Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H12
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Am Fusse des Saydenberges, in einem schönen, breiten Thale, durch welches sich der, an der Nordseite des Berges entspringende Saydenbach hinschlängelt, liegt, vier Stunden südlich von Freiberg entfernt, das Dorf Mittelsayda. Es bildet mit den beiden Ortschaften Obersayda und Niedersayda eine fast anderthalb Stunden fortlaufende Häuserreihe, die auch noch überdies südlich durch Haselbach und Dörnthal verkettet, über zwölf hundert Einwohner enthält, wovon mit dem zu Mittelsayda gehörigen Theile von Obersayda auf ersteres etwa vier hundert kommen. Im Orte befinden sich ein amtssässiges Lehngut und drei Mühlen; auch gehören hierher bedeutende Wiesen, und die Viehzucht gilt nebst der Oekonomie für ganz vorzüglich. Hier, sowie bei Obersayda, befinden sich Teiche, deren Wasser durch die theils an den Gehängen der Berge, theils durch die Gebirge selbst gehauenen und mehrere tausend Lachter weit geführten Wasserleitungen und Gräben zum Umtriebe der Kunstgezeuge, Pochwerke und anderer bergbaulichen Maschinen in Freibergs, Umgebung geleitet werden.
Die drei Ortschaften Obersayda, Mittelsayda und Niedersayda sollen der Sage nach, erst in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts gegründet worden sein, und für solche Behauptung spricht allerdings der Umstand, dass vor dieser Zeit keiner dieser Orte urkundlich erwähnt wird. Die ersten Ansiedler waren, nach der Tradition, Anhänger des zu Costnitz verbrannten Reformators Huss, welche in den waldigen Thälern des Erzgebirges Schutz vor Verfolgung suchten, und noch jetzt lebt hier eine Familie (Seyffert), die sich der Abstammung von einem dieser Ansiedler rühmt.
Zur Zeit, wo die Hussiten hier ein Asyl fanden, hauste auf der nahen Burg Lauterstein Ritter Sebastian von Berbisdorf, der den Flüchtlingen Erlaubniss zum Anbau gab und sie wohl auch dabei unterstützte. Schon 1460 gehörten Mittel - und Niedersayda, nebst Forchheim, zur Herrschaft Oberlauterstein, während Olbernhau, Blumenau, Ansprung, Sorgau, Bockau und Zöblitz die Herrschaft Niederlauterstein bildeten. Doch auch die Burggrafen von Leissnig besassen hier noch Herrenrechte, da sie die Herrschaft Lauterstein nur an die Herren von Berbisdorf verpfändet hatten, sie ihnen jedoch um das Jahr 1488 gänzlich überliessen. Vom Jahr 1492 bis 1545 wird Ritter Andreas von Berbisdorf auf Oberlauterstein genannt, der mit seinem Schreiber oder Gerichtshalter im Lehngerichte zu Obersayda zu Gericht sass. Vor seinem Tode verkaufte Andreas von Berbisdorf einen Theil der Lautersteiner Herrschaft an den Landesherrn, das Uebrige überliess er seinen Söhnen und zwar so, dass der älteste Oberforchheim mit dem Erblehngericht, acht Bauern, einige Erbgärtner und Häusler in Mittelsayda und einige Unterthanen in Niedersayda und Lippersdorf erhielt; auch bekam er das Patronatsrecht zu Forchheim theilweise, zu Mittelsayda aber ganz.
Der zweite Sohn des Ritters Andreas von Berbisdorf erhielt Niederforchheim, eine Anzahl Unterthanen in Obersayda, Lippersdorf und Oberhaselbach und einen Antheil am Patronat zu Forchheim. Der dritte Sohn bekam Mittelsayda mit vier Bauern und Gärtnern, das Erblehngericht in Obersayda, mit elf Bauern und Häuslern und die Hutung auf sämmtlichen Feldern, selbst zu Lippersdorf; auch stand ihm die Koppeljagd auf dem Niederforchheimer Theile von Obersayda zu. Das Patronatsrecht von Mittelsayda blieb bei Oberforcheim. Der vierte Sohn empfing Lippersdorf mit sechs Unterthanen und eine doppelte Anzahl in Lippersdorf. Ein fünfter Herr von Berbisdorf, ob Sohn oder Vetter des Erblassers ist nicht bekannt, übernahm Zöblitz, das noch 1615 der Familie gehörte, in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts aber an den Churfürsten gelangte und Sitz des Amtes Lauterstein wurde. Rechnet man zu diesen verschiedenen Herrschaften noch das Mittelsaydaer, mit Gerichtsbarkeit über fünfzehn Häuser versehene Lehngut, so kann man sich schliesslich vorstellen, welche genaue Lokalkenntniss dazu gehörte, um sich in den verschiedenen Jurisdictionen zurecht zu finden.
Das Rittergut Mittelsayda hat mit dem dazu gehörigen Lehngericht in Obersayda über 450 Acker Feld, Wiesen, Holz und Lehden.
