Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H10

Heft 9 des Leipziger Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.)
Heft 10 der Section Leipziger Kreis
Heft 11 des Leipziger Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Sachsendorf
  2. Thammenhayn
  3. Hohnstädt
  4. Seelingstädt


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Sachsendorf.


Das Dorf Sachsendorf liegt an der ehemaligen Leipzig-Dresdner Poststrasse zwischen Leipzig und Hubertusburg, etwa drei Stunden von Grimma in einem weiten Thalgrunde, der sich bis zur Mulde hindehnt. Der schöne wohlhabende Ort zählt mit Inbegriff der Kirche des Rittergutes und der geistlichen Gebäude siebzig Hausnummern, darunter fünf Pferdnergüter, wovon jedoch zwei mit dem Rittergute vereinigt sind, funfzehn Gärtnergüter, von denen gleichfalls eins zum Rittergute gehört, und sechsundvierzig Häuser. Die Einwohnerschaft besteht aus ziemlich fünfhundert Personen, wobei ein Schmied, zwei Wagner, zwei Seiler, ein Böttcher, ein Leinweber, ein Drechsler und ein Bäcker befindlich sind, auch hat der Ort einen stattlichen Gasthof nebst einer Mühle, welche von dem sogenannten Mühlbache getrieben wird. Unweit des Dorfes beginnt die Mutzschener Haide und um dasselbe liegen mehrere zu dem hiesigen Rittergute und dem damit verbundenen Streuben gehörige Teiche. Das Gesammtareal des Flurbezirks Sachsendorf umfasst nach der neuen Vermessung 1247 Acker 135 □ Ruthen.

Die Zeit der Gründung Sachsendorfs ist, wie die der meisten Dörfer, unbekannt, doch wird der Ort schon in einer Grenzberichtigungsurkunde vom Jahre 1284, sowie auch 1330 erwähnt, in welchem letzteren Jahre zu Pausitz eine neue Kirche erbaut wurde, welcher der Bischof von Meissen aus achtzehn Hufen Landes zu Sachsendorf drei Malter Korn und drei Malter Hafer als Decem schenkte, welcher Getreidezins jedoch später vermindert worden ist. Das hier befindliche Rittergut ist mit dem Rittergute Streuben combinirt, welches letztere, ohne Gebäude, mit seinen Fluren nach Sachsendorf gehört, während das nahe Dorf Streuben zur Parochie Kühren zählt. Die Rittergutsgebäude zu Sachsendorf zeichnen sich durch regelmässige und massive Bauart aus und namentlich das 1790 in neuem und geschmackvollem Style aufgeführte Herrenhaus präsentirt sich äusserst vortheilhaft. Unmittelbar an dasselbe stösst ein schöner weitläufiger Garten, der von dem Mühlbach durchflossen wird, welcher das Dorf in zwei Hälften theilt. Kaum eine Viertelstunde von Sachsendorf liegt die zum Rittergute gehörige bedeutende Schäferei, umgeben von einer Kirschplantage. Die dem Rittergute zustehenden Waldungen sind von Bedeutung und gutem Bestande, auch die Fischerei ist ziemlich beträchtlich, denn ausser einer Anzahl von grösseren und kleineren Teichen besitzt das Gut in der Nähe des königlichen Forstes einen sehr umfangreichen Teich, der Doktorteich genannt. Das Rittergut Sachsendorf war in früherer Zeit sehr oft mit dem nahen Gute Wäldgen combinirt.

Den Namen hat Sachsendorf höchst wahrscheinlich von der einst hier hausenden Familie von Sachsendorf, aus der im Jahre 1333 Conrad von Sachsendorf als Zeuge in einer von dem Burggrafen von Leissnig ausgestellten Urkunde genannt wird. Später gehörte das Gut einem Ritter Görge von Canitz und 1469 Hansen von Canitz, der auch Wäldgen und Mühlbach besass. Nach ihm wird Bernhard von Stentzsch als Herr dieser drei Güter genannt, von dem sie um 1514 Friedrich von Saalhausen auf Trebsen erkaufte. In der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts war Hans von Minkwitz Herr auf Sachsendorf, Streuben und Nitzschka, von dem die zwei erstgenannten Güter an Ritter Hans von Holläufer gelangten, der bereits Burkartshain, Zschepa, Mühlbach und Oelschütz als eine kleine Herrschaft besass, 1565 auf dem Schlosse Mühlbach starb und in der Kirche zu Burkartshain begraben wurde. Von der Familie von Holläufer kam Sachsendorf an die von Schleinitz, aus der Wolf Dietrich von Schleinitz 1601 vorkommt. Nach ihm besass das Gut Johann Samuel Mosbach, der 1630 mit Tode abging, worauf seine Wittwe, Anna Sophie Mosbach Eigenthümerin blieb, bis zum Jahre 1650, wo sie starb. Georg Christoph von Braune, Stiftsrath zu Wurzen, war im Besitze Sachsendorfs bis 1692. Durch testamentarische Bestimmung besassen Fräulein Johanna Elisabeth Mosbach und ihre Schwester Anna Sophie von Peres das Gut von 1693 bis 1705, worauf es der Generalleutnant [82] Christoph von Canitz an sich brachte, dem Christoph Heinrich von Canitz, Sächsischer Generalmajor, folgte, aber schon 1720 starb. Jetzt gelangte Sachsendorf an Johann Caspar von Döring, einen Abkömmling des bekannten Staatsmannes Dr. David von Döring, welchem auch Wäldgen, Streuben und Kleinliebenau gehörten, der aber schon 1722 Sachsendorf dem Rittmeister Hans Christoph von Döring hinterliess. Diesem folgte 1758 Gottlob Heinrich von Döring, Senior des Domstifts Wurzen, gestorben 1780. Johann August Petzsch, Churfürstlich Sächsischer Amtsverwalter und Erbauer des Herrenhauses, besass Sachsendorf bis 1794, seine Wittwe aber bis 1800, worauf deren Sohn, der königlich Sächsische Amtsinspector Friedrich August Petzsch, das Gut in Besitz nahm und bis 1809 behielt, in welchem Jahre es sein Sohn, Friedrich Gottlob Petzsch erbte, von dem es 1816 an Georg Friedrich Herfurth gelangte. Bei dessen 1832 erfolgtem Tode übernahm das Gut die Wittwe Frau Johanne Christiane Dorothea geborene Junker, und 1840 erbte es deren Sohn Herr Carl Gottfried Moritz Herfurth, welcher es, nebst Streuben, noch jetzt besitzt.

