ADB:Wizlaw II.
Jaromar’s II. aus dessen Ehe mit Euphemia, einer Tochter des Herzogs Swantepolk des Großen von Ostpommern oder Pomerellen, gelangte zur Regierung, als sein Vater, unter den erbitterten Kämpfen zwischen den Söhnen Waldemar’s II. und der dänischen Geistlichkeit, in den nordischen Reichen (1260) von rächerischer Hand den Tod erlitten hatte. In Erinnerung an alles Unheil, welches der rügischen Heimath und dem fürstlichen Hause aus diesem Kriege erwachsen war, enthielt sich W. jeder Einmischung in jene Streitigkeiten, welche erst am 10. Mai 1274 ihren Abschluß fanden, vielmehr vereinigte er sich mit seinem jüngeren Bruder Jaromar zu Unternehmungen, welche ein friedliches Verhältniß zu den Nachbarländern Pommern und Mecklenburg, sowie zu den Bischöfen von Cammin und Schwerin bezweckten, andererseits aber zur Hebung des Landes Schlawe, welches nach dem [682] Aussterben der Ratiboriden (1236) an Pomerellen fiel, dann aber, als Mitgift seiner Mutter Euphemia, an W. überging, namentlich (1270) durch Anlage der nach dem Stammeilande benannten Stadt Rügenwalde. Den unverkennbaren Hintergrund dieser Politik bildet das Bestreben seine Unabhängigkeit von dem stets wachsenden Einfluß Brandenburgs unter dem askanischen Hause zu bewahren, da letzteres, seit dem Sinken der dänischen Macht (1223–1238), die Oberherrschaft an der baltischen Küste beanspruchte und seit 1231–1236 von Kaiser Friedrich II. mit Pommern belehnt war. Jenes Ziel zu erreichen, wünschte W. vor allem seine Kräfte zu concentriren, und überließ demgemäß, nach dem Vorbilde des Herzogs Wartislaw III. von Pommern, welcher die streitige Ukermark an Brandenburg (1250) abgetreten hatte, das Land Schlawe, mit der von ihm gegründeten Stadt Rügenwalde (1277) an die Markgrafen Johann II., Otto IV. und Konrad, anscheinend, wie aus dem späteren Vertrage mit ihnen vom 26. März 1289 hervorgeht, um dieselben für die Theilung Ostpommerns zwischen Rügen und Brandenburg, bei dem bevorstehenden Tode des unbeerbten letzten Herzogs Mestwin II. (s. A. D. B. XXI, 504) günstig zu stimmen; ein Plan, welcher jedoch später (1295), als dieser Fall eintrat, durch die Bildung des Deutschen Ordenslandes auf pommerellischem Boden verhindert wurde. Während W. auf diese Art eine friedliche Stellung zu dem mächtigen brandenburgischen Nachbar zu erlangen strebte, suchte er ähnlichen Vortheil durch Erneuerung der Handelsverträge (1266 ff.) mit dem glänzend emporblühenden Lübeck und dem unter dessen Führung erstarkenden Hansabunde, sowie durch Förderung der zu letzterem gehörenden, in seinem Fürstenthum belegenen Stadt Stralsund, in dessen Mauern seine (1270) verstorbene Mutter Euphemia bei den Franciscanern, im jetzigen Johanniskloster, ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Diesem Zwecke entsprechend vermehrte er einerseits den städtischen Grundbesitz, namentlich in Voigdehagen, Lüdershagen und Langendorf, dessen letzteren Einkünfte Stralsunds ältester Bürgermeister Leo Valke zu der noch jetzt unter dem Namen der Siegfried’schen Vicarie (s. A. D. B. XXXIV, 204) bestehenden Stiftung verwandte: andererseits sicherte er die Verfassung der Stadt durch eine Reihe wichtiger Privilegien, unter welchen das von 1269 die Aufhebung der von W. in der Nähe Stralsunds projectirten Stadt Schadegard versprach, während das vom 23. Mai 1290 den Bürgern die freie Gerichtsbarkeit auf den Stadtgütern, das jus de non evocando, den unbehinderten Handelsverkehr, sowie