BLKÖ:Tuczek, Leopoldine

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 48 (1883), ab Seite: 73. (Quelle)
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Tuczek, Leopoldine (Sängerin, geb. in Wien im Jahre 1821). Ihr Vater Franz war Musikus. Das „Album des königlichen Schauspiels und der königlichen Oper zu Berlin“ nennt ihn „Professor der Musik“, und woher er diesen Titel genommen, das muß und kann nur das „Album“ wissen. Er kam zu Königgrätz am 29. Jänner 1782 auf die Welt, wurde in Wien ein gesuchter Musik-, besonders Guitarrelehrer, begab sich in der Folge mit seiner Tochter Leopoldine nach Berlin und ließ sich zuletzt in Charlottenburg nieder, wo er am 4. August 1850 starb. Er hat viel für die Guitarre und das Piano geschrieben, und Mehreres davon ist auch im Drucke erschienen. Leopoldinens Mutter, welche bald die vorzügliche Begabung ihrer Tochter für Musik entdeckte, trug mit ihren Vorstellungen endlich den Sieg über den Vater davon, der seine Hoffnungen und Bestrebungen mehr auf seine ältere Tochter, die nachmalige Gattin des Schauspielers Moriz Rott [Band XXVII, S. 149] setzte. So erhielt denn das neunjährige Mädchen einen Platz im Wiener Conservatorium, in welchem sie, eine Schülerin des Fräuleins Fröhlich, von 1829 bis 1834 verblieb und, wie das „Album“ schreibt, bei jeder öffentlichen Prüfung Prämien, beim Austritt aber als besondere Auszeichnung ein Stipendium erhielt, welches sie, da sie bald engagirt wurde, nicht lange genoß. Indeß unter den mit silbernen Medaillen ausgezeichneten Zöglingen, welche C. F. Pohl in seiner Schrift „Die Gesellschaft der Musikfreunde“ sorgfältig aufzeichnet, befindet sie sich nicht. Bereits mit fünfzehn [74] Jahren wurde sie am Hofoperntheater nächst dem Kärnthnerthor in Wien sowohl für die italienische als für die deutsche Oper engagirt. Da es bei ihrer großen Jugend galt, ihre wenngleich ausreichenden Gesangsmittel noch zu schonen, so ließ sie sich gern in kleineren Partien neben einer Garcia, Unger, einem Moriani und Anderen verwenden und benützte die Gelegenheit, sich an diesen Koryphäen der Gesangskunst selbst weiter zu bilden. Nebenbei genoß sie aber noch den weiteren Unterricht anerkannter Gesangsmeister, wie eines Mozatti, Gentiluomo und Curzi. Auch ihre Bekanntschaft mit dem Componisten Füchs [Bd. IV, S. 395] blieb nicht ohne Einfluß auf ihre künstlerische Laufbahn. Ihr erstes Auftreten im Hofoperntheater fand in Weigl’s Oper „Nachtigall und Rabe“ statt. Als der berühmte Tenorist Franz Wild in Berlin gastirte, machte er den Generalintendanten der königlichen Oper Grafen Redern auf das vielversprechende Talent der jungen Sängerin aufmerksam, und in Folge dessen erhielt sie die Einladung zu einem Gastspiele in Berlin, welcher sie auch im Frühjahr 1841 nachkam, und die zwanzigjährige Sängerin trat daselbst in lauter Rollen auf, welche sie noch nicht gesungen, und in welcher Sophie Löwe [Band XV, S. 433], deren Abgang damals allgemein betrauert wurde, die glänzendsten Erfolge errungen hatte. Auf die zwanzig Gastvorstellungen, welche Fräulein Tuczek gab, entfielen folgende Rollen: Prinzessin von Navarra, Julie in „Romeo und Julie“, Susanna, Zerline in „Fra Diavolo“, Elvire in den „Puritanern“, die Nachtwandlerin, Madelaine im „Postillon von Lonjumeau“, Henriette in der „Gesandtin“ und Adele in den „Lottonummern“. Nach diesem mit schönstem Erfolge beendeten Gastspiele wurde ihr ein Engagement angetragen, welches sie aber nicht annehmen konnte, da sie durch einen mehrjährigen Contract an Wien gebunden war. Nach ihrer Rückkehr dahin gelang es ihr jedoch, durch ein Abstandsgeld von 2000 fl. Conventionsmünze sich ihrer Verpflichtung zu entbinden und nachdem sie mit Berlin wieder angeknüpft hatte, Ende 1841 ein Engagement daselbst anzutreten, welches sich später in ein lebenslängliches mit Pension umgestaltete. Dasselbe war ein für die damaligen Bühnenverhältnisse höchst günstiges: sie erhielt ein Jahresgehalt von über 5000 Thalern nebst der Begünstigung eines zweimonatlichen Urlaubs und nach zehn Jahren mit einem Anspruch auf eine Jahrespension von 1000 Thalern. Sie blieb nun während der ganzen Dauer ihrer Wirksamkeit als Sängerin bei der Berliner Bühne. In ihren freien Monaten besuchte sie auf Gastspiele fünfmal Breslau, je zweimal Prag, Wien und Danzig und je einmal Königsberg, Frankfurt a. M., Aachen, Stettin und Magdeburg. Als in Bonn 1845 anläßlich der Enthüllung und Einweihung des Beethoven-Denkmals große Musikfeste stattfanden, trat auch Fräulein Tuczek in