Von den früheren Schicksalen Sachsendorfs lässt sich aus Mangel an zuverlässigen Nachrichten nur wenig anführen, doch scheint es nach einer alten Wurzener Kirchenrechnung im Hussitenkriege bedeutend gelitten zu haben, da 1431 an der Kirche eine bedeutende Reparatur vorgenommen und das abgebrannte Dach neu erbaut werden musste. Der Junker Görge von Canitz wohnte damals auf dem Schlosse zu Mühlbach, weil der Hof ebenfalls im Bau begriffen war, es hatte also wahrscheinlich das Böhmische Kriegsvolk den grössten Theil des Dorfes oder doch dessen bedeutendste Gebäude eingeäschert. Im dreissigjährigen Kriege mag hier unsägliches Elend geherrscht haben, denn durch die Belagerung Torgaus sowohl als auch durch die Pest war der Ort dergestalt ruinirt, dass der damalige Pfarrer, Magister Thielemann, sich veranlasst sah, sein Amt aufzugeben und im Jahre 1645 nach Nemt zu gehen, da in Sachsendorf sich nur noch funfzehn erwachsene Personen befanden, so dass der Pastor zu Burkartshain den hiesigen Kirchendienst bis 1649 verrichten musste, wo man einen neuen Pfarrer anstellte. – Der letzte Französische Krieg traf in den Jahren 1812 und 1813 den Ort ebenfalls sehr hart, da die Nähe der Etappenstrasse und die Wohlhabenheit der Gegend oft gefährliche und kostspielige militärische Gäste hierher führte. – Auch vom Feuer ist Sachsendorf oft heimgesucht worden, wie denn am 8. October 1693 die Kirche sammt den Glocken, der Uhr, und Allem was in dem alten Gotteshause befindlich war, von den Flammen verzehrt wurde, wobei auch die Schule verbrannte. Im Jahre 1758 schlug das Wetter zweimal in die herrschaftliche Schäferei, dass dieselbe nebst einigen Scheuern, Böden und bedeutenden Getreidevorräthen in Rauch aufging, und 1775 brach am 23. Juni Morgens zwischen ein und zwei Uhr im Hermannschen Gärtnergute ein Feuer aus, welches mit so reissender Schnelligkeit um sich griff, dass im Verlaufe einer Stunde zehn Bauergüter, fünf Häuser, Pfarre, Schule und alle dazu gehörigen Wirthschaftsgebäude gänzlich vernichtet wurden. Glücklicher waren die hiesigen Begüterten im Jahre 1818, wo der Blitz das Haus des Gärtners Hofmann anzündete und selbiges völlig einäscherte, ohne jedoch weiteren Schaden zu verursachen, da ein losbrechender Platzregen die nebenstehenden gefährdeten Strohgebäude vor der Flamme schützte. Am 24. Juli 1819 traf der Blitz wiederum die Scheune der herrschaftlichen Schäferei, warf alle Ziegel vom Dache herab, fuhr in das Innere des Gebäudes, wo zweihundert Schock Korn lagen, und zündete, doch gelang es den äussersten Anstrengungen der Sachsendorfer das Feuer zu löschen, obgleich der Schade sehr beträchtlich war. Auch in den Jahren 1822 und 1824 hat der Ort durch Feuer Schaden gelitten, indem das erste Mal zwei Gärtnergüter, das andere Mal vier Häuser nebst der Schmiede niederbrannten.

Wie schon erwähnt brannte die alte Kirche im Jahre 1693 nieder und die neue wurde erst nach fünfjähriger Frist am 14. November 1698 wieder eingeweiht, wo auch schon eine neue Kirchhofswand vorhanden war. Die gesammten Baukosten betrugen 1443 Gülden 6 Groschen 1 Pfennig, wozu man 150 Gülden vom Pfarrer und 50 Gülden aus der Kirche zu Wachau borgte. Zwei vorhandene Glocken sind 1716 und die dritte 1785 gegossen. Es befinden sich in der hiesigen Kirche zwei schöne silberne Kelche, von denen einer von Catharina von Nitzschky, der andere von Anna Sophia Mosbach geschenkt wurde, nebst doppelten Patenen und silberner Hostienschachtel. Auf dem Altarplatze befindet sich in einer Niesche die Büste Luthers, welche 1817 der Kirchenpatron Georg Friedrich Herfurth hierher verehrte, zur Linken aber ist die Büste des Königs Friedrich August von Sachsen zum Andenken Seines Regierungsjubelfestes von demselben Geber aufgestellt worden. Im Jahre 1834 wurde die alte, dunkle, feuchte Sakristei abgebrochen und eine neue gebaut, sowie 1839 durch sechs schöne helle Fenster für das freundliche, helle Innere der Kirche gesorgt. Der hiesigen Kirchen- und Schulgemeinde, aus den Ortschaften Sachsendorf und Wäldgen bestehend, hat ein vormaliger Gerichtshalter, Dr. Gottfried David Schreiter, ein Legat von neunzig Thalern überlassen, von dessen Zinsen, nach Ermessen des Kirchenpatrons und Pastors, nützliche Schulbücher angekauft und den fleissigsten Kindern geschenkt werden sollen. 1671 in der Nacht zum 10. October brachen Diebe in die Sakristei der hiesigen Kirche ein und raubten zwei mit silbernen Spitzen besetzte Altartücher und ein goldgesticktes Communiontuch. In der Pfarre zu Sachsendorf pflegten bei Gelegenheit der grossen Jagden unsere Landesherren zu speisen, eine Ehre die Sachsendorf in den Jahren 1786, 1789, 1792, 1793, 1794 wiederfahren ist. Das nach Sachsendorf eingepfarrte Dorf Wäldgen liegt kaum eine Viertelstunde von dem Kirchorte nahe an der Leipzig-Dresdner Chaussee, zählt sechszehn Hausnummern, darunter das Rittergut, die Schäferei, eine Mühle, sechs Gärtnergüter, eine Schenke und acht Häuser, und ist von etwa hundert Menschen bewohnt. Der Flurbezirk des Dorfes Wäldgen beträgt 259 Acker 259 □ Ruthen.

