BLKÖ:Hergott, Franz Jacob

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 8 (1862), ab Seite: 365. (Quelle)
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Herrgott[BN 1], Franz Jacob (Geschichtschreiber, geb. zu Freiburg im Breisgau 9. October 1694, gest. zu Krotzingen 9. October 1762). Als sein Taufname ist hie und da auch Johann Jacob angegeben, jedoch wird auf diese Verschiedenheit weiter kein Gewicht gelegt, da er gewöhnlich nach seinem Klosternamen Marquard benannt wird. Seine ersten Studien machte er zu Freiburg, später zu Straßburg, wo er bereits mit 15 Jahren die gewöhnlichen Studien beendet und eine Lehrerstelle angenommen hatte. Mit seinen Zöglingen brachte er dann 2 Jahre in Paris zu. Aus Neigung für gelehrte Studien schien er in das seines wissenschaftlichen Wirkens berühmte Stift St. Blasien im Schwarzwalde eingetreten zu sein. in welchem er 1715 Profeß ablegte. Noch als Novize hatte er die Aufmerksamkeit des Abtes Blasius auf sich gezogen, der ihn vorerst in das deutsche Collegium zu St. Apollonaris nach Rom schickte, wo er am 17. December 1718 die heiligen Weihen erhielt. Nach seiner Rückkehr entsendete ihn aber der Abt zur weiteren Ausbildung nach Paris in die gelehrte Anstalt der Benedictiner zu St. Germain, wo ein d’Achery und Mabillon ruhmvoll wirkten. Mit der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit ausdauernden Quellenstudiums für die Geschichte, mit dem Triebe zu unbefangener und rastloser Forschung und mit jener Gewandtheit im Umgange mit Menschen, worin der Franzose eher als mit anderen Nichtigkeiten dem Deutschen als Vorbild dienen sollte, mit diesen drei für seine Zukunft entscheidenden Gastgeschenken ausgestattet, kehrte H. aus der Congregation des h. Maurus nach St. Blasien zurück. Dasselbe Wohlwollen, welches Abt Blasius für H. hegte, übertrug der neue Abt Franz II. auf ihn, ernannte ihn zu seinem Hofcaplan, später zum Bibliothekar und Großkellermeister, wodurch er zu den Würdenträgern des Stiftes und als Hofcaplan zu dessen diplomatischem Personale zählte, da er als letzterer immer um die Person des Fürstabtes weilte. Im Jahre 1728 wurde ihm die selbstständige diplomatische Mission übertragen, die breisgauischen Stände am kaiserlichen Hofe in Wien zu vertreten. Durch 20 Jahre, bis 1748, versah er seinen Posten, bis die Stände, die er vertrat, über die Angelegenheit der Steuerausgleichung zerfielen, und Herrgott[BN 1], welcher die Interessen der Klöster zu warm vertrat, in Ungnade bei der kaiserlichen Regierung fiel, welche sofort seine Zurückberufung betrieb. Aber noch früher, 1736, hatte ihm der Kaiser den Titel eines wirklichen Rathes und Hofhistoriographen und einen reichlichen Gehalt verliehen, an dessen Stelle später die Pension von 4000 fl. trat. Nach seiner Abberufung vom Wiener Posten hatte er von seinem Abte die Vergünstigung erhalten, Zeitlebens die Statthalterei im Breisgau und die Propstei in Krotzingen bekleiden zu dürfen. Indem er sich das Propsteigebäude nach seinem Geschmacke als Tusculum für sich, als gastliches Haus für Freunde und Bekannte eingerichtet und ausgeschmückt, lebte er daselbst von 1750 bis an seinen 12 Jahre später erfolgten Tod, die Zeit zwischen Oekonomie, Bienenzucht, Maulbeerpflanzungen und historischen Forschungen theilend. Diese letzteren eben sind es, die seinem Namen das gebührende Andenken sichern und ihn in die Reihe Habsburgischer Geschichtschreiber stellen, unter denen er durch die nüchterne, besonnene und freimüthige Weise seiner Forschungen eine große Rolle spielt. Von einzelnen Zeitgenossen [366] verlästert und herabgesetzt, hoben ihn aber diese schon und die Nachwelt auf jene Höhe, die ihm gebührte, und bilden seine Arbeiten noch heute die allererste Grundlage zu allen künftigen Forschungen über die Habsburger von ihrem Ursprünge bis zum Erlöschen der spanischen Linie mit Karl II. (1700). Das erste Werk, welches H. herausgab ist: „Vetus disciplina monastica, seu collectio auctorum ordinis S. Benedicti, maximam in partem ineditorum qui de monastica disciplina tractarunt“ (Paris 1726, 4°.); er hatte dasselbe während eines Aufenthaltes in Paris, mit Benützung der in den dortigen Klosterarchiven aufbewahrten Handschriften vollendet. Während seiner diplomatischen Sendung in Wien gedieh