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Artikel „Wohlbrück“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 709–711, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wohlbr%C3%BCck&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 06:37 Uhr UTC)
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Wohlbrück: Eine weitverzweigte Schauspielerfamilie, unter deren Mitgliedern die folgenden hervorgehoben zu werden verdienen: Johann Gottfried W. Er wurde am 12. oder 29. März 1770 oder 1772 in Berlin geboren und besuchte das Friedrichwerdersche und das Joachimsthalische Gymnasium daselbst. Dann wurde er Schauspieler und debütirte im J. 1789 in Kassel. Vom Jahre 1796 bis 1798 war er in Riga für Charakterrollen engagirt, wurde hier aber nur wenig beschäftigt. Hierauf war er hintereinander an den Bühnen zu Hamburg, Düsseldorf und München thätig. In München wurde er im J. 1810 engagirt und verließ die dortige Bühne, als er im J. 1817 von Küstner als Regisseur an dem Leipziger Stadttheater angestellt wurde. Er war nach Küstner’s Urtheil einer der feinsten und geistreichsten Charakterspieler aus Iffland’s Schule, während sich seine Frau als komische Alte auszeichnete. Er starb in Leipzig am 27. April 1822. W. ist der Verfasser des fünfactigen Schauspiels: „Das Gelübde“ (Hamburg 1802).

Vgl. K. Th. v. Küstner, Rückbl. a. d. Leipz. Stadttheater. Lpz. 1834; – Ders., 34 Jahre meiner Theaterleitung. Lpz. 1853, S. 13. – E. Kneschke, Z. Gesch. d. Theaters u. d. Musik in Leipzig. Lpz. 1864, S. 83. – Franz Brümmer, Lexicon d. deutschen Dichter u. Prosaisten. Lpz. 1885, S. 593. – Mor. Rudolph, Rigaer Theater- und Tonkünstler-Lexicon. Riga 1890. – F. Grandauer, Chronik des kgl. Hof- und Nationaltheaters in München. München 1878. S. 72, 78 und 85.

Gustav Friedrich W., Hofschauspieler zu Weimar. Er wurde am 27. September 1793 zu Barth in Pommern als Sohn des obigen geboren. Nach dem ausdrücklichen Wunsche seines Vaters sollte er das Baufach ergreifen, und er erhielt auch eine für seinen zukünftigen Beruf geeignete Vorbildung. Indessen bestärkte die Bekanntschaft mit den dramatischen Werken Goethe’s und Schiller’s seine Neigung für die Bühne, der er im Alter von neunzehn Jahren gegen den Willen seines Vaters nachgab, indem er sich dem Theater zuwandte. In Aschaffenburg machte er die ersten lächerlichen Versuche als Liebhaber, ging aber, als er seine eigentliche Befähigung erkannt hatte, sehr bald zum Fach der Charakter- und feinkomischen Rollen über, die sein eigentliches Element blieben. Nachdem er sich mit 23 Jahren verheirathet hatte, spielte er noch eine Zeit lang in Aschaffenburg und an anderen deutschen Theatern und fand namentlich in Bremen und Linz reichen Beifall. Seine gefeiertsten Rollen waren damals „die falsche Catalani“ und „der Vampyr“. Nach seiner Rückkehr nach Norddeutschland spielte er an verschiedenen Bühnen, nahm aber nirgend ein dauerndes Engagement an. Doch mußte er sich eines Brustleidens seiner Frau wegen in Königsberg längere Zeit aufhalten. Im J. 1829 fand er eine vortheilhafte Anstellung in St. Petersburg, hatte aber das Unglück, daß seine Frau, die er in Königsberg zurückgelassen hatte, dort am 17. August desselben Jahres starb. (Von den vier Kindern, die sie ihm geschenkt hatte, wurde die älteste Tochter Ida Schauspielerin. Sie verheirathete sich zuerst mit dem Schauspieler Brüning, dann mit Dr. Schuselka und gelangte unter dem Namen Ida Schuselka-Brüning zur Berühmtheit.) W. holte nunmehr seine verwaisten Kinder im J. 1830 von Königsberg ab, vermählte sich dort zum zweiten Male und siedelte [710] mit seiner Familie nach St. Petersburg über, wo er zehn Jahre lang am kaiserlichen deutschen Hoftheater mit großem Erfolg wirkte. Auch hier spielte er vorzugsweise gemüthliche Alte, Intriganten und fein komische Rollen. Besonders gerühmt werden sein: Franz Moor, Daniel im „Majorat“, Poser „im Spieler“, Wurm in „Kabale und Liebe“, „der arme Poet“, Duval im „Ehepaar“, Graf im „Puls“ und Seeger in der „Erinnerung“. Als er nach Ablauf einer zehnjährigen Thätigkeit in St. Petersburg seine Pension erhielt, kehrte er mit den Seinigen nach Königsberg zurück, wo er von dem Director Hübsch als Regisseur und Charakterdarsteller für das Stadttheater angeworben wurde. Als Hübsch sich gezwungen sah, die Direction niederzulegen, bewarb sich W. um dieselbe, wurde aber durch allerhand Ränke durch einen gewissen Tietz ausgestochen und verließ daher Königsberg, nachdem ihm an dem großherzoglichen Theater in Weimar ein Engagement angeboten worden war. Er nahm in Weimar noch sechs Jahre lang eine geachtete Stellung am dortigen Theater ein. Im J. 1847 erkrankte er; es zeigte sich, daß sein Leiden Magenkrebs und unheilbar war. Er starb zu Weimar am 7. März 1849. „W. war in seinen Darstellungen ein Psycholog der edelsten Art und darum schätzte und liebte ihn das gebildete Publikum Weimars bis an sein Lebensende, das leider zu früh erfolgte.“

Vgl. Neuer Nekrolog der Deutschen. 27. Jahrgang. Weimar 1851. I, 215–217. – Almanach für Freunde der Schauspielkunst auf das Jahr 1850. Herausgegeb. von A. Heinrich. Berlin 1850. XIX, 75–79.