die Befreiung von der Kriegsfolge und dem Strandrechte gewährte. Aehnliche, wenn auch nicht so umfangreiche Privilegien empfingen die kleineren im rügischen Fürstenthum begründeten Städte Barth (1278), Tribsees (1285) und Loitz (1299), während das an der Hilda (dem Ryckfluß, seit 1249 Grenze zwischen Rügen und Pommern) aufblühende Greifswald (1288) die dortige Saline und (1297) die Erlaubniß erhielt, an der Mündung des Rycks in die dänische Wiek, bei dem Eldenaer Klosterdorfe Wyk, einen Hafen anlegen zu dürfen. Die durch letztere Schenkung hervorgerufene Beeinträchtigung der von seinem Urgroßvater Jaromar I. gestifteten Cistercienser-Abtei glaubte W. ohne Zweifel dadurch vor seinem Gewissen verantworten zu können, daß er nicht nur Eldena selbst, sondern auch die anderen rügischen Cistercienser-Klöster, besonders das von seinem Großvater gestiftete Neuencamp mit fast übertriebener Freigebigkeit ausstattete. In gleichem Sinne widmete er aber auch seine Fürsorge den Franciscanern und Dominicanern in Stralsund, sowie den Klöstern in den Nachbarländern: Holstein, Mecklenburg und Pommern, u. A. Reinfeld, Dargun, Ivenak und Bukow bei Schlawe, ja er dehnte sogar seine Schenkungen bis Riddagshausen bei Braunschweig, bis Riga und bis zu den nordischen Reichen aus. Der Eifer für die Ausbreitung des Christenthums führte ihn auch, nach dem Vorbilde seines Großvaters (s. oben S. 680) [683] auf einem Kreuzzuge nach Livland, während welcher Zeit ihn sein Bruder Jaromar als Regent des Fürstenthums vertrat, und als solcher u. A. (6. Juli 1282) dem Kloster Eldena seine Privilegien bestätigte. Im Zusammenhange mit dieser Fahrt stehen die von W. der Stadt Riga (19. April 1282) verliehenen Privilegien und der Plan, Wizlaw’s Bruder Jaromar zum Herrscher über einen Theil von Preußen und zum Widerstande gegen den Deutschen Orden zu berufen, ein Unternehmen, welches jedoch durch dessen frühzeitigen Tod (1282) ohne Erfolg blieb. Zugleich wurde W. auch in die erbitterten Kriege verwickelt, welche theils zwischen Brandenburg und den wendischen Fürsten, theils zwischen den deutschen Städten und den norwegischen Herrschern, sowie König Eduard 1. von England ausbrachen, von denen jener durch den Rostocker Landfrieden (1283–1284), dieser durch den Vertrag von Calmar (1285) zum Ausgleiche kam. Eine neue Fehde entbrannte dann durch den Tod Heinrich’s I. von Werle (1291), in welcher W. die Partei der von Nikolaus II. von Parchim vertriebenen Söhne desselben nahm, und infolge dessen, nebst mehreren hundert Rittern in die Gefangenschaft nach Parchim geführt wurde. Erst nach längeren Verhandlungen kam es zur Versöhnung, dergemäß W. (1293) das Land Tribsees vom Bischofe von Schwerin zu Lehn nahm und sich mit den übrigen streitenden Parteien theils durch Erneuerung des Landfriedens (21. Aug. 1292), theils durch den Frieden zu Rostock (31. Oct. 1294) verglich. Langwieriger und verderblicher als die Werlesche Fehde, war jedoch der erbitterte Kampf, welcher nach dem Tode des kinderlosen Mestwin II. von Pomerellen (Decbr. 