denselben auf und wurde ihr vom Festcomité in Würdigung ihrer uneigennützigen Mitwirkung ein silbernes Theetablett mit folgender Inschrift überreicht: „Dem Fräulein Leopoldine Tuczek zur Erinnerung an die Inauguration des Beethoven-Monuments im August 1845 dankbar gewidmet vom Festcomité“. Die Künstlerin blieb bis 1861 an der Berliner Hofoper, ihr letztes Auftreten daselbst, welches zugleich ihre Benefizvorstellung war, fand am 6. December genannten Jahres statt und gestaltete [75] sich zu einem kleinen Bühnenfeste. Deo König warf ihr aus seiner Loge einen Lorberkranz zu. Die Königin ließ sie zu sich in die Loge entbieten und ihr durch Herrn von Hülsen ein kostbares Andenken überreichen. Außerdem erhielt sie noch ein kostbares Geschenk: eine massive silberne Schale, welche in den verschlungenen Aesten eines Lorberbaumes ruht, dessen Stamm das anderthalb Fuß hohe Untergestell bildet. Auf jedem der 65 Lorberblätter ist eine Rolle der Künstlerin eingravirt. Am Fuße des Gestells stehen die Namen der Geber: Graf Redern, Meyerbeer, Hülsen, das gesammte Personal der Oper, Auguste Crelinger, Paul und Marie Taglioni. Das Repertoire der Sängerin war, wie wir aus den 65 Lorberblättern entnehmen, ein sehr umfangreiches und dabei vielseitiges, da es ebensowohl tragische als komische Rollen umfaßte. Zu ihren tragischen Glanzpartien zählten insbesondere die Julie in „Romeo und Julie“, die Pamina in der „Zauberflöte“, die Agathe im „Freischütz“, die Linda, Marzetline in „Fidelio“; zu ihren heiteren die Susanne im „Figaro“, die Regimentstochter, die beiden Zerlinen im „Don Juan“ und „Fra Diavolo“. Mit großer Virtuosität im Gesange – ihre klangvolle Sopranstimme umfaßte die Töne vom tiefen Gbis zum zweimal gestrichenen C – verband sie einen feinen Vortrag, so daß sie auch in den ersten Spiel- und Soubrettenpartien, der komischen und Conversations- (oder sogenannten Spiel-) Oper kaum ihres Gleichen hatte. Vom preußischen Hofe wurde sie zur Kammersängerin ernannt, desgleichen – bereits 1845 – vom Könige von Sachsen. Leopoldine vermälte sich mit einem höheren Staatsbeamten Namens Herrenburg und nannte sich seit dieser Zeit, ihren Sängernamen mit dem ihres Gatten verbindend, Herrenburg-Tuczek.

Album des königlichen Schauspiels und der königlichen Oper zu Berlin unter der Leitung von August Wilhelm Iffland, Karl Grafen von Brühl, Wilhelm Grafen von Redern und Karl Theodor von Küstner für die Zeit von 1796 bis 1851 (Berlin 1858, Gust. Schauer, kl. 4°.) S. 85 [nach diesem geboren im Jahre 1824]. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1861, Nr. 345 [über ihr Abschiedsbenefice]. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) VI, Bd. (1845), Nr. 109, S. 79 und 80 [nach dieser verließ sie 1836, fünfzehn Jahre alt, das Wiener Conservatorium, sie ist also im Jahre 1821 geboren, wie mir dies auch von einem Wiener Musikgelehrten bestätigt wird, welcher die Angabe, daß sie 1824 geboren sei, entschieden bestreitet]. – Linzer Zeitung, 1856, Nr. 152. – Neues-Universal-Lexikon der Tonkunst. Für Künstler, Kunstfreunde und alle Gebildeten. Angefangen von Dr.. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Offenbach 1861, Joh. André, gr. 8°.) Bd. III, S. 769 [nach diesem geboren 1821]; Nachtrag, S. 340 [nach diesem geboren 1824]. – Riemann (H.). Musik-Lexikon (Leipzig 1882, Bibliogr. Institut, gr. 12°.) S. 942 [auch nach diesem geboren 1824]. – Theater- Zeitung. Redigirt von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1843, S. 36, in der Rubrik „Theater-Beobachter“. – Zeitung für Norddeutschland, 1861, Nr. 3951 [nach dieser geboren im Jahre 1824].
Porträte. 1) Unterschrift: „Leopoldine Tuczek“. Auguste Hüssener sc. (Leipzig, Baumgärtner, 4°.). – 2) Unterschrift: „Leopoldine Tuczek vom Berliner Hofoperntheater“ (Payne sc. ?) 8°. – 3) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „Leopoldine Tuczek . Darunter: „Königl. Preuß. Hof-Opern-Sängerin“. Gezeichnet von O’Brien. Lith. von Weiße. Druck von L. Zöllner (Verlag von A. Schepeler in Berlin, Fol.). – 4) Gezeichnet von l’Allemand. Lith. von Fischer (Berlin, Sachse und, Comp., gr. Fol.). – 5) Lith. von Schertle (Berlin, Schlesinger, Fol.). – 6) Lith. (Berlin, Rocca, Fol.). – 7) Holzschnitt. Monogramm des Zeichners: in [76] der Leipziger „Illustrirten Zeitung“. Jahrg. 1845, Nr. 109, S. 80. – 8) Unterschrift: „Leopoldine Herrenburg-Tuczek“. Lithogr. ohne Angabe des Zeichners und Lithographen im „Album des königlichen Schauspiels und der königlichen Oper zu Berlin“ (4°.).