch ein ihm angebotenes Engagement daselbst angenommen, aber Reibungen mit einem anderen Mitgliede der Hofbühne halten ihn zu der öffentlichen Erklärung genöthigt, daß er die ihm dargebotene Mitgliedschaft ablehnen müsse. Auch Tiek’s Verwendung und Versuche, ihn von seiner Ablehnung abzubringen, scheiterten. Nach einem im Jahre 1832 in Berlin erneuerten Gastspiele wurde Rott am königlichen Theater daselbst engagirt und blieb in dieser Stellung bis zum 12. December 1855, an welchem Tage er als Theseus in „Phaedra“ zum letzten Male die Bühne betrat. Seit dieser Zeit lebte Rott zurückgezogen in seiner Häuslichkeit und im Verkehre mit wenigen gleichgesinnten Freunden. Rott hat sich auch als Schriftsteller in seinem Fache versucht. So schrieb er, jedoch nicht unter seinem Namen, in der Leipziger Zeitung „Unser Planet“: „Studien über die schauspielerische Behandlung des 'Goetheschen Faust“, welche sehr gute Gedanken und beherzigenswerthe Winke enthalten; ein dreiactiges Lustspiel: „Der Freiwerber“, von ihm enthält der Jahrgang 1842 des Jahrbuchs der deutschen Bühnenspiele, und nach einer schriftlichen Mittheilung des Dr. Hermann Meynert schrieb er im Jahre 1831 während seines Engagements in Leipzig ein Trauerspiel, dessen Titel Meynert nicht mehr nennen konnte, worin er sich aber unverkennbar Müllner’s „König Yngurd“ zum Muster genommen. Das Stück, mit den dicksten Theatereffecten ausgestattet, dessen Hauptrolle er sich selbst an den Leib geschrieben, bot allerlei Anhaltspuncte zur grellsten Coulissenreißerei. Es wurde auch unter [152] seiner Mitwirkung auf der Leipziger Bühne aufgeführt, fand aber keinen Beifall und verschwand bald von der Bühne. Es dürfte wohl das von Goedeke in seinem „Grundrisz der Geschichte der deutschen Literatur“, Bd. III, S. 853 u. 856, erwähnte Original-Schauspiel in 3 Acten: „Vergeltung“ mit einem Vorspiele: „Die Verbannung“ in 1 Acte sein, dessen die „Abend-Zeitung“ von Theodor Hell, 1829, Nr. 147, gedenkt. Dann wurde im Theater an der Wien am 14. October 1822 aufgeführt von Rott: „Der Leibeigene“, und der Gubitz’sche „Gesellschafter“ 1822, Nr. 119, gedenkt eines anderen Stückes von Rott: „Arnulf der Schwarze, oder Verbrechen und Busse“, dessen Haltung schon aus dem Titel zu errathen ist. Ueber seine Bedeutenheit als Darsteller werden in den Quellen einige Urtheile von Kritikern mitgetheilt, und zu seinen bedeutendsten Rollen im ernsten Drama zählten Macbeth, Waleros, Götz, Tell, Kaiser Friedrich, Shylok, Ossip, Reißner in den „Advocaten“. Ludwig XIV. in der „Marquise von Villete“, Drave in den „Mündeln“, Capulet in „Romeo und Julie“, Denville in der „Schule der Alten“, Kreon in „Antigone“; zu seinen besten Leistungen im Lustspiele gehörten: Leopold von Dessau in „Vor hundert Jahren“, Heinrich VIII. in „Mulier taceat in Ecclesia“, der Reisende in „Mirandolina“, der alte Feldern, Orgon in „Tartüffe“, Gottsched in „Gottsched und Gellert“, Graf Steinhausen im „Geheimen Agenten“; ferner die Kaiser und Könige im Raupach’schen Hohenstaufen-Cyklus“. Von Vielen wurden auch sein Hamlet, Wallenstein, König Lear, Faust, Otto von Wittelsbach, König Philipp u. A. ungemein hoch gehalten. Im gesellschaftlichen Leben