Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wiese

Textdaten
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Autor: M.
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Titel: Wiese
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 94–96
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Wiese.


Das am Fusse des Bielberges in einem Thale gelegene Dorf Wiese zählt in 150 Feuerstätten über 1400 Einwohner, hat eine Ausdehnung von einer halben Stunde in der Richtung nach Westen, Osten, und theilweise nach Norden und ist oberwärts ziemlich weitläufig, in der Nähe der Kirche aber enge zusammen gebaut. Verschiedene Häuser des Ortes sind von diesem gänzlich isolirt, wie die Ortsmühle, die beiden Gehöfte des Wiesenbades, die drei Güter am Wege vom Bade nach dem, drei Viertelstunden entfernten Annaberg, mehrere Bauergüter und die Riesenburg. Das höchste Haus in Wiese liegt 1800, das tiefste 1550 Fuss über dem Spiegel der Nordsee. Uebrigens ist Wiese in einem sehr anmuthigen Thale gelegen, das schon im fünfzehnten Jahrhundert wegen seiner Reize die Rosenaue hiess, von stark coupirten Bergen begränzt ist und mehrere Felsgruppen zeigt, von denen die stärkste am Zschopauufer nach Schönfeld hin sich erhebt, welches Dorf fast an Wiese stösst. Hier befinden sich zwei Mühlen, sechsunddreissig Begüterte und Gärtner, vierundneunzig Hausbesitzer und hundertdreizehn besitzlose Familienhäupter. Die vorzüglichsten Beschäftigungen sind Ackerbau und Viehzucht, doch giebt es hier auch viel Klöpplerinnen. Früher bestand in Wiese eine Handwerksinnung für die Maurer und Zimmerleute, die aber jetzt mit der in Grossolbersdorf vereinigt ist; indessen besteht noch eine Art Handwerksverband zwischen einigen Gewerken und Bergleuten, sowie auch eine Grabkasse. Seit einigen und zwanzig Jahren befindet sich in Wiese eine Spinnfabrik. – Unmittelbar über dem Dorfe vereinigt sich die Zschopau mit der Sehme, und so kommt es, dass Wiese durch die angeschwollenen Fluthen nicht selten in Gefahr gerathen ist und grossen Schaden erlitten hat. Die gefährlichste Ueberschwemmung betraf den Ort am 21. Juli 1565, wo das Wasser zwei Pochwerke und dreizehn Häuser gänzlich wegspülte, neun andere Häuser und sämmtliche Brücken bis Wolkenstein hinab ruinirte und das Thal in einer Breite von 262 Ellen erfüllte. Bei dieser Ueberschwemmung fanden dreizehn Menschen, hauptsächlich Kinder, ihren Tod. – Im vorigen Jahrhundert fing man hier in der Zschopau ausserordentlich viele Lachse, so dass im nahen Wiesenbade das Pfund dieses wohlschmeckenden Fisches mit achtzehn Pfennigen bezahlt wurde. Jetzt fängt man bei der Ortsmühle viele Aale.

Im Norden von Wiese steigt das Gebirge nicht steil, aber sehr hoch empor und erreicht seinen Gipfel nach einer halben Stunde bei Neundorf im Schattenberge, von wo sich eine köstliche Aussicht darbietet. Den reizendsten Blick auf das Dorf Wiese gewährt der schroffe Berg östlich von der Kirche, welcher auch den Galgenstein trägt. Die Zschopau strömt von hier aus in drei Bögen durch die Gebirgsausläufer und bildet so eines der anziehendsten Thäler des Erzgebirges, welches nahe unter dem Dorfe einen wildromantischen Charakter zeigt, beim Wiesenbade aber eine freundlichere Gestalt annimmt. In dieses Thal mündet auch der enge, mit dunklen Waldungen überdeckte Neundorfer Grund mit vielen überhängenden Felsklippen. In der Nähe des Bades bricht der bekannte Wurststein; auch fand man hier ehemals in einem über drei Ellen mächtigen Spathgange viel Amethyst, welcher indessen jetzt nicht mehr gesucht wird. Die Amethystgrube war Eigenthum der Gemahlin Churfürst Johann Georgs II., und im Jahre 1700 befand sich hier ein eigener Inspector über die Wiesaer und Drehbacher Amethystgruben. Am sogenannten Hauersteige findet man Smaragde. [95] Was nun die Entstehung Wiese’s anbetrifft, so hängt dieselbe ohne Zweifel mit dem Beginne des hiesigen Bergbaues zusammen, dafür sprechen nebst andern Gründen die vielen benachbarten verfallenen Berghalden, Zechen, Pochgraben und Pochwerkstätten. Die Tradition erzählt über den Namen des Ortes, dass die Geyersdorfer, wenn sie nach Geyer zur Kirche wollten, wegen der vielen hier hausenden Wölfe und Bären wohl bewaffnet ihren Weg über die hiesigen Wiesen genommen und die spätere Ansiedelung mit diesem Namen belegt hätten. Wahrscheinlich ist es, dass Wiese zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts entstand.

