ADB:Zerboni di Sposetti, Joseph

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Artikel „Zerboni di Sposetti, Joseph“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 89–94, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zerboni_di_Sposetti,_Joseph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 12:20 Uhr UTC)
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Zerboni: Joseph Z. di Sposetti, 1760–1831, Publicist, zuletzt Oberpräsident von Posen. der älteste Sohn eines Breslauer Kaufmanns, einer jener italienischen Familien entstammend, deren eine ganze Anzahl gerade zu Breslau, von der katholischen Geistlichkeit und den zahlreichen Stiftern aus confessionellen Gründen unterstützt, sich ansässig gemacht hatte, besuchte zunächst das Breslauer Jesuitengymnasium und von 1778 an die Universität Halle, um sich für den Staatsdienst in der Verwaltung vorzubereiten. Nach Absolvirung seiner juristischen Prüfungen ward er als Assessor bei der Kriegs- und Domänenkammer in Glogau beschäftigt. Eine damals 1792 von ihm veröffentlichte Sammlung von Gedichten zeigt ihn als mit Gefühl und Phantasie begabt, religiös freigeistig und den durch die französische Revolution erregten neuen Ideen ergeben.

In der von ihm vielbesuchten Freimaurerloge zu Glogau schloß Z. enge Freundschaft mit dem Lieutnant v. Leipziger und dem Assessor v. Reibnitz, dessen Schwester er kurz darauf als Gattin heimführte, und ließ sich auch von dem Ersteren für einen Geheimbund gewinnen, der womöglich im Rahmen des Freimaurerthums in der Art des weiland namentlich in Süddeutschland weit verbreiteten, aber 1785 aufgehobenen Illuminatenordens gedacht war. Als Leiter des neuen Bundes hatte Leipziger den bereits als Schriftsteller bekannten Professor Feßler in Aussicht genommen, einen ehemaligen Capuziner, der, nachdem er seiner anticlericalen Gesinnung wegen seine Professur in Lemberg aufgegeben, [90] am Hofe des Fürsten v. Carolath eine Zuflucht gefunden hatte (A. D. B. VI, 723)[WS 1]. Da Leipziger selbst 1792 gegen Frankreich in’s Feld rücken mußte, wies er die bisher für den Bund gewonnenen Glogauer an Feßler, der allerdings nur zögernd und unter mancherlei Bedingungen annahm. Z. selbst hatte an Feßler Gefallen gefunden, und obwol er inzwischen 1793 in der neuen Provinz Südpreußen eine Anstellung gesucht und gefunden hatte, nämlich bei der Kriegs- und Domänenkammer zu Petrikau, so war er doch ganz einverstanden, als sein intimer Freund, der litterarisch interessirte Kaufmann Salice-Contessa aus Hirschberg, bei Zusammenkünften mit dem in dem nahen Warmbrunn zur Cur weilenden Feßler und dessen Freunde Conrector Fischer nach schwärmerischen Gefühlsergüssen zugleich in seinem Namen einen Bund schloß, dem die Stifter den Namen der Gutesthuer (Evergeten) gaben. Aber wenn es gleich gelang, der Vereinigung noch einige Theilnehmer zuzuführen, so befriedigte doch die ethische Symbolik, mit der Feßler die Zusammenkünfte ausstattete, um so weniger, da namentlich Z. immer auf die Einführung der Politik hindrängte, was Feßler bestimmt ablehnte. Als Leipziger 1795 aus dem Felde heimkehrte und noch einen Vermittelungsversuch machte, ward der Bruch ganz unvermeidlich, und Contessa ging soweit, direct die Vorbereitung einer Revolution als Ziel des Bundes hinzustellen. Z. und Contessa, auf deren Seite sich dann auch Leipziger stellte, gründeten jetzt einen besonderen Geheimbund mit dem pomphaften Namen des moralischen Vehmgerichtes zum Schutze des Volkes gegen Bedrückungen durch pflichtvergessene Beamte, recht eigentlich eine Idee Zerboni’s, der sich überall von Corruption umgeben glaubte. Aber obwol bereits Statuten und Ritual des Bundes ausgearbeitet waren, so würde, da es nicht gelang, weitere Mitglieder zu gewinnen (ausgenommen Zerboni’s eben erst aus Frankreich zurückgekehrten, entschieden revolutionär gesinnten jüngeren Bruder), die Welt kaum von dem wunderlichen Plane etwas erfahren haben, hätte nicht Z. plötzlich einmal den Gedanken gefaßt, auf eigene Hand den moralischen Vehmrichter zu spielen. Z. hatte in Petrikau die einflußreiche Stellung eines Justiziars bei der dortigen Kriegs- und Domänenkammer erlangt, jedoch, nachdem 1794 der Minister v. Hoym die Verwaltung auch von Südpreußen übernommen, diesen durch rechthaberisches Wesen abgestoßen, namentlich auch in Sachen einer südpreußischen Kriegslieferung, bei der Z. eine betrügerische Schädigung des Staatsinteresses annahm und auf seine patriotische gute Absicht pochend, hartnäckig ein Einschreiten des Ministers verlangte, während dieser sich dazu nicht für hinreichend legitimirt ansah.

