Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mirecki, Kasimir
Band: 18 (1868), ab Seite: 351. (Quelle)
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Mirecki, Franz (Tonsetzer, geb. zu Krakau im Jahre 1791, nach Anderen 1794, gest. ebenda 29. Mai 1862). Entstammt einer Familie, in welcher das Talent für Musik ein vorherrschendes ist; sein Vater, seine Mutter, mehrere seiner Oheime, vor allen aber sein Großvater mütterlicher Seits, Dominik Goronczkiewicz, ein ausgezeichneter Organist, waren alle treffliche Musiker. Franz Mirecki spielte bereits im Alter von vier Jahren Clavier, im Jahre 1800 gab er sein erstes Concert, in welchem er ein Tonstück von Haydn und eine Sonate von Beethoven mit einer für sein Alter bewunderungswerthen Vollendung vortrug. Unterdessen setzte M. die gewöhnlichen Studien an den Schulen in Krakau fort und ging im Jahre 1814 nach Wien. Dort erst begann eigentlich seine künstlerische Laufbahn. In Wien lernte er Beethoven, Hummel, Pixis, Moscheles, ferner Preindl und Salieri kennen. Die öffentlichen Concerte, die Kirchenmusik, die Quartette, die zu jener Zeit in ihrer Blüthe waren, äußerten bald ihre Einwirkung auf das empfängliche Gemüth des jungen Künstlers, der bei Hummel Unterricht in der Composition nahm. Ein zufälliger Umstand unterbrach für einige Zeit seine musikalischen Studien. Joseph Graf Ossoliński, von 1809 bis 1826 Präfect der k. k. Hofbibliothek, lud Mirecki zu sich aufs Land, und da der Graf selbst eine reiche und werthvolle [352] Büchersammlung besaß, beschäftigte sich M. mit der Ordnung und Aufstellung der Bibliothek des Grafen, und brachte mit dieser Beschäftigung etwa zwei Jahre zu. Wohl wurde er in dieser Zeit der Musik nicht völlig untreu und vollendete mehrere Tonstücke. Im Jahre 1816 verließ Mirecki Wien und begab sich zunächst nach Venedig, wo er in den Jahren 1816 und 1817 blieb, und sich ausschließlich seinen musikalischen Studien widmete. In Venedig richtete er vornehmlich sein Augenmerk auf die Instrumentation der italienischen Schule, welche bei weitem einfacher ist, als jene der Deutschen; dann aber auf die besonders kunstvolle Gesangstechnik. Von Venedig, wo er überdieß das Orgel- und Clavierspiel fleißig betrieb, begab er sich, mit Empfehlungen an den berühmten Mailänder Musikverleger Ricordi versehen, nach Mailand. Daselbst lernte er mehrere Musik-Notabilitäten Italiens kennen, unter Anderen den Violinvirtuosen Rolla, den Pianisten Pollini, die Opern-Compositeure Pacini und Pavesi. Endlich seiner Sehnsucht nach Paris folgend, begab er sich gegen das Ende des Jahres 1817 dahin. Obgleich mit Empfehlungen von Ricordi ausgestattet, ward es ihm doch schwer, sich dort einigermaßen zur Geltung zu bringen, erst ein musikalisches Werk, welches er zu Paris bei Carli erscheinen ließ, richtete die Aufmerksamkeit der Musikkenner auf ihn und begründete seinen Ruf. Es waren dieß die fünfzig Psalmen von B. Marcello, welche M. mit seinem Accompagnement herausgab, eine Arbeit, welche gründliche Kenntnisse in der Harmonie erforderte. Die erste in die Oeffentlichkeit gelangte Lieferung fand jedoch von Seite der Kritik einen wenig freundlichen Empfang. M. ließ sich aber dadurch immerhin nicht irre machen, von Cherubini’s väterlichen Rathschlägen unterstützt, fuhr er in der Herausgabe des Werkes, das mit dem zwölften Hefte schloß, fort, und begründete mit demselben seinen Ruf als Compositeur und tüchtiger Harmonist. Unterdessen setzte er in Paris seine Studien in der Generalbaß- und Harmonielehre auf das Eifrigste fort, componirte fleißig, arrangirte mehrere Opern für das Piano, und ging selbst daran, eine Oper zu componiren. Er vollendete nun die Musik zu Kniaznin’s „Cyganie“, d. i. Die Zigeuner, welche Oper im Jahre 1820 durch Vermittlung des Fürsten Adam Czartoryski in Warschau aufgeführt wurde und eine beifällige Aufnahme gefunden hatte. Wenngleich ein Erstlingswerk, so besaß es doch immer musikalische Schönheiten, welche ihre Wirkung nicht verfehlten, und M. in dem Beschlusse, sich der dramatischen Composition zuzuwenden, bestärkten. Von Paris begab sich M. im Jahre 1822 wieder nach Mailand, und ging dort, wo sich noch am Ersten Gelegenheiten, durchzudringen, darboten, an die Ausführung seiner Idee. Innerhalb Jahresfrist schrieb er die Musik zu drei Balleten: „Octavia“, „Das Schloß von Kenilworth“ und „Die unterbrochenen Bachanalien“, arrangirte zugleich mehrere Opern Rossini’s für das Piano auf vier Hände, machte auf diese Art praktische Studien in der Instrumentation und vervollkommnete sich wesentlich im sogenannten dramatischen Style der Musik. Auch eine von ihm in dieser Periode herausgegebene Abhandlung über die einzelnen Instrumente und die