Unter den hiesigen Pfarrherren befand sich von 1684 bis 1732 der Pfarrer Paul Christian Gilbert von Spaignart, ein Nachkomme des von Dr. Martin Luther selbst investirten ersten Superintendentens und Pastors Primarius zu Liebenwerda, Martin Gilberts von Spaignart. Dieser hatte von dem Reformator ein schönes geschliffenes Trinkglas zum Geschenk erhalten, das in der Familie Spaignart forterbte und auch im Besitze des hiesigen Pfarrers war. In der Chronik von Grimma wird über dieses Glas und die Familie von Spaignart gesagt:

„Es ist das Trinkglas von ungemeiner Schönheit und Leichtigkeit, und der Länge nach gleichsam wie mit schmalen weissen Bandstreifen die am Boden immer schmaler zusammenlaufen, ausgelegt und künstlich verfertigt. [83] In dem Glase selbst war ein Zettel, darauf die merkwürdigsten Nachrichten davon aufgezeichnet standen, die ich hier wörtlich mittheilen will. „Gegenwärtiges Trinkglas ist des weltberühmten seligen Dr. Martini Lutheri wirkliches Leib- und Tischglas gewesen, womit er seinem guten Herzensfreunde M. Martinum Gilbertum de Spaignart zu Liebenwerda gütig beschenkt hat. Gelegenheit zu sothaner zwischen ihnen beiderseits vertraut gepflogener Freundschaft und Briefwechsel gab des erwähnten christlichen adlichen Theologi wahre Liebe zum heiligen Evangeliums-Lichte bei damaliger grosser Finsterniss des Papstthums, indem er bald in der Jugend seinen väterlichen Erbrittersitz verlassen und sich unter göttlichem Beistande und sicherem Geleite in Sachsen dem Studio theologico rühmlich gewidmet. Nach der Zeit investirte selbst unser theuerster Lutherus denselben zur Liebenwerdaer Superintendentur. Sein seliger Vater, als unser Stammvater, hat geheissen Hans Guilbert von Spaignart, welcher in den Spanischen Niederlanden zu Bergen in der Grafschaft Hennegau seine Rittergüter besessen und als Rittmeister Sr. kaiserl. Majestät Caroli V. in der Belagerung von Wien Anno 1529 geblieben. Seine selige Mutter ist gewesen Frau Maria geborene von Guillod. Mehr Umstände schenket dieserwegen eine von mir Endesunterschriebenem gefertigte genealogische Tabelle derer Guilbertorum von Spaignart. Indessen ist von diesem feinen Glase noch merkwürdig, dass es wie ein anderes leicht zerbrechliches Gefässe mancher Feuersgefahr ungeachtet, dennoch in einem beinahe 200jährigen Besitze meiner liebwerthesten Ahnen und Vorfahren ordentlich verblieben, welches nunmehr auch mir von meinem in Gott ruhenden Vater Paulo Christiano Gilberto de Spaignart, 48jährigem Pastore und Seniore zu Sachsendorf, Grimmaischer Ephorie behörig, zugestorben Anno 1732. Hierüber waren meine Gedanken folgende:

DVo neqVe seCVLa fregerVnt VltrVM fragILe.

Füge endlich dieses noch bei, dass Lutheri besonderes und rechtes Vergnügen über schöne Gläser, ein gutes tertium comparationis und diese löbliche Absicht, sowohl auf die Reinigkeit unserer Lehre, als auf die Vergänglichkeit unseres Lebens erbaulich gehegt. Daher auch das von Luthero beliebte Sprüchwort: „Ich rede was wahr ist, ich esse was gut ist, ich trinke was klar ist“ gekommen. Und wenn er dem Justo Jonae gleichfalls ein feines Glas verehrte, so war seine gute Erinnerung vor sich und andere dabei dies:

Dat Vitrum vitro Jonae, vitrum ipse Lutherus,
Ut vitro fragili similem se noscat uterque!

Werde also dergleichen altes und rares Erbstück unseres Dr. Luthers-Glases, jedoch sonder alle Superstition, welche mehrmals gute Alterthümer begleitet und versalzet, vor meine Geschlechtsfreunde, denen ich eben dies nachrichtlich allhier niedergeschrieben habe, verwahrlich beilegen, um ihnen solches dereinst, auch wie billig behändigen zu lassen.

Sachsendorf am 30. August 1732.
M. Eman. Christian Gilbert von Spaignart.
Collaborator an der Stadtschule zu Düben.

Noch befindet sich von dem Pfarrer Paul Christian Gilbert von Spaignart im Sachsendorfer Kirchenbuche eine interessante Mittheilung, die wir unsern Lesern nicht vorenthalten dürfen. Der Pfarrer sagt darin: „Nachdem mein seliger Antecessor M. Martin Heydenreich 1684 im Herrn entschlafen und dessen Erben angedeutet worden, dass sie bei ihrem Abzuge 12 Scheffel Korn und 4½ Scheffel Hafer lassen sollten, haben sie sich nicht dazu verstehen wollen, mit Vorwenden, der Selige habe dergleichen nie empfangen, worauf der damalige Collator Stiftsrath von Braune, denen Gerichten allhier anbefohlen, dass sie in die Pfarre einfallen und 11 Scheffel Korn und 4½ Scheffel Hafer zur Bestellung der Pfarrfelder vom Boden nehmen müssen. Als nun die Heydenreichschen Erben deswegen im Löbl. Consistorio zu Leipzig Klage angestellet und sich beschweret, ist dergleichen Attentatum und Eingriff übel aufgenommen und ein solcher Abschied gegeben worden, dass den Heydenreichschen Erben ohne einig Absehn auf das Inventarium alles Abgenommene nebst aufgewandten Unkosten restituirt werden sollte, und ist deswegen ein gleich gross günstiger Commissionsbefehl an den Superintendent und Amtmann zu Grimma ergangen, da denn bei angestelltem Termine den 16. August 1686 die Sache also abgethan worden, dass der Collator nebst der Gemeine die Restitution des Korn und Hafer angelobet, ich aber als Successor, dieweil angemeldetes Korn und Hafer aufs Pfarrfeld gesäet worden, habe auf der Gemeine Begehren, solches Getreide ihnen gleichfalls wieder vom Boden gegeben, womit sie sofort die Heydenreichschen Erben contentirt, laut der Gemeine ihrer Quittung am 27 September 1686.

