BLKÖ:Petrasch, Joseph Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Petrasch, Aemilius
Band: 22 (1870), ab Seite: 106. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Joseph von Petrasch in der Wikipedia
Joseph von Petrasch in Wikidata
GND-Eintrag: 116133600, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Petrasch, Joseph Freiherr von|22|106|}}

Petrasch, Joseph Freiherr von (Gelehrter, geb. zu Brod in Slavonien 19. October 1714, gest. auf seinem Gute Neuschloß in Mähren 15. Mai 1772). Ein Sohn des berühmten Generals Maximilian Freiherrn von P. [s. d. Qu. S. 105] aus dessen Ehe mit Maria Anna geb. Gräfin Beckers. Erhielt von früher Jugend an eine sorgfältige Erziehung, ein Domherr aus Tyrnau, Mathias Schupanschik, brachte ihm die ersten Elemente der lateinischen Sprache, der Poetik und Rhetorik bei; ein Oberstlieutenant Namens Hayß unterrichtete ihn in den mathematischen Wissenschaften, in der spanischen und italienischen Sprache; dann kam er, wahrscheinlich weil sein Vater eine Stellung in Mähren erhalten sollte, nach Olmütz, wo er im Jesuiten-Collegium die philosophischen Studien beendete und die philosophische Doctorwürde erlangte. Erst sechzehn Jahre alt, begann er bereits das Studium der Rechtswissenschaften und begab sich zu deren Beendigung nach Löwen, wo er auf der dortigen Hochschule ein Jahr lang den Studien oblag. Nun schickten ihn die Eltern auf Reisen, auf welchen er Holland, England, Schottland, Irland, Frankreich und die Schweiz besuchte, die verschiedenen gelehrten Anstalten, Bibliotheken in Augenschein nahm, sich mit kenntnißreichen und hervorragenden Männern der Wissenschaft befreundete und den Grund zu jener Richtung legte, welche er später einschlug. Nach seiner Rückkehr, kaum 20 Jahre alt, trat er in das kaiserliche Heer und machte als Adjutant des Prinzen Eugen einige Feldzüge am Rhein mit. Später erhielt er eine Compagnie im Daun’schen Regimente. Nachdem aber zwischen Oesterreich und Frankreich Friede geschlossen worden, verließ er die Armee, begab sich wieder auf Reisen, und dieses Mal waren es die deutschen Universitäten, denen er seine ganze Aufmerksamkeit zuwendete. Die schwere Krankheit seiner Mutter rief ihn in die Heimat zurück, wo drei Tage nach seiner Ankunft in Olmütz selbe starb. Der Vater war bereits früher (im Jahre 1724) gestorben; so sah sich P. mit einem Male im Besitze eines ansehnlichen Vermögens und sich selbst noch im Jünglingsalter. Seine Liebe zu den Wissenschaften, durch eine gute Erziehung begründet, durch Reisen und Verkehr mit kenntnißreichen, bedeutenden Männern der Wissenschaften geläutert, wirkte [107] bestimmend für seine eigene Richtung. Er nahm sofort die unterbrochene Reise in Deutschland wieder auf. In Würzburg, wo er längere Zeit verweilte, lernte er das Fräulein Anna von Hettersdorf kennen, die er zu seiner künftigen Lebensgefährtin erwählte und nun mit ihr nach Olmütz zurückkehrte, wo er seinen bleibenden Wohnsitz nahm. Er lebte fortan ganz den Wissenschaften, verlegte sich, um seine classische Bildung zu vollenden, mit allem Eifer auf das Studium der griechischen Sprache, und nachdem er entsprechendere Fortschritte in derselben gemacht, unternahm er eine Reise nach Griechenland und den griechischen Inseln, um die herrlichen Gegenden des classischen Alterthums mit eigenen Augen zu sehen. Die Rückreise schlug er über Italien ein, hielt sich in den größeren Städten der Halbinsel längere Zeit auf und wurde von den gelehrten Gesellschaften in Florenz und Cortona in den Schoß ihrer Mitglieder aufgenommen. Nach seiner Heimkehr beschäftigte ihn vor Allem der Gedanke, in Mähren die Wissenschaften in Aufnahme zu bringen, durch dessen Ausführung noch in der Gegenwart die Segnungen fühlbar sind. In keinem Lande der Monarchie wie eben in Mähren machte sich zu einer Zeit, als noch die übrigen Provinzen halb im geistigen Schlafe lagen, ein solch reges Treiben für geistiges Schaffen und Wirken kund; es war der in Blüthe geschossene Samen, den Petrasch gelegt und der nachgerade auch gute Früchte trieb. Zuerst vereinigte P. gleichgesinnte, Edles wollende Männer um sich und bildete aus denselben eine gelehrte