Auf Andreas von Berbisdorf folgte im Besitze von Mittelsayda dessen Sohn Hans von Berbisdorf, der 1586 starb und in der hiesigen Kirche, wo sein Epitaphium noch jetzt vorhanden ist, begraben wurde. Sein Sohn Abraham starb schon 1591 und wie sein hinter dem Altar befindliches Steinbild besagt, fand er daselbst seine letzte Ruhestätte. Caspar von Berbisdorf, sein Sohn, hat sich um Kirche und Schule zu Mittelsayda sehr verdient gemacht, indem er 1604, zugleich mit seinem Bruder Sigismund, zwei neue Schocke für das Schulamt und 1611 ein zweites Legat von 100 Gülden für Pfarre und Schule legirte. Dieses Capital stand auf zwei Bauergütern, von denen eines später an das Rittergut zurückfiel, von welcher Zeit an dieses dem Pfarrer jährlich 2½ Gülden zu entrichten hat. Jenes Bauergut ist die beim Rittergute befindliche sogenannte halbe Hufe. Caspar von Berbisdorf starb 1641 und [90] ihm folgte als Herr von Mittelsayda sein Bruder Sigismund von Berbisdorf, der 1615, laut noch vorhandener Urkunde, seinem Vetter Christoph von Berbisdorf auf Oberforchheim für 100 Gülden das Patronatsrecht abkaufte und über diese Acquisition so vergnügt war, dass er dem Pfarrer statt des bisher üblichen Osterlammes zur Kirchweihe einen fetten Schöps schenkte, mit der Bedingung, dem Schulmeister alljährlich abwechselnd ein Hinterviertel und dann ein Vorderviertel davon zu geben; auch verehrte er dem Pfarrherrn eine Tonne Bier und erkaufte von dem Gemeindeareal im Jahre 1618 für 100 Gülden einen schönen Grasplatz, den er zur Pfarre schlug. Der Tod dieses wohlthätigen Mannes erfolgte 1641, und das Gut kam an Christoph Heydenreich, dessen Grabstein noch hinter dem Altar steht. Er starb 1661. Hans Christoph von Braitwiss (er selbst schrieb sich von Brittewitz) besass Mittelsayda von 1661 bis 1677, und der Oberst Johann Ernst von Braitwiss bis 1694. Beide Herren von Braitwiss hatten Gemahlinnen aus dem Hause Berbisdorf. Von 1694 bis 1718 verwaltete Sigismund von Hass, der eine Berbisdorf zur Frau hatte, das Gut für die Braitwissschen Erben, welche es jedoch in letztgenanntem Jahre an Christoph von Vitzthum-Eckstädt verkauften, der dasselbe bis 1740 besass. Ihm folgten als Gutsbesitzer die Gebrüder Ernst Haubold von Gersdorf auf Gannewitz und Karl Ehrenreich von Gersdorf auf Hermsdorf, von denen Mittelsayda an Christian Andreas Woydt verkauft wurde, den bisherigen Besitzer von Oberforchheim, welches er seinem Sohne überlassen hatte, der 1805 in den Adelstand trat. Nach Andreas Woydts 1796 erfolgtem Tode erwarb Mittelsayda Gottlob Ludwig Bruckmeyer, vorher Besitzer des Rittergutes Kändler und Pächter in Börnichen. Dessen Sohn, Christian Gottfried Ludwig Bruckmeyer, war Sächsischer Offizier und verkaufte Mittelsayda 1812 an den Kaufmann Benedix in Leipzig, welcher das Gut 1814 seinem Sohne, Eduard Benedix überliess, der es 1819 an Johann Gustav Oehme aus Leipzig verkaufte. Von ihm gelangte das Rittergut 1821 an den früheren Pächter Sturm in Neukirchen und 1823 an den Oberlieutenant Klette auf Potschappel, welcher es 1826 an eine Gräfin Bose, geborene Blümner, veräusserte. Am 4. October 1831 verkaufte diese das Gut an den Stadtrichter Herrn Sachse in Freiberg, bekannt als würdiger Landtagsdeputirter, welcher es noch jetzt besitzt.
Die Erbauung der hiesigen Kirche fällt in die Jahre zwischen 1435 bis 1463, in welchem letzteren Jahre die erste Glocke angeschafft wurde. Das Aeussere des Gotteshauses verräth, dass mannigfache bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Im Innern der Kirche befindet sich an einem hinter dem Altare aufgehängten Denkmale ein schönes grosses Bild, die Grablegung Christi darstellend, welches von Lucas Kranach gemalt sein soll und wahrscheinlich in der Familie des Verstorbenen aufbewahrt wurde, bis man es 1661 an dem Epitaphium befestigte. Hinter dem Altare stehen auch die geharnischten Statuen der Herren Abraham und Hans von Berbisdorf, mit den nonnenhaften Gestalten ihrer Frauen; daneben die Steinbilder eines kleinen Fräuleins von Berbisdorf, das im Wasser umgekommen sein soll, und eines Fräuleins von Braitwiss, die als Braut starb. Vor der Kirche befindet sich ein Denkmal von weissem Marmor, dem ehemaligen Collator Andreas Woydt geweiht, dessen Sohn 1805 der Kirche 100 Thaler zur Erbauung einer neuen Vorhalle schenkte.