O. M.     



[84]
Thammenhayn.


Thammenhayn, ein ansehnliches Dorf mit einem schönen Rittergute, liegt zwei Stunden nordöstlich von Wurzen an der Torgauer Strasse, in kurzer Entfernung von der Grenze des Preussischen Herzogthums Sachsen und erstreckt sich eine halbe Stunde lang in südlicher Richtung bis nach dem Dorfe Voigtshain an einem in die Lossa mündenden Bache hin. Sowohl der nahe Schildauer Berg, wie auch die nicht weit entlegenen Hohburger Höhen, geben der hiesigen flachen Gegend eine höchst angenehme Abwechselung und bieten vortreffliche Aussichten, namentlich vom Schildauer Berge überschaut man nach allen Richtungen eine weite Fläche, auf welcher das Städtchen Schildau, Torgau, der Berg vor Eilenburg, das Schloss Hubertusburg und bei ungetrübtem Horizonte selbst der Petersberg bei Halle die bemerkenswerthesten Punkte bilden. Im weiten Umkreise ist Thammenhayn von einem dunklen Waldgürtel umzogen, welcher die Feuchtigkeit des Bodens sehr vermehrt und nur nach einer Seite hin offen ist. Früher waren die hiesigen Felder den Verwüstungen der Wildschweine ausgesetzt, bis König Anton diese schädlichen Thiere ausrotten liess. Thammenhayn zählt in elf Hufengütern, siebzehn Halbhufengütern, zwei Viertelhufengütern, sechszehn Grosshäuslerwohnungen, siebenunddreissig Häusern, zwei Schenken, zwei Mühlen, einer Schmiede, der Schäferei und dem Gemeindehause über sechshundert Einwohner. Uebrigens besteht der Ort aus zwei Gemeinden, Ober- und Niederthammenhayn genannt.

Schon in einer Urkunde vom Jahre 1282 wird des Dorfes Thammenhayn Erwähnung gethan, indem darin gesagt ist „die Grenzen des Stiftes Wurzen erstreckten sich von dem Dorfe Treben bis an das Feld von Heinrichsdorf, (welcher Ort jetzt als wüste Mark zu Thammenhayn gehört) und von dem genannten Dorfe bis an das Feld von Thammenhayn.“ – Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Erbauer des Rittergutes ein Edelmann welcher Damian, oder abgekürzt Dam, hiess und dadurch dem Orte seinen Namen gab, doch findet man auch die Behauptung aufgestellt, dass die vielen hier befindlichen Dämme dazu Veranlassung geboten. – Das Rittergut gehört zu den ansehnlichsten der Gegend und ist namentlich reich an trefflicher Waldung, die an Flächengehalt dem des Flurgebietes gleichkommt. Seine Gebäude bilden ein schönes Gehöft und befinden sich in sehr gutem Zustande, gleich dem mit einer Mauer umzogenen Lustgarten mit Gewächs- und Treibhaus. Die herrschaftliche Schäferei und das Brauhaus stehen von dem Hauptgebäude abgesondert, die eine Seite des Hofes aber enthält eine stattliche Kirche, die Hofkirche genannt, welche, fast so gross als die Dorfkirche, die ganze Gemeinde zu fassen vermag, und deren Boden zur Aufschüttung des Getreides benutzt wird. – Bei Thammenhayn lag einst auch das jetzt verschwundene Dörfchen Holbach und zum Rittergute gehörten vor Zeiten auch der Peisshaniger Busch und der Böhmer Werth bei Canitz an der Mulde.

Im funfzehnten Jahrhundert bestand Thammenhayn aus zwei Gutstheilen, von denen eines den Herren von Saalhausen, das andere den Herren von Korbitz gehörte. Hans von Korbitz wird 1498 und noch 1519 erwähnt, in welchem Jahre das Gut an den Amtmann Bernhard von Stentzsch auf Zschorna und Wäldgen gelangte, der es 1522 an Eberhard von Lindenau verkaufte. Dieser Herr besass beide Güter, verpfändete aber das eine an die Junker Dietrich und Christoph von Truchsess auf Wellerswalde und starb 1555 am Donnerstage nach Empfängniss Mariä. Hans von Lindenau wird in der Pfarrmatrikel noch 1582 genannt, und 1587 war das Thammenhayner Rittergut in drei Theile getheilt, welche den Brüdern Hans, Caspar Dietrich und Georg Caspar von Lindenau gehörten. Den Altar der Thammenhayner Kirche erbauten 1602 auf ihre Kosten die Herren Caspar Dietrich, Michael und Wilhelm von Lindenau, von denen die beiden Ersteren noch 1612 lebten. Im Jahre 1615 befand sich im Alleinbesitz der wieder vereinigten Rittergutstheile Nikolaus von Loss, der 1622 Thammenhayn an Heinrich von Bredelohe verkaufte, von dem es der Dänische Leibarzt Donat von Freywald an sich brachte und es 1654 seinem Sohne Christian Donat von Freywald hinterliess, der 1666 mit Tode abging. Der nächste Besitzer war Joachim Loth von Schönberg auf Gelenau, dessen drei Söhne, Hans Dietrich, Nikol und Rudolph von Schönberg das Gut noch 1692 besassen; 1701 aber gehörte es Hans Dietrich von Schönberg allein. Im Jahre 1734 wird Gotthelf Friedrich von Schönberg als [85] Besitzer von Thammenhayn, Trebitz, Lauterbach und Purschenstein genannt, der auch Churfürstlich Sächsischer Kammerherr, sowie sein Sohn Rudolf Dietrich 1750 Churfürstlich Sächsischer Kreishauptmann war. Nach diesem besass Thammenhayn, und zugleich auch Gelenau, Niederzwönitz, Lauterbach, Bieberstein und Trebitz der Churfürstlich Sächsische Kammerherr Rudolf Dietrich von Schönberg, dem 1790 der Kammerherr Caspar Heinrich Dam von Schönberg folgte. Später gehörte das Gut, zugleich mit Gelenau, Hofthum und Niederzwönitz, August Caspar Ferdinand Dam von Schönberg; der jetzige Besitzer desselben ist Herr Julius von Schönberg.

