ADB:Widerad
Siegfried’s, seines Vorgängers und Verwandten – beide gehörten vielleicht demselben Geschlechte an wie die späteren Herren von Eppenstein – zum Erzbischof von Mainz die Abtswürde. Unter ihm hatte das Stift Conflicte mannichfachster Art durchzumachen. Zu höchst ärgerlichen Vorfällen führte ein Streit mit dem Bischof Hezilo von Hildesheim. Auf einer Versammlung zu Goslar zu Weihnachten 1061 oder 1062, über deren Charakter und Zeit nicht zu vereinigende Angaben vorliegen, beanspruchte W. nach dem angeblich alten Rechte seiner Kirche den Ehrensitz neben dem Mainzer Erzbischofe, den Hezilo, in dessen Diöcese Goslar gelegen war, für sich in Anspruch nahm. Der daraus sich entspinnende Streit zwischen dem beiderseitigen Gefolge wurde für den Augenblick, wie es scheint, zu Gunsten des Abtes beigelegt. Aus Anlaß dieses Vorfalles richtete W. an den ihm befreundet gewesenen Hezilo einen uns erhaltenen Klagebrief, der von seiner Belesenheit im Cicero Kunde gibt. Der kaum [344] beschwichtigte Streit kam zu Pfingsten 1063 in Gegenwart des Königs in der Kirche St. Simon und Judä zu Goslar zu einem neuen höchst blutigen Ausbruch, der wegen der Aergerniß erregenden Begleitumstände lange im Gedächtniß der Menschen haften blieb und von der Sage wunderlich umgestaltet wurde. Mit Mühe konnte W., dem die Hauptschuld beigemessen wurde, durch große Geldopfer sich loskaufen. Bei seiner Rückkehr nach Fulda trat ihm eine Revolte seiner Mönche entgegen, die ihm schon früher aufsässig waren, weil er die Stiftsgüter in übermäßiger Weise als Lehen verausgabte, eine Revolte, die nur mit Hülfe kaiserlicher Bevollmächtigten niedergeschlagen werden konnte.
Widerad, Abt zu Fulda 1060–75. Er war Mönch in Fulda und erlangte nach ErhebungSowol Siegfried von Mainz wie Bischof Adalbero von Würzburg suchten ihre Rechte und Besitzungen auf Kosten Fuldas auszudehnen, letzterer erhob außerdem den Vorwurf gegen W., er habe sich die Weihe durch den Papst auf simonistischem Wege erkauft und sei deswegen später gebannt worden. Nach vielfacher Drangsalirung wußte sich W. bei Papst Alexander II. die Zurückweisung jener Anklage, Bestätigung der Privilegien des Stiftes und abmahnende Breven an seine Widersacher zu erwirken. Am meisten zu schaffen machte W. der Anspruch des Mainzers auf die thüringischen Zehnten, durch die Fulda wegen seiner bedeutenden thüringischen Besitzungen neben Hersfeld in erster Reihe betroffen wurde. Nachdem 1069 durch Vermittlung des Königs zu Mühlhausen ein uns leider nur in entstelltem Wortlaut erhaltener Vergleich geschlossen war, erreichte es Siegfried mit Hülfe des Königs 1073 auf dem Tage zu Erfurt, daß ihm die Hälfte sämmtlicher thüringischen Zehnten des Stiftes zugesprochen wurde.
Bei Ausbruch des sächsischen Aufstandes soll sich W. anfangs neutral verhalten haben. Als aber im Juni 1075 sich das königliche Heer bei Breidingen versammelte, ließ sich auch W., der von Jugend an auf einem Fuße lahmte und seit Jahren des Gebrauchs seiner Glieder völlig beraubt war, dorthin fahren. Dort aber traf ihn ein Schlaganfall, der ihn der Sprache beraubte und ihn zwang in sein Kloster zurückzukehren, wo er am 16. Juli starb. Unter ihm hatten Reichthum und Machtstellung Fuldas erhebliche Einbußen erlitten.
Widerad’s Leben erzählt Schannat in seiner Historia Fuldensis, S. 148 bis 154, hauptsächlich dem Berichte des Lambert von Hersfeld folgend nebst eigenen durch nichts beglaubigten Zuthaten. Wie Lambert’s Glaubwürdigkeit überhaupt zweifelhaft geworden ist, so sind auch die Stellen über W. und namentlich den Zehntenstreit von diesem Schicksal nicht verschont geblieben. Man vergleiche außer der trefflichen immer noch mit Nutzen zu lesenden Dissertation von Ausfeld: Lambert von Hersfeld und der Zehntstreit etc., Marburg 1879, die Dissertation von Max Hermann: Siegfried I., Erzbischof von Mainz, Jena 1889, und besonders die Jahrbücher des deutschen Reichs unter Heinrich IV. und V. von Meyer von Knonau, Bd. I u. II.