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Das schöne grosse Dorf Dörnthal liegt fünf Stunden südlich von Freiberg, sich wohl eine volle Stunde in nordwestlicher Richtung bogenförmig hinstreckend, in einem zwar tiefen, aber wegen seiner Breite dennoch offen und flach erscheinenden Thale. Das obere Ende des Ortes berührt die Strasse von Freiberg über Sayda nach Brüx und Kommotau; durch die niedrigst gelegenen Häuser aber streift die Kohlenstrasse, welche von Freiberg über Hutha nach Blumenau, in einer zweiten Richtung aber auch über Pfaffroda nach Olbernhau führt. An dieses untere Ende des Dorfes stösst Haselbach. – Der Haselbach, insgemein hier der Dorfbach genannt, entspringt einige hundert Schritte südöstlich von den obersten Häusern in einem Niederholze (2350 Fuss Seehöhe) und hat im Dorfe zwar sehr starken Fall, aber wegen des geringen Zuflusses keine Bedeutung. Ein starkes Nebenwasser entspringt ebenfalls in jenem Gehölze, speist den grossen Bergteich und mündet unterhalb der Mitte des Dorfes. Die grösste Höhe erreicht Dörnthals Flur etwa tausend Schritte vom obersten Ende des Ortes, gegen Nordosten, an der Voigtsdorfer Rainung. Dieser flach ansteigende Berg hat über 2540 Fuss Seehöhe und gewährt eine köstliche Umsicht; namentlich reizend ist das Thal des Haselbachs selbst, das man von hier aus auf eine Meile weit mit einem Blicke überschaut, und in dessen Hintergrunde sich Lengefeld malerisch erhebt. Der ganze Bergzug wird zum Seidenberge gerechnet, welcher zwischen hier, Zethau und Obersayda ansteigt.
Das Dorf Dörnthal, welches nach seinen klimatischen Verhältnissen in zwei Theile zerfällt, enthält 2883 Acker 46 □ Ruthen Flächeninhalt (wovon 1133 Acker dem Rittergute gehören) und über zwölf hundert Einwohner, die sich mit Getreidebau, Flachsbau, Spinnerei und Weberei beschäftigen. Zu welcher Zeit das Dorf entstand, ist unbekannt; ohne Zweifel aber ist der obere Theil eher angebaut gewesen als der untere, denn hier stand im Mittelalter eine Kapelle, der heiligen Dorothea geweiht, die dem Orte seinen Namen und Veranlassung zu den ersten Ansiedelungen gab. Die Dorotheenkapelle war eine Wallfahrtskirche, welche vom Kloster Ossegk in Böhmen abhing und auch von dort ihre Geistlichen erhielt. Die alte Kapelle, welche wegen ihrer Baufälligkeit im Jahre 1790 von Grund aus abgebrochen wurde, machte einem neuen Gebäude Platz, auf dessen Giebel noch jetzt ein Wetterhahn befindlich ist, der einstmals auf der alten Wallfahrtskapelle stand; von den beiden Glocken derselben soll eine nach Annaberg, die andere nach Grosshartmannsdorf gekommen sein. Noch haftet auf diesem Hause, sowie auf der letzten Wirthschaft im Niederdorfe, woselbst der Gottesacker der Kapelle befindlich war, das Recht, wenn an der Pfarre oder Schule gebaut wird, oder der Pfarrer amtshalber über Nacht aus dem Hause bleiben muss, die Besitzer der beiden genannten Häuser die Nachtwache zu halten haben, wofür sie von gewissen Communlasten befreit sind.
Das Rittergut wird zuerst in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts genannt, wo es der reichen Familie von Allnpeck gehörte, die um diese Zeit aus Ungarn nach Sachsen eingewandert war, um Bergbau zu treiben. Im Jahre 1569 kaufte das Gut ein Herr von Schönberg auf Purschenstein für 6650 Gülden und 1648 kam es an die Mittelfrohnaer Linie dieser Familie, indem es Caspar von Schönberg, nebst Pfaffroda, von dem Besitzer der Herrschaft Purschenstein, Caspar von Schönberg, erkaufte. Dieser Caspar, Gründer der Pfaffrodaer Linie des Schönberg’schen Geschlechts, war Kammerherr, Berghauptmann und Amtshauptmann. Wolf Rudolf von Schönberg, sein Sohn, war Geheimrath und starb 1735. Da er seine drei Söhne durch den Tod verloren hatte, kam die Herrschaft Pfaffroda an Gotthelf Friedrich von Schönberg auf Tannenheim, Trebitz und Lauterbach. Ihm folgte der Kammerherr Curt Heinrich von Schönberg, gestorben am 29. September 1843 zu Teplitz. Der jetzige Besitzer ist Herr Joachim Heinrich von Schönberg.
Im dreissigjährigen Kriege hat Dörnthal viel Unglück erfahren, denn wie das Kirchenbuch erzählt, brachen 1632 die kaiserlichen Kriegsvölker hier raubend und plündernd ein und im Jahre darauf starben 140 Menschen an der Pest. Im Jahre 1639 hausten die Schweden wo möglich noch ärger als die Kaiserlichen, und nahmen sogar die Kupferplatten mit, welche das Kirchendach bedeckten. Zu gleicher Zeit herrschte eine derartige Lebensmittelnoth, dass viele Leute den Hungertod starben.
Die Kirche zu Dörnthal ist ein altes mit Schindeln gedecktes Gebäude, in der sich nichts Bemerkenswerthes befindet, als der 1610 von Frau Elisabeth von Schönberg geschenkte Taufstein. Im Jahre 1830 erfuhr die Kirche eine Restauration, die 430 Thaler kostete, welche Summe man von dem, 800 Thaler betragenden, Vermögen der Kirche nahm. Von den drei Glocken enthält eine Mönchsschrift.
