BLKÖ:Prešl, Karl Borsiwoj

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 23 (1872), ab Seite: 275. (Quelle)
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Prešl, Karl Borsiwoj (Arzt und Naturforscher, geb. zu Prag 17. Februar 1794, gest. ebenda 8. October 1852). Der jüngere Bruder des Vorigen, zeigte P. schon in der Kindheit große Anlagen und ein außerordentliches Gedächtniß. Da er seinen Bruder fast stets auf den botanischen Ausflügen desselben begleitete, so entwickelte sich in ihm schon frühzeitig die Liebe zu den Naturwissenschaften, besonders zur Botanik. Er besuchte das Neustädter Gymnasium zu Prag, hörte dann die philosophischen Vorlesungen und widmete sich im Jahre 1813 dem Studium der Medicin. Schon 1812 betheiligte sich P., wie in der Biographie seines Bruders bereits erwähnt, an der von diesem veranstalteten Herausgabe der Kryptogamenflora Böhmens. 1817 als Studirender der Medicin unternahm er eine Fußreise durch Ober- und Unter-Italien, welche er bis auf die Insel Sicilien ausdehnte. Sein specielles Augenmerk wandte P. der Flora der Gegend um den Aetna und die Nebroden, ferner der von Syrakus und Palermo bis zum Tyrrhennischen Meere hin, zu. Die Reise dauerte über ein halbes Jahr. Er benützte dieselbe auch, um mit den bedeutendsten italienischen Botanikern in persönliche Verbindung zu treten, und brachte eine interessante Ausbeute, unter welcher sich auch einige neue Pflanzen befanden, nach Prag zurück. Bald nach seiner Ankunft unterzog er sich den strengen Prüfungen und erhielt im December des Jahres 1818 die medicinische Doctorwürde. Seine Inaugural-Dissertation [276] war eine Abhandlung über die Gräser Siciliens, die erste Frucht seiner italienischen Reise. Als 1819 sein Bruder Johann Swatopluk dem Rufe als Professor nach Olmütz Folge leistete, wurde er an der Stelle desselben Assistent bei Professor F. X. Berger, und hatte nebenbei als solcher die Aufgabe, sich an der Beaufsichtigung und Ordnung der Naturaliensammlungen zu betheiligen. Im Jahre 1822 erhielt P. bei der ursprünglichen Organisirung des böhmischen vaterländischen Museums, durch Verwendung des Grafen Kaspar Sternberg, die Stelle eines Custos der zoologischen und botanischen Sammlungen. Im Jahre 1828 versah P. das in Prag befindliche Physicat des Berauner Kreises und von 1829 an führte er vier Jahre hindurch das Secretariat der Prager medicinischen Facultät. Als im Jahre 1831 die Cholera zum ersten Male verheerend in Oesterreich auftrat, entwickelte er eine so große und erfolgreiche Thätigkeit als Arzt, daß sich die Landes-Medicinalbehörde bewogen fand, ihm die Stelle eines zeitweiligen Cholera-Arztes zu übertragen, in welcher Eigenschaft er sich anerkennungswürdige Verdienste erwarb. Obwohl P. es nicht versäumte, sich den vorgeschriebenen Concursen um erledigte Lehrkanzeln zu unterziehen, so gelang es ihm doch erst im Jahre 1832, jene der allgemeinen Naturgeschichte und Technologie an der Prager Hochschule zu erlangen. Seine Stelle als Custos des böhmischen Museums behielt P. während der 30 Jahre, durch welche er seine Vorlesungen hielt, bei. Schon von dem Jahre 1818 an entwickelte P. eine erfolgreiche literarische Thätigkeit auf dem Gebiete der Naturwissenschaften. Ganz im Gegensatze zu seinem Bruder, der sein Hauptaugenmerk in dem größeren Theile seiner Schriften auf die Hebung der čechoslavischen Literatur richtete und alle seine Werke entweder čechisch oder lateinisch