Hierdurch gereizt schrieb Z. unter dem 12. October 1796 an seinen obersten Chef einen Brief, der oft abgedruckt und angeführt Z. den Ruhm eines Mannes verschafft hat, der mit größter Unerschrockenheit seine Stimme gegen die damals herrschende Corruption der Beamten erhoben habe. In Wahrheit aber war Z. ganz und gar im Unrecht. Der Brief ward geschrieben aus Anlaß eines übrigens höchst unbedeutenden Breslauer Tumultes, an dem v. Hoym notorisch nicht die mindeste Schuld hatte, und auf Grund von darüber umlaufenden Gerüchten, die absolut falsch waren, und war erfüllt von tönenden, schwülstigen oft confusen Phrasen, die nirgends bestimmte Thatsachen brachten, abgesehen von einer gelegentlichen Hinweisung auf die erwähnte südpreußische Kriegslieferung, für die v. Hoym kaum verantwortlich gemacht werden konnte. Der Minister ward hier ohne jeden erkennbaren Anlaß von einem seiner Untergebenen in einer ganz unglaublich insolenten und beleidigenden Weise abgekanzelt und geschmäht. Graf Hoym, der gern allem, was „Eclat machte“, aus dem Wege ging, meinte zuerst die Sache mit einer disciplinarischen Rüge oder Strafe abzumachen, aber als er gewahrte, daß Z. weit entfernt, seine Uebereilung zu bereuen, den Brief weiter mittheilte und eine Einschüchterung des Ministers voraussetzte, ließ er den Brief [91] in die Hände des Königs gelangen, der dann befahl, Z. auf die Festung Glatz zu bringen. und als die gleichzeitig erfolgte Beschlagnahme von dessen Papieren den Plan des moralischen Vehmgerichts ans Licht brachte und weitere Haussuchungen bei den gleichfalls arretirten übrigen Theilnehmern des Bundes sonstige gravirende Papiere entdeckten, einer revolutionären Verschwörung auf der Spur zu sein glaubte, also Bestrebungen, denen gegenüber er eine ganz besondere Strenge für seine Pflicht hielt. Unter diesen Umständen hätte v. Hoym, den jetzt Z. von Glatz aus in wenig charaktervoller Art mit Gnadengesuchen bestürmte, in dem z. B. die Versicherung, daß er den Minister „anbete“, mehrmals wiederkehrt, selbst wenn er gewollt hätte, den Gang der Sache kaum aufhalten können. Wie wenn es sich um Hoch- oder Landesverrath handelte, für welche Fälle das Landrecht ausnahmsweise das Urtheil dem Landesherrn vorbehielt, berief dieser eine besondere Untersuchungscommission nach Spandau, vor welche die Verhafteten gestellt wurden, mit Ausnahme des Hauptmanns v. Leipziger, den ein kriegsgerichtlicher Spruch zu lebenslänglicher Festungsstrafe verurtheilte. Obwol nun bei den Uebrigen die Untersuchung herausstellte, daß Hoch- und Landesverrath im Sinne des Gesetzbuchs nicht vorlagen, so trug der König doch kein Bedenken hier, und zwar, wie wir erfahren, ausnahmsweise nach Berathung mit seiner Freundin der Gräfin Lichtenau Z. und dessen Mitschuldige zu Festungshaft „auf Gnade des Königs“, also so lange es diesem angemessen scheinen würde, zu verurtheilen (April 1797).

