BLKÖ:Klauzál, Gabriel

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Klauzál, Emerich
Band: 12 (1864), ab Seite: 24. (Quelle)
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Klauzál, Gabriel (ungarischer Deputirter, geb. zu Pesth 18. November 1804). Officierssohn, Bruder des Emerich [s. d. Vorigen]. Machte seine Studien in Pesth und während sein Bruder sich auf praktische Landwirthschaft verlegte und namentlich mit der Schafzucht günstige Erfolge erzielte, trieb Gabriel national-ökonomische Studien und machte sich frühzeitig bei Comitatswahlen und Candidaturen für das ungarische Abgeordnetenhaus bemerkbar. Von dem Csongrader Comitate in den Landtag des Jahres 1843 gewählt, wurde er, da Deak auf diesem Landtage nicht erschienen war, an dessen Stelle der Führer der Opposition, als welcher er eine tact- und maßvolle Haltung behauptete. Der geistreiche Verfasser der „Neuen Croquis aus Ungarn“ schreibt damals über ihn: „Klauzál besitzt nicht das Genie Deak’s, er macht keine Ansprüche ein ungarischer Moses zu sein, er hat aber den rechtlichen biederen Charakter Deak’s, er hat dessen Loyalität, dessen Bescheidenheit ....., er ist eine edle Erscheinung, die immer eine schöne Stelle in jedem constitutionellen Lande einnehmen würde“. Diese Ansicht über ihn war die herrschende, als die Märztage über Ungarn hereinbrachen. In das erste Ministerium, welches Ludwig Graf Batthyány gebildet (er selbst Premier, Széchényi Communicationen, Eßterházy Aeußeres, Eötvös Cultus, Szemere Inneres, Deak Justiz), trat K. als Minister des Handels, der Industrie und des Ackerbaues und bekleidete somit einen Posten, der in jenen stürmischen Tagen völlig überflüssig war und dessen Vertreter als solcher zu einer eigentlichen Wirksamkeit gar nicht gelangen konnte. Er war sparsam mit Reden; als Nationalökonom hatte er ausgerechnet, daß in der Reichsversammlung zu Frankfurt a. M. jedes im Sommer 1848 gesprochene unnütze Wort dem deutschen Volke dreißig und sieben Kreuzer gekostet habe. Von der Ministerbank sprach er nur einige Male und zwar in den Debatten über das Elementarschulgesetz, bezüglich der Branntweinsteuer, in der Zollfrage und anläßlich der Postreform. Mit dem Sturze des ersten Ministeriums fiel natürlich auch K. und verschwand von dieser Zeit an von dem Schauplatze des öffentlichen Lebens. Erst im Jahre 1861 tritt er wieder in den Vordergrund, als er im Wahlbezirke Szegedin in das ungarische Abgeordnetenhaus gewählt wurde. In demselben sprach er in der denkwürdigen Debatte, ob die Rückantwort an den König in Form eines Beschlusses oder einer Adresse zu erstatten sei [man vergleiche über diesen Gegenstand die Biographie des Paul Jámbor im Bde. X, S. 60], in der 27. Sitzung des Repräsentantenhauses (am 22 Mai 1861), für die Adresse. Mit tüchtiger parlamentarischer Befähigung verbindet [25] K. ein nicht gewöhnliches Wissen, eine bedeutende, dabei höchst originelle Rednergabe. Zu einer wirklich ersprießlichen Wirksamkeit würde er aber nur in den Tagen goldenen Friedens gelangen können, denn er ist kein Schreier, um zu prunken und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, er ist ein Redner, der für Alles was er spricht, bereits die That in’s Auge gefaßt hat, er ist ein Mann der vollendeten Praxis, der eben zugleich ein tüchtiger Redner ist.

