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Artikel „Willers, Ernst“ von Hyacinth Holland, Wilhelm Sillem in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 269–271, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Willers,_Ernst&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 21:54 Uhr UTC)
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Willers: Ernst W., Landschaftsmaler, geboren zu Vegesack (Oldenburg) am 11. Februar 1802 als der Sohn eines Gastwirths, trat erst bei einem Stubenmaler in die Lehre, dann beim Decorationsmaler Pose zu Düsseldorf in Arbeit. Infolge davon bemalte er eine Zimmerwand im väterlichen Hause mit einer Landschaft, wozu vermuthlich die majestätischen Riesenbäume in den heimatlichen Eichenwäldern von Neuenburg und Hasbruch Anregung und Vorbild gaben. Unterstützt vom Großherzog Peter ging W. 1824 nach Dresden zu Dahl, dann unternahm er verschiedene Ausflüge in die bairischen Alpen, welche er von der Zugspitze bis zum Königssee durchstreifte und längere Zeit zu München verweilte, wo er schon zu Anfang der dreißiger Jahre eines guten Namens sich erfreute. Mächtig förderte ihn eine Reise nach Italien (1835); hier sammelte [270] er eine große Anzahl von Zeichnungen und erntete mit seinen Aquarellen vielen Beifall. Insbesondere erregte 1838 in Rom eine große „Ansicht der Umgebung von Olevano“, durch die meisterhafte Durchführung eine ungewöhnliche Ueberraschung und Aufmerksamkeit. Im Beginn der vierziger Jahre (ein Biograph verlegt Willers’ griechische Reise auf 1857 und 58[1]; das scheint aber nicht zutreffend, da Willers’ „Athen“ schon 1845 in Rom ausgestellt war) ging W. nach Griechenland, welches er nach allen Richtungen bereiste, einen wahren Schatz der anziehendsten Studien einheimsend, in denen ebenso die an schönen Linien reiche Landschaft als auch die frischen Scenen aus dem Volksleben nebst der trümmerreichen Architektur mit gleicher Trefflichkeit und großartigster Poesie behandelt waren. W. besuchte sodann Sicilien, wo die mächtigen Ueberreste der altgriechischen Bauwerke seinen Blick fesselten, doch gewann die Landschaft mit ihrer idyllischen oder hochdramatischen Stimmung bald wieder die Oberhand. Nächst seinem vorgenannten „Athen“ machte 1846 ein umfangreiches Gemälde mit einem prächtigen Pinienwalde, mit weiter Fernsicht auf das Meer und eine sanfte Gebirgskette, großes Aufsehen und trug den Ruhm des Malers weit über die Alpen und in seine Heimath, von wo in anerkennendster Weise seine Bestallung zum oldenburgischen Hofmaler erfolgte. Damals erschien auch eine eigene Schrift über W. von Hermann Hettner (mit Vorwort von Stahr, Oldenburg 1846, abgedruckt in H. Hettner, Kleine Schriften, Braunschweig 1884, S. 287–311), welche bei äußerster Dürftigkeit an biographischen Detail doch eine treffliche Charakteristik des Künstlers und ein inniges Verständniß seiner Schöpfungen enthält. W. war eine kerngesunde echt friesische Natur, die alles Krankhafte, Süßliche und Moderne entschieden ablehnte. Den Grundzug aller seiner Dichtungen bildete, wie bei Fr. Preller, eine aus den gründlichsten Studien und Kenntnissen herausgearbeitete ideale Natur. Sein eigenstes Gebiet war die sogenannte historische Landschaft, die er im grandiosen Sinne eines Poussin und Claude Lorrain cultivirte. Ein imposanter Ernst spricht aus allen seinen Schöpfungen, auch in seinen friedlichen Stimmungen blieb er immer gemessen und feierlich. Ebenso war er aber auch Meister des Sturmes, des furchtbaren, wipfelbeugenden, walddurchfegenden Elements, des tobend aufbrausenden Wassers, der rasenden See. Aber niemals überschritt dieses Gewaltige, Ungestüme seiner Darstellungen das innige Gleichmaß von plastischer Bestimmtheit, Wahrheit und Formenschönheit. Seine Individualität offenbarte sich aber noch innerhalb allerlei anderen Grenzen. Die eigentliche Alpennatur fesselte ihn überhaupt nur wenig, ja das unruhige Spitzen- und Zackengewimmel derselben war seinem innersten Wesen geradezu widersprechend. Ebenso wenig befriedigten ihn die burgengekrönten Hügelketten des Rheins oder der Mosel, auch nicht das Tannendunkel der Harz- und Schwarzwaldberge. In Norddeutschland bildete einzig die heimathliche Eichenherrlichkeit seine Freude. Keiner hat ihn darin übertroffen. Hier machte er unermüdlich große Bleistiftstudien, in welchen er mit völliger Verzichtleistung auf die Wirkung der Laubpartien, dem Rindenpanzer der Riesenstämme und Aeste mit allen Furchen, Knorren und Astlöchern seine eingehende Aufmerksamkeit und minutiöseste Durchdringung zuwendete. Auch die vielbeliebte Auffassung der italischen Landschaften mit dem „ewig blauen Himmel“ und den rosig umhauchten Bergen, den