Ganz besonders merkwürdig ist Dörnthal wegen seines Bergteiches und Kunstgrabens, welche für den Freiberger Bergbau angelegt sind. Diese höchst wichtige Wasserleitung ist ein Werk des verstorbenen geheimen Finanzraths Scheuchler, welcher den Anfang dazu am 29. Juni 1786 mit einigen hundert Arbeitern machte, deren Zahl bei fortgesetzter Arbeit oft bis zu tausend Köpfen stieg. Bis zum Jahre 1804 kostete der Bau bereits über 80,000 Thaler, und [92] seine Anlage ist dergestalt gehalten, dass sie mehrere Meilen lang und nöthigenfalls bis zur Landesgränze oder bis zur Flöha fortgesetzt werden kann, ja dass man sogar aus diesem Flusse Wasser aufzunehmen und in die Freiberger Bergwerke zu bringen vermag.
Der Dörnthaler Kunstgraben erstreckt sich vom Dorfe Obersayda und dem dasigen Bergwerksteiche durch die Fluren von Mittelsayda, Haselbach und Dörnthal laufend, bis in eine bei Dörnthal hereinkommende Schlucht und bis auf den daselbst befindlichen neuen Bergwerksteich. Seine ganze Länge, mit Einschluss der erforderlichen Beigräben, beträgt 5363½ Freiberger Lachter (à 3½ Elle) und innerhalb dieser Distanz geht derselbe zugleich in einer Strecke von 280½ Lachtern mittelst fünf verschiedenen Röschen, welche durch Berge hindurch gehauen und ausgemauert sind, unter der Erde weg. Die sechs Beigräben dienen zur Ab- und Zuleitung der mit dem Hauptgraben durchschnittenen Bäche. Der Hauptgraben ist 2 Ellen tief, im Lichten oben 3½, unten nur 2 Ellen weit, durchgängig zu beiden Seiten ausgemauert, und hat auf 100 Ellen Länge nicht mehr als 3 Zoll Fall. Trotzdem dass derselbe durch ziemlich schlechtes Terrain hindurch geführt werden musste, wurde er doch bis zum Schlusse des Jahres 1787 so weit vollendet, dass man das ganze Gewässer von dessen Endpunkte in Dörnthal an bis zu seinem Anfangspunkte in Obersayda und von da durch den ebenfalls im Jahre 1786 auf eine Länge von 1102 Lachter vergrösserten und zu beiden Seiten neu ausgemauerten alten Saydenbacher Kunstgraben, sowie dann in die tiefer liegenden drei Bergwerksteiche bei Grosshartmannsdorf hindurch gehen lassen konnte. Die Arbeit daran wurde in den Jahren 1788 und 1789 fortgesetzt und vollendet. Schon in den Jahren 1612 bis 1618 war ein ähnliches Unternehmen im Werke, welches man aber deshalb nicht ausführen konnte, weil falsch nivellirt worden war. Noch jetzt erkennt man die Ueberbleibsel des damals ausgeworfenen Grabens auf grossen Strecken hin deutlich, und findet sehr bald den Grund seiner Unbrauchbarkeit.
Der neue Dörnthaler Bergwerksteich steht mit dem Kunstgraben in unmittelbarer Verbindung. Er wurde am 7. Mai 1787 in Angriff genommen und bis zu Ende des Jahres 1789 bis auf einige Nebensachen vollendet. Der Umfang dieses Teiches ist sehr bedeutend, denn er enthält einen Flächenraum von 84 Ackern und eine sehr bedeutende Tiefe; indem sein Damm vom Rasen bis zur Teichkappe 20½ Ellen hoch, und dessen Breite unten 64 und oben 24 Ellen ist. Er hat einen oval gemauerten Striegelschacht und ein steinernes, 69 Ellen langes Gerinne. Dieses ist aus jedesmal 3 Ellen langen, gut verbundenen Felsenstücken aus den Wiesaer Brüchen zusammengesetzt und inwendig noch ausserdem mit eingeschobenen kupfernen Hülsen versehen. In dem Striegelschacht wird mit einer Schraube ohne Ende der Zapfen des Gerinnes gehoben, je nachdem man in Freiberg auf mehr oder weniger Räder Wasser braucht, welches man oben an der Schraube genau abmessen kann. Die Terrassenmauer des Teiches dient zur Zurückwerfung der Wellen, und um zu verhüten dass sie nicht durch Stürme über den Damm hinausgetrieben werden ist dieselbe in einer einwärts gebogenen krummen Linie aufgeführt. Um Dammbrüche und Ueberfluthungen unmöglich zu machen oder nach Bedürfniss die Wassermenge vermehren oder vermindern zu können, hat man in der grössten, 18 Ellen betragenden, Höhe des Teichspiegels einen Hauptgränz– und Fluthgraben herumgeführt, durch welchen das Wasser sofort nach dem Teiche geleitet oder ihm entzogen werden kann.
