BLKÖ:Dessewffy von Czernek und Tárkö, Aurel Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Dessauer, Joseph
Band: 3 (1858), ab Seite: 257. (Quelle)
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Dessewffy von Czernek und Tárkö, Aurel Graf (ungarischer Landtags-Deputirter und Publicist, geb. zu Nagy-Mihály im Zempliner Comitat 27. Juli 1808, gest. zu Pesth 9. Febr. 1842). Sohn des Grafen Joseph (s. d. S. 261). Seinen ersten Unterricht genoß er von Privatlehrern, die in dem Knaben unter Aufsicht des Vaters frühzeitig die Liebe zu den classischen Studien und zum Vaterlande erweckten. Als er 1823–1825 auf der Kaschauer Akademie die Philosophie studirte, standen ihm außer seinem Vater noch zwei Gelehrte zur Seite; der Eine von diesen war Kazinczy. Als im J. 1825 die „Felsőmagyarországi Minerva“, d. i. Minerva Oberungarns, unter Redaction des Michael Dulházy zu erscheinen begann, schrieb D. für dieses Blatt ästhetische Abhandlungen nach Blaire, Sulzer und Bouterweck und Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen. Ende des Jahres 1825 begleitete er seinen Vater, der zum Abgeordneten des Szabolczer Comitates erwählt wurde, auf den Landtag nach Preßburg, wo er mit dem Wesen des Constitutionalismus bekannt wurde. Anfangs März 1826 kehrte er nach Kaschau zurück und beendigte die juridischen Studien. Nach Vollendung derselben wurde er in Wien bei der politischen Section der ungarischen Hofkanzlei als Concipist angestellt. Hier gewann er praktische Kenntnisse, bekam aber die mechanische Beschäftigung bald satt und warf sich mit aller Leidenschaft seines feurigen Temperamentes in den Strudel der Genüsse. Im J. 1830 folgte er dem Kanzler, Grafen Revicki, auf den Reichstag, auf welchem er das Journal für den König führte. In den Nächten lebte er dem Vergnügen, bei Tag stand er stets auf seinem amtlichen Posten, schrieb publicistische Artikel in verschiedenen Sprachen, namentlich in der englischen, für die „Edinburgh Review“. 1832 kam er als Statthalterei-Secretär nach Ofen. Um diese Zeit trat er als Bewerber für eine Deputirtenstelle des Zempliner Comitates auf und kam mit Kossuth zusammen, mit dem er zehn Jahre später in Journalen und Pesther Comitats-Versammlungen leidenschaftliche Kämpfe führte. Im J. 1833 wirkte er an der Spitze einer kleinen Fraction von Magnaten in Religionssachen und suchte den Mittelweg zwischen blindem Glaubenseifer und Indifferentismus zu finden. Während dieser Zeit seiner politischen Wirksamkeit [258] (1832/36) nahm D. Theil an den Versammlungen der kön. ungar. gelehrten Gesellschaft, schrieb für französische Journale und den „Jelenkor“ und wirkte als Mitglied der Commission des ungar. Nationaltheaters. Jetzt erschien auch seine Schrift: „Magyar nyelv ’s előkelőink nevelési rendszere“, d. i. Die ungarische Sprache und die Erziehungsmethode unseres Adels (Pesth 1839). Die furchtbare Ueberschwemmung des J. 1838 bot D. glänzende Gelegenheit seinen humanitären Eifer zu beweisen. Für den Landtag 1839/40 trat er in Sáros und Zemplin als Candidat auf, ohne jedoch seine Wahl durchzusetzen. Da er bei der Ständetafel nicht ankommen konnte, ging er zur Magnatentafel. Jetzt verfaßte er die Schrift über die Aussichten des nächsten Reichstages, über den Stand der Parteien und die Aufgabe der Regierung in diesen Wirren. Seine Ernennung zum Statthaltereirath und Berufung in den Landtag waren die Folge davon. Im Landtage war er der glänzende Redner der conservativen Magnaten-Partei, gewann mit jedem Tage mehr Einfluß und bot denselben auf, um die Verständigung der Regierung mit der Nation, dem Ober- und Unterhause wieder herzustellen. Für seine auf diesem Reichstage erworbenen Verdienste schickte ihn die Regierung, gleichsam zur Belohnung, auf Reisen in’s Ausland, um zur Ausarbeitung des Strafgesetzbuches, welches für den nächsten Landtag projectirt war, an Ort und Stelle die entsprechenden Daten zu sammeln. Während seiner Abwesenheit hatte Kossuth (1. Jän. 1841) den „Pesti Hirlap“ begründet und damit ein Organ geschaffen, das damals bereits gefährlich zu werden drohte. D., rückgekehrt von seiner Reise, stellte ihm die Zeitschrift: „Világ“, d. i. Licht, als Organ seiner Partei entgegen. Seine darin enthaltenen Artikel erschienen später gesammelt unter dem Titel: „XYZ-könyv“, d. i. XYZ-Buch (Pesth 1842). Der Kampf dieser beiden Parteien, worin D. eine seltene Mäßigung, begleitet von Gründlichkeit und Wissenschaftlichkeit, den dialectischen Kunstgriffen Kossuths entgegenstellte, wird als die Blütezeit des magyarischen Parlamentarismus bezeichnet. Um diese Zeit trat D. mit der Kritik der Flugschrift Széchényi’s: „Kelet népe“, d. i. Das Volk des Ostens, auf, auf welche auch Joseph Baron Eötvös und Ludwig Kossuth antworteten. D.’s Kritik fand durch ihre Präcision, logische Scharfe und staatsmännische über die Verwirrung der Parteien sich erhebende Auffassung allgemeinen Beifall. Die Aufregungen dieser Epoche blieben aber nicht ohne Rückwirkung auf seinen Körper. Seine Nerven waren geschwächt und D. verfiel in ein Fieber; als er sich aber besser fühlte, erschien er gegen den Rath seines Arztes wieder in den Comitatsversammlungen. Nach einem heftigen Conflicte mit Kossuth verfiel er neuerdings in das Fieber, das sein Leben im hoffnungsvollen Alter von 34 Jahren endete. D. war einer der genialsten Köpfe seiner Nation. Seine Schrift über das Erziehungswesen des ungar. Adels ist meisterhaft; mit ächt ungarischen Gesinnungen verband er staatsmännische Talente, eine ausgezeichnete Rednergabe und in allen seinen Handlungen zeigt sich ein hochsinniger edler Charakter.