Der Ungar. Herausgegeben von Hermann Klein (Pesth, 4°.) I. Jahrg. (1842), Nr. 32: „Oeffentliche Charaktere Ungarns. II. Gabriel Klauzal“. – Ungarns politische Charaktere Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 152. – Zur Geschichte des ungarischen Freiheitskampfes. Authentische Berichte (Leipzig 1851, Arnold, 8°.) Bd. I, 6. 107. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. I, S. 250. – Gallerie denkwürdiger Persönlichkeiten der Gegenwart. Nach Originalzeichnungen, Gemälden, Statuen und Medaillen (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) Bd. II, Sp. 49. – Neue Croquis aus Ungarn (Leipzig 1844, Hirschfeld, kl. 8°.) Bd. II, S. 247–251. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Carl Osterlamm, 8°.) Bd. I, S. 280. – Verhandlungen des österreichischen Reichstages 1848 (Wien, Staatsdruckerei, 4°.) Bd. II, S. 646. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. Neues ungarisches Conversations-Lexikon (Pesth, Heckenast, 8°.) Bd. V, S. 107. – Porträt. Lithographie in der ungarischen illustrirten Zeitung: „Az ország tükre“ 1863, Nr. 5. – Klauzál’s politischer Standpunct. Dieser ist mit Ruhe und Klarheit in seiner Rede ausgesprochen, mit welcher er Deak’s Antrag, an den König eine Adresse zu richten, unterstützt. Die Hauptmomente seiner Rede sind: Als Ursache der dem Lande Ungarn seit 1527 zugefügten Rechtsverletzungen erblickt er nicht die Individualität der einzelnen Fürsten, sondern findet sie nur in dem unbeschränkten Regierungssysteme, und in denjenigen, welche dem Throne zunächst, um nichts von ihrer Macht aufzugeben, diesen Absolutismus mit allen erdenklichen Mitteln stützen. Die an den Besiegten vollstreckten Urtheile finde er nicht nur tiefbedauerlich, sondern völlig rechtswidrig und Ungarns Geschichte biete in ähnlichem Falle ein anderes Beispiel dar. Als im Jahre 1670 unter Kaiser Leopold I. anläßlich der traurigen Ereignisse in Wien und Wiener-Neustadt auch gerichtlich eingeschritten wurde, ließ die kaiserliche Regierung die Sache im Auslande durch Rechtsgelehrte prüfen, durch diese ein Urtheil fällen und noch darüber das Gutachten einiger Universitäten einholen. Jetzt aber wurden von Militärgerichten, denen alle Kenntniß des Privat- und öffentlichen Rechtes gebricht, die Urtheile gefällt. – In allen übrigen Erörterungen behandelt er nur volkswirthschaftliche, das Verhältniß Oesterreichs und Ungarns betreffende Fragen, als die Vernichtung der 64 Millionen ungarischer Banknoten; den Verkauf der Eisenbahnen an Fremde, wodurch der größte Theil der Erträgnisse dieser Bahnen nach dem Auslande fließt, von wo deren Rückfluß kaum jemals gehofft werden kann; die österreichischen Handelsverträge; die in Ungarn eingeführten Arten indirecter Steuern; ferner die im Lande zu ungeheuerer Höhe gesteigerten direkten Steuern; über alle diese Puncte spricht K. ohne Leidenschaftlichkeit mit der vollen Sach- und Fachkenntniß des Mannes, dessen vorangegangenes Leben volkswirthschaftlichen Studien gewidmet war. – Zum Schlusse spricht er die Ansicht aus, die Ungarn können, ohne auf ihre gesetzliche Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu verzichten, an dem durch das Patent vom 26. Februar gebildeten Reichsrathe nicht theilnehmen. Was die Abdication des Königs Ferdinand V. betrifft, so ist wohl dieselbe nicht in gesetzlicher Form erfolgt, jedoch wäre Se. Majestät zu bitten, diesen Formfehler gut zu machen. Aus dem Umstande aber, daß nach der Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph der Landtag in der Frist von längstens sechs Monaten nicht zusammenberufen worden, die Folgerung zu ziehen, daß die Nation dasjenige, was sie verlange, statt in Form einer Adresse, in jener eines Beschlusses ausspreche, gegen einen solchen Vorgang weise die Geschichte selbst Beispiele auf. In der pragmatischen Sanction erkenne er einen zweiseitigen, beide Theile, König und Nation gleichmäßig bindenden Vertrag, den auch die geschehene Eroberung des im Kampfe besiegten Landes nicht zu alteriren im Stande sei.