BLKÖ:Löschner, Joseph W.

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 15 (1866), ab Seite: 402. (Quelle)
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Löschner, Joseph W. (Arzt und Humanist, geb. zu Kaaden, einer Stadt im nördlichen Böhmen, 7. Mai 1809). Stammt von deutschen Eltern und war schon im zweiten Jahre vaterlos. Die unteren Schulen besuchte er in seinem Geburtsorte, dann ging er nach Prag, wo er die philosophischen und die medicinischen Studien hörte, letztere unter dem in Prag unvergeßlichen Krombholz [Bd. XIII, S. 247]. Lediglich auf sich selbst angewiesen, hatte L. während seiner Studien manchen harten Kampf zu bestehen, aber seine rastlose Thätigkeit, verbunden mit einer Genügsamkeit und Ausdauer ohne Gleichen, half ihm fort und im Jahre 1834 erlangte er die medicinische Doctorwürde, bei welcher Gelegenheit er die Inauguralschrift: „Conspectus morborum in clinico medico anno 1831 tractatorum“ veröffentlichte. Schon wenige Monate darnach (November 1834), trat L. als substituirter Secundararzt im k. k. allgemeinen Krankenhause zu Prag an Dr. Krombholz’s Seite in die Praxis. Von 1835–1837 war er auch dessen Privatassistent. Vom März 1837 fungirte L. als substituirter Bezirksarzt der Altstadt Prag und blieb in dieser Stellung, bis er am 3. Februar 1838 zum Assistenten der medicinischen Klinik für Aerzte ernannt wurde. Auf diesem Posten, auf welchem er sich ebensowohl zum Lehrer heranbildete, als er in der mit demselben verbundenen Praxis seinen ärztlichen Gesichtspunct erweiterte, blieb L. zwei Jahre thätig und war er es auch, der im Vereine mit mehreren Fachgenossen die Lehren der „Wiener medicinischen Schule“ in pathologischer Anatomie und Auscultation an die Prager Hochschule verpflanzte. Ein schweres, durch übermäßige geistige Anstrengung zunächst herbeigeführtes Leiden nöthigte ihn jedoch, sein Lehramt zu unterbrechen. Eine zweijährige unablässige Wassercur rettete ihn, zum Frommen der leidenden Menschheit, vor bleibendem Siechthum. Mit Allerh. Entschließung vom 11. Juli 1841 wurde er zum Docenten der Geschichte der Medicin an der Prager Hochschule ernannt und gründete gleichzeitig – der Erste in Europa – den Lehrstuhl für [403] Balneologie. Die Heilquellenlehre auf Geognosie und Chemie basirend, ging sein Streben in Wort und Schrift dahin, den Werth und die Bedeutung der Mineralwässer, indem er ihre Wirksamkeit auf ihre natürlichen Gründe zurückführte, in klarer und wissenschaftlicher Weise darzulegen. Bald darauf aber ging L. an ein Werk, mit dem sein Name, der aus Anlaß desselben weit über das Weichbild Prags mit Liebe und Bewunderung genannt wird, in unzertrennlicher und gesegneter Verbindung bleiben wird. Im Jahre 1842 hatte Med. Dr. Kratzmann in Prag zu St. Lazarus ein Kinderspital gegründet. Es war dieß die zweite Anstalt dieser Art in der Monarchie, kurz zuvor war eine in Wien in’s Leben gerufen worden. Das Prager Kinderspital ging in Ermangelung nöthiger Fonds dem unvermeidlichen Verfalle entgegen. Da nahm sich L. desselben an, verdoppelte ihm zu Liebe seine Thätigkeit und schuf unter abwechselnden Kämpfen mit vielen und großen Hindernissen das jetzt als eine Musteranstalt dastehende Franz Joseph-Kinderspital. In einer Biographie L.’s, die im Jahre 1861 im Drucke erschien, heißt es im Hinblick auf ihn und dieses Institut: „Alle seine Ersparnisse – ja wohl noch mehr! – widmete L. vom Jahre 1844 an dem Kinderspitale, führte dem Institute durch seine praktische Thätigkeit immer mehr Freunde zu und schwang dasselbe binnen zehn Jahren (1844 bis 1854) auf den gegenwärtigen Höhenpunct. Das Institut besitzt jetzt ein eigenthümliches, zweckmäßigst instruirtes Haus sammt Garten, eine treffliche Lehranstalt mit 86 wohleingerichteten Betten, pathologischer Anatomie, Chemie und Mikroscopie. Mehr denn 40.000 Gulden C. M. seines, durch eine ausgebreitete ärztliche Praxis gesammelten Vermögens, hat er bis jetzt, nebst Zeit und Mühe, dem Institute gewidmet – ein um so selteneres Liebesopfer, weit L. erst erwerben mußte, was er jährlich zum Besten des Institutes hingab.