Thammenhayn ist der Geburtsort des berühmten Bischofs Johann VI. von Meissen, dessen Vater, Friedrich von Saalhausen, bis um 1450 abwechselnd auf dem hiesigen Rittergute und einigen anderen ihm zugehörigen nahen Edelsitzen, namentlich dem Stammgute Saalhausen wohnte. Der Bischof war einer der aufgeklärtesten Geistlichen seiner Zeit und würde ohne Zweifel die Reformation sehr begünstigt haben, wenn er nicht schon mit Beginn derselben (1518) gestorben wäre. Der Hussitenkrieg, wie auch der dreissigjährige Krieg, brachten Thammenhayn schreckliche Verwüstungen und noch erinnern die wüsten Marken Heinrichsdorf und Holbach an die Zeit, wo durch den grausamen Uebermuth der Soldaten diese blühenden Dörfer vernichtet wurden. Auch in dem nordischen Kriege traf Thammenhayns Einwohner ein grosses Unglück. Im Jahre 1707 rückte aus Wurzen ein Exekutionscommando von neun Schwedischen Soldaten ein, das jedoch die Thammenhayner nicht aufnehmen wollten, sondern es zum Orte hinaustrieben, bei welchem Handgemenge einer der Schweden getödtet wurde. Die Rache derselben blieb nicht aus, und erinnert an das grausame Treiben, wodurch schon ihre Grossväter für alle Zeiten in Sachsens Annalen sich ein blutiges Denkmal gesetzt hatten. Zwei der unglücklichen Landleute wurden erschossen und verschiedene Andere mit fortgeschleppt, die jedoch grösstentheils den Misshandlungen der erbitterten Soldaten erlagen, so dass nach der für den Schwedenkönig Karl XII. so verhängnissvollen Schlacht bei Pultawa nur zwei der entführten Thammenhayner zurückkehrten.

Es wurde schon erwähnt, dass mit dem Rittergute Thammenhayn eine Kirche, unter dem Namen Hofkirche, zusammengebaut ist. Schon 1569 hatte der damalige Herr des Rittergutes, Hans von Lindenau, hier eine Kirche erbauen lassen, die laut einer noch vorhandenen Matrikel von 1617 der Herr von Loss abbrechen liess, doch war sie 1671 wieder vorhanden. Die gegenwärtige Kirche ist ein Werk Hans Dietrichs von Schönberg, der dieselbe 1711 aufführen und 1713 einweihen liess, wobei er sie mit einigem Vermögen dotirte.

Sie hat einen hübschen Thurm mit drei Glocken und einer Uhr, ist mit Ziegeln gedeckt, sowie der Thurm mit Schiefer, zeichnet sich durch ein helles und freundliches Innere aus und besitzt eine treffliche Orgel. Im unteren Theile des Thurmes befindet sich ein zu Wirthschaftszwecken bestimmtes Gewölbe, darüber aber die herrschaftliche Kapelle. Bei einem 1822 stattgefundenen Gewitter schlug der Blitz in die Thurmspitze, warf einen Theil der Kuppel herab, drang durch die herrschaftliche Kapelle in die Kirche, beschädigte die Decke und fuhr endlich in einem anstossenden Gebäude nieder, wo er eine Ziege tödtete. Dadurch wurde eine bedeutende Reparatur nöthig, die über sechshundert Thaler kostete und erst im nächsten Jahre beendigt werden konnte.

Die Dorfkirche ist ein sehr altes Gebäude, über dessen Ursprung keine Nachrichten vorhanden sind. Dieselbe besteht aus einem höheren Baue, welcher einen kuppelartigen Thurm trägt, und einem angebauten Rondel. Zwei Grabsteine im Inneren der Kirche gelten dem Andenken Eberhards von Lindenau († 1555), und eines Hans von Lindenau († 1571), ein dritter deckt die Reste eines Mitgliedes der Familie von Bredelohe, und ausserdem ist noch ein Grabmal der Familie von Schönberg von 1772 in dem gewölbten Bogen zwischen Hauptgebäude und Rondel vorhanden. Einige ganz alte Grabsteine tragen nicht mehr zu entziffernde Ueberbleibsel einstiger Inschriften. – In beiden Kirchen findet der Gottesdienst das ganze Jahr hindurch abwechselnd statt, nur Taufen, Begräbnissreden, Trauungen an Wochentagen und Confirmation werden ausschliesslich in der Dorfkirche vorgenommen, das Abendmal aber wird sowohl in der Hofkirche wie in der Dorfkirche, je nach dem betreffenden Sonntage, ausgetheilt. Die Collatur über Pfarre und Schule steht dem Besitzer des Rittergutes zu.

Die beiden Kirchen zu Thammenhayn befinden sich fast an den äussersten Enden des Dorfes und demnach für die meisten Einwohner in ziemlich unbequemer Lage. Nach aller Wahrscheinlichkeit nahm man bei Erbauung der Dorfkirche auf das nahe gelegene Heinrichsdorf mit einem daselbst befindlichen Sattelhofe Rücksicht, wovon 1617 noch ein Vorwerk mit einigen Drescherhäusern übrig war, das im dreissigjährigen Kriege zerstört wurde. – Uebrigens gehörte die Parochie Thammenhayn seit der Reformation zur Ephorie Eilenburg, nach der Theilung Sachsens aber wurde sie erst provisorisch mit der Ephorie Oschatz, seit 1820 aber mit der Ephorie Wurzen verbunden. Die Schule ist 1834 neu erbaut worden und zählt durchschnittlich hundertzwanzig Kinder.