Wilhelm August W., Schauspieler, wurde im J. 1796, nach anderen Angaben 1794, zu Flensburg als Sohn Johann Gottfried Wohlbrück’s geboren. In seiner Jugend dürfte er ein paar Jahre mit seinen Eltern in Riga gelebt haben. Auch er wandte sich der Bühne zu und war z. B. zur Zeit, wo das Leipziger Theater vorübergehend königlich sächsische Hofbühne war, also von dem Jahre 1829 an, als Intrigant und Charakterdarsteller in Leipzig engagirt. Ein zweiter Döring, leistete er namentlich in feinkomischen Rollen Bedeutendes und machte sich durch seine große Vielseitigkeit überaus nützlich. Von Leipzig aus zog er als Gast oder auch im Engagement auf allen bedeutenderen deutschen Bühnen umher. Am längsten blieb er am Stadttheater in Breslau, wo er z. B. im J. 1846 die Rolle des Lindenwirthes in der „Lorle“ der Charlotte Birch-Pfeiffer spielte. Während des Winters von 1848 auf 1849 finden wir ihn wieder am Leipziger Stadttheater als Regisseur und Charakterdarsteller beschäftigt, doch wurde er durch häufige Krankheiten an seiner Wirksamkeit gehindert. Als dann im Juni 1852 in Breslau eine Sommerbühne im Local des Wintergartens eingerichtet wurde, tauchte er an ihr plötzlich als Matador auf. Da er aber arg in Schulden gerathen war, verließ er die Stadt ebenso plötzlich, wie er gekommen war, und seine Gläubiger hatten das Nachsehen. Später gestalteten sich seine Verhältnisse infolge einer Erbschaft, die ihm zugefallen war, wieder günstiger. Um sich von einem Brustübel wieder zu erholen, begab er sich in den Orient, starb aber unterwegs im J. 1861 zu Alexandria. Nach einer anderen Ueberlieferung soll er in Damascus oder Smyrna bei einem Abenteuer in der Nähe eines Harems unter den Säbelhieben von Eunuchen gefallen sein. Etwas Sicheres ist über sein Ende nicht bekannt. Jedenfalls aber beruht die Angabe, daß er bereits im J. 1848 in Riga an der Cholera gestorben sei, auf einer Verwechslung mit einem andern Schauspieler seines Namens. W. war der Schwager Heinrich Marschner’s und lieferte diesem die Texte für mehrere seiner Opern. Zuerst schrieb er nach einer Erzählung Lord Byron’s den Text für den „Vampyr“, der in Leipzig am 29. März 1828 zum ersten Mal aufgeführt wurde. Aus dieser Oper ist das Lied: „Im Herbst, da muß man trinken“, volksthümlich geworden. Noch größeren Erfolg hatte er mit der Oper: „Der Templer und die Jüdin“, [711] die er frei nach W. Scott’s Romam: „Ivanhoe“ bearbeitete (Leipzig 1829). Auch aus dieser Oper wurden zwei Nummern populär: das Preislied: „Wer ist der Ritter hochgeehrt“ und das Lied: „Brüder wacht! habet Acht! – ’s wird besser gehn!“ Dagegen gerieth die nach einer Spindler’schen Erzählung gedichtete komische Oper: „Des Falkners Braut“ (Leipzig 1831) ebenso in Vergessenheit, wie die von Heinrich Dorn in Musik gesetzte Oper: „Der Schiffer von Paris (Leipzig 1839). Ob die ihm zugeschriebenen „Lieder und vermischten Gedichte“ (Riga und Leipzig 1848) von ihm oder von einem Rigaer Namensvetter herrühren, wagen wir nicht zu entscheiden.

Vgl. E. Kneschke, Zur Geschichte des Theaters und der Musik in Leipzig Leipzig 1864. S. 101, 102, 143. – F. Brümmer, Deutsches Dichter-Lexikon. Eichstädt 1877. II, 516. – K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Dresden 1881. III, 923. – M. Kurnick, Ein Menschenalter Theater-Erinnerungen. Berlin 1882. S. 6 u. 64. – Mor. Rudolph, Rigaer Theater- und Tonkünstler-Lexikon. Riga 1890. S. 269. – Rudolph führt noch einige andere Schauspieler und Sänger des Namens Wohlbrück an, die aber keine hervorragende Bedeutung gehabt haben. Der letzte bekanntere Träger des Namens war der Komiker Friedrich Wohlbrück, der am 6. Juni 1893 zu Münster in Westfalen starb. Vgl. Neuer Theater-Almanach. Herausg. von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Berlin 1894. V, 192.