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Artikel „Frankel, Zacharias“ von Joseph Perles in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 266–268, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frankel,_Zacharias&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 12:43 Uhr UTC)
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Frankel: Zacharias F., geb. 1. Octbr. 1801 in Prag, † 13. Febr. 1875 in Breslau, widmete sich in seiner Vaterstadt, dem alten Stammsitze rabbinischer Gelehrsamkeit, erfolgreich jüdisch-theologischen und allgemein wissenschaftlichen Studien, welche er in Pesth bis zum Jahre 1831 fortsetzte. 1832 als Kreisrabbiner nach Teplitz berufen, zählte er zu den ersten und eifrigsten Pflegern der modernen Predigt und des geläuterten Synagogencultus in Böhmen. 1836 siedelte er, zum sächsischen Oberrabbiner ernannt, nach Dresden über, wo er achtzehn Jahre lang eine ausgezeichnete, weit über den Kreis seiner Gemeinde hinausreichende praktische und wissenschaftliche Thätigkeit entfaltete. Ein schwerer Druck lastete zur Zeit seines Amtsantrittes auf den Juden in Sachsen; die öffentliche Religionsübung, die Errichtung eines Gotteshauses und einer Schule war ihnen nicht gestattet, ihrem Eide die Glaubwürdigkeit und vorgeblich aus diesem Grunde ihnen das Bürgerrecht versagt. F. erwirkte durch überzeugende Darlegungen an maßgebender Stelle und durch die Macht seiner Persönlichkeit, die besonders von dem edlen und gelehrten Prinzen, späteren König Johann, dem Minister von Wietersheim und dem Oberhofprediger Ammon voll gewürdigt wurde, eine Milderung der bestehenden Gesetze, die Beseitigung des entwürdigenden Judeneides und die Feststellung einer neuen Eidesformel nach seinen Vorschlägen (1838). Ein schon früher (1832) von der k. k. böhmischen Landesstelle eingefordertes Gutachten über den jüdischen Eid und die neuen Erfahrungen in Sachsen bestimmten F. zur Veröffentlichung seiner ersten wissenschaftlichen Schrift: „Die Eidesleistung der Juden in theologischer und historischer Beziehung“ Dresden und Leipzig, Arnold 1840, zweite vermehrte Ausgabe 1847), die zur Klärung der öffentlichen Meinung und zur schließlichen Beseitigung des Judeneides in ganz Deutschland wesentlich beigetragen hat. Prinz Johann trat als Referent der ersten sächsischen Kammer mit dieser Schrift Frankel’s in der Hand für die Beseitigung des früheren Judeneides ein. Einem ähnlichen praktischen Bedürfnisse entsprungen ist die zweite rechtswissenschaftliche Schrift Frankel’s, das zur Bekämpfung der die Zeugenschaft der Juden in Preußen beschränkenden Vorschriften geschriebene grundgelehrte, für die vergleichende Rechtswissenschaft wichtige Buch: „Der gerichtliche Beweis nach mosaisch-talmudischem Rechte. Ein Beitrag zur Kenntniß des mosaisch-talmudischen Criminal- und Civilrechts“ (Berlin, Veit & Co. 1846). Noch zahlreiche Schwierigkeiten waren allerwärts in Deutschland für die Israeliten zu beseitigen. Die Kämpfe in Sachsen schilderte F. selbst in der seinem gelehrten Freunde, dem Vorsteher der Dresdener Gemeinde B. Beer gewidmeten Biographie („Dr. B. Beer, Ein Lebens- und Zeitbild“, Breslau, Schletter 1863) zum Theil mit bescheidener Verschweigung seines eigenen hervorragenden Antheiles an denselben. Seinen unausgesetzten Bemühungen verdankte die junge Dresdener Gemeinde einen kräftigen Aufschwung. 