sein Plan, die bis dahin verfälschte und im Dunkel liegende Geschichte des Hauses Habsburg aus Urkunden gründlich zu bearbeiten, zur Reife. Und Kaiser Karl VI. wie nach ihm seine Tochter, die große Maria Theresia, förderten H.’s Vorhaben; alle Archive wurden ihm geöffnet und durch Beauftragte in der Schweiz mit großer Sorgfalt genaue Abschriften der Urkunden verfertigt. Mit diesem Schatze von Urkunden und anderen Alterthümern, hellte er dunkle und verwirrte Puncte in der Habsburgischen Geschichte auf und legte das Ergebniß seiner gediegenen Forschungen nieder in dem Werke: „Genealogia diplomatica Augustae gentis Habsburgicae ... Tomi duo“, [der 2. Bd. in 2 Theilen] (Vienna 1737, Fol.), deren erster Band die geographischen und historisch genealogischen Untersuchungen, der zweite aber den Codex probationum mit 954 Urkunden vom Jahre 744 an bis 1471 und mit vielen K. K. enthält [Ebert, Bibl. Lex., Nr. 9469]. Dreizehn Jahre später trat er mit der Fortsetzung seiner Forschungen auf, in dem Werke: „Monumenta Aug. Domus Austriacae in quinque Tomos divisa. Tomus I. Sigilla vetera et insignia tum antiqua tum recentiora varii generis complectitur, quibus usi sunt Marchiones, Duces, Archiducesque Austriae“ (Viennae 1750, Fol.); dieser Band enthält die Siegel und Insignien der Babenberger von Ernestus I. an, im 11. Jahrhunderte, und dann der Habsburger, alle durch sorgfältig ausgeführte Kupfer veranschaulicht und urkundenmäßig erläutert. Der zweite Band in zwei Theilen enthält die „Nummotheca principum Austriae, quae a prima aetate, qua in Austria cusa fuit moneta, sub Babenbergicae stirpis Marchionibus adusque Habsburgicae gentis principes lineae Hispano-Austriacae hujusque masculum ultimum Carolum II. Regum Hispaniae nummos etc. deducit“ (Friburgi Brisgoviae 1752 et 1753, Fol., mit 92 K. K.); in der Vollendung dieses zweiten Bandes, wie der noch folgenden unterstützte ihn nunmehr auch sein gelehrter Klosterbruder Rustenus Heer, dessen bereits [S. 197 d. Bds.] Erwähnung geschehen. Der dritte, wieder aus zwei Theilen bestehende Band enthält die „Pinacotheca principum Austriae, in qua Marchionum, Ducum, Archiducumque Austriae utriusque sexus Simulacra, Statuae, Anaglypha, caeteraque sculpta caelata pictave Monumenta tabulis aenaeis referuntur et commentariis illustrantur“ (Frib. Brisg. 1760, Fol., mit 112 K. K.). Der vierte bereits vollendete Theil ging im Brande zu Grunde, welcher im Jahre 1768 das Stift St. Blasien verzehrte. Herrgott[BN 1] erlebte glücklicher Weise dieses Unglück nicht mehr, hingegen sein Mitarbeiter [367] Heer, der ein Jahr nach dem Brande starb. Da unterzog sich der gelehrte Fürstabt Martin Gerbert [s. d. Bd. V, S. 149] der erneuerten Bearbeitung des vierten Bandes, welcher gleichfalls in zwei Theilen unt. d. Tit. „Taphographia Principum Austriae“ (St. Blasii 1772, Fol.), erschien. Nach Herrgott’s[BN 1] Plane sollte ein fünfter Band unt. d. Titel: „Inscriptiones augustae domus Austriacae ex templis, foris, palatiis, sepulcris, cryptis, signis aeneis, saxeis aliisque monumentis nec non scriptoribus fide dignis ubivis fere gentium collectae“, den Schluß des Werkes bilden; jedoch wurde dasselbe nie ausgearbeitet, und wäre vielleicht die Herstellung dieses 5. Bandes die Aufgabe der kais. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, auf welche um so mehr hingewiesen werden darf, als dieses Institut während einer verhältnißmäßig kurzen Dauer Proben der Tüchtigkeit und Zweckdienlichkeit abgelegt hat, die gewiß jeden Freund vaterländischer Denkmale, wie überhaupt jeden Förderer der Geschichte befriedigen werden. Herrgott’s[BN 1] Werk mit seinem Reichthum urkundlicher Quellen und mit einer typographischen Pracht, wovon die genealogische Forschung bis dahin keinen Begriff gehabt hatte, machte um so mehr Aufsehen bei seinen Zeitgenossen, als man so wie Fickler bemerkt „bislang in höchst genügsamer Weise gewöhnt gewesen Rüxner’s Turnierbuch und dergleichen Waare als historische Quellen anzusehen und auf grauem Löschpapier den „Lustre“ dieses oder jenes Geschlechts auf den Brand von Troja oder wenigstens auf Attila zurückzuführen“. H., dem sein gelehrter Ordensbruder und Mitarbeiter in Krotzingen, R. Heer, die Augen zudrückte, starb an seinem Geburtstage im Alter von 68 Jahren.