1294) entstand. Zwar hatte W. sich mit Brandenburg, wie oben erwähnt ist (1289), über eine eventuelle Theilung des ostpommerschen Landes geeinigt, und auch schon den von Mestwin dem Kloster Eldena verliehenen Grundbesitz bei Danzig zur Anlage eines Filials bestätigt; dennoch blieb die wohlwollende Stimmung des Markgrafen nicht von Bestand, anscheinend aus dem Grunde, weil Nikolaus das Kind von Mecklenburg-Rostock seine Verlobung mit Margarete, einer Tochter des Markgrafen Albrecht von Brandenburg (seit 1296 Witwe des Königs Przemeslaw von Polen) wieder auflöste und statt dessen sich (1299) mit Wizlaw’s Enkelin, Margarete, Tochter des Herzogs Bogislaw IV. von Pommern-Wolgast, vermählte. Diese persönliche Beleidigung, sowie die Hoffnung, ganz Pomerellen mit Brandenburg zu vereinigen, mochte die Markgrafen veranlassen, statt einer friedlichen Theilung und eines mäßigen und sicheren Erfolges, den zweifelhaften Ausgang eines Krieges zu wählen, eine Entscheidung, die wol kaum dem Sinne des damals schon bejahrten rügischen Fürsten entsprach, desto mehr aber den Beifall seiner kampflustigen Söhne Wizlaw III. und Sambor fand, welche schon seit 1283 an der Regierung des Vaters betheiligt waren. Das Resultat des langen blutigen Krieges (1295–1302) war jedoch ein ganz anderes, als die Parteien erwarteten, weder Rügen, Mecklenburg und Pommern, noch Brandenburg ernteten die erhoffte Frucht, vielmehr benutzten die Nachbarfürsten ihren Zwist, um durch Einmischung in denselben für sich Vortheile zu erlangen. Polen und Böhmen besetzten Pomerellen, während Dänemark und Norwegen die alte Herrschaft über Mecklenburg zu erneuern suchten, infolge dessen Nikolaus das Kind (1300) das Land Rostock vom König Erich VIII. Menved zu Lehn nahm. Die mecklenburger Fehde, durch eine Heirath hervorgerufen, wurde auch durch eine solche beigelegt, indem sich Wizlaw’s Tochter Euphemia mit dem König Hakon VII. von Norwegen (1299) vermählte, welchem Ehebündnisse bald darauf unter Vermittelung der Hansastädte die Friedensschlüsse von 1301–1302 folgten; Pomerellen gelangte aber erst nach dem Tode Wizlaw’s zur Ruhe, und kam (1308–1810) fast in seinem ganzen Umfange in den Besitz des Deutschen Ordens. Mit dieser kriegerischen Thätigkeit gingen [684] milde Stiftungen des Fürsten parallel, u. A. (1295) die in Gemeinschaft mit dem Hause Putbus ausgeführte Schenkung der Halbinsel Mönchgut an das Kloster Eldena und der Insel Hiddensee an das Filial gleichen Namens, das von Neuencamp (1296) ausging, endlich in seinem kurz vor seinem Tode errichteten Testamente mehrere Vermächtnisse an norwegische Kirchen. W. starb nämlich auf einer Reise zu seinem Schwiegersohn Hakon am 29. Decbr. 1302 in Asloe (Christiania) und wurde dort in der Marienkirche bestattet. Aus seiner Ehe mit Agnes, einer Tochter Otto’s des Kindes von Braunschweig, welche ihn überlebte, stammen 4 Söhne, von denen Wizlaw III und Sambor ihm in der Regierung folgten, während Jaromar von 1290–1294 die Würde eines Bischofs von Cammin erlangte, sowie 4 Töchter, Euphemia, Hakons VII. Gattin; Margarete, vermählt mit Bogislaw IV. von Pommern; Helena, zuerst mit Johann II. von Mecklenburg und dann mit Bernhard von Bernburg vermählt, und Sophie. Von Wizlaw’s Schwestern waren Margarete († 1272) mit Erich von Jütland, und Euphemia mit Günther I., Grafen von Lindow verheirathet.
Wizlaw II., Fürst von Rügen, der ältere Sohn- Fabricius, Urk. z. Gesch. des Fürstenthums Rügen, Th. III, S. 1–142; IV, 4, S. 118, m. d. betr. Stammtafeln und Siegelabbildungen; in den Stammtafeln des Pom.-Rüg. Fst. h. v. Dr. v. Bülow. S. 12–13 fehlt Euphemia, Hakon’s Gattin. – Fock, Rüg.-Pom. Gesch. II, 78 ff. – Kratz und Klempin, die Städte der Pr. Pommern, S. 154, 327, 346. – Pyl, Gesch. Eldenas, S. 196, 210, 333, 381, 593–624. – Perlbach, Pommerellisches Urkundenbuch, h. v. Westpreuß- Gesch.-V. 1882, S. XII ff.