ADB:Willibald
Potthast, Wegweiser, 2. Aufl. 1637–1638.)
Willibald, erster Bischof von Eichstätt. Von ihm sind fünf verschiedene Lebensbeschreibungen überliefert, wovon aber nur jene geschichtlichen Werth besitzt, welche von einer ungenannten angelsächsischen, mit ihm selbst verwandten Nonne in Heidenheim stammt. Diese beruft sich bei der Beschreibung der Orientreise auf die eigene Erzählung des Heiligen, welche derselbe auf ihre Bitte hin am Vorabend der Sonnenwende, am Dienstag den 23. Juni (778) machte. (Vergl. die neueste und beste Ausgabe von Holder-Egger in Mon. Germ. hist., Script. XV, 1, 80–117, sowie die Litteraturangaben beiW. wurde um 700 in England geboren, da er bei der Bischofsweihe im October (741) gerade 41 Jahre alt war. Er hatte einen Bruder Wynnebald (Wunibald), der am 18. December 761 als erster Abt von Heidenheim starb. Einen dritten Bruder, dessen Name nicht überliefert ist, brachte später (um 728) Wynnebald mit sich nach Rom. Auch eine Schwester Walburgis wird genannt, welche am 25. Februar 779 starb. Diese heiligen Geschwisterte waren mit dem hl. Bonifatius blutsverwandt und unterstützten ihn in seinem Apostolate in Deutschland.
W. zeichnete sich durch geistige Begabung und Thatkraft besonders aus. Im Alter von drei Jahren verfiel er in eine schwere Krankheit, wobei die Eltern ihn dem klösterlichen Leben zu widmen gelobten. Mit fünf Jahren übergaben sie ihn deshalb einem gewissen Theodred, der ihn ins Kloster Waldheim (Waltham, Hampshire, ö. Southampton) zu Abt Egwald brachte. Hier wuchs W. heran und bildete sich zu einem willensstarken, gottbegeisterten und frommen Mönche aus. Im Alter von 20 Jahren faßte er den Entschluß zu einer Pilgerfahrt nach Rom und wußte alle Hindernisse in beredter Weise zu besiegen. Auch seinen damals neunzehnjährigen Bruder Wynnebald wußte er dazu zu bewegen wie auch endlich trotz aller Bedenken und Gegenvorstellungen den alten Vater, den spätere Quellen Richard nennen. So setzten sie im Frühsommer 720 von Southampton nach Rouen über, durchquerten unter Besuch verschiedener Heiligthümer Frankreich und Oberitalien. In Lucca erkrankte und starb der Vater, dessen Ueberreste in der Kirche des h. Priscianus beigesetzt wurden. Zu Martini desselben Jahres (11. Novbr. 720) langten sie in Rom an. Beide Brüder traten hier in ein Kloster ein und lebten in klösterlicher Zucht, doch beide erkrankten vorübergehend in der heißen Sommerzeit. Nach drei Jahren (28. März) 723, trat W. mit zwei Begleitern eine Pilgerfahrt ins hl. Land Palästina an, während sein Bruder in Rom zurückblieb. Nach siebenjährigen Kreuz- und Querfahrten, auf welchen er gleich anfänglich in Syrien auf kurze Zeit in Gefangenschaft gerieth, dann vier Mal längere Zeit in Jerusalem weilte, einmal durch zwei Monate das Augenlicht verlor, sonst einmal erkrankte –, kam er im Herbste 729 nach Italien zurück, worauf er von Neapel aus nach Montecassino pilgerte und sich dort unter Abt Petronax ins Kloster aufnehmen ließ. Da verblieb er 10 Jahre lang, bis zum Herbste 739, indem er ein Jahr die Stelle eines Sacristans, dann ein Jahr die eines Decans, endlich acht Jahre die eines Pförtners (vier Jahre im oberen Kloster und vier Jahre im unteren am reißenden Flusse) versah. Nach Ablauf dieser Zeit erbat ihn ein spanischer Priestergast als Reisebegleiter nach Rom, wo sie am Feste des hl. Andreas (30. Novbr.) 739 anlangten, da er nach Angabe der Nonne 17 Jahre (Frühjahr 723 bis Herbst 739) von Rom abwesend gewesen war.