1838 wurde der Grundstein zur neuen Synagoge gelegt, 1840 dieselbe in Gegenwart der höchsten Staatsbeamten und unter der regsten Betheiligung der christlichen Bevölkerung eingeweiht und die Gemeinde durch Errichtung von Lehr- und Wohlthätigkeitsinstituten so zweckmäßig organisirt, [267] daß der Cultusminister von Wietersheim in der zweiten Kammer 1846 sie als Mustergemeinde hervorheben konnte. Einen Ruf als Oberrabbiner nach Berlin (1843) lehnte er in einem offenen Sendschreiben an den Minister Eichhorn unter freimüthiger Hervorhebung der die Juden beschränkenden preußischen Gesetzgebung ab. Neben dieser ersprießlichen Wirksamkeit auf religiösem und politischem Gebiete entfaltete F. eine rastlose und erfolgreiche Thätigkeit auf dem Felde der wiedererwachten jüdischen Litteratur. 1844 begründete er die „Zeitschrift für die religiösen Interessen des Judenthums“ zur Besprechung religiöser Zeitfragen im Sinne der historisch vermittelnden Richtung im Judenthum (III Jahrgänge). 1852 folgte die von ihm siebzehn Jahre lang redigirte und seit 1869 unter der Redaction von Graetz fortgesetzte „Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums“ (Leipzig, Hunger und Breslau, Schletter). Beide Zeitschriften enthalten eine Fundgrube werthvoller Beiträge zur Kenntniß der jüdischen Litteratur. Seinen wissenschaftlichen Lebensplan hatte sich F. bereits in dem Vorworte zu seiner ersten größeren Schrift: „Vorstudien zu der Septuaginta“ (Leipzig 1841, Vogel) vorgezeichnet: er stellte sich die Aufgabe „ein classisches Studium des Talmud’s“ zu fördern und „eine Entwickelungsgeschichte der Halacha“ zu liefern, – eine Aufgabe, in deren Dienste alle seine folgenden Schriften standen. Auch an das Studium der Septuaginta war er unter diesem Gesichtspunkte herangetreten, er hoffte in derselben die ältesten Niederschläge der traditionellen Schrifterklärung zu finden und entdeckte in der That „fast für jede Halacha und jede Sage einen Beleg, allenthalben Hinweisungen auf ältere religiöse Verordnungen.“ Weitere Ausführungen der in den „Vorstudien“ entwickelten Grundgedanken boten die Schriften: „Ueber den Einfluß der palästinensischen Exegese auf die alexandrinische Hermeneutik“ (Leipzig 1851, J. A. Barth) und das zur Eröffnung des jüdisch-theologischen Seminars in Breslau verfaßte Programm: „Ueber palästinische und alexandrinische Schriftforschung“ (Breslau, 1854). An das genannte aus der letztwilligen Stiftung des Commerzienrathes Jonas Fränckel hervorgegangene Rabbinerseminar wurde F. als der erste Director berufen, und obzwar er mit allen Fasern des Herzens an seiner Dresdener Gemeinde hing, so folgte er doch dem an ihn ergangenen Rufe, weil er hier für seine rastlose Schaffenslust ein neues und geeignetes Arbeitsfeld zu finden hoffte. Die Geschichte dieser ersten jüdisch-theologischen Lehranstalt in Deutschland ist mit Frankel’s Namen unzertrennlich verknüpft. Sein organisatorisches Talent, sein Scharfblick, der sich Männer, wie J. Bernays, H. Graetz u. A., als Mitarbeiter zugesellte, der Reichthum und die Gediegenheit seiner Gelehrsamkeit, seine tiefe Religiosität, verbunden mit einem klaren Verständnisse für die Zeichen der Zeit und eine beispielgebende Reinheit und Hoheit des Wesens wirkten zusammen, um das rasche Aufblühen des Seminars zur angesehensten Bildungsstätte wissenschaftlich geschulter und praktisch befähigter Theologen zu fördern. 