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Artikel „Wolf, Gerson“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 750–751, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolf,_Gerson&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 18:09 Uhr UTC)
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Wolf: Gerson W., Dr. phil., Pädagog und Geschichtsforscher, geboren am 16. Juli 1823 in Holleschau (Mähren), † am 29. October 1892 in Wien. In seiner Vaterstadt, berühmt als Sitz hervorragender rabbinischer Capacitäten (Sabbatai Kohen, genannt Schach), erhielt er den ersten hebräischen Unterricht und wurde nebstdem von dem damals daselbst weilenden Regimentsarzte Egenter, welcher um diese Zeit pseudonym mehre Bände Gedichte in der Schweiz herausgab, in die deutsche Sprache und Litteratur eingeführt. Nach vollendetem dreizehnten Jahre (Confirmation) ging er nach Pohrlitz, von dort nach Nicolsburg, wo der gelehrte Landrabbiner Nehemias Trebitsch einer „Jeschibah“ (Hochschule) vorstand und dann nach Wien. Dort trat er in geistige und freundschaftliche Beziehung zu dem hervorragenden Theologen und Prediger der israelitischen Cultusgemeinde I. N. Mannheimer. Frühzeitig regte sich in W. der Drang nach schriftstellerischer Thätigkeit, und war er im J. 1848, an dessen Kämpfen er persönlich theilnahm, Mitarbeiter an den Zeitschriften „Wiener Zuschauer“ (Ebensberg), „Humorist“ (M. G. Saphir), „Sonntagsblatt“ (L. A. Frankl), „Oesterreichische Zeitung“ (Ernst v. Schwarzer). (Vgl. Wolf’s Schrift: „Aus der Revolutionszeit des Jahres 1848–1849“ und Zenker’s Geschichte der Wiener Journalistik während des Jahres 1848.) 1849 trat W. mit der ersten selbständigen Schrift: „Die Democratie und der Sozialismus“ in die Oeffentlichkeit, welche ihm einen Ausweisungsbefehl einbrachte, der jedoch zurückgenommen wurde. Obwol W. von dieser Zeit ab jeder politischen Thätigkeit entsagend, sich dem Lehrberufe widmete, wurde er doch im J. 1852, als der Belagerungszustand über Wien strenger durchgeführt wurde, vor ein Kriegsgericht gestellt und nach siebzehntägiger Untersuchungshaft zu vier Wochen Festungsarrest nach Stein überwiesen, weil man bei einer Hausdurchsuchung Guizot’s „La Democratie en France“ auch unter seinen Büchern gefunden. In der Haft lernte er die Noth der Sträflinge kennen, übernahm daselbst die Seelsorge, die er zwanzig Jahre lang von Wien aus versah und war damit Anlaß, daß im J. 1873 eine seinen Namen tragende Stiftung für entlassene Sträflinge aus Dankbarkeit gegen ihn ins Leben gerufen wurde. 1851 war W. in weiteren Kreisen durch seine Schrift: „Ueber die Volksschule in Oesterreich“ bekannt geworden, welche bei Fachmännern Anerkennung und Beachtung fand. 1854 wurde W., nachdem er schon seit 1850 als Religionslehrer an der Staatsrealschule in der Leopoldstadt thätig war, von der Wiener israelitischen Cultusgemeinde zu ihrem Religionslehrer erwählt und 1884 zum Inspector sämmtlicher israelitischen Religionsschulen Wiens ernannt, welchem Amte er bis an sein Lebensende mit Treue und Hingebung vorstand.

Der Schwerpunkt seiner geistigen Wirksamkeit liegt in seiner litterarischen Thätigkeit, welche sich hauptsächlich neben pädagogischen und bibliographischen Arbeiten, auf eine actenmäßige gründliche Bearbeitung der Geschichte der Juden, namentlich in Oesterreich erstreckt, zu welchem Zwecke er die Archive in Wien, Venedig, Mailand und Mantua durchforschte. Er legte seine wissenschaftlichen Ergebnisse theils in den hervorragendsten jüdischen Zeitschriften (Ludwig Philippson: [751] Allgemeine Zeitung des Judenthums. Frankel und nachher Graetz: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums, Abraham Geiger: Jüdische Zeitschrift, L. Geiger: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland, Wertheimer: Jahrbücher u. A.) nieder und theils in selbständigen, zum Theil größeren Werken, die wir hier folgen lassen: 1. „Zur Geschichte der Juden in Worms und des deutschen Städtewesens“. Nach archivalischen Urkunden im k. k. Ministerium des Aeußern (Breslau 1862); 2. „Vom ersten bis zum zweiten Tempel“. Geschichte der israelitischen Cultusgemeinde in Wien (1820–1860); 3.[WS 1] „Catalog der Bibliothek des sel. Herrn Dr. B. Beer in Dresden“ (Berlin 1863); 4. „Judentaufen in Oesterreich“ (Wien 1863); 5. „Isaac Noë Mannheimer. Eine biographische Skizze“ (Wien 1863); 6. „Die Juden in der Leopoldstadt“ (Wien 1863); 7. „Zur Geschichte d. jüdischen Aerzte in Oesterreich“ (1864); 8. „Das 100jährige Jubiläum der isr. Cultusgemeinde“ (Wien 1864); 9. „Studien zur Jubelfeier der Wiener Universität“ (1865); 10. „Zur Lage der Juden in Galizien“ (1867); 11. „Joseph Wertheimer, ein Lebens- und Zeitbild“ (1868); 12. „Der Abfall vom Christenthum und der Uebertritt zum Judenthum“ (1868); 13. „Der Proceß Eisenmenger“ (1869); 14. „Die Vertreibung der Juden aus Böhmen im J. 1744 und deren Rückkehr im J. 1748 mit Benutzung archivalischer Quellen“ (1869); 15. „Zur Salzburger Chronik“ (1873); 16. „Geschichte der Juden in Wien von 1156–1876“ (1876); 17. „Die jüdischen Friedhöfe und die Chevrah Kadischah in Wien“ (1879); 18. „Die alten Statuten der jüdischen Gemeinden in Mähren, nebst den darauf folgenden Synodalbeschlüssen“ (1880); 19. „Grillparzer als Archivdirector“ (1871); 20. „Joseph II.“ (1878); 21. „Zur Geschichte der Juden in Böhmen“ (1885); 22. „Aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia“ (1888); 23. „Zur Kulturgeschichte in Oesterreich-Ungarn vom Jahre 1848–1888“; 24. „Josefina“ (1890); 25. „Kleine historische Schriften“ (1892). Von seinen pädagogischen Schriften erlebte seine 1856 herausgegebene „Geschichte Israels für die isrealitische Jugend“ die zehnte Auflage und hat W. nebst seiner Religions- und Sittenlehre für die israelitische Jugend verschiedene bei besonderen Anlässen an dieselbe gehaltenen Reden veröffentlicht. Im J. 1861 wurde auf seine Anregung ein Verein zur Unterstützung mittelloser israelitischer Studenten in Wien gegründet, dessen Blüthe von seinem humanen Wirken Zeugniß gibt.

Mährens Männer der Gegenwart, Biographisches Lexikon. – Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. – Ch. D. Lippe, Biographisches Lexikon. – Adolf Hinrichsen, Das litterarische Deutschland.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 2.