O. Moser.     



[85]
Hohnstädt
mit Grosssteinberg.


Das Dorf Hohnstädt liegt kaum eine Viertelstunde von Grimma auf einer durch mehrere Schluchten zerrissenen Höhe, die so bedeutend ist, dass man den Ort sogar aus dem höheren Theile des Erzgebirges wahrnehmen kann. Derselbe raint mit den Fluren von Böhlen, Seelingstädt, Beyersdorf und dem rothen Vorwerke, sein Gebiet aber erstreckt sich durch das südöstlich gelegene Vorwerk Burgberg bis an die reizende Muldenaue, wo, umgeben von den schönsten Parkanlagen, auf einem Berghange sich die hübsche Villa erhebt in der Seume seine letzten Lebensjahre in friedlicher Ruhe zubrachte. Hohenstädt, welches auch einem der Grimmaischen Stadtthore den Namen gegeben hat, zählt vierundfunfzig Behausungen mit beinahe vierhundert Bewohnern, und hat eine Pfarrkirche deren Filial Beyersdorf ist, sowie ein Wirthshaus, das wegen des hier gebrauten vortrefflichen Bieres zu den besuchtesten Vergnügungsörtern der Bewohner Grimmas gehört.

Das Rittergut zu Hohnstädt, wozu auch das Vorwerk Burgberg, der Rappenberg, die Kellerhäuser und das Dorf Grosssteinberg gehören, war in der frühesten Zeit Eigenthum der adeligen Familie von Hohnstädt (Hoenstete) die in hiesiger Gegend auch späterhin noch einige Rittergüter besass. Friedrich von Hoenstete, Kellermeister des Markgrafen Friedrich, wird im Jahre 1304 als Wohlthäter der Thomaskirche zu Leipzig genannt, indem er dieser vierzig Acker in der Aue gelegenes Holz schenkte, auch trat er das ihm zustehende Recht, in der Mulde zu fischen, sowie seine Gerichtsbarkeit über die Fischer an Otto, den Propst im Kloster Zschillen, ab, der indessen Beides dem Kloster zu St. Thomas in Leipzig überliess. Das Kloster Nimptschen, welches in weitem Umkreise Besitzungen innehatte und Zinsen einnahm, erwarb sich 1392 zu Hohnstädt einundsechszig Groschen Zins, hundert Jahre vorher aber hatte schon der Pleban zu Grosspardau von Hohnstädt vier Schillinge zu beziehen. Zu welcher Zeit das Rittergut aus dem Besitze der Familie von Hoenstete kam, ist nicht bekannt, im funfzehnten Jahrhundert aber gehörte dasselbe dem Augustinerkloster zu Grimma, welches im Jahre 1187 gestiftet worden war. Dieses besass bedeutende Güter und gehörte zu den ersten Klöstern, welche in Sachsen säkularisirt wurden, denn schon 1523 wurde jedem seiner Mönche anheim gegeben, ob er im Orden bleiben oder zur neuen Lehre übertreten wolle. Erst im Jahre 1541 legte der letzte Prior, Weissmantel hiess er, sein Amt nieder, und überliess dass Kloster mit den dazu gehörigen Gütern dem Landesherrn; aber nicht alle Brüder des Klosters folgten dem Beispiele ihres Priors, das bisherige Leben und die Räume in denen sie gewohnt waren ihnen lieb geworden, und sie fühlten keinen Trieb in anderen Klöstern Zuflucht zu suchen, da es ihnen nicht an Gelegenheit fehlte, das bequeme Leben fortzusetzen.

Churfürst Moritz hatte aus dem Kloster eine gelehrte Schule geschaffen und zum ersten Rector derselben M. Adam Siebern erwählt, der am 14. September 1550 die Weiherede hielt. Aber bald wurde es unheimlich in den alten Klostergebäuden, denn verschiedene Male hatte man bemerkt, dass aus einer unansehnlichen Thüre des Kreuzganges dunkle, geisterhafte Gestalten hervortraten, den einsamen Gang durchwandelten und nach einiger Zeit wieder lautlos verschwanden. Voller Grauen erzählten mehrere Schüler dem Rector was sie mit eigenen Augen wahrgenommen, dieser aber legte ihnen das tiefste Stillschweigen auf, und nachdem er am anderen Tage ein lange Selbstberathung gepflogen, liess er die jungen Leute auf sein Gemach rufen, und forderte sie auf in der nächsten Nacht mit ihm durch die unheimliche Pforte zu steigen und das schauerliche Geheimniss zu ergründen. Um Mitternacht versammelten sich Alle in der Klosterkirche, durch Gebet das Herz zu dem gefährlichen Abentheuer zu stärken, dann wurde eine Fackel angezündet und auf die geheimnissvolle Pforte zugeschritten. Durch einen leisen Druck öffnete sich diese und es zeigten sich Stufen, die abwärts führten. Plötzlich verlöschte die Fackel und rabenschwarze Finsterniss umgab die Nachtwandler, welche einige Augenblicke unentschlossen stehen blieben, endlich aber neuermuthigt weiter drangen, bis ihnen ein heller Raum entgegen leuchtete. Hier sassen die zurückgebliebenen Augustinermönche beim vollen Becher und genossen die Freuden, welche ihnen die Oberwelt nicht mehr bieten konnte. Gross war der Schreck der überraschten Zecher; ein alter graubärtiger Mönch aber sprang heftig empor, warf den Tisch mit Wein und Speisen um und rief den Brüdern zu die Eingedrungenen zu ergreifen und durch ihren Tod das Geheimniss zu wahren, jedoch die anderen Mönche, starr vor Schreck, waren nicht der Meinung des Alten, denn einer von ihnen trat dem Rector Sieber entgegen, mit der Bitte ohne Säumen umzukehren und am nächsten [87] Morgen den Eingang zu diesem Gewölbe fest vermauern zu lassen, über das Abentheuer tiefes Schweigen zu beobachten und zum Andenken an dieses Ereigniss einen Kelch von ihnen anzunehmen. Sieber versprach es und hielt Wort, am nächsten Morgen wurde die Pforte vermauert und von den Mönchen zeigte sich nie wieder eine Spur, jener Kelch aber, ein Prachtstück von gediegenem Golde, ist noch jetzt Eigenthum der Fürstenschule und wird bei der Abendmahlsfeier der Lehrer und Schüler gebraucht.