Das Rittergut Wiese hat schöne, neue Gebäude, indem das alte Gut im Jahre 1824 durch Verwahrlosung eines jungen Menschen bis auf das Wohnhaus gänzlich von den Flammen verzehrt wurde. Das mit einem Thürmchen gezierte Herrenhaus ist 1604 erbaut. Zu dem Rittergute gehören, ausser dem Wiesenbade, eine Schäferei, die seit dem Neubau in die Wirthschaftsgebäude eingebaut ist, eine Mühle an der Zschopau, das Vorwerk oder sogenannte neue Gut. Ausser den Feldern, die beim Hofe liegen und früher gewöhnlichen Gütern angehörten, besitzt das Gut noch die sogenannten Arnoldsgüter an der Annaberger Strasse, die Felder beim Hompel gegen Geyersdorf, die bei Wiesenbad, die grosse Wiese, die rauhe Wiese, die Beierwiese. An Teichen hat das Rittergut Wiese den grossen und kleinen Gärtnerteich, den Seidel-, Otter-, Scheiben-, Stall-, Dorf- und Pferdeteich, nebst sieben Brutteichen, den schwarzen Teich zur Hälfte und den Teich am Walde bei Wiesenbad, auch steht dem Gute auf seinem Gebiet die Fischerei in der Zschopau und dem Bielbach zu. An Waldungen besitzt es die grosse und kleine Haide, das lange Holz, den Plattenwald, den Ziegenbusch und den Hahnrück.

Der erste Besitzer von Wiese, der urkundlich genannt wird, ist Ritter Heiderich von der Wiese, welcher 1381 auch als Herr auf Schönfeld vorkommt und dessen Nachfolger, Hans von der Wiese, 1440 auch Gehringswalde bei Wolkenstein besass. Von ihm erkaufte das Gut der Fundgrübner Nikol Friedrich, aus einem Nürnberger Patriziergeschlecht entsprossen, welcher von 1478 bis 1488 auch den Schützenhof zu Geyer besass. Er scheint in letztgenanntem Jahre gestorben zu sein, denn von da an besass das Gut Hans Friedrich, dem Melchior (Caspar?) Friedrich folgte, welcher Letztere 1552 mit Tode abging. Wolf Friedrich wird bis 1566 genannt und Hans Friedrich von 1568 bis 1575. Nach ihm gehörte Wiese Stephan Hünerkopf von 1578 bis 1596, und Sebald Hünerkopf von 1597 bis 1602. Auf einer Tafel im herrschaftlichen Betstübchen liest man: „Anna Hünerkopfin zur Wiesen, gehorne Bünau von Meuselwitz 1599.“ und von aussen, am Chore unterwärts, stehen nebst zwei Wappen die Anfangsbuchstaben der Namen A. v. B. S. H. K. mit der Jahreszahl 1599. Hans Georg Meusinger von Kollersritt kaufte Wiese 1600 und behielt es bis 1616. Die Anfangsbuchstaben von den Namen dieser Herrschaft H. G. M. v. K. A. M. sind gleichfalls sammt beiden Familienwappen und der Jahreszahl 1605 am Kirchenchor zu finden. Hans Unwirth erlangt das Gut 1615 und starb, sechsunddreissig Jahre alt, am 19. September 1618, worauf seine Wittwe, Frau Anna Unwirthin, 1624 Ernsten von Milkau heirathete, der 1626 starb. Die Wittwe verwaltete das Gut bis 1648 und übergab es dann ihrer Tochter Anna Margarethe, vermählte von Vitzthum, die es bis 1664 behielt. In diesem Jahre kaufte Wiese Hans Georg von Schönberg auf Wingendorf, Oberschöna, Börnichen und Haynichen, dem Adam Friedrich von Schönberg folgte. Die Familie von Schönberg besass das Gut bis 1718, wo es an Christoph Heinrich Grafen von Watzdorf auf Lichtenwalde gelangte, der 1729 starb. Sein Nachfolger, Graf Heinrich von Watzdorf, wählte Wiese zu seinem Wohnorte, 1749 aber kam das Gut unter Administration und blieb darin bis 1764, worauf es bis 1771 die verwittwete Gräfin Henriette Sophie von Watzdorf, geborne Gräfin Vitzthum-Eckstädt auf Lichtenwalde besass. Dieser Dame folgte Georg Reinhard Graf von Wallwitz, Conferenzminister und diesem dessen jüngster Sohn, der Kammerherr, Hof- und Justizrath Friedrich Sebastian von Wallwitz, welchem Herrn nach dem Willen des Vaters am 11. October 1793 von den Unterthanen gehuldigt werden musste, während der alte Herr sich das Recht der Gerichtsherrschaft vorbehielt. Der folgende Besitzer war Herr Schubert aus Venusberg, von dem Wiese an den Kaufmann August Eisenstuck zu Annaberg gelangte. Zur Zeit gehört das Rittergut Herrn Wecke, der mit einem Fräulein Eisenstuck vermählt ist.