“ Um annäherungsweise einen Begriff von dem segensvollen Zwecke und dem stetigen Vorwärtsschreiten dieser Anstalt zu geben, mögen dem gedruckten Berichte des Jahres 1858, also des 16. Jahrganges seit dem Bestehen des Kinderspitales, und dem letzterschienenen, des Jahres 1864, mehrere sprechende Zahlen entnommen werden. „Es wurden, heißt es darin, im Jahre 1858 1060 Kranke, also um 90 mehr als im Vorjahre, im Institute selbst behandelt und verpflegt; u. z. 42 Säuglinge, 300 bis zum Ablaufe des 4. Lebensjahres, 333 bis zum 8. und 385 vom 8. bis 14. Jahre. Darunter befanden sich alle Krankheiten und Varietäten derselben, welche das Kindesalter überhaupt treffen, aber die aufgenommenen Individuen oftmals unter solchen Verhältnissen, daß der wahre Menschenfreund nur bekümmerten Herzens an die Behandlung derselben gehen konnte. Und dennoch war der Erfolg ein meistens überraschend günstiger (es genasen 778, wurden gebessert 71, ungeheilt blieben 6 und gestorben sind 122, in Behandlung blieben 83). Das Sterblichkeitsverhältniß war trotz einer intensiven Blattern- und Masernepidemie, einem äußerst häufigen Vorkommen der Entzündung der Luftröhrenäste und der Lungen, sowie Darmkatarrh und Typhus ein relativ günstiges, indem dasselbe nur 11.50% betrug. Die Anzahl der Verpflegstage betrug im genannten Jahre 23.384, mithin um 849 mehr als im Vorjahre. Die Auslagen beliefen sich auf 10.098 fl. 435/10 kr. Das [404] pathologische Cabinet zählt 662 Präparate, die Bibliothek an 1000 Bände. In der Krankenbesuchsanstalt wurden 6111 kranke Kinder behandelt und 715 geimpft. Von den 6111 Kranken wurden geheilt entlassen 5391, gebessert 319, ungeheilt 39, gestorben sind 308 und 54 blieben in Behandlung. Die Sterblichkeit beträgt hier 6 Percent und dieß aus dem sehr einfachen Grunde, weil die schwierigsten Fälle in’s Spital aufgenommen werden. Das Stammvermögen der Anstalt – das um 40.000 fl. angekaufte Spitalsgebäude ungerechnet – erhob sich im Jahre 1858 auf 30.000 fl. in Obligationen und 80 fl. 51/2 kr. in Baarem. Die Jahresbeiträge von 343 Wohlthätern betrugen im Jahre 1858 4921 fl. 35 kr. ö. W., die Verpflegsgebühren 168 fl.; die Interessen vom Stammcapitale, und zwar: a) Zinsen der Krankenbettstiftungen 255 fl. 671/2 kr.; b) Zinsen von Capitalien 1101 fl. 461/2 kr., andere Beiträge: 363 fl. 46 kr., Gesammtsumme 6809 fl. 95 kr. ö. W. Den zur Bestreitung sämmtlicher Erfordernisse im Betrage von 10.098 fl. 431/2 kr. erforderlichen Abgang mit 3288 fl. 48 5/10 fr. hatte Dr. Löschner, wie in den vorigen Jahren so auch in dem Jahre 1858 aus eigenen Mitteln gedeckt. Und bis zum Jahre 1858, also innerhalb 17 Jahren, betrug die Summe der im Kinderspitale seit seinem Bestehen Behandelten 96.397; – die Summe der Auslagen 113.944 fl. 9 kr. C. M.; – die Summe der Beiträge von Wohlthätern 98.616 fl. 50 kr.; – die Summe der von Dr. Löschner geleisteten Beiträge 44.160 fl. Der Jahresbericht für 1864 weist aber nach: 1021 Kranke, welche in der Anstalt verpflegt, 6667 welche ambulatorisch behandelt und 711 welche geimpft wurden. Die Gesammtzahl der seit dem Bestehen des Kinderspitals bis Ende 1864 theils in dem, theils ambulatorisch behandelten Kinder erhebt sich auf 144.719, die der geimpften auf 12.867. Der Vermögensstand des Spitals hat mit Einschluß des Werthes des Spitalsgebäudes und seiner Einrichtung mit Ende December 1854 