Nach der Säkularisation des Augustinerklosters blieb Hohnstädt eine Zeit lang Eigenthum des Landesherrn, gehörte zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts dem Junker Christoph von Hirschfeld und gelangte später an den bekannten mehr berüchtigten als berühmten Staatsmann Dr. David von Döring, der 1638 starb und in der hiesigen Kirche begraben liegt. Von dessen sechs Söhnen erbte Hohnstädt mit Böhlen David Friedrich von Döring, des heiligen Römischen Reichs Gefreyter, dem Adam Friedrich von Döring folgte, der 1696 mit Tode abging. Ernst Friedrich von Döring, des Vorigen Sohn, baute in der Klosterkirche zu Grimma die sogenannte Hohnstädter Empore, und starb im Jahre 1742, worauf sein Nachfolger der Hauptmann Ernst Friedrich von Döring das Gut 1787 an eine Frau Loth in Leipzig verkaufte, von deren Familie es Herr Devrient an sich brachte. Der jetzige Eigenthümer von Hohnstädt ist Herr Dr. T. A. Platzmann in Leipzig.

Die Kirche zu Hohnstädt wurde früher von einem Kaplane des Augustinerklosters verwaltet, nach der Reformation aber lehrte hier der Pfarrer Ambrosius Neumann, den Luther selbst von Wittenberg hierher geschickt und dringend empfohlen hatte. Eingekircht sind Bahren, Böhlen, Burgberg und Rappenberg; Filial ist das zum Rittergute Seelingstädt gehörige Beyersdorf. Die Collatur über Kirche und Schule zu Hohnstädt üben abwechselnd die Besitzer der Rittergüter Hohnstädt und Böhlen.

Zu dem Rittergute Hohnstädt gehört auch das Dorf Grosssteinberg, an der Poststrasse von Leipzig nach Grimma, am Ufer der Parthe und dem Fusse eines Hügels gelegen, welcher letztere vormals der grosse Stein genannt wurde, woher das Dorf seinen Namen erhalten haben mag. Der Ort; bildet zwei Gemeinden, welche die grosse und kleine genannt werden. Zu der grossen Gemeinde gehören das herrschaftliche Vorwerk, einundzwanzig Nachbarn und zwölf Häusler, die kleine besteht nur aus zwölf Häuslern; die ganze Einwohnerzahl aber aus etwa dreihundertfunfzig Köpfen. Bemerkenswerth ist der in Grosssteinbergs Nähe gelegene grosse Brandberg, welcher wegen seiner überraschenden Aussicht auf das Parthethal, bis Leipzig hinab, häufig besucht wird.

Ueber die Gründung des Dorfes Grosssteinberg fehlen alle Nachrichten und von seinen späteren Schicksalen weiss man nur, dass es im Hussitenkriege sehr heimgesucht und ein dazu gehöriger Ort gänzlich verwüstet und nicht wieder aufgebaut wurde, woher verschiedene hiesige Gerechtigkeiten stammen sollen. Das herrschaftliche Vorwerk besitzt schöne grosse Gebäude und namentlich einen sehr geräumigen Hof.

Die Kirche zu Grosssteinberg, Filia von Pomsen, war einst eine katholische Kapelle, die von dem Augustinerkloster zu Grimma mit Geistlichen versorgt wurde. Hier befand sich auch eine Kaplanei, welche man nach der Reformation in ein Bauergut umwandelte. – Der Bau der Kirche verräth ein hohes Alterthum, nur die Leichenhalle ist erst in neuerer Zeit (1728) dazu gekommen, zu welcher Zeit auch eine neue Orgel herkam; sehr bemerkenswerth aber ist das Altargemälde, die Einsetzung des Abendmahls darstellend, welches von Kunstkennern für ein Meisterwerk erklärt wird. Das Vermögen der Kirche, welches früher nicht unbedeutend war, ist auf etwa dreihundert Thaler zusammengeschmolzen. Die Schule wurde im Jahre 1822 neuerbaut. Collator über die Schule zu Grossteinberg ist der Rittergutsbesitzer auf Hohnstädt.

O. Moser.     




Seelingstädt
bei Grimma.


Seelingstädt, in Urkunden auch Selegenstat und Seligestat genannt, liegt in einer angenehmen Aue, drei Viertelstunden von Trebsen und eine starke Stunde von Grimma am Kranichsbache (ursprünglich Granitza- oder Gränzbache) zwischen dem Hengstberge und dem Trebsener Colm. Der Ort zählt in zweiundsechszig Häusern etwa vierhundert Einwohner; seine Fluren bestehen in sieben Hufen trefflichen Feldes, auch gehört dazu schöne Waldung.

Seelingstädt ist ein uralter Ort, dessen schon im zwölften Jahrhundert Erwähnung geschieht. Die hiesige Gegend gehörte bereits im zehnten Jahrhundert dem Gaugrafen Buzelin, dessen Gebiet östlicherseits von der Mulde begrenzt war, denn im Jahre 991 vertauschte er das nahe Nerchau (Nerichowa) für Pausitz (Busci) an den Erzbischof Giseler von Magdeburg, der damals wahrscheinlich als Oberlehnsherr des Grafen Esiko von Merseburg handelte. Einige Jahre nachher (995) finden wir Nerichowa als Eigenthum des Grafen Esiko, das König Otto am 6. October dem Meissner Stifte, gleichwie am 13. Juni 997 das Burgwart Nirechouua, in der Grafschaft des Meissner Markgrafen Eginhard gelegen, dem Erzstifte Magdeburg schenkte. Bis zum dreizehnten Jahrhundert bleibt in der Ortsgeschichte hiesiger Gegend manches Dunkel. 1199 herrschte hier das reiche Adelsgeschlecht von Trebsen (Tripizin, Trybesin, [88] Trebisen), von dem bereits 1189 Ritter Bernhard von Tripizin dem Landtage auf dem Colmberge bei Oschatz beiwohnte, und vermuthlich Herr der Burg Trebsen war. Die Ritter von Tripizin besassen das Land in weitem Umkreise und scheinen auch fromme Herren gewesen zu sein, denn das Kloster Nimptschen, wie auch das Augustinerkloster zu Grimma genossen von ihnen mancherlei Wohlthaten.

