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In dem Glase selbst war ein Zettel, darauf die merkwürdigsten Nachrichten davon aufgezeichnet standen, die ich hier wörtlich mittheilen will. „Gegenwärtiges Trinkglas ist des weltberühmten seligen Dr. Martini Lutheri wirkliches Leib- und Tischglas gewesen, womit er seinem guten Herzensfreunde M. Martinum Gilbertum de Spaignart zu Liebenwerda gütig beschenkt hat. Gelegenheit zu sothaner zwischen ihnen beiderseits vertraut gepflogener Freundschaft und Briefwechsel gab des erwähnten christlichen adlichen Theologi wahre Liebe zum heiligen Evangeliums-Lichte bei damaliger grosser Finsterniss des Papstthums, indem er bald in der Jugend seinen väterlichen Erbrittersitz verlassen und sich unter göttlichem Beistande und sicherem Geleite in Sachsen dem Studio theologico rühmlich gewidmet. Nach der Zeit investirte selbst unser theuerster Lutherus denselben zur Liebenwerdaer Superintendentur. Sein seliger Vater, als unser Stammvater, hat geheissen Hans Guilbert von Spaignart, welcher in den Spanischen Niederlanden zu Bergen in der Grafschaft Hennegau seine Rittergüter besessen und als Rittmeister Sr. kaiserl. Majestät Caroli V. in der Belagerung von Wien Anno 1529 geblieben. Seine selige Mutter ist gewesen Frau Maria geborene von Guillod. Mehr Umstände schenket dieserwegen eine von mir Endesunterschriebenem gefertigte genealogische Tabelle derer Guilbertorum von Spaignart. Indessen ist von diesem feinen Glase noch merkwürdig, dass es wie ein anderes leicht zerbrechliches Gefässe mancher Feuersgefahr ungeachtet, dennoch in einem beinahe 200jährigen Besitze meiner liebwerthesten Ahnen und Vorfahren ordentlich verblieben, welches nunmehr auch mir von meinem in Gott ruhenden Vater Paulo Christiano Gilberto de Spaignart, 48jährigem Pastore und Seniore zu Sachsendorf, Grimmaischer Ephorie behörig, zugestorben Anno 1732. Hierüber waren meine Gedanken folgende:

DVo neqVe seCVLa fregerVnt VltrVM fragILe.

Füge endlich dieses noch bei, dass Lutheri besonderes und rechtes Vergnügen über schöne Gläser, ein gutes tertium comparationis und diese löbliche Absicht, sowohl auf die Reinigkeit unserer Lehre, als auf die Vergänglichkeit unseres Lebens erbaulich gehegt. Daher auch das von Luthero beliebte Sprüchwort: „Ich rede was wahr ist, ich esse was gut ist, ich trinke was klar ist“ gekommen. Und wenn er dem Justo Jonae gleichfalls ein feines Glas verehrte, so war seine gute Erinnerung vor sich und andere dabei dies:

Dat Vitrum vitro Jonae, vitrum ipse Lutherus,
Ut vitro fragili similem se noscat uterque!

Werde also dergleichen altes und rares Erbstück unseres Dr. Luthers-Glases, jedoch sonder alle Superstition, welche mehrmals gute Alterthümer begleitet und versalzet, vor meine Geschlechtsfreunde, denen ich eben dies nachrichtlich allhier niedergeschrieben habe, verwahrlich beilegen, um ihnen solches dereinst, auch wie billig behändigen zu lassen.

Sachsendorf am 30. August 1732.
M. Eman. Christian Gilbert von Spaignart.
Collaborator an der Stadtschule zu Düben.

Noch befindet sich von dem Pfarrer Paul Christian Gilbert von Spaignart im Sachsendorfer Kirchenbuche eine interessante Mittheilung, die wir unsern Lesern nicht vorenthalten dürfen. Der Pfarrer sagt darin: „Nachdem mein seliger Antecessor M. Martin Heydenreich 1684 im Herrn entschlafen und dessen Erben angedeutet worden, dass sie bei ihrem Abzuge 12 Scheffel Korn und 4½ Scheffel Hafer lassen sollten, haben sie sich nicht dazu verstehen wollen, mit Vorwenden, der Selige habe dergleichen nie empfangen, worauf der damalige Collator Stiftsrath von Braune, denen Gerichten allhier anbefohlen, dass sie in die Pfarre einfallen und 11 Scheffel Korn und 4½ Scheffel Hafer zur Bestellung der Pfarrfelder vom Boden nehmen müssen. Als nun die Heydenreichschen Erben deswegen im Löbl. Consistorio zu Leipzig Klage angestellet und sich beschweret, ist dergleichen Attentatum und Eingriff übel aufgenommen und ein solcher Abschied gegeben worden, dass den Heydenreichschen Erben ohne einig Absehn auf das Inventarium alles Abgenommene nebst aufgewandten Unkosten restituirt werden sollte, und ist deswegen ein gleich gross günstiger Commissionsbefehl an den Superintendent und Amtmann zu Grimma ergangen, da denn bei angestelltem Termine den 16. August 1686 die Sache also abgethan worden, dass der Collator nebst der Gemeine die Restitution des Korn und Hafer angelobet, ich aber als Successor, dieweil angemeldetes Korn und Hafer aufs Pfarrfeld gesäet worden, habe auf der Gemeine Begehren, solches Getreide ihnen gleichfalls wieder vom Boden gegeben, womit sie sofort die Heydenreichschen Erben contentirt, laut der Gemeine ihrer Quittung am 27 September 1686.

O. M.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/131&oldid=- (Version vom 16.9.2022)