Es bleibt ungewiß, ob Z. sein Schicksal hätte ändern können, wenn er statt, wie er es gethan, alles der Gnade des Königs anheim zu stellen, entschieden darauf gedrungen hätte, vor seinen ordentlichen Richter gestellt zu werden. Jedenfalls sah er sich als das Opfer eines schweren Rechtsbruches an, und auch das gebildete Publicum nahm in seiner Mehrheit für ihn um so mehr Partei, je allgemeiner Machtsprüche des Herrschers, die sich an die Stelle von Rechtssprüchen stellten, schon damals verurtheilt wurden. Zerboni’s Lage war übrigens um so übler, als seine Festungshaft in Magdeburg anscheinend infolge eines bloßen Mißverständnisses des Commandanten eine besonders harte war. Die Sachlage ward nun aber wesentlich geändert durch das Ableben Friedrich Wilhelm’s II. am 16. November 1797. Die von dem Nachfolger eingesetzte Commission in Sachen der bei einem Thronwechsel üblichen Begnadigung empfahl entschieden die Aufhebung jenes Machtspruches, und Friedrich Wilhelm III. begnadigte darauf ohne weiteres Contessa und den jüngeren Z., behielt sich bei Leipziger den Zeitpunkt einer Pardonnirung vor und erklärte bezüglich des älteren Z., derselbe solle, wie er es ja immer nur begehrt habe, nunmehr vor seine zuständigen Richter gestellt werden, worauf denn der Gerichtshof zu Magdeburg trotz der sehr umfangreichen, überaus phrasenhaften und auf das eigentlich Wesentliche wenig eingehenden Vertheidigung Zerboni’s im Juli 1798 entschied, daß der letztere wegen der Stiftung eines staatsgefährlichen Geheimbundes die seit dem 17. November 1796 erlittene Festungstrafe wohl verdient habe, auch seine Dienstentlassung als Folge der Festungshaft rechtskräftig bleiben müsse. Z. appellirte, doch auch das Berliner Kammergericht erklärte 1799 seine Festungshaft als seiner Verschuldung entsprechend. Dagegen ward er nach seiner Freilassung (August 1798) in Berlin von vielen, zum Theil hochgestellten Männern als politischer Märtyrer gefeiert und fand selbst im Kreise der Minister Fürsprecher. Eine von ihm in der letzten Zeit seiner Haft abgefaßte kleine Schrift „über das Bildungsgeschäft in Südpreußen“ erntete den lebhaften Beifall eines sehr angesehenen Mannes, des königlichen Cabinetsraths Mencken, der Z. in einem schnell bekannt gewordenen Briefe, ohne übrigens dessen früheres Verhalten zu billigen, gewisse Aussichten für die Zukunft eröffnete, wofern er nur sich mehr [92] zurückhielte. Aber gerade das schien unmöglich; vielmehr reizten vornehmlich die Sympathien, die er vieler Orten gefunden, den überaus eitlen Mann unwiderstehlich zu einem Appell an die Oeffentlichkeit, und im Jahre 1800 erschienen aus seiner Feder „Actenstücke zur Beurtheilung des Staatsverbrechens des Kriegs- und Domänenraths Z. und seiner Freunde“, ein Büchlein, das ein Einschreiten der Behörden geradezu herausforderte, insofern es vornan jenen gar nicht zur Sache gehörigen, von schweren Beleidigungen gegen Hoym wimmelnden Brief vom 12. October 1796 abdruckte und überhaupt diesen Minister, in dessen rachsüchtiger Gesinnung Z. sehr mit Unrecht die Quelle aller Verfolgungen erblickte, mit den größten Schmähungen überhäufte (er nennt ihn z. B. einen „unwürdigen Satrapen, in dessen Händen der in einzelnen Tropfen gesammelte Schweiß des armen arbeitsamen Volkes zerrinnt“), seine Richter beschimpfte u. dergl. Gerade der am schwersten beleidigte Hoym that nichts zur Verfolgung Zerboni’s, sondern begnügte sich damit, durch den Breslauer Schriftsteller Prorector Schummel eine Widerlegung schreiben zu lassen unter dem Titel: „Ist dem Kriegsrathe Z. zuviel geschehen?“ Allerdings ohne der öffentlichen Meinung gegenüber den Eindruck, den die von tönenden Phrasen erfüllten, offenbar von vorn herein mehr für das große Publicum als die Richter bestimmten beiden langen Vertheidigungen machten, aufheben zu können. Der Großkanzler aber befahl dem Generalfiscal, Z. von neuem zu belangen, und der Posener Gerichtshof verurtheilte ihn 1801 zu sechsmonatlicher Festungshaft, welches Urtheil dann 1802 das ostpreußische Tribunal bestätigte.