Gesellschaft, die den bescheidenen Titel: „Die Unbekannten“[WS 1] führte. Das Notizenblatt der historisch-statistischen Section in Mähren [vergleiche die Quellen] theilt die Statuten dieser gelehrten Akademie, der ersten deutschen in den kaiserlichen Erblanden, mit. Jedoch die von Petrasch gegründete gelehrte Gesellschaft war nicht von langer Dauer, einzelne Mitglieder ließen in ihrem Eifer nach, wieder andere veränderten ihren Aufenthalt, ja d’Elvert schreibt ausdrücklich: „Die Gesellschaft und ihr Journal erlagen schon nach wenigen Jahren dem Neide, der Mißgunst und Umtrieben“, und auch Petrasch, als er seine guten Absichten vereitelt sah, vertauschte seinen bisherigen Aufenthalt Olmütz mit seinem Gute Neuschloß im Hradischer Kreise, auf welchem er seine übrigen Lebensjahre in Beschäftigung mit wissenschaftlichen Studien verlebte. Noch einmal sollte er zur Theilnahme an einer ähnlichen Aufgabe, wie er solche mit der Gründung der Gesellschaft der Unbekannten in Olmütz versucht hatte, aufgefordert und zur Mitarbeiterschaft bewogen werden. Gottsched in Leipzig hatte im Jahre 1743 die erste Anregung zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften in Wien gegeben nach dem Vorbilde der von Richelieu gestifteten Academie française und einen Entwurf seines Planes dem damals im hohen Ansehen stehenden Minister Friedrich Wilhelm Grafen von Haugwitz überschickt. Der Graf fand die Idee, wie sie Gottsched entwickelt, unausführbar, war aber keineswegs gesonnen, dieselbe fallen zu lassen. Aus diesem Grunde forderte er den seiner wissenschaftlichen Bestrebungen wegen damals allgemein gewürdigten Freiherrn von Petrasch auf, den Entwurf einer in Wien zu gründenden Akademie der Wissenschaften auszuarbeiten. Freiherr von Petrasch kam dieser Aufforderung auch in der That nach und sandte den von ihm verlangten Entwurf ddo. Olmütz 6. Jänner [108] 1750 an den Grafen Haugwitz ab. Aber auch dieser Entwurf gelangte nicht zur Ausführung und wanderte nach verschiedenen Hin- und Herreden, Begutachtungen zuletzt – ad acta. Es ist hier nicht der Platz, die ganze, wenig erquickliche Prozedur zu berichten; die Thatsache, daß noch fast ein Jahrhundert vergehen sollte, ehe der Kaiserstaat eine Akademie der Wissenschaften erhielt, möge genügen, für jene aber, welche sich mit dem ganzen Vorgange in Behandlung dieser Frage vertraut machen wollen, sei auf die in den Quellen angeführte Schrift von Feil, oder wer die Geschichte in nuce kennen lernen will, auf die „Wiener Zeitung“ 1860, Nr. 293, S. 4967, hingewiesen. Petrasch selbst verlebte seine Jahre in Neuschloß und machte nur von Zeit zu Zeit kleine Reisen nach Ungarn, meist zu wissenschaftlichen Zwecken. Im Drucke hat er nur Weniges herausgegeben, und es dabei immer mit solcher Bescheidenheit gethan, daß er sich nie mit seinem wahren Namen, sondern bald Peter Asch, oder Petrus Cinereus nannte. Die Titel seiner gedruckten Werke sind: „Petri Cinerii Dissertationes litterariae varia hebdomade publicatae“ (Florentiae 1742, 8°.), es sind 21 Abhandlungen über verschiedene Gegenstände; – „Monatliche Auszüge alter und neuer gelehrter Sachen“, drei Bände (Olmütz 1747, 8°.), vom 3. Bande erschienen nur 2 Stücke zu Olmütz und noch 4 zu Frankfurt und Leipzig 1748, das meiste darin ist aus Petrasch’s Feder; – „Sammlung verschiedener deutscher Gedichte eines Slavoniers“. Zwei Theile (Frankfurt und Leipzig 1767 und 1768, 8°.); – „Dreissig Schauspiele zur Besserung der deutschen Schaubühne. Mit einer Vorrede von G. A. Will“. Drei Bände (Nürnberg 1765, 8°.); außerdem in verschiedenen italienischen und deutschen Journalen, Aufsätze über Alterthümer und Geschichte in lateinischer und deutscher Sprache. In seinem Nachlasse fanden sich: „Die Träume“, ein Gedicht in der Art von Dante’s Divina Comedia; – „Arbaces“. 