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Artikel „Weis, Ludwig“ von Anton Chroust in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 19–24, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weis,_Ludwig&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 05:18 Uhr UTC)
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Weis: Dr. Ludwig W., Parlamentarier und Präsident des Appellationsgerichtes in Zweibrücken, war im Januar 1813 zu Zweibrücken in der Pfalz noch unter den Adlern des Kaiserreiches geboren worden. Seine Familie stammte von der rothen Erde, erst der Großvater war nach der fröhlichen Pfalz gekommen; der Vater, von Beruf Eisenhändler, hatte sich in Zweibrücken bereits zu Ansehen und Wohlhabenheit hinaufgearbeitet und konnte seinen begabten Sohn studiren lassen. Während der durch die Julirevolution ausgelösten Bewegung in der engeren Heimath und während des Hambacher Festes lag der junge W. in München mit Ernst seinen juristischen Studien ob und trat nach deren Beendigung in eine Anwaltskanzlei seiner Vaterstadt ein, von Anfang an wegen seiner Begabung geschätzt, obgleich seine katholisch-conservative Gesinnung, wohl ein Erbstück der westfälischen Urheimath, ihm eben so wie seinem Vater mancherlei Gegnerschaft erwarb. 1841 wurde er selbständiger Advocat am Bezirksgericht Zweibrücken, als gesuchter Vertheidiger in Strafsachen erfreute er sich bald einer ansehnlichen Klientel. Daneben bethätigte er sich litterarisch: aus den praktischen Erfahrungen seines Berufs erwuchs sein „Handbuch für Huissiers“, Zweibrücken 1843; seit 1847 gab er zusammen mit C. H. Heintz und E. Damm „Annalen der Rechtspflege in der kgl. bayerischen Pfalz“ heraus, ein Unternehmen, das freilich nur bis zum sechsten Hefte gediehen ist.

Immerhin werden es diese litterarischen Leistungen gewesen sein, die die Aufmerksamkeit der juristischen Facultät der Universität Würzburg auf W. lenkten und diese im J. 1851 veranlaßten, dem jungen Advocaten die vacante Professur für das im linksrheinischen Baiern noch geltende französische Recht und für bairisches Staatsrecht anzubieten. W. nahm den Ruf an und wurde am 27. August 1851 von König Maximilian II. zum ordentlichen Professor an der Julius-Maximilians-Universität ernannt.

W. dürfte den neuen Weg in der Erwartung eingeschlagen haben, daß das akademische Amt ihm mehr Freiheit gönnen werde, in der Oeffentlichkeit und als Politiker zu wirken; denn nach den Ereignissen von 1848 und 1849, [20] denen – so sehr sie die Heimath bewegten – W. kühl ablehnend gegenüberstand, wurde er von den sich sammelnden Katholisch-Conservativen des Wahlbezirkes Zweibrücken-Pirmasens im Herbst 1849 als Abgeordneter in die zweite Kammer des bairischen Landtages entsandt. Für die conservative Partei, aus der sich später die sogenannte „Patriotenpartei“ entwickelte, war die Gewinnung eines so tüchtigen, praktischen Juristen nicht gering anzuschlagen. Weniger in den Debatten des Plenums als in den Ausschüssen, besonders im Gesetzgebungsausschuß, dem die Aufgabe zufiel, die modernen Anschauungen über Verwaltung und Rechtspflege auch in Baiern zur Wirkung zu bringen, machte sich Weis’ Begabung geltend; bei der Berathung des neuen Strafgesetzbuches (W. hat später, 1863–65, das „Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern“, erläutert in zwei Bänden herausgegeben), der neuen Gerichtsorganisation, des neuen Notariatsgesetzes stellte er seinen Mann, auf diesem Gebiet trotz seiner conservativen Gesinnung durchaus modernen Anschauungen zuneigend. Diese führten ihn auch in den Conflict mit dem Ministerium von der Pfordten-Reigersberg, das besonders der geforderten Trennung der Verwaltung von der Rechtspflege widerstrebte und sogar das Wahlgesetz auf den Stand von 1818 zurückschrauben wollte. Schon im Landtag von 1854/55, in dem W. zum ersten Mal die Würde eines 2. Präsidenten zu Theil wurde, gehörte er mit Hegnenberg und Lerchenfeld zu der Mehrheit, die das angesonnene Vertrauensvotum für v. d. Pfordten ablehnte und damit die Auflösung der Kammer herbeiführte. Bei den Neuwahlen wieder in die Kammer gewählt, wurde, nicht ohne Zuthun der Regierung, seine Wahl angefochten und schließlich cassirt; doch die Nachwahl brachte ihn schließlich auf seinen Platz zurück.