Da man die Erfahrung gemacht hatte, dass in trockenen Jahren der Dörnthaler Teich sammt dem Kunstgraben und den übrigen Bergteichen nicht ausreichend waren, die Bergwerke hinreichend mit Wasser zu speisen, so arbeitete man daran, das Wasser der Flöha für diesen Zweck zu gewinnen, und so entstand durch einen unterirdischen Kanal oder eine Rösche der Friedrich-Brunostolln. Dieser beginnt oberhalb des Dörnthaler Teiches und mündet beim Niederdorfe von Pfaffroda. Er ist eine halbe Stunde lang und über eine Elle breit. Der Friedrich-Brunostolln übertrifft in Hinsicht seiner Höhe die berühmtesten derartigen Bauten in England; denn er ist 4 Ellen hoch. Wo kein Felsen ist, hat man ihn gewölbt, und das Wasser kann angespannt werden, um Schutt und Steine herauszuschiffen. Dieser herrliche, schnurgerade fortgeführte Bau ist mit Luftlöchern versehen. – Der Umfang der zum Betriebe des Freiberger Bergbaues geschaffenen Kanäle beträgt weit über 40,000 Lachter Länge, wovon gegen 5000 Lachter unterirdische, in Gestein getriebene Wasserleitungen sind.
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Tanneberg ist ein hübsches zum Amte Wolkenstein gehöriges Dorf, das sich fast eine halbe Stunde lang in einem reizenden Thale der Zschopau hinstreckt, so dass die Lötzschelmühle, als das niedrigst gelegene Haus, nicht mehr fern vom Einfluss der Sehma in die Zschopau liegt, welche letztere Tanneberg vom Grünhainer Bezirke scheidet. Es liegt eine starke Meile von Wolkenstein, eine Stunde nordwestlich von Annaberg, drei Viertelstunden von Geyer und anderthalb Stunden von Ehrenfriedersdorf, fast 1500 Fuss über der Nordsee, östlich von den grossen Geyer’schen Waldungen. Die obersten Häuser sind am Mühlbache erbaut, wie auch das zur hiesigen Gemeinde gehörige Oertchen Siebenhöf, welches Tanneberg fast mit Geyer verbindet. Das Thal hat trotz der steil ansteigenden Höhen dennoch einen sanften Charakter. Es leben in Tanneberg fast 700 Einwohner in etwa 90 Häusern; auch befinden sich hier zwei Mühlen und eine Papierfabrik. Das Dorf hat bedeutende Fluren, einige Waldung, starke Viehzucht und liefert viel Spitzen. In der Nähe bricht splittriger Eisenkiesel, Agat und Amethyst.
In früheren Zeiten gehörte Tanneberg zu der Herrschaft Balbergk (Bielberg), die mit der Grafschaft Hartenstein verbunden war. Es befand sich hier eine feste Burg, von der unter anderem noch ein uralter, ungeheuer fester, viereckiger Thurm vorhanden ist, welcher mit einem Wassergraben umgeben war. Das hohe Alter dieser Veste beweist ihre zur Vertheidigung höchst[WS 1] ungünstige Lage, da sie am Fusse eines Berges erbaut ist, also mit Geschütz sehr leicht zu erobern sein würde. Als man im Jahre 1770 im Schutte der Burg Nachgrabungen unternahm, fand man Ueberbleibsel einer zerbrochenen Glocke, die höchst wahrscheinlich vormals zu der Kapelle des Schlosses gehört hatte. Zu welcher Zeit dasselbe zerstört wurde, darüber fehlen alle Nachrichten. Im Jahre 1430 wird ein Ritter Sebastian von Tanneberg erwähnt, der mit dem Rathe des Städtchens Geyer wegen eines Stückes Wald in Streitigkeiten gerathen war und sich deshalb mit ihm verglich, und Haubold von Tanneberg befand sich unter den Edelleuten, welche in dem Kampfe an der Brücke von Pöppeln, nebst Kunz von Kaufungen und dem Ritter Pflugk, ergriffen und in die Gefangenschaft nach Böhmen geführt wurden. In der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts gehörte Tanneberg Martin Schnee, alsdann dessen Sohne Christoph Schnee, der sein in Geyer am Markte gelegenes Wohnhaus gegen das jetzige Rittergut Geyersberg vertauschte, (1535) dann dem Ritter Hans von Reitzenstein, 1570 Melchior von Reitzenstein und 1601 Caspar von Reitzenstein. Im Jahre 1650 wird ein Herr von Stammbach auf Schönfeld als Eigenthümer des Rittergutes Tanneberg genannt, der aus Böhmen herüber gekommen war, und auch Geyersberg besass. Um 1690 kaufte Tanneberg der churfürstlich Brandenburgische Hofjäger Ernst Hornigk, Besitzer der Rittergüter Hillmersdorf, Streckwalde und Oberschmiedeberg, dessen Sohn, der Sachsen-Weimarische Hofrath, Friedrich Georg Hornigk, noch 1722 in Tanneberg wohnte. Von ihm gelangte das Gut an Herrn Johann Daniel Neuber, dessen Erben es noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts besassen. Später gehörte Tanneberg Herrn Meinhold und dann Herrn Hänel. Zur Zeit besitzt das Gut Herr August Eduard Kreissig.