Die neue Strafsentenz traf Z. um so schwerer, als sie zugleich seinen Versuch, sich nach Verlust seines Staatsamtes als Landwirth eine neue Existenz zu begründen, schwer bedrohte. Er hatte nämlich, unterstützt durch ein großmüthiges Anerbieten seines als Major in österreichischen Diensten stehenden Bruders, die Mittel gefunden, ein größeres Gut in Südpreußen zu erwerben, 1791 auch die erforderliche Ertheilung des Incolats von der Regierung erlangt und mit Geschick und Eifer das Gut trotz mancher erlittenen Unglücksfälle emporgebracht, mußte aber jetzt den Verfall seiner neuen Schöpfungen voraussehen, wenn ihn wiederum eine halbjährige Haft aus dem Allen herausrisse. Indessen ließ sich König Friedrich Wilhelm III. in Erinnerung daran, daß Z. einst in Magdeburg eine durch das Gesetz nicht geforderte besonders harte Haft, die seine Gesundheit erschüttert hatte, durchzumachen gehabt, infolge der warmen Fürsprache des Ministers von der Reck bewegen, eine bedingte Begnadigung im October 1802 auszusprechen, die allerdings davon abhängig gemacht ward, daß Z. sich jedes weiteren politischen Auftretens enthielte, eine Bedingung, die Z. treulich erfüllte, wie er denn auch den neuen publicistischen Feldzug, den sein alter Freund, der Pamphletist Hans v. Held mit dem berüchtigten „schwarzen Buche“ gegen den Minister v. Hoym eröffnete, geradezu mißbilligte.

In der Oeffentlichkeit ward sein Name erst wieder genannt, als er, der inzwischen in den Besitz eines größeren Gütercomplexes in Südpreußen gekommen, bei Gelegenheit der nach den preußischen Niederlagen im Herbste 1806 erfolgten polnischen Erhebung gegen die preußische Herrschaft von den polnischen Edelleuten der Nachbarschaft unter Drohungen zur Theilnahme an dem Aufstande gedrängt ward. Damals erklärte er, auf jede Gefahr hin an seinem dem Könige von Preußen geleisteten Eid festhalten zu wollen, und fand dabei den Schutz eines hochherzig gesinnten Gegners, blieb auch unter der nunmehr eingerichteten Regierung des Großherzogthums Warschau im Besitze seiner Güter. Die preußische Regierung aber belohnte seinen unerschrockenen Patriotismus dadurch, daß sie ihn wieder in den Staatsdienst zog und ihm, der dann auch 1810 den Rang eines Wirklichen Geheimraths erhielt, zuerst im Verein mit Stägemann, dann selbständig [93] 1808 die Verhandlungen über die von Napoleon in jenem Jahre mit Beschlag belegten, früher nach Südpreußen ausgeliehenen Capitalien, die Sachsen den Franzosen hatte abkaufen müssen (Bayonner Vertrag), übertrug; Doch waren die in Dresden begonnenen und dann in Warschau fortgesetzten Verhandlungen noch nicht weit gediehen, als die Erhebung von 1813 überhaupt dem ganzen Großherzogthum Warschau unter sächsischer Herrschaft ein Ende machte. Der Reichskanzler Fürst Hardenberg ernannte dann 1815 Z. zum Oberpräsidenten des zurückgewonnenen „Großherzogthums Posen“. Allerdings ward seine Stellung schwierig genug, insofern gerade für diese Provinz gleichzeitig ein besonderer Statthalter ernannt ward in der Person des Prinzen Anton Radziwill, dessen Rang, sowie seine Verschwägerung mit dem Königshause unvermeidlich den höchsten Civilbeamten in Schatten stellte. 1816 ward Z. der Adelstitel di Sposetti, den seine Familie früher in Italien geführt, und den er unter sächsischer Herrschaft stillschweigend angenommen hatte, officiell bestätigt, und 1817 erhielt er den Rothen Adlerorden II. Classe. Dagegen hat er es sehr schwer empfunden, daß, während sonst es damals als die Regel gelten durfte, daß dem Titel eines Wirklichen Geheimraths das Prädicat Excellenz beigefügt ward, diese Gunst ihm fort und fort vorenthalten blieb.

