ADB:Weiß, Johann Baptist von

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Artikel „Weiß, Johann Baptist von“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 24–26, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9F,_Johann_Baptist_von&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 14:08 Uhr UTC)
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Weiß: Johann Baptist von W., Historiker, geboren am 17. Juli 1820 zu Ettenheim im Breisgau, studirte an den Gymnasien zu Offenburg und Freiburg im Breisgau und an den Universitäten zu Freiburg, Tübingen, Heidelberg und München und wurde Lehrer der französischen und englischen Sprache an der Realschule zu Freiburg. Dadurch für das Leben gesichert, bereitete er sich auf das Examen für das Lehrfach der Philologie vor, das er 1845 ablegte. – Von der großherzoglich badischen Regierung erhielt er den Auftrag, Vorlesungen über Geschichte an der Universität Freiburg zu halten. Das Professorencollegium trat jedoch dieser Anordnung der Regierung entgegen mit dem stichhaltigen Grunde, daß W. noch nicht die Doctorwürde erlangt und sich habilitirt habe. Erst nachdem er zum Dr. phil. promovirt worden war und sich der Habilitation unterzogen hatte, konnte er dem Auftrag der Regierung nachkommen und gegen ein Honorar von 600 fl. die Vorlesungen an der Universität beginnen.

In dem Bewegungsjahre 1848 schloß sich W. mit aller Kraft der klerikalen Partei im Großherzogthum Baden an, übernahm 1850 die Redaction der in gleicher Gesinnung wirkenden „Freiburger Zeitung“ und griff, als 1852 in Baden der Kampf zwischen der Regierung und dem Erzbischof von Freiburg Hermann v. Vicari ausgebrochen war, in heftiger Weise den Großherzog und die Regierung an; infolge dessen verlor er die Stelle als Redacteur, und das Gehalt für die Vorlesungen an der Universität wurde ihm gestrichen. Gleichzeitig erhob die Staatsanwaltschaft gegen ihn eine Preßklage wegen eines in seinem Blatte erschienenen Artikels, der einen schweren Angriff auf die großherzoglichen Beamten und ihr Verhalten vor, während und nach der Revolution [25] enthielt. W. wurde zu einer Geldstrafe und zu acht Tagen Gefängniß verurtheilt. Bald darnach traf ihn die durch Leo Thun, den Unterrichtsminister Oesterreichs veranlaßte Berufung, die Professur der Geschichte an der Universität Graz zu übernehmen. Er folgte dem Rufe (1853) und blieb in dieser Stellung, bis er 1891 in den Ruhestand versetzt wurde.

Inzwischen war seine erste historische Arbeit an das Licht der Oeffentlichkeit getreten. 1851 war die Erstlingsschrift des ausgezeichneten Historikers Reinhold Pauli („König Alfred und seine Stellung in der Geschichte Englands“, Berlin 1851), der später eine Reihe vortrefflicher Werke über englische Geschichte verfaßte, erschienen. Als ein Jahr darnach die „Geschichte Alfreds des Großen“ (Schaffhausen 1852) von W. veröffentlicht wurde, war man in der gelehrten Welt darüber sehr erstaunt, daß es gewagt wurde, unmittelbar nach Pauli den Stoff, den er vollständig und glänzend behandelt hatte, noch einer Bearbeitung, die nichts Neues und Besseres bieten konnte, zu unterziehen. Wenn auch die Geschichte Alfred’s von W. als eine fleißige und correcte Arbeit bezeichnet werden kann, so war sie doch entbehrlich, nachdem unmittelbar vorher die ebenso gründliche als erschöpfende, nach Inhalt und Form vollendete Monographie Pauli’s erschienen war. Wer sich heute über König Alfred und seine Zeit belehren will, wird und muß Pauli und nicht W. zu Rathe ziehen.

Im J. 1860 gab die steiermärkische Landwirthschafts-Gesellschaft zur Feier ihres 40jährigen Bestandes eine Festschrift: „Ein treues Bild des Herzogthumes Steiermark“. Von Dr. F. X. Hlubek (Graz 1860) heraus. Für dieses Sammelwerk schrieb W. einen Abriß der „Geschichte der Steiermark“, der auf S. 417–494 abgedruckt ist, und für die von Helfert veranstaltete „Oesterreichische Geschichte für das Volk“ als elften Band dieser Sammlung „Maria Theresia und der österreichische Erbfolgekrieg 1740–48“ (Wien 1863).

Sein Hauptwerk ist ein Lehrbuch der Weltgeschichte, das in letzter Auflage, bearbeitet von Dr. Ferd. Vockenhuber in 22 Bänden (Graz 1900–1906) erschienen ist. Der Verfasser steht in demselben auf dem strengsten katholischen Standpunkt; großer Fleiß in der Beibringung der Thatsachen, umfassende Belesenheit und Benützung der über alle Perioden der Geschichte sich erstreckenden Litteratur können dem umfangreichen Werke nicht abgesprochen werden. Wenn die Darstellung des Kampfes zwischen Kaiserthum und Kirche im Mittelalter, der Reformation und Gegenreformation, der Aufklärung im 18. Jahrhundert u. a. nicht objectiv und parteilos sich zeigt, so erklärt sich dies aus den ultramontanen Gesinnungen des Verfassers. Am besten gearbeitet sind die letzten Bände, welche das 18. Jahrhundert und die französische Revolution behandeln, da W. hierbei mit Geschick die umfassende Memoirenlitteratur der Zeitgenossen jener Periode benützt hat. – Eine selbständige Untersuchung oder die Darstellung eines einzelnen historischen Ereignisses liegt von W. nicht vor. – Er hat nur noch die hinterlassenen Werke seines Freundes, des namhaften Historikers August Friedrich Gfrörer († 1861) herausgegeben: „Geschichte des 18. Jahrhunderts“, 4 Bände (Schaffhausen 1862–74), „Zur Geschichte der deutschen Volksrechte“, 2 Bde. (Schaffhausen 1866) und „Byzantinische Geschichten“, 2 Bde. (Graz 1872–74).

An äußerer Anerkennung fehlte es W. nicht. Er erhielt vom Kaiser von Oesterreich den Titel „Regierungsrath“ (1878), dann „Hofrath“, den Orden der Eisernen Krone III. Cl. (1885), das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, wurde in den erbländischen Adelstand erhoben und 1892 als lebenslängliches Mitglied in das Herrenhaus des österreichischen Reichsrathes berufen. Der Papst verlieh ihm das Ritterkreuz des Ordens Gregor’s des [26] Großen – Auszeichnungen, welche W. wohl weniger wissenschaftlichen Leistungen als seinen hochkirchlichen Gesinnungen und deren Bethätigung zu danken hatte.

Als Erzherzog Karl Ludwig, der Bruder Kaiser Franz Josef’s I., einige Jahre in Graz residirte, ließ er sich von W. Vorträge über Geschichte halten und nahm ihn als Begleiter auf Reisen nach Frankreich und Constantinopel mit, wo er 1882 vom Sultan das Commandeurkreuz des Medschidjeordens in Brillanten erhielt. W. wurde 1891 in den Ruhestand versetzt und starb am 8. März 1899 zu Graz.

Wurzbach, Biogr. Lexikon d. Kaiserthums Oesterreich LIV, 111–119.