Während dem war sein Vetter Bonifatius, mit der Mission in Deutschland, zumal in Franken, Thüringen und Baiern, beschäftigt gewesen. Noch unter Herzog Hugbert († vor dem 1. Nov. 735 – vgl. Hundt in den Abhandlungen der k. b. Akademie, III. Cl., XII, 168 u. das Regest S. 194, Nr. 1), also schon [273] 734 oder 735 visitirte er im päpstlichen Auftrage die kirchlichen Verhältnisse in Baiern und begab sich darauf (wahrscheinlich wol schon 735 statt 739, vgl. Seefried, Chronologia Willibaldina I, 2 ff. Sep.-Abdruck aus den Beilagen der „Augsburger Postzeitung“: I, 1893, Nr. 49–52, II, 1895, Nr. 36–38) zum dritten und letzten Mal nach Rom, um persönlich Bericht zu erstatten und neue Missionare anzuwerben. Er blieb diesmal fast ein ganzes Jahr in Rom. Auf dem Rückweg hielt er sich am langobardischen Hofe und an dem bairischen des Herzogs Odilo längere Zeit auf, wo er im päpstlichen Auftrage und im Einverständnisse mit dem Herzog die Organisation der kirchlichen Verhältnisse allmählich durchführte und das Land in Diöcesansprengel theilte, etwa 736/737, jedenfalls vor October 739. (Siehe Vita s. Bonifatii cap. 28 [Mon. Germ. hist., Script. II, 346].)
Auf der Romreise suchte Bonifatius neue Mitarbeiter für die deutsche Mission zu gewinnen. Unter andern folgte ihm Wynnebald mit einer Schar anderer Freunde, der, nachdem er Priester geworden war, einen Seelsorgsposten in Thüringen erhielt, von wo aus er sieben Kirchen zu versehen hatte. Am 29. October 739 beantwortete Papst Gregor III. den Bericht des hl. Bonifatius (Mon. Germ. hist., Epistolae III, 293). Als dann einen Monat später W. nach Rom kam und der Papst dies erfuhr, ließ er ihn rufen und sagte ihm, wie Bonifatius ihn zum Mitarbeiter anwerben wollte, worauf er ihn mahnte, dem Rufe Folge zu geben. W. glaubte nun zunächst erst die Erlaubniß des Abtes einholen zu müssen, doch der Papst bedeutete ihm, daß solches nicht mehr nöthig sei, wenn er selbst ihn zur Mission auffordere. So trat W. zu Ostern (740) die Reise nach Deutschland an. Er besuchte das Grab des Vaters in Lucca und nach einem Besuche am langobardischen Hofe zu Pavia (Ticinä) kam er über Brescia (Prixa) an den Gardasee (Cartha), hierauf zu Herzog Odilo nach Baiern, bei dem er eine Woche blieb; hierauf verweilte er ebenfalls eine Woche beim Grafen Suitger und dann gingen beide zu Bonifatius nach Lindhart (bei Mallersdorf in Niederbaiern, nach Seefried I, 22 Lindenhardt bei Pegnitz in Oberfranken). Bonifatius war über Willibald’s Ankunft hoch erfreut und schickte beide nach Eichstätt, wo Suitger für Bonifatius Schenkungen gemacht hatte. Diese Gegend sollte sich W. ansehen, ob sie ihm zur Niederlassung tauglich scheine. Dieselbe war damals noch verwüstet und nur eine kleine Marienkirche befand sich dort. W. und Suitger blieben hier einige Zeit, suchten dann wieder Bonifatius in Freising auf und kehrten mit ihm nach Eichstätt zurück, wo nun W. zum Priester geweiht wurde, am 22. Juli, dem Tage des hl. Apollinaris und der hl. Maria Magdalena (740). Nach einem Jahre berief Bonifatius W. zu sich nach Thüringen, wo dieser bei seinem Bruder Wynnebald Wohnung nahm, der ihn schon 8½ (!) Jahre, nämlich seit der Abreise von Rom (723) nicht mehr gesehen hatte. Hier in Thüringen zu Sülzenbrücken (Sulzeprucge, bei Ichtershausen, s. Erfurt) wurde W., damals gerade 41 Jahre alt, im Herbst, drei Wochen vor Martini im Beisein der Bischöfe Burchard von Würzburg und Wizo von Buraburg, die beide kurz zuvor zu Bischöfen bestellt worden waren, zum Bischofe geweiht. Leider bezeichnet die Biographie hier nicht hinreichend genau das Jahr. Die gewöhnliche Annahme ist nun, daß W. am 22. Juli 740 zum Priester und im October 741 zum Bischofe geweiht worden sei, zumal er an der ostfränkischen (ersten deutschen) Synode am 21. April 742 schon als Bischof theilnahm. Andere wollen die Bischofsweihe auf October 742 oder 743 ansetzen, wobei zu bemerken ist, daß im letzteren Falle obige Angabe von 8½ Jahren die natürlichste Erklärung fände, da Wynnebald vor seinem Abgange aus Rom W. noch in Montecassino [274] besucht haben dürfte, ohne daß die Lebensbeschreiberin davon Erwähnung macht. Da aber das Datum der Synode schon in der Vatican. Hs. des 8. Jahrhdts. überliefert ist (vgl. Böhmer-Mühlbacher, Karol. Regesten 19 Nr. 44), und daher die Synode nicht auf ein späteres Datum zurückgeschoben werden kann und auch kein anderer Bischof mit dem Namen Willibald aufzufinden ist, so wird man wol bei der Annahme verbleiben müssen, daß W. schon 741 Bischof wurde. (Vgl. dagegen die Ausführungen von Seefried a. a. O. und die Einwendungen Dünzelmann’s in Forschungen zur deutschen Geschichte XIII, 4 ff., welche durch Loose, Zur Chronologie S. 9 ff. neuerdings aufgenommen und scharfsinnig begründet, doch durch A. Hauck’s Antwort in Kirchengeschichte Deutschlands I, 474 Anm. 2 wieder entkräftet wurden.)