Und in der That war man in Berlin keineswegs ganz mit seiner Amtsführung zufrieden. Die Beziehungen zum Statthalter erwiesen sich doch um so schwieriger, als sich an diesen mehr und mehr Häupter der polnischen Partei drängten. die den persönlich sehr milden und auch patriotischen, aber dabei nicht übermäßig charakterfesten Prinzen zu einer Beförderung nationalpolnischer Tendenzen bestimmten und zwar vielfach in höherem Maaße, als das preußische Staatsinteresse zulassen konnte. Diesen Schwierigkeiten hat sich Z. offenbar nicht gewachsen gezeigt. Auch die Denkschrift in der preußischen Verfassungsfrage, die Z. 1817 dem Ministerium einreichte, dürfte keinen günstigen Eindruck gemacht haben, nicht wegen der weitgegriffenen liberalen Forderungen, die sein ganz nach der constitutionellen Schablone zugeschnittener Entwurf enthielt, sondern weil er alles Ernstes die Stellung Preußens in Deutschland für gefährdet erklärte, wofern jenes sich durch einen der kleineren Staaten im Punkte der Ausgestaltung freiheitlicher Institutionen den Rang ablaufen ließe, während doch in Wahrheit ein größerer Staat wie Preußen auch seiner Machtstellung Rechnung tragen mußte und andrerseits gerade Preußen in seinem so kräftig entwickelten Nationalgeiste, den erst unlängst die Erhebung von 1813 so glorreich bewährt hatte, etwas Großes voraus hatte, um das es die deutschen Südweststaaten wohl beneiden mochten. Der Mangel an Verständniß für so gewichtige Momente bei einem Manne in so hoher Stellung, wie sie Z. innehatte, durfte wohl Bedenken erregen. Immerhin hat sich Z. das Verdienst erworben, seiner Provinz den längst gehegten Wunsch eines eignen Creditinstituts zu erfüllen, ein Verdienst, welches die Stände durch eine zu seiner Ehre geschlagene Medaille ehrten. Z. hatte in die von ihm veröffentlichten Actenstücke seines Processes auch eine nachdrückliche Bekämpfung des Absolutismus eingeflochten. Daß dies gern gelesen ward, ist sehr verständlich, sowie auch, daß seine mit rücksichtsloser Leidenschaftlichkeit und volltönendem Pathos vorgetragenen Anklagen gegen hochgestellte Männer von dem damals unter dem Eindrucke der französischen Revolution entschieden oppositionell gesinnten großen Publicum ohne Prüfung als wahr angenommen wurden. Wir aber, die wir jetzt objectiver zu urtheilen vermögen, haben guten Grund, zu bezweifeln, ob eine publicistische Thätigkeit, die ohne wirkliche Mißstände zu treffen, der Hauptsache nach auf nicht erwiesene und nicht erweisbare, von persönlichem Hasse eingegebene schmähende Urtheile hinausläuft, wirklich als so verdienstlich gepriesen zu werden verdient, wie dies [94] bis in die neueste Zeit von manchen Seiten geschehen ist. Im J. 1824 hat der Minister des Innern, ohne länger einen Antrag Zerboni’s auf Pensionirung abzuwarten, ihn aus Anlaß seiner zunehmenden Kränklichkeit in den Ruhestand versetzt. 1831 ist Z. auf seinem Gute Rabezyn gestorben mit Hinterlassung einer Wittwe geb. v. Reibnitz und einer Pflegetochter, vermählt mit einem Freiherrn v. Seidlitz-Kurzbach.

Grünhagen, Zerboni und Held in ihren Conflicten mit der Staatsgewalt 1796–1802, Berlin 1897.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 732, Zahlendreher.