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Artikel „Wuerst, Richard“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 342–343, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wuerst,_Richard&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 08:06 Uhr UTC)
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Wuerst: Richard W., ein vielbegabter Musiker, geboren am 22. Februar 1824 zu Berlin und ebendort gestorben am 9. October 1881. Er bildete sich unter Ries zum Violinisten aus, ging darauf nach Vollendung seiner Schulstudien auf dem Friedrich Wilhelmsgymnasium mit der Reife für Prima nach Leipzig und erhielt von Mendelssohn und Ferdinand David Unterricht in der Composition und im Violinspiel, trat darauf mehrfach als Virtuose auf und begann um 1848 seine ersten Compositionen, die aus Liedern, Duetten, Terzetten und einem Duo für Pianoforte und Violoncell bestanden, zu veröffentlichen. Sie erschienen in schneller Folge in Berlin und Leipzig, sodaß er vor Ablauf des Jahres 1851 schon bei Opus 19 angelangt war. Auch Paris hatte er besucht, um von den dortigen Violinisten noch zu lernen. 1847 ließ er sich in Berlin als Musiklehrer nieder und unterrichtete besonders im Gesange. 1856 errichtete er mit Laub, Radecke und Bruhns ein Streichquartett, welches mehrere Jahre hindurch in der Saison Quartettsoiréen veranstaltete, die ein gewähltes Publicum im englischen Hause versammelten. Für den brillanten Violinisten Laub schrieb er auch ein Violinconcert, welches derselbe mehrfach vortrug, ohne daß es doch im übrigen weiter drang. Als Dehn 1858 gestorben war, trat er in dessen Stelle am Kullack’schen Conservatorium als Lehrer der Composition und hier hatte er das Glück, eine Anzahl talentvoller Schüler zu unterrichten, [343] die sich später als Componisten einen Ruf erworben, wie Heinrich Hofmann, Moritz Moszkowski, Jean Louis Nicodé, Xaver und Philipp Scharwenka, Eugenio Pirani, Richard Schmidt u. A. Unbedeutend ist dagegen seine Elementarlehre der Musik und die Lehre von den Accorden, trotzdem sie in zwei Auflagen erschien. Trotz seiner vielseitigen Beschäftigung übernahm er noch die Concertreferate im Berliner Fremdenblatte, die sich theils durch ihre milde Beurtheilung, theils durch sachgemäße Ausstellungen vortheilhaft vor anderen auszeichneten. Nur Richard Wagner fand in seinen Augen keine Gnade, an ihm und seinen Opern ließ er seine ganze Galle aus, theils aus Ueberzeugung, theils aus gekränkter Eitelkeit, denn W. war selbst Operncomponist, fiel aber jedesmal durch, trotz seiner zahlreichen Verehrer und Verehrerinnen in Berlin. Sieben Opern brachte er auf die Berliner Bühnen, doch keine erlebte mehr als drei Aufführungen, um dann spurlos zu verschwinden. In den Jahren 1874/75 übernahm er auch noch die Redaction der Neuen Berliner Musikzeitung von G. Bock, auch die Sinfonieen im Concerthause dirigirte er neben Gungl, der die Tänze leitete, während einiger Jahre. An äußeren Ehren fehlte es ihm nicht, er wurde zum Musikdirector, zum Professor und endlich zum Senatsmitgliede an der Akademie der Künste ernannt. Einige seiner Lieder wurden fleißig gesungen und erlebten mehrere Auflagen, besonders diejenigen aus seiner frühesten Zeit, auch seine zweite Sinfonie wurde in Köln preisgekrönt, verschwand aber ebenso schnell. Nur die Cantate „Der Wasserneck“ für Chor, Soli und Orchester wurde auch an anderen Orten als in Berlin mehrfach aufgeführt. W. hatte eine leichte Erfindungsgabe, die aber nicht in die Tiefe ging, sondern sich in der landläufigen Ausdrucksweise bewegte. Verbunden mit einer tüchtigen Formengewandtheit verlieh sie seinen Compositionen im Augenblick des Hörens einen angenehmen Eindruck, der sich aber bei der Einförmigkeit seiner Ideen bald abschwächte und ins Reich der Vergessenheit drängte. Fatale häusliche Verhältnisse (er war mit der Sängerin Franziska Weimann verheirathet), die überanstrengenden, vielseitigen Beschäftigungen, der Verdruß, als Componist keine Anerkennung zu finden, zerrütteten sein Nervensystem in einer Weise, daß er wie vom Wahnsinn erfaßt unter den gräßlichsten Schmerzen seinen Geist aufgab.

Nekrolog von Heinr. Dorn in der Bock’schen Musikzeitung 1881, S. 329. – Riemann’s Lexikon und Selbsterlebtes.