schrieb, verfaßte P. einige wenige Aufsätze, die sich in der böhmisch-encyklopädischen Zeitschrift „Krok“ befinden, ausgenommen, alle in deutscher oder lateinischer[WS 1] Sprache, daher auch die bedeutend größere Verbreitung derselben in der gelehrten Welt. 1824 begann P. die Herausgabe der „Reliquiae Haenkeanae“, in welchen das von Thaddäus Hänke [Bd. VII, S. 178][WS 2] in Südamerika gesammelte und nach Prag gesandte Herbarium beschrieben ist. Diese Arbeit ist auf Kosten des böhmischen Nationalmuseums gedruckt. Von 1836 an erschien P.’s „Flora sicula“, welche jedoch leider nicht vollendet wurde. Das Hauptverdienst dieses Werkes liegt in der bis dahin noch fast gar nicht beachteten geographischen Behandlung der Flora. Er unterscheidet sieben Regionen, deren jede auf eine höchst scharfsinnige Weise gekennzeichnet ist. Ein zweites, ebenfalls unvollendetes, im Jahre 1839 begonnenes Prachtwerk hat den Titel: „Symbolae botanicae“, und sind dessen zahlreiche, höchst gelungene Abbildungen größtentheils von P. selbst entworfen. Großes Aufsehen in der Gelehrtenwelt erregte 1836 das unter dem Titel: „Tentamen Pteridographiae“ erschienene Farrenwerk P.’s. Obwohl Gaudichaud der erste war, welcher auf den Aderverlauf in den sogenannten Blättern der Farrenkräuter als auf ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal hinwies, und sich auch viele fanden, die auf diesem Gebiete weitere Nachforschungen anstellten, so war doch P. der Erste, welcher eine umfassendere Arbeit dieser Art unternahm. P. bleibt dabei das unbestrittene Verdienst, [277] alle ihm bekannten echten Farren, nach einer Methode untersucht und so den praktischen Beweis der Nutzbarkeit dieses Eintheilungsprincipes für die Systematik dieser Pflanzenfamilie geliefert zu haben. Das Material P.’s zu dieser Arbeit war ein höchst reichhaltiges, denn es standen ihm außer öffentlichen auch eine große Anzahl von Privat-Herbarien zur Verfügung. Es sind in diesem Werke mehr als 2000 Arten Farrenkräuter kritisch erläutert. Als Anhänge zu demselben kann man auch noch zwei Abhandlungen P.’s ansehen, die er im Jahre 1842 verfaßte: über die Gefäßbündel im Stipes der Farren, in welcher er seine in der „Pteridographia“ niedergelegten Ansichten theils vervollständigte, theils berichtigte und über „die Gruppe der Hymenophylleen“. Außerdem verfaßte P. noch eine Anzahl kleinerer Schriften, unter denen besonders sein 1838 erschienenes Handbuch der „Oryktognosie in technischer Beziehung“ zu bemerken ist. Was seine Thätigkeit als akademischer Lehrer anbelangt, so sagt sein Biograph Weitenweber von ihm: „daß er das nicht hatte, was man einen lebendigen, fließenden Vortrag nennt. Es war ihm – wie so manchem anderen Gelehrten, in Folge der rhetorischen Ungeübtheit während der Schuljahre – auch für später leider der Mangel an Geläufigkeit in der öffentlichen mündlichen Mittheilung geblieben. Der reiche Geist schien oft mit Mühe nach dem augenblicklich erforderlichen Ausdrucke neuer, nicht selten tiefsinniger Ideen zu ringen; aber dieß ward ersetzt durch die Bestimmtheit und Klarheit seines Wissens, durch die Fülle fruchtbarer Bemerkungen, wodurch es ihm gelang, die höher befähigten Zuhörer in das Innere seiner Wissenschaft einzuführen“. P. hielt, auch einige Jahre hindurch nach dem Abtreten des Professors Ignaz Tausch die sehr beliebten Vorlesungen über ökonomisch-technische Botanik im gräflich Canal’schen Garten, und außerdem einige Vorträge in gelehrten Gesellschaften. Die großen Verdienste, die sich P. um die Wissenschaften erworben, blieben nicht unbeachtet. So ernannte ihn die kön. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften 1834 zu ihrem wirklichen, die kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien, welche ihm auch die Mittel zu einer Reise in’s Ausland zur Vollendung seines Farrenwerkes zur Verfügung stellte, zu ihrem correspondirenden Mitgliede. Außerdem erhielt er von vielen ausländischen Akademien Diplome, so von der kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher d. Z. in Breslau, welche ihm den Beinamen „Plumier“ gab, von der kön. preußischen Akademie der Naturwissenschaften in Berlin; von der kais. russischen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau, von der medicinisch-botanischen Gesellschaft in London und noch von mehreren anderen. 1848, bei dem 500jährigen Jubiläum der Prager Universität, wurde P. von der philosophischen Facultät mit dem Ehrendiplome ausgezeichnet. Ebenso, wie nach seinem Bruder, wurden auch nach ihm sowohl Pflanzengattungen, wie einzelne Arten benannt. Weitenweber in den beiden Lebensskizzen derselben führt sie alle namentlich an. P.’s Arbeiten erschienen theils selbstständig, theils in Zeitschriften, besonders viele aber in den Verhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Die Titel der selbstständigen Werke P.’s sind: „Gramineae siculae. Dissertatio inauguralis, med.-bot.“ (Pragae 1818, 8°.); – „Asclepiadeae a Rob. Brown recensitae. Ex anglico idiomate translat. [278] a. C. B. Presl“ (Pragae 1819, apud Calve, 8°.); – „Cyperaceae et Gramineae siculae“ (Pragae 1820, Hartmann); – „Reliquiae Haenkeanae: descriptiones et icones plantarum, quas in America meridionali et boreali, in insulis Philippinis et Marianis collegit Thad. Haenke. Redegit et in ordinem digessit Car. B. Presl. Cura Musei Bohemici“ (Pragae 1825 ad 1835), in zwei Bänden mit 104 Tafeln; das Werk ist nicht vollendet; – „Flora sicula, exhibens plantas vasculosas in Sicilia aut sponte crescentes aut frequentissime cultas“ (Pragae 1826, Borrosch), ebenfalls nicht vollendet; – „Epistola de Symphysia, novo plantarum genere ad Jos. de Jacquin (Pragae 1827, 4°.); – „Symbolae botanicae s. descriptiones et icones plantarum novarum aut minus cognitarum“ (Pragae 1830–1839, sumptibus auctoris e typographia J. Spurny, gr. 4°.), 2 Bände mit 80 Tafeln; – „Revisionis Saxifragarum Comitis de Sternberg supplementum alterum“ (Pragae 1831, apud Calve, Fol.), mit 26 Tafeln); – „Repertorium Botanicae systematicae. Excerpta e scriptoribus botanicis etc.“ (Pragae 1834, Haase, 8°.), es erschienen bloß 2 Hefte; – „Anleitung zum Selbststudium[WS 3] der Oryktognosie in technischer Beziehung“ (Prag 1834, Haase, 8°.); – „Naturgeschichte des Thierreichs für Kinder“ (ebd. 1837–1840, Haase); als Fortsetzung des Ramisch’schen Werkes besteht es in 9 Lieferungen mit 143 Abbildungen. In periodisch erscheinenden Schriften sind abgedruckt, aber mehrere auch in Sonderabdrücken erschienen, u. z. in den Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften: „Prodromus monographiae Lobeliacearum“ (neue Folge, IV. Bd. [Prag 1835, 8°.]); – „Bemerkungen über den Bau der Balsamineen“ (neue Folge, V. Bd. [ebd. 1836]); – „Tentamen Pteridographiae s. genera Filicacearum praesertim juxta venarum decursum et distributionem exposita“ (neue Folge, V. Bd., mit 4 Tafeln [ebd. 1836, 8°.)]; – „Hymenophyllaceae. Eine botanische Abhandlung“ (fünfte Folge, III. Bd., mit 12 Tafeln [ebd. 1843, 4°.]); – „Botanische Bemerkungen“ (ebendaselbst [ebd. 1844, 4°.]); – „Supplementum tentaminis Pteridographiae, continens genera et species ordinum, dictorum Marattiaceae, Ophioglossaceae etc.