war R. gewöhnlich liebenswürdig, leutselig, voll treffender Bemerkungen und obwohl selbst an der allgemeinen Schauspielerkrankheit, einer grenzenlosen Eitelkeit, worin er wirklich das Höchste leistete, leidend, gegen seine übermüthigen Collegen immer schlagfertig. So, als er einmal mit dem berüchtigten Reitzenberg [Bd. XXV, S. 267] in „Wilhelm Tell“ spielte und dieser nie nüchterne Histrione nach beendigter Darstellung sein Costum als Tell beanständete, erwiederte ihm Rott, ohne sich durch diese unzeitige Schulmeisterei beirren zu lassen: Mein Costüm war schon ganz richtig, aber Sie haben einen groben Costümfehler gemacht. – Wie so, polterte Reitzenberg, daß ich nicht wüßte! – Doch, doch, erwiederte Rott, ihm den Rücken kehrend, „Die haben ja den Geßler mit einem Haarbeutel gespielt“. – Rott war nach einigen Mittheilungen dreimal vermält. Doch sind die Angaben über diesen Punct wechselnd. Seine erste Frau, die nach Alvensleben’s Mittheilung nur seine Freundin gewesen, war eine gewisse Frau von Moor, mit der er viele Jahre im glücklichsten Einverständnisse gelebt. Ihr zu Liebe hätte er, heißt es, sich taufen lassen. Von seiner zweiten Frau war er geschieden. Die dritte, eine Schwester der berühmten Sängerin Tuczek, welche ihm seine letzten Lebensjahre erheiterte, überlebte ihn. Man sprach davon, daß er seinen Religionsübertritt bereut und durch mehrere Legate zum Besten seiner Glaubensgenossen denselben habe sühnen wollen. Nun, in der That waren dergleichen Verfügungen in seinem Testamente enthalten, aber dieselben sämmtlich durch ein Codicill aus seinen letzten Jahren bestimmt widerrufen, womit [153] also seine Sinnesänderung im Puncte des Glaubens sich von selbst widerlegt. Indessen besaß er im Puncte der Religion wie seiner Studien die unter den damaligen Zuständen leicht verzeihliche Schwäche, daß er bezüglich ersterer seine jüdische Abkunft ignorirte und, wo es ging, geradezu leugnete. Hinsichtlich seiner Studien – da er nur die Gymnasialclassen beendet hatte – gab er, wie es ihm eben paßte, an, daß er philosophische und medicinische Studien gemacht. Dem war nicht so, konnte es auch nicht sein, da er nach dem Tode der Mutter in ein Handlungsgeschäft trat und mit 19 Jahren bereits als Buchhalter in einem solchen fungirte. Man erzählte bald nach seinem Tode, daß er Memoiren hinterlassen habe. Dieß wäre wohl bei seinem Fleiße und Eifer leicht möglich. Wo sich aber dieselben befinden, ist nicht bekannt. Bisher ist nur ein Briefwechsel zwischen ihm und einer Dame herausgegeben worden, dessen in den Quellen gedacht ist.

I. Quellen zu Moriz Rott’s Biographie. Album des königl. Schauspiels und der königl. Oper zu Berlin u. s. w. für die Zeit von 1796 bis 1851 (Berlin 1858, Gustav Schauer, 4°.) S. 61. – Allgemeines Theater-Lexikon u. s. w. Herausg. von K. Herloßsohn, H. Marggraff u. A. (Altenburg und Leipzig, 8°.) Bd. VI, S. 210. – Beiblätter des Planeten für Literatur, Theater u. s. w. Herausg. von Ladislaus Tarnowski (4°.) 1842, Nr. 41: „Gastspiel des Herrn Rott in München“. – Berliner Figaro. Redigirt von L. W. Krause (schm. 4°.) VIII. Jahrg. (1838), S. 391, 437: „Gastspiel des Herrn Rott“; IX. Jahrgang (1839), Nr. 264: „Rott als Lear“, von Ludwig Boßarski; XII. Jahrg. (1842), Nr. 161: „Etwas über Moriz Rott“, von Feodor Wehl. – Kön. priv. Berlinische Zeitung (4°.) 