Seelingstädt soll in frühester Zeit ein Städtchen gewesen sein, und dafür spricht auch wirklich der Umstand, dass 1289 sich allhier ein Spital befand, welches dem Kloster Nimptschen gehörte, das schon 1251 im Orte drei und ein halbes Talent Zinsen zu erheben hatte; die Kirche aber stand unter den Grimmaischen Augustinern. Die Herren von Trebsen blieben im Besitze hiesigen Rittergutes bis gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts, wo, durch nicht bekannte Umstände veranlasst, die Güter an die Familie von Saalhausen gelangten. Im Jahre 1580 gehörte Seelingstädt einem Herrn von Bissing und nach diesem Junker Hansen von Eissnig. Der nächste Besitzer des Gutes war Dr. David von Döring, der 1630 in den Adelsstand erhoben und nur „Kaiser Ferdinands und Churfürst Johann Georgs Orakel“ genannt wurde. Er besass den Titel „Geheimer Kammerrath und des heiligen Römischen Reichs Gefreyter“, machte sich beim Abschlusse des Prager Friedens, 1635, verdient und wurde 1638 in der Kirche zu Hohenstädt begraben. Der Vater dieses für Sachsen so verderblich gewordenen Mannes, der ausser bedeutendem baaren Vermögen auch Trautzschen, Lampertswalde, Wellertswalde, Dahlen, Nehmitz, Mühlbach, Böhlen, Mutzschen und Seelingstädt besass, war Valentin Döring, Amtsschösser zu Grimma. Dr. David von Döring erhielt mit Bewilligung des Churfürsten zu Sachsen auch das alte Magazin am Grimmaischen Schlosse und den daneben gelegenen Garten für tausend Gülden, mit Bewilligung, dass der ganze Bezirk, wie schon 1399, canzleischriftsässig bleiben sollte und auf demselben fremde Weine und Biere ausgeschenkt werden dürften. Dr. Döring verwandelte das Magazin in ein schönes gethürmtes Wohnhaus, kaufte für 8400 Gulden das Vorwerk zu Kleinbothen, die Schadeler Mühle und Fischerei und schenkte Alles dieses der Klosterschule, welche es noch jetzt unter dem Namen „Döringisches Gemiethe“ besitzt. Das Freihaus war auch eine Zeit lang Eigenthum des Amtsschössers Kette auf Seelingstädt, der wegen dessen Schriftsässigkeit viele Streitigkeiten auszuhalten hatte. Von David von Dörings sechs Söhnen erbte Seelingstädt und Nehmitz Hans Georg von Döring, verkaufte aber Ersteres 1668 an den Amtsschösser Kette zu Grimma, in dessen Besitze das Gut etwa zwanzig Jahre blieb, worauf es durch Kauf an Johann Friedrich von Döring gelangte, der 1720 auch Flössberg erwarb. Ihm folgte 1747 Johann David von Döring, welcher 1764 das Gut dem Hauptmann Friedrich Gottlieb von Döring hinterliess. Erst in neuester Zeit kam Seelingstädt, nach zweihundertjährigem Besitz, von der Familie von Döring an den jetzigen Eigenthümer Herrn Albert Zschucke.

Die Gegend um Seelingstädt besteht aus abwechselnden Bergen und Thälern, hat beträchtliche Waldungen und gehört zu den gesündesten und wohlhabendsten unseres Vaterlandes. Schon Melanchthon, der sich gern und oft in Grimma aufhielt, nennt in einem Briefe an Camerarius die hiesige Pflege eine Schmalzgrube Meissens. Deshalb lebten auch hier im Mittelalter nicht wenige Raubritter, welche es namentlich auf die reichbeladenen Saumrosse und Frachtwagen der nach Grimma ziehenden Kaufleute abgesehen hatten, weshalb die Städte Torgau, Oschatz und Grimma mit vielen adligen Herren ihrer Nachbarschaft 1344 ein Schutzbündniss gegen die Landplacker schlossen, so dass jede Stadt der anderen mit zehn Armbrustschützen und zwanzig Geharnischten, jeder Edelmann aber mit zwei Reitern beistehen sollte. Im Jahre 1429 fand hier ein Gefecht zwischen dem Churfürsten Friedrich von Brandenburg und einem Hussitenheere statt, da der Churfürst geschlagen und aus seiner Stellung am Colm getrieben worden war. Die Hussiten brannten alle Dörfer nieder, und als bei Grossbardau sich ihnen eine grosse Anzahl von Edelleuten mit ihren Knechten entgegenstellten, erlitten auch diese eine völlige Niederlage. Als die Böhmen 1449 nochmals einen Einfall unternahmen, traf Grimma und die umliegenden Dörfer wiederum ein trauriges Schicksal, indem Feuer und Schwert schreckliche Verheerungen anrichteten, und namentlich die Edelhöfe von den wilden Kriegsleuten heimgesucht wurden. Der dreissigjährige Krieg brachte neue Drangsale, das Herrenhaus zu Seelingstädt ging in Feuer auf und drei Einwohner des Ortes fanden dabei ihren Tod durch betrunkene Croaten, auch brannten diese das zu dem Rittergute gehörige Vorwerk Beyersdorf nieder.

Die Kirche zu Seelingstädt ist das einzige Filial von Trebsen, in dessen Kirche die Dörfer Bach, Rottersdorf, Pauschwitz, Walzig und Wednig eingepfarrt sind. In früherer Zeit hatte der Diakonus zu Trebsen die kirchlichen Verrichtungen in Seelingstädt zu besorgen, da aber seit 1642 kein Diakonus wieder angestellt wurde, hat dieselben der Trebsener Pfarrherr zu verwalten. Die Collatur über beide Kirchen und die Schulen stehen dem Rittergutsbesitzer auf Trebsen zu.

O. Moser.     




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