Der Gegensatz zwischen der conservativen Kammermehrheit und dem liberalisirenden Ministerium erfuhr dadurch natürlich noch eine Verschärfung, die auch im nächsten Landtag fortwirkte und schließlich zur Aufhebung des Gesetzgebungsausschusses am 20. März 1858 führte. Der zweite Schlag richtete sich gegen den Berichterstatter dieses Autsschusses, gegen W., der fünf Tage später durch königliche Verfügung seiner Professur an der Universität Würzburg enthoben und als Rath an das mittelfränkische Appellationsgericht in Eichstätt versetzt wurde – das letzte Beispiel der Maßregelung eines bairischen Universitätsprofessors durch Versetzung. Ein der Regierung nahestehendes Münchener Blatt bezeichnete als Grund der Verfügung, daß die von W. in der Kammer bekundete politische Gesinnung es unmöglich mache, einen solchen Mann auf dem Lehrstuhl für bairisches Staatsrecht zu belassen. – Ungern, wie begreiflich, ließ die Würzburger Universität W. ziehen. War auch seine parlamentarische Thätigkeit der akademischen im Wege gestanden (während der dreizehn Semester seiner Wirksamkeit hatte er nur in sieben Semestern Vorlesungen gehalten, die neben französischem Civilrecht und bairischem Staatsrecht noch bairisches Verwaltungsrecht und die pfälzische Gerichtsverfassung behandelten), so hatte er sich doch in der Facultät wie im Senat eine feste Position geschaffen. Nachdrücklich nahm sich der akademische Senat in einer Immediateingabe an den König vom 29. März 1858 seines ehemaligen Mitgliedes an und erbat die Aufhebung jener „betrübenden“ und „schmerzlichen“ Maßregel, die die Universität eines „anerkannten und geachteten Lehrers“, Facultät und Senat „eines treuen und unverdrossenen Mitarbeiters“ beraube; der Senat stellte dem König ferner die sachlichen Nachtheile der unfreiwilligen Entfernung des Dr. Weis von seinem Lehramte vor, insbesondere die Schwierigkeit, unter solchen Umständen mit Erfolg Rufe an aus- oder inländische Gelehrte für Lehrstühle an bairischen Universitäten ergehen zu lassen. Die Vorstellung des Senats machte in München nur wenig Eindruck, ziemlich starken dagegen der [21] Beschluß des Gemeindekollegiums der Stadt Würzburg vom 12. April 1858, dem Gemaßregelten, „der sich den Ruf eines ebenso wissenschaftlichen als rechtlichen Mannes erworben habe, dessen Entfernung die Universität als ein Unglück betrachte, dessen als eines der einflußreichsten Kammermitglieder Interesse mit dem der Bürger verbunden werden müsse“, das Ehrenbürgerrecht der Stadt Würzburg zu verleihen. Versagte auch der Magistrat diesem Beschluß seine Zustimmung, weil ihm von einer Wirksamkeit des W. für das Wohl der Gemeinde nichts bekannt sei, so mußte doch der königliche Stadtcommissär über diese Beschlüsse „zur Illustrirung der allgemeinen Volksstimmung“ schleunig nach München berichten.