1856, Nr. 55, erste Beilage: „Moriz Rott“, von G(ubi)tz. – Bohemia (Prager polit. u. belletrist. Blatt, 4°.) 1856, S. 350. – Briefwechsel zwischen dem Künstler und Schauspieler Moriz Rott und einer Dame (Frankfurt a. M. 1867, 8°.). – Die Bühnenwelt. Herausgegeben von Julius Pohl (Wien, kl. Fol.) 1867, Nr. 9 bis 13: „Ein Cypressenkranz auf das Grab von Moriz Rott“, niedergelegt durch Freundeshand von Louis v. Alvensleben. – Frankl (Ludw. Aug.) Dr.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) III. Jahrg. (1844), S. 167: „Comödianten-Eitelkeit“. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1866, Nr. 268; 1867, Nr. 72, 73 u. 76, unter den Theater- und Kunstnotizen. – (Gräffer, Franz) Jüdischer Plutarch oder biographisches Lexikon der markantesten Männer und Frauen jüdischer Abkunft u. s. w. (Wien 1848, 8°.) Zweites Alphabet, S. 226. – Gratzer Telegraph (polit. Blatt) 1856, Nr. 64, in der „Rundschau im Reiche der Kunst und Wissenschaft“. – Der Humorist. Von M. G. Saphir (Wien, 4°.) IV. Jahrg. (1840), Nr. 128, 129 u. f.: „Didaskalien“, von M. G. Saphir. – Jüdisches Athenäum. Gallerie berühmter Männer jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens u. s. w. (Grimma u. Leipzig 1851, Verlags-Comptoir, 8°.) S. 207 [nach diesem geb. zu Prag am 17. September 1797, welche Angabe nicht richtig ist]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilg. Bd. VI, S. 435. – Neue freie Presse (Wien, kl. Fol.) 1864, Nr. 66; 1867, Nr. 920, in der Theater-Zeitung: „Moriz Rott“; ferner Nr. 966 u. 970 [über sein Testament]. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1867, Nr. 72, 76 u. 128, unter den „Kunst- und Theater-Notizen“. – Oettinger (Ed. Mar.), Moniteur des Dates etc. (Dresde 1867, Oettinger, gr. 4°.) tome IV, p. 191 [gibt den 17. September 1796 als Rott’s Geburtsdatum an]. – Unsere Tage (Braunschweig, Vieweg, Lex. 8°.) Bd. VIII, S. 632 [daselbst wird sein wahrer Name unrichtig Rosenthal angegeben; er hieß Rosenberg]. – Unser Planet. Herausg. von Ludwig Storch (Theaterblatt) II. Jahrg. (1831), Nr. 6, 12, 24: „Moriz Rott“.
II. Büste. Der berühmte Bildhauer Schadow hat von Rott, ob eine Büste oder Statue, kann Herausgeber dieses Lexikons mit Bestimmtheit nicht sagen, gemeißelt.
III. Porträte. 1) Nach der Natur gezeichnet und lithographirt von Grohs (Berlin, Eigenth. [154] von A. E. V. Struse, gedr. im lithogr. Institute Winckelmann u. Söhne), bestes und schon seltenes Bild. – 2) Lithographie ohne Angabe des Zeichners. Unterschrift: Moriz Rott. Druck v. W. Korn, Berlin (4°.). – 3) Unterschrift: Hofschauspieler Moriz Rott als König Richard III. Stahlst. ohne Ang. d. Zeichners u. Stechers. Verlag der engl. Kunstanstalt von A. H. Payne in Leipzig (8°. u. 4°.). – 4) Unterschrift: Hr. Rott als Großcanon. „Ich stehe allein auf dieser Erde“. Costumebild zur Theater-Zeitung von Adolph Bäuerle, schwarze und colorirte Exemplare. Schoeller del., Andr. Geiger sc. (4°.). – 5) Schmidt lithogr. Costumebild als Fürst von Dessau in „Vor hundert Jahren“ (Berlin, Gebr. Rocca, 4°.).