Die Kirche zu Tanneberg, wohin auch Siebenhöfe, das Vorwerk Sauwald und das Dorf Neudeck gepfarrt sind, ist ein altes, aber freundliches Gebäude mit einem Altar vom Jahre 1521 und der Inschrift: „1521. JAR. BEYE. MERTEN. SCHNE. DIE. CZEITH. HER. CZWE. DANNEBERGK.“ Ein Positiv und kleines Orgelwerk ist 1674 für 99 Gulden angeschafft und 1786 reparirt worden. Die Kanzel ist 1689 erbaut, weil nach des damaligen Pfarrers M. Schlegels Bemerkung „die vorige so morsch und faul gewesen, dass man nicht mehr fast sicher auf selbiger stehen und treten können.“
An der Kirche befindet sich ein steinerner Thurm, den man am 20. April 1736 zu bauen angefangen hat, wozu der damalige Collator Neuber einen bedeutenden Beitrag hergab. Am 11. August 1786 wurde die grosse Glocke nach erfolgtem Umguss aufgehängt. Das Schulgebäude ist 1791 neu gebaut worden.
Südwestlich von Tanneberg erhebt sich der Siegerstein und im Norden der Knochenberg.
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Das am Fusse des Bielberges in einem Thale gelegene Dorf Wiese zählt in 150 Feuerstätten über 1400 Einwohner, hat eine Ausdehnung von einer halben Stunde in der Richtung nach Westen, Osten, und theilweise nach Norden und ist oberwärts ziemlich weitläufig, in der Nähe der Kirche aber enge zusammen gebaut. Verschiedene Häuser des Ortes sind von diesem gänzlich isolirt, wie die Ortsmühle, die beiden Gehöfte des Wiesenbades, die drei Güter am Wege vom Bade nach dem, drei Viertelstunden entfernten Annaberg, mehrere Bauergüter und die Riesenburg. Das höchste Haus in Wiese liegt 1800, das tiefste 1550 Fuss über dem Spiegel der Nordsee. Uebrigens ist Wiese in einem sehr anmuthigen Thale gelegen, das schon im fünfzehnten Jahrhundert wegen seiner Reize die Rosenaue hiess, von stark coupirten Bergen begränzt ist und mehrere Felsgruppen zeigt, von denen die stärkste am Zschopauufer nach Schönfeld hin sich erhebt, welches Dorf fast an Wiese stösst. Hier befinden sich zwei Mühlen, sechsunddreissig Begüterte und Gärtner, vierundneunzig Hausbesitzer und hundertdreizehn besitzlose Familienhäupter. Die vorzüglichsten Beschäftigungen sind Ackerbau und Viehzucht, doch giebt es hier auch viel Klöpplerinnen. Früher bestand in Wiese eine Handwerksinnung für die Maurer und Zimmerleute, die aber jetzt mit der in Grossolbersdorf vereinigt ist; indessen besteht noch eine Art Handwerksverband zwischen einigen Gewerken und Bergleuten, sowie auch eine Grabkasse. Seit einigen und zwanzig Jahren befindet sich in Wiese eine Spinnfabrik. – Unmittelbar über dem Dorfe vereinigt sich die Zschopau mit der Sehme, und so kommt es, dass Wiese durch die angeschwollenen Fluthen nicht selten in Gefahr gerathen ist und grossen Schaden erlitten hat. Die gefährlichste Ueberschwemmung betraf den Ort am 21. Juli 1565, wo das Wasser zwei Pochwerke und dreizehn Häuser gänzlich wegspülte, neun andere Häuser und sämmtliche Brücken bis Wolkenstein hinab ruinirte und das Thal in einer Breite von 262 Ellen erfüllte. Bei dieser Ueberschwemmung fanden dreizehn Menschen, hauptsächlich Kinder, ihren Tod. – Im vorigen Jahrhundert fing man hier in der Zschopau ausserordentlich viele Lachse, so dass im nahen Wiesenbade das Pfund dieses wohlschmeckenden Fisches mit achtzehn Pfennigen bezahlt wurde. Jetzt fängt man bei der Ortsmühle viele Aale.
Im Norden von Wiese steigt das Gebirge nicht steil, aber sehr hoch empor und erreicht seinen Gipfel nach einer halben Stunde bei Neundorf im Schattenberge, von wo sich eine köstliche Aussicht darbietet. Den reizendsten Blick auf das Dorf Wiese gewährt der schroffe Berg östlich von der Kirche, welcher auch den Galgenstein trägt. Die Zschopau strömt von hier aus in drei Bögen durch die Gebirgsausläufer und bildet so eines der anziehendsten Thäler des Erzgebirges, welches nahe unter dem Dorfe einen wildromantischen Charakter zeigt, beim Wiesenbade aber eine freundlichere Gestalt annimmt. In dieses Thal mündet auch der enge, mit dunklen Waldungen überdeckte Neundorfer Grund mit vielen überhängenden Felsklippen. In der Nähe des Bades bricht der bekannte Wurststein; auch fand man hier ehemals in einem über drei Ellen mächtigen Spathgange viel Amethyst, welcher indessen jetzt nicht mehr gesucht wird. Die Amethystgrube war Eigenthum der Gemahlin Churfürst Johann Georgs II., und im Jahre 1700 befand sich hier ein eigener Inspector über die Wiesaer und Drehbacher Amethystgruben. Am sogenannten Hauersteige findet man Smaragde. [95] Was nun die Entstehung Wiese’s anbetrifft, so hängt dieselbe ohne Zweifel mit dem Beginne des hiesigen Bergbaues zusammen, dafür sprechen nebst andern Gründen die vielen benachbarten verfallenen Berghalden, Zechen, Pochgraben und Pochwerkstätten. Die Tradition erzählt über den Namen des Ortes, dass die Geyersdorfer, wenn sie nach Geyer zur Kirche wollten, wegen der vielen hier hausenden Wölfe und Bären wohl bewaffnet ihren Weg über die hiesigen Wiesen genommen und die spätere Ansiedelung mit diesem Namen belegt hätten. Wahrscheinlich ist es, dass Wiese zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts entstand.