Die Kirche zu Wiese besitzt zwei Thürme und ist nahe beim Rittergute auf einem Berge erbaut. Bis zum Jahre 1782 war sie Filial von Schönbrunn, doch soll in der Zeit vor der Reformation hier ein Kaplan gewesen sein, dessen Wohnung sich auf der Stelle befand, wo jetzt die Schenke steht, wofür allerdings das zum Rittergute gehörige sogenannte Pfarrfeld und einige besondere Gefälle sprechen. In der Kirche liegt ein alter Leichenstein vom Jahre 1612, worunter Frau Anna Meusingerin, geborne Katmenin, Frau zur Wiesen schlummert. Im Jahre 1805 wurde die Kirche durch Einbruch um hundert Thaler bestohlen. Eingepfarrt hierher ist Neundorf.

Das zum Rittergute Wiese gehörige Wiesenbad liegt vom Dorfe eine halbe Stunde östlich in einem angenehmen Grunde an der Annaberg-Wolkensteiner Chaussee, nahe der Zschopau und dem Bielbache. Die Entdeckung des Gesundbrunnens soll durch einen armen Mann veranlasst worden sein, der seine kranken Füsse in dem Wasser wusch und gesund wurde. Schon zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts fanden sich viele kranke Menschen, namentlich aus Annaberg, hier ein und benutzten das Mineralwasser mit so glücklichem Erfolge, dass der Besitzer von Wiese, Hans Friedrich, im Jahre 1501 den Brunnen einfassen und ein Badehaus errichten liess. Zu gleicher Zeit wurde zum Gebrauche der Badegäste eine kleine Kapelle mit Altar und dem Bilde Hiobs zwischen dem heiligen Haine und dem Plattenwalde erbaut, die Herzog Georg reichlich mit Geschenken bedachte und der Bischof von Meissen 1505 einweihte. Mit Bewilligung des Papstes und der Bischöfe wurde ein Priester verordnet, der mit den kranken Badeleuten Morgens und Abends beten und ihnen Messe lesen musste. Von dieser Kapelle erhielt das Bad den Namen Hiobsbad; später nannte man es nach der verwittweten Churfürstin Sophie, die das sogenannte Fürstenhaus erbauen liess, Sophienbad. Insgemein wird es das warme Bad oder Wiesenbad genannt. – Die Kapelle jener Zeit ist spurlos verschwunden, doch wird von dem Pfarrherrn zu Wiese alljährlich im Freien ein Gottesdienst gehalten, wozu eine Glocke das Zeichen giebt. Dass dieser Gottesdienst jedesmal für die ganze Umgegend Veranlassung zur Feier und späterem Vergnügen ist, lässt sich denken.

Das Badwasser ist im Winter ziemlich heiss, im Februar fast rauchend, im Sommer aber nur lau, so dass es, wie das Wolkensteiner, angewärmt werden [96] muss. Der Quell fliesst in ein Bassin, das über fünf Ellen tief, mit Pfosten eingefasst und überbaut ist. Das Wasser quillt immer mit gleicher Stärke und sprudelt in weissblauen Blasen, die Perlen gleichen, hell und klar aus dem Sandsteine hervor. Merkwürdig ist es, dass die Witterung auf die Quelle nicht den geringsten Einfluss äussert. Wenn das Wiesenbad angemessen gebraucht wird, so dient es gegen vielfache Leibesbeschwerden, namentlich aber gegen Gicht, alte Geschwüre, Krämpfe und Nervenleiden. Auffallend ist es, dass das Wasser in einem Jahre kräftiger ist als in dem andern. – Das Wasser des Wiesenbades enthält nach Professor Lampadius in einem Pfunde 2½ Gran kohlensaures Natron, 1⅓ Gran schwefelsaures Natron, 1 Gran salzsaures Natron, 71/100 Gran kohlensauren Talk, Spuren von Eisenoxyd und Kali. Da ihm viel Stickstoff entströmt, ist das Wasser neben das zu Aachen, Burtscheid und Leuk zu klassificiren.

Für das Vergnügen der Badegäste hat der frühere Besitzer, Herr Eisenstuck, vielfach gesorgt, da er viele treffliche Spaziergänge anlegen liess und überhaupt weder Mühe noch Kosten scheute, den Gästen das Leben zu erheitern. – Nahe bei Wiesenbad liegt auch die Riesenburg, ein einzeln gelegenes, ansehnliches Gut mit Ruinen eines alten Ritterschlosses. Die Riesenburg gehörte vormals dem bekannten Adam Riese, welcher von 1530 bis 1536 Rechnenmeister und 1539 Gegenschreiber in Annaberg war und das erste Rechnenbuch herausgegeben hat. – Im Jahre 1625 badete in Wiesenbad die Mutter Churfürst Johann Georgs, der während dieser Zeit zu Annaberg residirte. Die jungen Prinzen hielten damals hier ein solennes Vogelschiessen. Die Gemahlin des Churprinzen Johann Georg gebrauchte das Wiesenbad 1655.

M.