Acht Tage nach der Bischofsweihe kehrte W. nach Eichstätt zurück, begann daselbst die Erbauung eines Klosters sammt einer großen Kirche und führte die Lebensweise von St. Benedict auf Montecassino ein. Ueber das fernere Leben und Wirken sind wir leider sehr ungenügend unterrichtet. Die Nonne fügt der Lebensbeschreibung nur noch bei, daß die Leute der Umgebung von weit und breit W. zuliefen, um auf seine salbungsvollen Predigten zu lauschen. Und aus der Lebensgeschichte seines Bruders Wynnebald erfahren wir noch, daß sich dieser nach einigen Jahren noch unter Herzog Odilo, also vor 748 ebenfalls vorübergehend nach Baiern zog und zuerst in ’Nordfiluse’, also an der Vils niederließ. Drei Jahre später ging er zu Bonifatius nach Mainz und ließ sich in die dortige Geistlichkeit aufnehmen. Doch er wünschte sich bald das klösterliche Leben zurück, begab sich wieder nach Eichstätt und begann mit Bischof W. die Gründung des Klosters Heidenheim zwischen der Altmühl und Wörnitz (750–751), dem hierauf Wynnebald bis zu seinem Tode am 18. December 761 vorstand. W. wohnte 762 der Synode von Attigny bei, wo er das Privileg K. Pippin’s für Fulda (Böhmer-Mühlbacher 31 Nr. 70) unterfertigte und an der berühmten Gebetsverbrüderung theilnahm (Mon. Germ. hist., Leges I, 30). Auch mit dem Kathedralkloster St. Peter in Salzburg schloß er eine solche Verbrüderung ab. (Siehe Th. G. v. Karajan, Verbrüderungsbuch, S. 70 Nr. 16 und Einleitung S. XLII.) Zur Leitung des Klosters Heidenheim berief W. nach dem Tode Wynnebald’s ihre Schwester Walburgis, welche um 728 nach Deutschland kam und in Bischofsheim die klösterliche Profeß ablegte. Diese erbaute alsbald in Heidenheim auch ein Nonnenkloster und ließ 777 die Ueberreste Wynnebald’s aus dem Grabe erheben. Am 24. September 778 wurde die neue Kirche geweiht und in der Gruft derselben Wynnebald’s Gebeine beigesetzt; wenige Monate später wurden auch die irdischen Ueberreste der am 25. Februar 779 verstorbenen Walburgis in derselben Gruft beerdigt.
Außer dem Doppelkloster Heidenheim entstand während der Regierung Willibald’s noch das Kloster Solenhofen, während Hasen- oder Herrenried, dann Gunzenhausen und Monheim, wie auch das rätselhafte St. Sebaldusstift in Nürnberg etwas späteren Ursprungs sein dürften. (Siehe Rettberg, KG. II, 360–363; Hauck, KG. I, 493 Anm. 4.)
Aus der Späthzeit Willibald’s erfahren wir noch, daß er am 25. März 783 der Schenkungsurkunde der Aebtissin Enchiltis von Miltz (Milize) sein Siegel aufdrückte, sowie daß er noch 785 und 786 Seelgeräthsvergabungen nach Fulda machte. (Schannat, Corp. trad. Fulden. No. CXL und LXXVIII, sowie 311 No. 81. Vgl. dazu Eckhart, Franc. orient. I, 703–704.) Ums Jahr 785 assistirte W. auch noch bei der Weihe Bernwelf’s zum neuen Bischof in Würzburg. (Vita Burchardi in Mon. Germ. hist., Script. XV, 60. Vgl. dazu Hauck, KG. II, 309.) Durch diese Zeugnisse ist zweifellos sicher gestellt, daß die Zeitangaben bei Gundechar (Mon. Germ. hist., Script. VII, 245) ganz [275] unbeglaubigte Aufstellungen des 11. Jahrhunderts sind, denn W. kann nicht schon 781 oder gar 779 gestorben sein und muß statt 77 wol 85 oder 86 Jahre alt geworden und statt nur 36 wol 45 Jahre Bischof gewesen sein. Er starb nach alter Ueberlieferung am 7. Juli und zwar höchstwahrscheinlich 786 oder 787, womit auch ganz stimmt, daß der erste Schreiber des 784 angelegten Verbrüderungsbuches von St. Peter seinen Namen erst nachträglich der Reihe der verstorbenen Bischöfe angefügt hat. (Mon. Germ. hist., Necrol. II, 1, 26, col. 63.)