Orangen- und Myrtenhainen verschmähte W. gründlich; ebenso wenig stand die Schönheit der oberitalischen Seen bei ihm in Gunst, noch weniger die weiche, üppig-süße Landschaft am Golf von Neapel. Aber Rom und die Campagna, das Albaner- und Sabinergebirge, die Felsennester wie Civitella (1842) und Olevano, nebenbei auch etwas mit Räuberromantik staffirt, nicht zu vergessen die „Grotte der Egeria“ (1849, in Weimar), welche ihn zu seinem großartigsten, herrlichsten, wie auch räumlich größten Bilde begeisterte. Zum höchsten Können [271] gelangte Willers’ Kunst durch seine griechischen Landschaften. Die köstliche Feinheit, womit er die reiche, wundervolle Bodenplastik wiedergibt; die durchsichtige Klarheit der Lüfte und weitesten Fernen; die stille, ernste Größe und vor allem der tief elegische Hauch, der rings über der sonnenverbrannten und baumlosen Oede liegt: diese Vorzüge verleihen seinen Bildern einen eigenen, vornehmen Reiz, unter welchen hier nur „Akrokorinth“, die „Akropolis“, der „Piräus“ genannt werden. Obwol mächtig der Farbe, wie Wenige seiner Art, machte W. davon nicht weiteren Gebrauch als ihm, mit kluger Berechnung und haushälterischer Sparsamkeit der Effecte, gerade nur nothwendig däuchte. – Die volle Grandiosität seiner gestaltungsreichen Phantasie documentirte W. mit besonderer Vorliebe in Kohlenzeichnungen und Cartons, die er zu seines Herzens eigener Erbauung ausführte, ohne Bestellung und ohne besondere Aussicht auf eine solche. Er war eben durchweg Dichter und Künstler, und die Ausübung seiner Gaben bot ihm genug beseeligenden Lohn; Ansprüche an das Leben machte er wenige und seine Bedürfnisse waren gering und bescheiden. Seine Oelbilder hatten immer Freunde und Absatz; selten fand er sich veranlaßt einem Kunstverein etwas Uebriges anzubieten. Auch mit der Ausstellung dieser langsam gereiften und immer ganz durchgebildeten Werke hielt er gerne zurück, nur bisweilen, gleichsam als Beweis, daß neben den landläufigen Richtungen auch noch Heil zu finden und die Träger eines idealen Princips nicht ausgestorben seien, ließ er dann, am liebsten in den damaligen Sommerausstellungen der Münchener Künstlergenossenschaft, einen Cyclus los. Nach seiner 1858 erfolgten Rückkehr aus Italien, woselbst der nachmalige Dichter Jos. Victor Scheffel als angehender Landschaftsmaler seine Zuflucht zu W. genommen hatte und im Frühlinge 1852 unter seiner Leitung zu Albano im Studienmalen und Componiren sich versuchte (vgl. A. Ruhemann, J. V. v. Scheffel, 1887, S. 127 ff.), nahm W. seinen bleibenden Wohnsitz zu München, wo er sich in behaglicher Stille einspann, nur der Ausübung seiner Kunst zugewendet. W. gehörte zu den Glücklichen, die im Bewußtsein ihres Werthes und der Richtigkeit des von ihm gefundenen Weges ihre eigene Bahn wandeln, mit liebenswürdiger Bescheidenheit sich niemals überheben, jedes ehrliche Streben achten, jede anmaßliche Aufdringlichkeit aber spurlos abschütteln und vornehm zu übersehen wissen. Der erste Eindruck bei persönlicher Berührung war nicht anziehend und gewinnend. Seine ernste Erscheinung, mit dem schönen feingeschnittnen, langbärtigen und kurzhaarigen Haupte, war fesselnd und achtunggebietend; die Rede wortkarg und beinahe knurrig. Erst bei weiterer Berührung und wenn das Gefühl des Verstandenseines aus dem sonst stechenden Auge blitzte und seelenvoll aufleuchtete, dann that sich allmählich der ganze Mann auf und gewährte den Einblick in ein warmes, unendlich klares und anziehendes Gemüth. Sein Porträt hat Rahl 1857 gemalt und Grützner in seinem „Jägerlatein“ zu dem alten Förster benützt, der mit innigem Vergnügen den classischen Schnurren zuhört, womit ein grüngeröckelter nagelschuhiger Jünger Nimrods eine gemischte Gesellschaft erlustigt. W. erlag am 1. Mai 1880 einer Lungenentzündung. Ein Bruder von ihm, welcher zu Oldenburg nach derselben Richtung der Kunst oblag, war schon früher gestorben. Beide theilten eine überraschende Aehnlichkeit, welche zu einer Komödie der Irrungen leicht Anlaß gegeben hätte.

Vgl. Raczynski III, 366. – Nagler 1851. XXI, 501. – Seubert 1879. III, 589. – Nekrolog in Nr. 137 d. Allgem. Ztg., 16. Mai 1880 und in Lützow’s Zeitschrift 1880. XV, 545. – A. Fitger in Nr. 11973 d. Weser-Zeitung, Bremen 9. Mai 1880. – Kunst-Vereins-Bericht f. 1880, S. 61. – Gf. Schack, Meine Gemäldesammlung 1881, S. 208 ff. – Eine Ausstellung seiner Bilder, Skizzen, Kohlenzeichnungen u. Aquarelle erfolgte in München (1880), Wien, Oldenburg, Berlin (1881) u. s. w.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 270. Z. 5 v. o.: Willers war 1857 oder 58 zum 2. Male in Griechenland, wohin ihn diesmal der Landschafter Louis Spangenberg begleitete. [Bd. 45, S. 676]