Erscheint in verschiedener Schreibweise, als: Desewffy, Desseoffy, Dezsöfy. – Koszorú gróf Desewffy Aurél emlékének Tüzék tisztelöi és baráti, d. i. Ein Kranz zum Andenken an den Grafen Aurel Desewffy. Gewunden von seinen Verehrern u. Freunden (Pesth 1857, Landerer u. Heckenast, 4°.). Es enthält Aurels Charakteristik, von Graf Emil Desewffy; Aurels Schrift: Die Erziehungsmethode unserer Vornehmen und Grundsätze. Von Graf Aurel Desewffy. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungar. Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jakob Ferenczy und [259] Josef Danielik (Pesth 1856, Gustav Emich) S. 102 [daselbst ist irrig 1843 als sein Todesjahr angegeben]. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. ungar. Conversations-Lexikon (Pesth 1850, Heckenast) II. Bd. S. 366–373. – Magyar irók arczképei ’s életrajzai, d. i. Porträts und Lebensbeschreibungen ungarischer Schriftsteller (Pesth 1857, Heckenast, kl. 4°.) I. Heft, S. 23 [daselbst sein Porträt in Holzschnitt]. – Csengery (Anton), Ungarns Redner und Staatsmänner (Leipzig u. Wien 1852, Manz) I. Bd. S. 211. – Der Ungar (ein Pesther Blatt), redigirt von Herm. Klein. I. Jahrg. 1842, Nr. 35: „Aurel Graf Dessewffy todt“, von Gustav Remellay. – Ebenda Nr. 37: „Testament des Grafen Aurel Dessewffy.“ – Ebenda Nr. 49: Uebersetzung eines an seine Mutter gerichteten Schreibens, welches er vierzehn Tage vor seinem Tode geschrieben, als Antwort auf ihre Warnung, sich nicht ganz aufzureiben im geistigen Kampfe. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1842, Bibl. Inst., Lex. 8°.) XIII. Bd. S. 1240 (im Artikel „Kossuth“) und XVIII. Bd. S. 115 (im Artikel „Ungarn“). – (Kneschke Ernst Heinrich Prof.) Deutsche Grafenhäuser der Gegenwart (Leipzig 1852, Weigel, 8°.) I. Bd. S. 80. – Porträt. Unterschrift: Facsimile des Namens: Desewffy Aurel Barabas pinx. J. Passini sc. (Befindet sich bei dem bereits genannten Werke: „Koszorú gróf Desewffy Aurél emlékének“ etc. als Titelbild.) – Dessewffy’s Charakteristik von Ladislaus Szalay: „D. war lebhaft, beweglich, von kleiner Gestalt, seine Rede war hitzig, aber nie höhnisch, den Gegner stets an seiner schwachen Seite treffend; doch pflegte er nie die Waffe in der Wunde desselben umzukehren; er war französischer als die Franzosen, freundlich, heiter, als ob die Welt das Buch seines Lebens nicht mit bedeutungsvollen Lettern, nicht mit so vielen Täuschungen vollgeschrieben hätte – – aber wenn auch nur ein Tropfen des sympathischen Mittels das Blatt bewegte, gewahrte man sogleich den Zauber des Mitgefühls in seinem edlen Gemüthe. So war er in Gesellschaft.“ – Sein größter politischer Gegner Kossuth begleitete im „Pesti Hirlap“ die Todesnachricht D.’s mit folgenden Worten: „Welcher Verstand, welcher Wille, welche Vollkraft! welch’ glühendes Gefühl, welche Hoffnungen und welch’ glänzende Zukunft waren nicht an diesen Namen geknüpft – ein Fieber von wenig Tagen und Alles ist zu Ende!“ – Dessewffy’s Testament. „Ofen am 1. Jänner 1836. In Anbetracht, daß wir Alle sterblich sind und der Tod mit gleicher Strenge gegen Jung und Alt verfährt, hielt ich es für nothwendig, meine letzte Verfügung zu treffen, was durch gegenwärtige Zeilen mit dem Vorsatze geschieht, mein Testament am ersten Tage jedes Jahres zu erneuern. Mein frühes Ende bedauere ich nur darum, weil es mir die Möglichkeit benimmt, den Erwartungen meines Vaterlandes, meiner Eltern und Gönner entsprechen zu können. Abgesehen davon, scheide ich leicht vom Leben, das mir, vielleicht durch eigenes Verschulden, nur wenig Freude und viel des bitteren Weh’s geboten. Meinen Freunden danke ich für ihr Wohlwollen, meinen Feinden vergebe ich und thue hiermit Abbitte denen, die ich gekränkt. Mein Andenken empfehle ich der Gunst meiner Eltern und Freunde; mögen sie nie ungerecht gegen meine Asche sein. Mein Herz glühte für sie, für die Menschheit und das Vaterland. Meinen Willen, hinsichtlich meiner geringen Hinterlassenschaft, enthält das unten – beigeschlossene Verzeichniß. Zum Executor ernenne ich meinen geliebten Bruder Emil. Aurel Dessewffy.“ –