Das Rittergut Wiese hat schöne, neue Gebäude, indem das alte Gut im Jahre 1824 durch Verwahrlosung eines jungen Menschen bis auf das Wohnhaus gänzlich von den Flammen verzehrt wurde. Das mit einem Thürmchen gezierte Herrenhaus ist 1604 erbaut. Zu dem Rittergute gehören, ausser dem Wiesenbade, eine Schäferei, die seit dem Neubau in die Wirthschaftsgebäude eingebaut ist, eine Mühle an der Zschopau, das Vorwerk oder sogenannte neue Gut. Ausser den Feldern, die beim Hofe liegen und früher gewöhnlichen Gütern angehörten, besitzt das Gut noch die sogenannten Arnoldsgüter an der Annaberger Strasse, die Felder beim Hompel gegen Geyersdorf, die bei Wiesenbad, die grosse Wiese, die rauhe Wiese, die Beierwiese. An Teichen hat das Rittergut Wiese den grossen und kleinen Gärtnerteich, den Seidel-, Otter-, Scheiben-, Stall-, Dorf- und Pferdeteich, nebst sieben Brutteichen, den schwarzen Teich zur Hälfte und den Teich am Walde bei Wiesenbad, auch steht dem Gute auf seinem Gebiet die Fischerei in der Zschopau und dem Bielbach zu. An Waldungen besitzt es die grosse und kleine Haide, das lange Holz, den Plattenwald, den Ziegenbusch und den Hahnrück.
Der erste Besitzer von Wiese, der urkundlich genannt wird, ist Ritter Heiderich von der Wiese, welcher 1381 auch als Herr auf Schönfeld vorkommt und dessen Nachfolger, Hans von der Wiese, 1440 auch Gehringswalde bei Wolkenstein besass. Von ihm erkaufte das Gut der Fundgrübner Nikol Friedrich, aus einem Nürnberger Patriziergeschlecht entsprossen, welcher von 1478 bis 1488 auch den Schützenhof zu Geyer besass. Er scheint in letztgenanntem Jahre gestorben zu sein, denn von da an besass das Gut Hans Friedrich, dem Melchior (Caspar?) Friedrich folgte, welcher Letztere 1552 mit Tode abging. Wolf Friedrich wird bis 1566 genannt und Hans Friedrich von 1568 bis 1575. Nach ihm gehörte Wiese Stephan Hünerkopf von 1578 bis 1596, und Sebald Hünerkopf von 1597 bis 1602. Auf einer Tafel im herrschaftlichen Betstübchen liest man: „Anna Hünerkopfin zur Wiesen, gehorne Bünau von Meuselwitz 1599.“ und von aussen, am Chore unterwärts, stehen nebst zwei Wappen die Anfangsbuchstaben der Namen A. v. B. S. H. K. mit der Jahreszahl 1599. Hans Georg Meusinger von Kollersritt kaufte Wiese 1600 und behielt es bis 1616. Die Anfangsbuchstaben von den Namen dieser Herrschaft H. G. M. v. K. A. M. sind gleichfalls sammt beiden Familienwappen und der Jahreszahl 1605 am Kirchenchor zu finden. Hans Unwirth erlangt das Gut 1615 und starb, sechsunddreissig Jahre alt, am 19. September 1618, worauf seine Wittwe, Frau Anna Unwirthin, 1624 Ernsten von Milkau heirathete, der 1626 starb. Die Wittwe verwaltete das Gut bis 1648 und übergab es dann ihrer Tochter Anna Margarethe, vermählte von Vitzthum, die es bis 1664 behielt. In diesem Jahre kaufte Wiese Hans Georg von Schönberg auf Wingendorf, Oberschöna, Börnichen und Haynichen, dem Adam Friedrich von Schönberg folgte. Die Familie von Schönberg besass das Gut bis 1718, wo es an Christoph Heinrich Grafen von Watzdorf auf Lichtenwalde gelangte, der 1729 starb. Sein Nachfolger, Graf Heinrich von Watzdorf, wählte Wiese zu seinem Wohnorte, 1749 aber kam das Gut unter Administration und blieb darin bis 1764, worauf es bis 1771 die verwittwete Gräfin Henriette Sophie von Watzdorf, geborne Gräfin Vitzthum-Eckstädt auf Lichtenwalde besass. Dieser Dame folgte Georg Reinhard Graf von Wallwitz, Conferenzminister und diesem dessen jüngster Sohn, der Kammerherr, Hof- und Justizrath Friedrich Sebastian von Wallwitz, welchem Herrn nach dem Willen des Vaters am 11. October 1793 von den Unterthanen gehuldigt werden musste, während der alte Herr sich das Recht der Gerichtsherrschaft vorbehielt. Der folgende Besitzer war Herr Schubert aus Venusberg, von dem Wiese an den Kaufmann August Eisenstuck zu Annaberg gelangte. Zur Zeit gehört das Rittergut Herrn Wecke, der mit einem Fräulein Eisenstuck vermählt ist.