Herrgott[BN 1] erscheint bald mit Einem, bald mit zwei r; ferner, ehe er seinen Klosternamen Marquard angenommen, nach welchem er mehrtheils benannt wird, bald als Franz Jacob, bald als Johann Jacob; es wird hier die Schreibung und Angabe Fickler’s, als auf den neuesten Forschungen beruhend, angenommen. – Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst. Beilage der (amtlichen) Wiener Zeitung, 1854, S. 267: „Zwei Habsburgische Denkmäler und zwei Habsburgische Geschichtschreiber. P. Herrgott[BN 1] und P. Kopp“, von Fickler aus Mannheim [nach diesen und nach Bergmann heißt er Franz Jacob]. – Bergmann (Joseph), Pflege der Numismatik in Oesterreich im XVIII. Jahrhundert (Wien 1856, Staatsdruckerei, 8°.) S. 15 [auch in den Sitzungsberichten der philos. histor. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften, Bd. XIX]. – Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, II. Sect. 7. Theil, S. 19, von Escher [nennt ihn auch Johann Jacob Herrgott]. – Meusel (J. G.), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1805, Gerh. Fleischer jun., 8°.) Bd. V, S. 410 [nach diesem heißt er Johann Jacob und ist geb. 9. October 1693]. – Bader (J.), Das badische Land und Volk (Freiburg 1853, 8°.). Der erste Theil dieses Werkes enthält mehrere Beiträge zu H.’s Biographie. – Beyträge zu der Erlang. gel. Zeitung 1764, S. 431 u. f. – Frankfurter gelehrte Zeitung 1764, Stück 45. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 563. – Neues gelehrtes Europa, 20. Theil, S. 1076. – Saxii Onomasticon litterarium P. VI, S. 540. – Denkmal. In der Kapelle der ehemaligen St. Blasien’schen Propstei Krotzingen – zur Zeit Besitzthum des Freiherrn von Röder – befindet sich vor dem Altare eine Steinplatte mit folgender Inschrift: D.O.M. | Et | Aeternae Memoriae | Pl. R. D. P. Marquadi. Hergott | Cels. Ac. Rev. Principi. Ac. Abbati | S. Blasii In. Silva. Nigra | A. Secretioribus. Consiliis | Vices. Gerens Huiusque. Loci. Praepositus | S. C. R. Et. Apostol. Maiestati | A Consiliis Et Historia | Satis Est | Ejus Enim Laudes | Hoc Saxum Non Capit | Vixit Annis LXVIII | [368] Obiit A. D. MDCCLXII IX Oct. | Ipso Suo Die Natali | R. J. P. – Als Mensch war H. fein in seinen Manieren und in heiterer Lebensanschauung, die einen Grundzug seines Charakters bildete, freigebig in vielleicht zu sorgloser Weise. Sein beträchtliches Einkommen verwendete er überdieß zur Ausstattung der „Monumenta“, für die er außer seiner ganzen Pension noch über 7000 fl. von eigenem Vermögen zugesetzt. Die Herstellung der Propstei in Krotzingen, wie auch die Ausschmückung der Capelle, in welcher seine irdische Hülle ruht, bestritt er aus eigenen Mitteln. Wie freigebig er war, dafür gibt folgender Vorfall, den Bader erzählt, einen kleinen Beleg. Auf einer Reise durch Basel stieg H. im Gasthofe zu den drei Königen ab, dessen Wirth ihm bei der Abreise eine Zeche von 500 fl. machte. H., über die Höhe dieser Summe erstaunt, ließ sich die Rechnung postenweis darstellen, worauf sich eine bei weitem geringere Summe ergab. Als nun H. gegen den Wirth über die Summe von 500 fl. sein Staunen ausdrückte, erwiederte ihm der Wirth: „Hochwürden Herr Statthalter, es haben, seit ich auf diesem Hause bin, so viele geistliche Herren aller Orden bei mir eingekehrt und mich mit der Zeche immer an den „lieben Herrgott“ gewiesen, daß ich sie jetzt als den Verheißenen festhalte“. Herrgott[BN 1] lachte herzlich über diesen Einfall und – ließ dem Wirthe die 500 fl. ausbezahlen.

Berichtigungen und Nachträge

  1. a b c d e f g h Seite 365 ist statt Herrgott (mit zwei r) überall Hergott mit einem r, sowohl im Schlagworte als im Texte, zu setzen. [Band 8, S. 469]