die Summe von 114.851 fl. 68 kr. betragen. Dazu hat L. selbst durch die regelmäßige Deckung der jährlichen Deficits die Gesammtsumme von 65.844 fl. 40 kr. aus Eigenem beigesteuert. Diese Zahlen sprechen hinreichend. Dabei muß bemerkt werden, daß L. seine werkthätige Hilfe nicht auf das Kinderspital allein beschränkte, sondern daß ihm kein Wohlthätigkeitsinstitut seiner zweiten Vaterstadt fremd blieb. Auch entstand in seiner Vaterstadt Kaaden vorzüglich durch seine Vermittelung und einem persönlichen Unterstützungsbeitrag von 3000 fl. C. M. das St. Josephs-Waisenhaus. In den Jahren 1849 und 1850, in welchen er als Decan des Doctoren-Collegiums fungirte, verwendete er das ganze Einkommen dieser Ehrenstelle zu wohlthätigen Stiftungen für Witwen armer Doctoren und Apotheker. Mit Allerh. Entschließung vom 23. Jänner 1849 wurde L. außerordentlicher Professor an der Prager Hochschule, und lehrte als solcher Balneologie, Geschichte der Medicin, propädeutische Klinik und Pharmakologie; mit Decret vom 4. December 1850 Mitglied der ständigen Medicinal-Commission bei der k. k. Statthalterei; wurde von Seite des Ministeriums im August 1850 zu Vorträgen über Pädiatrik ermächtigt, worauf Ende 1854 die Professur dieses wichtigen Zweiges der Heilkunde begründet wurde. Im Mai 1861 erfolgte – nachdem er schon früher (1. Juni 1859) kais. Rath geworden [405] war – seine Ernennung zum Landes-Medicinalrathe für Böhmen, mit Allerh. Entschließung vom 20. August 1865 zum Ministerial- und Sanitätsreferenten im Staatsministerium und mit Allerh. Cabinetsschreiben vom 31. August d. J. an Dr. von Seeburger’s Stelle zum k. k. ersten Leibarzt, auf welchen Posten er zur Stunde thätig ist. So sehr auch eine so ausgebreitete praktische Thätigkeit ihm wenig Muße übrig läßt zu wissenschaftlichen Facharbeiten, so hat L. doch auch deren geliefert und seine Wissenschaft mit mehreren in Fachzeitschriften gedruckten Abhandlungen und einigen selbstständigen Schriften bereichert. Die von L. selbstständig erschienenen Schriften, die in Kayser’s „Bücherlexikon“ fast sämmtlich fehlen, sind: „Die Wirkungen des Nessenitzer Säuerlings“ (Prag 1846); – „Ueber die Versendung der Karlsbader Quellen“ (ebd. 1844); – „Der Giesshübler Sauerbrunnen in Böhmen“ (ebd. 1845, 5. Auflage 1860); – „Johannesbad im böhmischen Riesengebirge als Kurort“ (ebd. 1859); – „Der Sauerbrunnen zu Bilin in Böhmen, therapeutisch geschildert“ (ebd. 1859, gr. 8°.); – „Schlussbericht über die vom 21. Mai 1849 bis Ende December 1851 in Prag beobachtete Cholera-Epidemie nebst einer Abhandlung: Die Cholera der Kinder. Mit 2 Tabellen und einer lith. und col. Epidemieverlaufskarte“ (Prag 1854, gr. 8°., Karte in Folio); – „Die Wirkungen des Saidschitzer Bitterwassers, theoretisch und praktisch erläutert“ (ebd. 1860); – im Vereine mit Dr. Lambl: „Aus dem Franz Josephs-Kinderspitale in Prag“, I. Theil (ebd. 1860, Tempsky ); – „Die Mineral-Quellen von Königswart, vom physikalisch-chemischen und medicinisch-therapeutischen Standpuncte geschildert“ (ebd. 1865); – „Ueber die progressive Algidität (algiditè progressive), das Sklerem und die sogenannte Greisenhaftigkeit (décrépitude infantile) der Kinder“ (Wien, 8°.). Ungleich größer aber ist die Zahl der in Fachblättern erschienenen Arbeiten L.’s, von denen hier nur eine Uebersicht der wichtigeren folgt: in Weitenweber’s „Neuen Beiträgen“ von 1840–1844: „Ueber Perityphilitis“; – „Ueber Pancreatitis“; – „Ueber Angina follicularis“; – „Ueber acute Exantheme“; – „Ueber die Mängel unserer Therapie“, außerdem mehrere Kritiken über medicinische Werke; – in der Prager medicinischen Vierteljahrschrift: „Ueber Elektromagnetismus“ (1844); – „Ueber den Scharlach“ (1845); – „Der Typhus der Kinder“ (1846); – „Ueber Karlsbad“ (1847); – „Ueber den Keuchhusten“ (1848); – „Beiträge zur Balneologie“ (1847); – „Beobachtungen aus dem Franz Josephs-Kinderspitale“; – „Ueber Variola haemorrhagica“ (1856 und 1857); überhaupt hat L. in der „Vierteljahrsschrift“ seine literarische Thätigkeit concentrirt, sein energisches Eingreifen die Herausgabe dieses, im Auslande sehr geschätzten Fachblattes verwirklicht, ferner hat er darin die Bearbeitung der „Analekten“ besorgt und über alles, was einigermaßen in der medizinischen Literatur Bedeutung hatte, die Recensionen geschrieben; – in Canstatt’s „Jahresberichten“ lieferte er die Referate über Kinderkrankheiten und Heilquellenlehre vom Jahre 1849 an bis in die letzten Jahre; – in Spengler’s „Balneologischer Zeitung“ die „Abhandlungen über das Wuritzer Bitterwasser“ und „Ueber die brunnenärztlichen Verhältnisse Böhmens in den Jahren 1855 und 1856“; – in Behrend’s und Hildenbrand’s „Journal für Kinderkrankheiten“ 1856: „Ueber den Einfluß der meteorologischen Verhältnisse auf Kinderkrankheiten“; – in der Charitas [406] für 1860: „Ueber das Selbststillen der Mütter“; in derselben für 1861: „Zur Impfung“, Löschner gibt in diesem Aufsatze sein Votum ab über die Vaccination, als Einer von den im Jahre 1856 von Board of health in England befragten Sachverständigen, und erledigt die Frage: ob die Vaccination andere Krankheitsprocesse herbeiführe? verneinend. In Vorstehendem ist nur im Allgemeinsten eine Uebersicht der segensvollen und großartigen Thätigkeit L.’s gegeben worden. Holtei in seinem „Sendschreiben an Gutzkow“, welches in den „Unterhaltungen am häuslichen Herd“ (1856, Nr. 48) abgedruckt steht, feiert in begeisterter Weise diesen Menschen-, diesen Kinderfreund. Daß einem solchen Manne von höchstem Orte Auszeichnungen, von Seite der Wissenschaft Huldigungen geworden, versteht sich wohl von selbst. Im Jahre 1850 wurde L. mit dem Ritterkreuze des Franz Joseph-Ordens ausgezeichnet, seit 1853 ist er consultirender Leibarzt Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand, seit 1848 Ehrenbürger von Prag und seiner Geburtsstadt Kaaden und dann wurde L. zum Ehren- und wirklichen Mitgliede vieler gelehrten Gesellschaften und Humanitätsanstalten gewählt und bei der 36. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Karlsbad (1860) führte er den Vorsitz. L. ist unvermält, „er heirathet nicht, wie Holtei schreibt, weil er durch nichts vom Hauptzwecke seines Lebens und Strebens abgezogen werden will“.

Medau’s National-Kalender (Prag, 4°.) 1861, S. 93: „Gallerie berühmter Männer“ [erste authentische Biographie L.’s, von Dr. Legis-Glückselig]. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 242, im Feuilleton. – Erinnerungen (Prager Unterhaltungsblatt, 4°.) Jahrg. 1856, Decemberheft, S. 370: „Für das kranke Kind“ [mit einer Biographie und dem Bildnisse des Dr. Löschner]. – Unterhaltungen am häuslichen Herd. Herausgegeben von Karl Gutzkow (Leipzig, schm. 4°.) Neue Folge, I. Bd. (1856), Nr. 48: „Das Kinderspital in Prag“. Von Karl Holtei [mit Nachrichten über Löschner’s humanistische Wirksamkeit). – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. IV, S. 1363. – Bohemia (Prager Blatt, 4°.) 1861, Nr. 123, S. 1161. – Gratzer Telegraf, Anzeigeblatt für Handel u. s. w.. 1856, Nr. 130. – Porträte. 1) Unterschrift. Facsimile des Namenszuges: Dr. Löschner. Nach der Natur gez., lith. u. herausg. von J. Zumsande. J. Rauch’s lithogr. Kunstanstalt in Wien (Halb-Fol.); – 2) zugleich mit Dr. Ludwig Mauthner auf einem Blatte. Zwei Porträt-Medaillons. Unter jenem Löschner’s steht: Med. Dr. Josef W. Löschner in Prag (Holzschnitt). – Büste. Der Prager Bildhauer Emanuel Max hat Löschner’s kolossale Büste modellirt.