IV. Urtheile über Moriz Rott als Künstler. Saphir schreibt über Rott: „Ich habe Rott bei seinen ersten Versuchen auf der Bühne gesehen, ich sah ihn dann wieder in Wien, Berlin u. s. w., und sah ihn dann nun wieder nach einem Decennium. Mich interessirt vor Allem an Herrn Rott, daß er sich seinen Namen, seinen Ruf, seine Stellung, seine Lorbeern errungen, erkämpft, mit herkulischer Kraft und resignirender Ausdauer siegreich erobert hat! Es ist ihm nicht entgegen gekommen das gute Glück, nicht der Zufall ist ihm dienend entgegen getreten, er ist nicht groß gewiegt worden an Hofbühnen, er ist nicht an der Hand des launigen Geschickes auf Blumenwegen zu seinem Ziele geleitet worden; nein, jeden Schritt Erde seines Terrains mußte er dem harten Geschicke sauer entringen; jede Spanne Theilnahme mußte er Tausend feindseligen Conjecturen abkämpfen, mit dem Mosesstabe aus dem harten, sich sträubenden Felsen schlagen; der Mißgunst, dem Vorurtheile der Scheelsucht, dem widerpartigen Geschicke mußte er fechtend, angreifend, durchdringend, im Schweiß und Blute seines geistigen Angesichtes eine Concession um die andere aus dem fletschenden Rachen reißen; wie Hadrian mußte er sich mit den göttlichsten Bildsäulen seiner Kunst gegen die heranstürmenden Schaaren vertheidigen, bis er dahin kam, einer der ersten deutschen Mimen zu sein – und auch dafür zu gelten! Nicht die Kritik hat ihn gehätschelt, nicht Collegialität hat ihn poussirt, nicht Gönnerschaft hat ihm den Weg gebahnt, Alles war gegen ihn, sein Talent ganz allein, sein ungeheures Talent ganz allein hat sich mit ihm durch alle feindseligen Constellationen durchgeschlagen und ihm den vollständigsten Sieg errungen. – – Ich habe ihn jetzt in mehreren Rollen gesehen und habe ihn oft angestaunt, manchmal bewundert, vielmal den Kopf geschüttelt, zuweilen nicht verstanden. aber immer den Mann von fülliger Kraft, von strotzender Phantasie, von durchdrungenem Schöpfungsvermögen, von mimischer Vollendung und rhetorischer Genialität in ihm erkannt. Damit will ich nicht sagen, daß mich Manches kalt ließ, Manches zurückstieß, daß mir nicht Manches ganz verfehlt schien, allein an einem markigen, frischen, laub- und blüthenvollen Baume erscheinen auch die in der Natur nie ganz mangelnden Astringe und Kreise, die kleinen Knollen und Knorren auch als eigenthümliche Erscheinungen, die zum Ganzen gehören, die Individualität vom Ganzen bestimmen, begrenzen und es solchergestalt aus der Gattung heraus zu einer Einzelnheit, zu einer, der ein Aehnliches und Gleiches fehlt, erheben und dadurch in seiner Eigenthümlichkeit noch interessanter machen, ich möchte sagen, daß man Rott am richtigsten bezeichnet, wenn man von ihm sagt: Rott wäre der erste und größte Künstler unserer Zeit, wenn er sich den denkenden Schauspieler abgewöhnen könnte.“ – Ueber Rott als Shylok schreibt Saphir: „Ich habe Devrient und Seydelmann als Shylok gesehen – Herr Rott wollte keinem dieser beiden Darsteller in die Geleise treten und schuf sich einen eigenen Shylok. Nicht den gedrückten, nicht den knechtischen, nicht den hündischen Shylok stellt Herr Rott dar, sondern einen Granden seiner Nation, einen Geld-Pair, einen seiner goldenen Macht sich bewußten Nabob, einen herrischen, ja, ich möchte sagen, einen Geld-Heros! Es ist nicht der schleichende, wedelnde, schleckende Jude, sondern der übermüthige Poritz, der nur zwei Götter hat, einen der Rache und einen in der Truhe. Er läugnet nicht, daß er den Feind seines Stammes ausrotten, zu Grunde richten will; es ist nach seiner Ansicht ein redlicher Kampf! Herr Rott hat vollkommen Recht, wenn er den Shylok als einen tragischen, als einen hochtragischen Charakter behandelt, denn er hat vom Lustspiele nur einige Verzierungen, aber nichts vom Inhalte, nichts von der Wesenheit. Herr Rott gibt den Shylok als Repräsentant der ganzen Gattung, als Leidtragender der ganzen, großen, ingrimmigen, großartig wilden, durch [155] Verfolgung entmenschten Kaste. Wir wüßten nicht, warum eine solche Gestalt nicht dramatisch imposant sein sollte, so wie sie Rott gab?