“ (fünfte Folge. IV. Bd. [ebd. 1845]); – „Die Gefäßbündel im Stipes der Farren“ (fünfte Folge, V. Bd. [ebd. 1847, 4°.]); – „Epimeliae botanicae“ (fünfte Folge, VI. Bd., mit 15 lithographirten Tafeln (ebd. 1847, 4°.); – in den Verhandlungen der Gesellschaft des vaterländischen Museums: „Vermischte botanische Aufsätze“ (Prag 1832); – „Beschreibung zweier neuer böhmischer Arten der Gattung Asplenium“, mit einer Tafel (ebd. 1836); – „Beiträge zur Kunde vorweltlicher Pflanzen“, mit 2 Tafeln (ebd. 1838); – „Beschreibung einer neuen böhmischen „Ulmenart“, mit 1 Tafel (Prag 1841); – in der böhmischen encyklopädischen Zeitschrift „Krok“: „Přídavek k dokonalejšímu znání lázně Libnieké, vůbec voda smaradlavá nazvané“ (1821, 1. Bd., 1. Heft, Nr. 5, S. 85–110); „O sesilení zvuku v noci dle Humboldta“ (1822, 1. Bd., 3. Heft, S. 71 bis 79); – „Pojednáni o ostatcích živoku v zemi se nalézajících čili o zkamenělinách“ (1822, 1. Bd., 3. Heft, S. 81–107); – in der Flora oder botanischen Zeitung: „Ueber eine [279] neue Art der Gentiana“ (Regensburg 1828, 1. Bd., S. 267); – „Erwiederung auf den Nachtrag des Herrn Joh. Preißler über die Gattung „Symphysia“, 1. Bd., S. 379); – in der Monatsschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums: „Das Hänke’sche Herbar im böhmischen Museum“ (Prag 1828, August, S. 161–168); – in Oken’s „Isis“: „Bemerkungen zu einigen Herbarien des Fr. W. Lieber“ (Jahrg. 1828, 21. Bd., S. 267–275); – in Schlechtendal’s „Linnaea“ (Berlin 1831, VI. Bd.): „Ueber die Monstrositäten der Blumen einiger Cruciferen“; – in Jean de Carro’s Essay on the mineral waters of Carlsbad (Prague 1835, S. 127 bis 135): „Flora of Carlsbad“; – in G. Sommer’sTopographie von Böhmen“ (Prag 1835–1849): „Geognostisch-charakteristische Uebersicht der Flora der einzelnen Kreise Böhmens“; – in Weitenweber’s „Beiträge zur ges. Natur- und Heilwissenschaft“ (Prag 1837, II. Bd., 1. Heft, S. 21 bis 31): „Orobella, eine neue Pflanzengattung“. Endlich schrieb P. noch den Text zu C. von Sternberg’s „Flora der Vorwelt“. Heft V–VIII (Prag 1833 bis 1838). Karl Borsiwoj P. starb im Alter von 58 Jahren und hinterließ aus einer zweimaligen Ehe acht Kinder.

Weitenweber (Dr. Wilh. Rudolph), Denkschrift über die Gebrüder Johann Swatopluk und Karl Bořivoy Prešl [Separatabdruck aus den Abhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Fünfte Folge, VIII. Band, S. 1–27). – Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, IV. Jahrgang, 1854. – Oestr. National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 579. – Poggendorff (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, J. Ambr. Barth, gr. 8°.) Bd. II, S. 521. – JJungmann (Josef), Historie literatury české, d. i. Geschichte der böhmischen Literatur (Prag 1849, Řiwnáč, 4°.) Zweite, von W. Tomek besorgte Ausgabe, S. 614. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. VI, S. 924, Nr. 2. – Živa. Časopis přirodnicky, d. i. Živa Zeitschrift für Naturwissenschaft (Prag, 8°.) Jahrg. 1853, Nr. 2, S. 56, Nr. 3, S. 83.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lateininischer.
  2. Vorlage: [Bd. VII, S. 108].
  3. Vorlage: Selbsstudium.