Instrumentation selbst, welch ganz treffliche Winke über diesen Gegenstand enthält, fand in der Musikwelt eine günstige Aufnahme. Die nächste größere [353] Arbeit, welche folgte, war die für das Theater in Genua geschriebene Oper: „Evander in Pergamo“, deren Aufführung durch den mittlerweile eingetretenen Tod des Königs von Sardinien verschoben, erst im December 1824 stattfand und 26 Mal hintereinander mit stets wachsendem Erfolge wiederholt wurde. Nun unternahm M., dessen Name bereits durch seine Compositionen bekannter geworden, eine Reise durch Italien, besuchte Florenz, Rom, Neapel und kehrte wieder nach Mailand zurück, um die Anstalten zur Abreise an seine neue Bestimmung zu treffen. Er hatte nämlich die Direction des Theaters San Carlo in Lissabon übernommen, und reiste mit einer Truppe Sänger und Tänzer dahin ab. Im März 1826 brachte er daselbst seine neue Oper: „Die beiden Galeerensclaven“ zur Aufführung, welche gleichfalls gefiel. Die Aufführung einer zweiten, betitelt: „Hadrian in Syrien“, mit deren Composition M. bereits beschäftigt war, wurde durch den Tod des Königs von Portugal, Johann VI., vereitelt, da er in Folge dessen die weiteren Vorstellungen aufgeben, ja das ganze Unternehmen auflösen mußte. M. machte nun zunächst eine Reise nach England, kehrte aber von dort über Paris nach Genua zurück, wo er sich mit einem Mädchen aus guter Familie vermälte, dann als Gesangslehrer bleibend niederließ und zwölf Jahre daselbst verblieb, seinen Aufenthalt nur zeitweilig durch Kunstreisen nach Italien und Deutschland unterbrechend. Da erging im Jahre 1838 aus seiner Vaterstadt Krakau an ihn der Ruf, die Leitung der neuen, daselbst errichteten dramatischen Gesangschule zu übernehmen, welchem Rufe M. auch folgte. In Krakau organisirte M. diese neue Schule, welche für 24 Eleven beiderlei Geschlechts bestimmt war. Unter seiner Leitung machte die Anstalt erfreuliche Fortschritte, und durch die tüchtigen Schüler, welche aus ihr hervorgingen, unter Anderen der Bariton der Warschauer Oper, Johann Stysiński, der Bassist Valer Nowakowski, die Sopransängerin Honorine Hoffmann, die beiden ausgezeichneten Sängerinen, welche auch im Auslande sich einen Namen gemacht, Josephine Belcikowska und Karoline Fryben, verbreitete sich der vortheilhafte Ruf derselben mit jedem Tage. Die Beschäftigung in derselben gestattete jedoch M. nicht, sich viel mit anderen Arbeiten zu befassen, und er schrieb in dieser Periode nur die Musik zur Oper des Grafen Fredro: „Eine Nacht in den Apenninen“, welche im Jahre 1845 von seinen Zöglingen gesungen und mit einstimmigem Beifalle aufgenommen wurde. Die Partitur mit italienischem und polnischem Texte zugleich ist bei Ricordi in Mailand im Stiche erschienen. Noch schrieb M., der bis zu seinem im Jahre 1862 erfolgten Tode seine Stelle in Krakau bekleidete, im Jahre 1852 zwei Messen und vier Offertorien für einen in London ausgeschriebenen Concurs, und im Jahre 1855 für Mannheim eine Symphonie für ein großes Orchester. [Das Verzeichniß seiner durch den Stich veröffentlichten Compositionen und Werke folgt auf S. 353.] Was nun Mirecki’s Leistungen im Gebiete der Composition betrifft, so werfen ihm seine Landsleute jeglichen Mangel eines nationalen Typus in derselben vor, ohne ihm jedoch Originalität, Melodienreichthum und eine tadellose Technik bestreiten zu können. Wenn M. aber in den Quellen der heimischen Musik nicht jene Nahrung fand, die alle aus derselben geschöpft wissen wollen, die auch die Kunst und [354] was aus ihr hervorgeht, in die engeren Grenzen der Heimat gebannt wissen möchten, während die wirkliche Heimat aller und wahrer Kunst die ganze Welt ist, so ist die Ursache dieser Erscheinung in dem Umstande zu suchen, daß M. seit seinen Jünglingsjahren bis zu seiner Berufung an die Gesangschule seiner Vaterstadt, von 1817 bis 1838, also durch volle 25 Jahre, in der Fremde lebte und sich ausschließlich an fremden Mustern bildete. M. selbst fühlte das Bedürfniß, sich gegen diese Anschauung seiner Landsleute einigermaßen zu rechtfertigen, von diesem Gesichtspuncte wenigstens ist seine Schrift: „Pogląd na muzykę“, d. i. Umschau im Gebiete der Musik (Prag 1860), welche er ein paar Jahre vor seinem Tode herausgab, zu betrachten. Diese Schrift, von welcher Sikorski in der polnischen Zeitschrift „Ruch muzyczny“ (1861, Nr. 3–6) einen Auszug veröffentlichte, brachte aber bei seinen Landsleuten nicht die gewünschte Wirkung hervor, und Kenner meinen, diese Arbeit Mirecki’s sei eben keine glückliche gewesen. Mirecki hinterließ zwei Söhne, Stanislaus und Kasimir, von denen der Erstere sich der Kunst seines Vaters, der Andere aber der Malerei widmete, über welche beide die Quellen Näheres enthalten.