22 Jahre lang stand er mit aufopfernder Treue an der Spitze der Anstalt, deren Schülern er eine wahrhaft väterliche Zuneigung entgegenbrachte – Frankel’s Ehe war kinderlos – und der er noch letztwillig einen beträchtlichen Theil seines Privatvermögens zuwandte. Auch seiner litterarischen Thätigkeit war der am Seminar ermöglichte ständige Verkehr mit hervorragenden Collegen und aufstrebenden Schülern ungemein förderlich. Neben umfangreichen Seminarprogrammen von dauerndem Werthe: „Grundlinien des mosaisch-talmudischen Eherechts“ (1860); „Entwurf einer Geschichte der Litteratur der nachtalmudischen Responsen“ (1865); „Zu dem Targum der Propheten“ (1872) reiften seine bedeutendsten durch Jahrzehnte rastlosen Forschens vorbereiteten Werke während dieser Periode ihrer Vollendung entgegen: 1859 erschien die als litterarisches Ereigniß begrüßte hebräisch geschriebene Einleitung in die Mischna („Darke hammischnah“, Leipzig, Hunger; [268] ein Heft Zusätze und Indices 1867), die, von der Zelotenpartei verdächtigt, den Anstoß zu einer noch lange nicht abgeschlossenen Reihe werthvoller Untersuchungen anderer Gelehrten über die Geschichte der jüdischen Tradition gab. Die geplante Ausführung einer Einleitung in den babylonischen Talmud, von welcher blos die trefflichen „Beiträge zu einer Einleitung in den Talmud“ (in der Monatsschrift 1861) zur Veröffentlichung gelangten, wurde durch andere auf den jerusalemischen Talmud bezügliche Arbeiten, denen außer F. sich kein weiterer Gelehrter gewachsen gefühlt hätte, verdrängt. F. hatte dem in den letzten Jahrhunderten vernachlässigten, arg verwahrlosten und selbst den meisten Talmudisten von Fach bisher nur oberflächlich bekannten jerusalemischen Talmud mehr als 20 Jahre des sorgsamsten Studiums gewidmet, und ging, also vorbereitet, an seinem Lebensabende an die Herausgabe der beiden Werke, die mehr als alle vorangegangenen seinen Namen in der jüdischen Litteratur zu verewigen geeignet sind: „Die Einleitung in den jerusalemischen Talmud“ (hebr. „Mebo hajjeruschalmi“, Breslau, Schletter 1870), in welcher sich F. in seiner knappen und gründlichen Weise über die Sprache, Lehrmethode, Abfassung und Geschichte desselben verbreitet und an die mit einem Doppelcommentare, einem in der Weise Raschis gehaltenen sachlichen und einem kritisch-räsonnirenden Commentare (betitelt: „Ahabath Zion“) versehene Ausgabe des jerusalemischen Talmuds, deren erster die Tractate Berachoth und Peah umfassende Band 1874 (Wien, Gebr. Winter) und der zweite bis auf wenige Sätze der Vorrede einen Tag vor seinem Tode druckfertig abgeschlossene Band aus seinem Nachlasse 1875 (Breslau, Skutsch) veröffentlicht wurde. F. war eine kraft- und energievolle Natur, ein Mann der That in der Wissenschaft wie im Leben. Der Lauterkeit seines Charakters und seinem immer nur von den höchsten Gesichtspunkten geleiteten Streben vermochten selbst Gegner ihre Hochachtung nicht zu versagen. F. war nicht blos der Gründer und das Oberhaupt einer nach seinem Namen genannten Schule, sondern auch der anerkannte Führer der religiösen Mittelpartei im Judenthume. Er hatte die Freude, noch bei seinen Lebzeiten die größten Rabbinatssitze in Deutschland und Oesterreich durch seine Jünger besetzt zu sehen. Seiner Bahre folgten über 40 Rabbiner, der Mehrzahl nach seine Schüler.