Die Kirche zu Wiese besitzt zwei Thürme und ist nahe beim Rittergute auf einem Berge erbaut. Bis zum Jahre 1782 war sie Filial von Schönbrunn, doch soll in der Zeit vor der Reformation hier ein Kaplan gewesen sein, dessen Wohnung sich auf der Stelle befand, wo jetzt die Schenke steht, wofür allerdings das zum Rittergute gehörige sogenannte Pfarrfeld und einige besondere Gefälle sprechen. In der Kirche liegt ein alter Leichenstein vom Jahre 1612, worunter Frau Anna Meusingerin, geborne Katmenin, Frau zur Wiesen schlummert. Im Jahre 1805 wurde die Kirche durch Einbruch um hundert Thaler bestohlen. Eingepfarrt hierher ist Neundorf.
Das zum Rittergute Wiese gehörige Wiesenbad liegt vom Dorfe eine halbe Stunde östlich in einem angenehmen Grunde an der Annaberg-Wolkensteiner Chaussee, nahe der Zschopau und dem Bielbache. Die Entdeckung des Gesundbrunnens soll durch einen armen Mann veranlasst worden sein, der seine kranken Füsse in dem Wasser wusch und gesund wurde. Schon zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts fanden sich viele kranke Menschen, namentlich aus Annaberg, hier ein und benutzten das Mineralwasser mit so glücklichem Erfolge, dass der Besitzer von Wiese, Hans Friedrich, im Jahre 1501 den Brunnen einfassen und ein Badehaus errichten liess. Zu gleicher Zeit wurde zum Gebrauche der Badegäste eine kleine Kapelle mit Altar und dem Bilde Hiobs zwischen dem heiligen Haine und dem Plattenwalde erbaut, die Herzog Georg reichlich mit Geschenken bedachte und der Bischof von Meissen 1505 einweihte. Mit Bewilligung des Papstes und der Bischöfe wurde ein Priester verordnet, der mit den kranken Badeleuten Morgens und Abends beten und ihnen Messe lesen musste. Von dieser Kapelle erhielt das Bad den Namen Hiobsbad; später nannte man es nach der verwittweten Churfürstin Sophie, die das sogenannte Fürstenhaus erbauen liess, Sophienbad. Insgemein wird es das warme Bad oder Wiesenbad genannt. – Die Kapelle jener Zeit ist spurlos verschwunden, doch wird von dem Pfarrherrn zu Wiese alljährlich im Freien ein Gottesdienst gehalten, wozu eine Glocke das Zeichen giebt. Dass dieser Gottesdienst jedesmal für die ganze Umgegend Veranlassung zur Feier und späterem Vergnügen ist, lässt sich denken.
Das Badwasser ist im Winter ziemlich heiss, im Februar fast rauchend, im Sommer aber nur lau, so dass es, wie das Wolkensteiner, angewärmt werden [96] muss. Der Quell fliesst in ein Bassin, das über fünf Ellen tief, mit Pfosten eingefasst und überbaut ist. Das Wasser quillt immer mit gleicher Stärke und sprudelt in weissblauen Blasen, die Perlen gleichen, hell und klar aus dem Sandsteine hervor. Merkwürdig ist es, dass die Witterung auf die Quelle nicht den geringsten Einfluss äussert. Wenn das Wiesenbad angemessen gebraucht wird, so dient es gegen vielfache Leibesbeschwerden, namentlich aber gegen Gicht, alte Geschwüre, Krämpfe und Nervenleiden. Auffallend ist es, dass das Wasser in einem Jahre kräftiger ist als in dem andern. – Das Wasser des Wiesenbades enthält nach Professor Lampadius in einem Pfunde 2½ Gran kohlensaures Natron, 1⅓ Gran schwefelsaures Natron, 1 Gran salzsaures Natron, 71/100 Gran kohlensauren Talk, Spuren von Eisenoxyd und Kali. Da ihm viel Stickstoff entströmt, ist das Wasser neben das zu Aachen, Burtscheid und Leuk zu klassificiren.
Für das Vergnügen der Badegäste hat der frühere Besitzer, Herr Eisenstuck, vielfach gesorgt, da er viele treffliche Spaziergänge anlegen liess und überhaupt weder Mühe noch Kosten scheute, den Gästen das Leben zu erheitern. – Nahe bei Wiesenbad liegt auch die Riesenburg, ein einzeln gelegenes, ansehnliches Gut mit Ruinen eines alten Ritterschlosses. Die Riesenburg gehörte vormals dem bekannten Adam Riese, welcher von 1530 bis 1536 Rechnenmeister und 1539 Gegenschreiber in Annaberg war und das erste Rechnenbuch herausgegeben hat. – Im Jahre 1625 badete in Wiesenbad die Mutter Churfürst Johann Georgs, der während dieser Zeit zu Annaberg residirte. Die jungen Prinzen hielten damals hier ein solennes Vogelschiessen. Die Gemahlin des Churprinzen Johann Georg gebrauchte das Wiesenbad 1655.
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Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: höcht
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