Mirecki’s durch den Stich veröffentlichte Compositionen. Seine Handschrift gebliebenen größeren Werke, als Opern, Ballete, Arrangements u. dgl. m., sind oben in der Biographie erwähnt und werden hier nicht wiederholt. 1814–1817. „Trois polonaises pour piano“, Op. 1. – „Quatre polonaises pour piano“, Op. 2. – „Trois marches pour piano“, Op. 3. – „Recueil des Krakowiaks pour piano“, Op. 4. – „Receuil des Mazoures pour piano“, Op. 5. – „Douze variations sur une Krakowiak pour piano“, Op. 6. – „Rondeau pour piano“, Op. 7.
1816 u. 1817, bei Ricordi in Mailand: „Quatre Polonaises pour piano“, Op. 8. – „Variations sur un thème de l’opera Faniska pour piano“, Op. 9.
1817–1820, bei Carli in Paris. „Dix variations pour piano sur le Carnaval de Venise“ Op. 10. – „Variations sur l’air: Sul margine d’un rio“, Op. 11. – „Rondeau pour piano. Alla Polacca“, Op. 12. – „Fantaisie et variations sur la Romance: Bien aimé qui jamais n’oublie“, Op. 13. – „Grand trio pour piano, violon et violoncelle, dédié a Gaspard Spontini“, Op. 14. – „Cinquanta Salmi di B. Marcello cogli accompagnamenti di F. Mirecki Polacco, revisti dal M. L. Cherubini“, 12 livraisons composant quatre volumes in foglio“, Op. 15. – „Madrigali di Clari: Duetti et Terzetti“, 9 livraisons, Op. 16. – „Duetti di Durante un volume avec les accompagnements par Mirecki“, Op. 17. – „Trois sonates pour piano“, Op. 18. – „Divertissement pour piano et guitarre“, Op. 19. – „Divertissement pour piano sur les motifs de Turc en Italie“, Op. 20. – „Trois sonates pour piano seul“, Op. 21. – „Deux sonates pour piano et violon“, Op. 22. – „Grandes variations pour piano sur l’air Halte-là“, Op. 23.
1822–1826, bei Ricordi in Mailand. „Tre sonatine pour piano“, Op. 24. – „Trattato intorno agli strumenti ed all’ istromentazione“ (Milano 1825, G. Ricordi), Op. 25. – „Rondeau pour piano“, Op. 26. – „Tarantelle“, Op. 27.
1826, während seines Aufenthaltes in Lissabon aus seinen Opern: „Evandro in Pergamo“ und „I due forzati“: „Duo d’ Evandro pour soprano et tenor“, Op. 28. – „Rondo pour mezzo soprano“, Op. 29. – „Ouverture de Due forzati a quatre mains“, Op 30. – „Cavatine pour bariton de Due forzati“, Op. 31. – „Duo pour tenor et bariton. Idem“, Op. 32. – „Duo pour soprano et tenor. Idem“, Op. 33. – „Duo bouffe pour deux basses. Idem“, Op. 34. – „Quatuor pour soprano, tenor et des basses“, Op. 35.
1826–1838. „Trio pour piano, violon et bass“, Op. 36 (1832, Ricordi). – „Messe pastorale avec orchestre“, Op. 37. – „Adagio et Allegro pour piano, deux violons, alto, violoncelle et contrebasse“, Op. 38 (Vienne, Haslinger). – „Mazurek variée pour piano et violon obligé“, Op. 39. Für dieses Werk, das sonderbarer Weise unter Sivori’s Namen herausgegeben wurde, [355] nimmt Sowiński die Autorschaft Mirecki’s in Anspruch.
Zur Biographie Mirecki’s. Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine Encyklopädie (Warschau 1864, S. Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XVIII, S. 651 [nach diesem geb. im Jahre 1791]. – Sowiński (Albert), Les musiciens polonais et slaves anciens et modernes Dictionnaire biographique des compositeurs, chanteurs etc. etc. (Paris 1857, Adrien Le Clere & Co., gr. 8°.) p. 404–411 [nach diesem geb. um das Jahr 1794].