Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Weißensee, Friedrich“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 26–27, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9Fensee,_Friedrich&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 08:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 55 (1910), S. 26–27 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Weißensee in der Wikipedia
Friedrich Weißensee in Wikidata
GND-Nummer 115782516
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|26|27|Weißensee, Friedrich|Eduard Jacobs|ADB:Weißensee, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=115782516}}    

Weißensee: Friedrich W., bedeutender Tonsetzer, geboren ums Jahr 1560 zu Schwerstedt vor dem Ettersberge, † im J. 1622 als Pastor zu Altenweddingen. Ueber seine tüchtige sowohl musikalische als philologisch-classische Vorbildung war nähere Nachricht nicht zu ermitteln. Ums Jahr 1590 ist er Rector der Lateinschule zu Gebesee. Ums Jahr 1600 wird er Nachfolger des in den Ruhestand getretenen Cantors und Stadtmusikus Leonhard Schröter zu Magdeburg. Die musikalische Bedeutung seiner Vorgänger, eines Martin Agricola, Gallus Dreßler sowie des Mannes, auf den er unmittelbar im Amt folgte, weiß er hoch zu würdigen und er will all seine Kräfte daran setzen, ihnen nachzueifern, damit die göttliche Tonkunst an seiner berühmten Wirkungsstätte erhalten und weiter ausgebreitet werde. Diesem Vorsatze ist er auch nicht untreu geworden; er hat vielmehr eine größere Zahl vier- bis zwölfstimmiger Tonsätze verfaßt. Dennoch wurde sein musikalisches Schaffen dadurch wesentlich beschränkt, daß ihm, nachdem er nur ein paar Jahre das Stadtcantorat in Magdeburg verwaltet hatte, im J. 1602 die auskömmliche Pfarrstelle zu Altenweddingen in der Börde verliehen wurde, die er dann auch bis an seinen Tod versah. Sein geistliches Amt ließ ihm aber doch noch zu einer Reihe von Tondichtungen willkommene Muße. Auch musikalische Kunstreisen hat er von seinem ländlichen Wirkungsorte aus unternommen, wie wir das aus seinen Beziehungen zu Wernigerode wissen, dessen musikalisches Kränzchen er besuchte und dessen Einrichtungen und Leistungen er uns in einer höchst merkwürdigen Widmungsschrift: „Memoria gemina: I. Metrica, quam Carmine Phalecio; II. Melica, quam Harmonia Musica: et quidem vocibus octonis – offero, collegio Wernigerodensium musico et nobili … dico“ Magdeb. 1616 anziehend in lateinischen Hendekasyllaben beschreibt. Von seinen Werken wurden zuerst bekannt seine „Evangelischen Sprüche auf die vornehmsten Festtage“, Magdeburg 1595; „Opus melicum, continens harmonias selectiores 4. 5. 6–12 vocum, singulis diebus dominicis et festis accommodatas“, Magdeburgi 1602, Folio. W. hat bis gegen sein Lebensende nicht aufgehört, seine musikalischen Gaben im Dienste der Kunst, besonders bei festlichen Feiern von Kunstgenossen und Freunden, zu verwerthen. Dahin gehört auch eine achtstimmige Motette „Cythara et Gloria Davidis“ in der erwähnten den Wernigerödern gewidmeten Memoria gemina; andere Stücke sind in Eitner’s Musikal. Lexikon zusammengestellt.

W. war lange Zeit vergessen, und noch der sorgfältige E. L. Gerber weiß 1792 in der ersten Auflage seines Lexikons der Tonkünstler nichts von ihm zu sagen. Als er dann in dem 1814 gedruckten IV. Theile der neuen Auflage dieses Werkes seiner gedenkt, macht er die Bemerkung, daß W. als Gelehrter und als braver Kirchencomponist wohl bekannter zu sein verdiene. C. v. Winterfeld nennt ihn als trefflichen Nachfolger würdiger Vorgänger im Magdeburger Cantorat und erwähnt seine ansehnliche theoretische wie praktische musikalische Bibliothek. S. Kümmerle, der im J. 1895 zu den bis dahin von W. ans [27] Licht getretenen Tonschöpfungen verschiedene weitere hinzufügte, erkannte ebenfalls in ihm den verdienten Meister der kirchlichen Tonkunst. „Er schrieb“, so urtheilt K., „als ein durchaus tüchtiger Kirchentonsetzer in dem motettisch-madrigalesken Stil seiner Zeit, da harmonische Rücksichtnahme bereits zu geschlossenen Formen führte. So vermochte er zwar die volle Freiheit der polyphonen melodischen Führung der Stimmen, welche die Werke Leonhard Schröter’s und Hans Leo Haßler’s auszeichnet, nicht mehr ganz zu erreichen; aber in seinen achtstimmigen Sätzen im Florilegium Portense des Bodenschatz stellte er sich gleichwohl den besten Meistern unter seinen Zeitgenossen, einem Melchior Vulpius, Demantius und Andern würdig an die Seite“.

E. L. Gerber, Neues Lexikon der Tonkünstler III, 541 f. – C. v. Winterfeld, Der evangelische Kirchengesang I, 190. – S. Kümmerle, Encyklopädie der Evangel. Kirchenmusik (1895), S. 189–191. – E. Jacobs, Das collegium musicum zu Wernigerode, in der Zeitschr. d. Harzvereins f. Gesch. und Alterthumskunde Bd. 35 (1902), S. 309–314, 316–323.