“ Saphir schildert noch weiter die Rott’sche Auffassung des Shylok [wer diese Didaskalie lesen will, siehe „Humorist“ 1840, Nr. 129, S. 514 u. f.]. Recht bezeichnend ist, was Saphir über Rott’s „König „Lear“ schreibt. Nachdem Saphir eine eingehende Charakteristik Lear’s gegeben, bemerkt er, zu Rott’s Darstellung dieser Rolle übergehend: „Mehr als je feierte Rott in seiner Leistung die Versöhnung zwischen Form und Inhalt, die Eintracht zwischen dem Leibe der Darstellung mit dem Geiste des Dichters. Auch nicht einen Augenblick hob er die Harmonie zwischen dem Körper seines materiellen Vorwurfes und der Seele seiner ihn durchgeistigten Phantasie auf. Es gibt im Lear Augenblicke, wo der Darsteller verleitet wird, die Natur von dem Idealen rücksichtslos losreißen zu lassen und in jenen Ueberschwang zu gerathen, der die Natürlichkeit übermannt, die Wahrheit trunken macht und sie dann zu seinen Gelüsten mißbraucht und dann wieder andere, in welchen er den bewußten Geist in Bande wirft, die dämonische Gewaltsamkeit und Zügellosigkeit des wilden Natur- und Thierlebens im Menschen aus seinen tiefsten Schlupfwinkeln ausjagt, und ihnen volle Herrschaft und tollartige Willkür über das ganze Seelenleben einräumt. Beides führt zur Unnatur, zur Verzerrung, und in keinem solchen Momente kann die Urschöne der dichterischen Idee ihre künstlerische Wiedergeburt feiern. Rott vereint Beides, indem er aus seinem reichen und vollen Kunstschachte das tiefste Seelenleben dieses Lear’s herausholte mit seinen Lichtern und Dunkelstellen, mit seinen Klärungen und Verworrenheiten, mit seinen durchleuchteten Falten, mit seinen transparenten Schwächen, mit seinen riesigen Formen, mit seinen Dissonanzen voll Harmonie und mit seinem unendlichen Chaos voll unendlicher Weltordnung. Und das Alles ordnete, bildete und schuf Rott zu einem kolossalen Nacht- und Lichtstücke voll geheimnißvoller und doch enthüllter göttlicher Macht, voll Klarheit der Idee inmitten all’ der Verworrenheit des Gemüthes, voll nackter Himmelswahrheit inmitten all’ der verhüllten Geisteslüge, voll erhabener und erschütternder Wirkung inmitten all’ der zerrissenen und zerreißenden Schreckbilder und gnomhaften Schauern aller Lebens- und Elementarschrecknisse! Aus dem Gesagten mag der Leser entnehmen, wie ganz, wie unzerstückt, wie rund und gediegen die Leistung war, und deßhalb citiren wir nicht diese und jene Scene, diesen oder jenen Punct, denn „sagt Alles nur in Allem“, es war ein Lear, jeder Zoll ein Lear“ – Besonders charakteristisch ist das Urtheil von Feodor Wehl über Rott: „Der Grundstein aller Schöpfungen Rott’s“, schreibt Wehl, „ist Originalität. Originalität ist die Eigenschaft bei Rott, die die Trommel schlägt und alle übrigen Eigenschaften auf den Sammelplatz ruft. .... Das Originelle ist der Humor Gottes, der Humor in der Natur, wie in der Weltgeschichte. Originalität schreibt sich von Gottes Gnaden. Darum ist das Originelle selten. Originalität aber ist unspeculativ, uncalculirend, unklug aber sie ist stark, mächtig, angestammt und flammengetragen. Originalität ist ein Don Quixote, der durch die Ewigkeit trollet, Originalität ist jovisstark und michldumm, aber auch in der größten Dummheit wie ein Zeus. Die platte, calculirende Mittelmäßigkeit setzt sich die Brille des Verstandes auf die Nase und guckt auf die Landkarte der Kunst. Sie sucht die besten