4 Bände, für die Jugend geschrieben, um ihr in Form eines Romans die Kenntniß der Geschichte der Griechen, ihrer Sitten, Gebräuche, Kriegs- und Baukunst beizubringen; – „Vorschläge, wie man neue gelehrte Akademien errichten und alte verbessern solle“. Die Herausgabe einer „Bibliotheca bohemica“, welche alle in Böhmen, Mähren und Schlesien oder in deren Angelegenheiten gedruckten Werke und Schriften mit ihren Titeln verzeichnet enthält, und welche P. im Jahre 1747 in Olmütz drucken lassen wollte, erhielt nicht die Censurbewilligung, weil darin auch die gegen die Religion und gegen den Staat verstoßenden Schriften aus der Revolutionszeit 1619 und 1620 aufgenommen waren. Die zu Wien 1776 erschienene „Bibliotheca Petraschiana“ dürfte, wie d’Elvert bemerkt, nur einen geringen Ersatz leisten. Auch hatte Petrasch des Paprocky in čechischer Sprache geschriebenes Werk über den mährischen Adel in’s Lateinische übertragen und jenes über den böhmischen Adel fortgesetzt, es aber nicht vollendet und auch nicht in Druck gegeben. P. stand zu seiner Zeit als Gelehrter in nicht geringem Ansehen, in der That besaß er auch außergewöhnliche Kenntnisse in verschiedenen Wissenschaften und Sprachen, von welch letzteren er die deutsche, lateinische, französische, italienische und spanische fertig sprach, und die griechische, hebräische, slavonische, englische, ungarische und niederländische vollkommen verstand. Er besaß auch eine reiche und werthvolle Bibliothek mit Werken in [109] den angeführten Sprachen, die später in den Besitz seiner Erben überging. Er unterstützte freigebig Schriftsteller, und Arme fanden bei ihm immer ausgiebige Hilfe. Die deutsche Gelehrtenwelt ehrte den verdienstvollen Mann in ihrer Weise, die gelehrten Gesellschaften zu Kempten, Altdorf und Augsburg ernannten ihn zu ihrem Mitgliede und letztere erwählte ihn im Jahre 1758 zu ihrem Präsidenten, welche Ehrenstelle P. drei Jahre verwaltete, dann aber seines entfernten Wohnortes und seiner in den späteren Jahren dauernden Kränklichkeit wegen niederlegte. In den deutschen Literaturgeschichten der Neuzeit, von Laube, Menzel, Gottschall, Goedeke, sucht man den Namen Petrasch, der doch darin nicht fehlen sollte, vergebens. Aus seiner Ehe mit Anna von Hettersdorf hatte er nur drei Töchter, Karolina, M. Anna Josepha und Antonia, deren Ehen aus der Stammtafel ersichtlich sind, und welche 17 Jahre nach dem Tode des Vaters, im Jahre 1789, das Gut Neuschloß verkauften. Mit ihnen erlosch die von dem Freiherrn Maximilian gegründete Linie.

Pelzel (Franz Martin), Abbildungen der böhmischen und mährischen Gelehrten u. s. w. (Prag 1777), Bd. III, S. 185 u. f. – Monse (Jos. Wrat. de), Infulae doctae Moraviae (Brunnae 1779, 8°.) in praef. p. 12 – Morawetz (Franc.), Moraviae historia politica et ecclesiastica cum notis etc. (Brünn 1785–1787, 8°.) Tom. III, p. 491. – Hawlik (Ernst), Taschenbuch für Mähren und Schlesien (Brünn, 12°.) Jahrg. 1808, S. 207 bis 214. – Jurende, Redlicher Verkündiger. Ein Archiv des Mannigfaltigen und Interessanten (4°.) 1814, 2. Band, Jänner S. 36; Juli S. 102. – Moravia 1839, S. 683 u. 726. – d’Elvert (Christian), Historische Literaturgeschichte von Mähren und Oesterreichisch-Schlesien (Brünn 1850, Rud. Rohrer’s sel. Witwe, gr. 8°.) S. 211. – Notizen-Blatt der historisch-statistischen Section der kais. kön. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde (Brünn, Rohrer’s Erben, 4°.) 1859 Nr. 9, S. 68 [im Artikel: „Die Gelehrten-Gesellschaft in Olmütz“, enthält die Statuten der von Petrasch begründeten „Gesellschaft der Unbekannten“]. – Prochaska (Faustinus), De saecularibus liberalium artium in Bohemia et Moravia fatis commentarius (Pragae 1782, Schmad, 8°.) p. 405. – Horányi (Alex.), Memoria Hungarorum et Provincialium scriptis editis notorum (Viennae 1776, A. Loewe, 8°.) Tom. III, p. 72. – Jahrbuch für vaterländische Geschichte (Wien, C. Gerold, 8°.) I. Jahrg. (1861), S. 321 u. f., in Joseph Feil’s Aufsatz: „Versuch zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften unter Maria Theresia“. Dieser Aufsatz ist auch in einem Sonderabdruck erschienen. Vergleiche darüber: Wiener Zeitung 1860, Nr. 293, S. 4967. – Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Herausgegeben von Ludwig Herrig, 1867, 39. Band, 4. Heft: „Jos. von Petrasch“, von L. Hirzel. – Porträt. Unterschrift: Josephus Eques a Petrasch. Kupferstich ohne Ang. d. Zeichners und Stechers [als Soldat, im Küraß].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Societas incognitorum (Wikipedia).