Straßen, die bequemsten Nachtquartiere aus und sieht auf alle Wegweiser, daß sie ja ihr Ziel nicht verfehlt. Die Originalität aber kann sich mit den rothen, gelben und grünen Strichen nicht zurechte finden und springt in’s Blaue hinaus. Auf allen Wegen läuft sie dem Frühlinge nach durch Dorn und Distel, und Nachts schläft sie auf der Haide. Da schlagen die Nachtigallen. da gehen die Sterne, da rauschen die Wasser darein. Originalität schüttelt die Locken zurecht und agirt ihren Romeo. Aber auch in Regen, Sturm und Wetter liegt sie draußen, die Haare hängen triefend über die Stirne, die Glieder zittern, das Gesicht zahnschlottert, aber sie reckt sich, schlägt ihre Lumpen über die Schultern und tragirt genialisch den Lear: „Blast, Winde sprengt die Backen! wüthet! blast! Ihr Wolkenbrüche und Orkane speit. ... Die liebe Mittelmäßigkeit liegt derweil schläfrig im Bette und räckelt sich. Rott ist eine Originalität, darin wurzeln seine Vorzüge, seine Schönheiten, wie seine Fehler. Nur von diesem Standpuncte aus kann Rott richtig und gründlich beurtheilt werden. Mir wird übel, wenn ich Rott lobhudeln höre. Man schlägt dabei so plump auf seine Schönheiten los, daß der Farbenstaub. der auf ihnen liegt, davon vernichtet [156] wird und in die Lüfte qualmt. Man versteht ihn gar nicht. Wer Rott die Fehler ableugnet, der stiehlt ihm die Hälfte seines Talentes unter den Händen weg. Seine Fehler sind die tollen Blüthen seiner Originalität, so starkduftig, so grellbunt, daß sie die Nerven überreizen. Sie thun nicht wohl, ober sie sind die nothwendigen, wenn auch ungeschliffenen Lakaien, die den Paß und das Signalement ihres Herrn in den Händen tragen, denn diese Fehler sind oft vollbläsig, so rolandstoll, so maßlos und absichtslos, daß man den Augenblick herausfühlt, nicht die dürre Reflexion könne sie geboren, sondern die übersprudelnde, flammenzuckende, stromausbrechende Begeisterung müsse sie erzeugt haben. Dieß ist nach meiner Ansicht der Standpunct. von dem aus Rott zu betrachten ist.“ – Einem an mich gerichteten Schreiben desDr. Hermann Meynert entnehme ich folgende, die kritischen Ansichten über Rott ergänzenden Mittheilungen: „Am k. k. Hofburg-Theater gastirte Rott zum letzten Male im Frühjahre 1840, hatte aber zu dieser Zeit gerade mit einer hartnäckigen Heiserkeit zu kämpfen, welche einen durchgreifenden Erfolg verhinderte, obwohl einige seiner Leistungen vortrefflich waren. (Ich wenigstens fand damals sein Spiel weit solider und machtvoller, als früher in Leipzig, wo wohl auch die Vorliebe der Studenten für derbere theatralische Kost ihn verleitet haben mochte, die Farben dicker aufzutragen.) Obgleich ohne tiefere Bildung, besaß Rott vielen natürlichen Geist und besonders einen schlagfertigen Witz; auch war er nicht ohne Gutmüthigkeit. Sein Hauptfehler war eine maßlose Eitelkeit, die ihn ebenso unersättlich im Selbstlobe, wie krankhaft empfindlich gegen den leisesten Tadel, zugleich auch eifersüchtig und grollig gegen Kunstgenossen machte, sobald er nur im entferntesten etwa Rivalen in ihnen argwöhnte. Es war ihm unerträglich, seine künstlerische Infallibilität im mindesten angezweifelt zu sein, und darum gerieth er mit der Kritik einige Male in Zerwürfnisse. Kaum in Leipzig engagirt, ließ er sich in einen Zeitungskrieg mit L. von Alvensleben ein, der ihn in der Zeitschrift „Hebe“ allerdings ungerecht behandelt hatte, und kurz nach dem Antritte seines Berliner Engagemente eröffnete er aus ähnlichen Gründen eine journalistische Fehde gegen Glasbrenner.“ (Mit Alvensleben söhnte er sich jedoch später, wie dieß Alvensleben selbst in seiner Lebensskizze Rott’s ausführlich erzählt, vollkommen aus.]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Treubuch.