Doch nicht allzu lange sollte W. in seinem Patmos an der Altmühl verharren. Die nächste Kammertagung im September 1858 rief ihn wieder nach München; gleich am ersten Tage wurde er wieder zum zweiten Präsidenten gewählt, für welche Demonstration am folgenden Tag, den 30. September, die Kammer aufgelöst wurde. Bei den Neuwahlen im Januar 1859 unterlag W. in seinem bisherigen Wahlbezirk dem Regierungscandidaten; aber in drei rechtsrheinischen Bezirken gewählt, trat er als Abgeordneter von Kaufbeuren in die neue Kammer ein. Sofort wurde er zu deren zweitem Präsidenten erwählt, ein äußeres Zeichen, daß der Kampf der Kammermehrheit gegen das Ministerium weitergehen solle; schon nach zwei Monaten wurde auch diese Tagung vorzeitig geschlossen.

Es war der letzte Sieg des Ministeriums v. d. Pfordten, das, wie man bis in die Hofkreise besorgte, König und Volk zu entzweien drohte. Es gehörte mit zu den ersten Vorboten des einsetzenden Umschwunges, daß W., den sich die Stadt Würzburg, den Verdacht der Opposition gegen die Regierung nicht scheuend, als rechtskundigen Bürgermeister ausersehen hatte, in diesem Amt vom König bestätigt wurde. Der Minister des Innern, v. Reigersberg, scheint, als der Magistrat wegen der Aussichten der Bestätigung der Wahl zuerst vertraulich anfragte, diese widerrathen zu haben; aber König Maximilian II. war anderen Sinnes geworden. Er soll angeblich aus diesem Anlaß und in diesem Zusammenhang das berühmte Wort gesprochen haben: „Ich will Frieden haben mit meinem Volke“; sicherlich aber wurde unter dem 5. Juni 1859 dem Magistrat mitgetheilt, daß der König „nicht das geringste dagegen habe“, wenn W. zum Bürgermeister von Würzburg erwählt würde. Zu Ende des Juni erfolgte die Wahl.

Aber es war wieder nur eine Episode in Weis’ Leben. Nicht ganz drei Jahre bekleidete er dies ehrenvolle Amt, gerade lang genug, um sich „durch die Regelung des intricaten Finanzhaushaltes der Stadt, durch Einführung bedeutender Ersparungen“ und Vereinfachungen in der Verwaltung den Dank der Bürger zu verdienen. Dem aus der städtischen Verwaltung Scheidenden wurde auf Antrag der städtischen Collegien jetzt im Mai 1862 wirklich das Ehrenbürgerrecht der Stadt Würzburg verliehen, auch „für seine Verdienste um das gesammte Vaterland“, wie es in dem Ehrenbürgerbriefe heißt.

Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts hängt mit einer neuen Wandlung in Weis’ Laufbahn zusammen. Das neue Ministerium v. Schrenck, das sich der bisherigen Opposition näherte, wünschte sich der Kenntnisse und wohl auch des Einflusses von W. zu versichern und bot ihm zu Anfang des Jahres 1862 die Stelle eines Ministerialraths im Staatsministerium der Justiz an. Mochte bei W. der Wunsch wirksam sein, zur legislatorischen Thätigkeit zurückzukehren, mochten ihm, dem Zugewanderten, die Verhältnisse in Würzburg nicht zusagen – er nahm an und wurde am 1. Mai 1862 zum Ministerialrath ernannt.

[22] In seiner amtlichen Stellung widmete sich W. wieder den Arbeiten der Gesetzgebung. So ist sein Name mit der im J. 1869 zum Abschluß gebrachten bairischen Civilproceßgesetzgebung verbunden; auch an der Ausarbeitung eines Gesetzentwurf zum Schutz des Urheberrechts an Werken der Litteratur und Kunst hat er als Mitglied der noch vom Bundestag in den Jahren 1863 und 1864 einberufenen Commission von Sachverständigen Antheil genommen. Dabei blieb er Abgeordneter und vertrat seit 1863 den Wahlkreis Dillingen in der zweiten bairischen Kammer.

Mehr und mehr rückten auch in Baiern die Fragen der deutschen Politik in den Vordergrund und drängten die innerpolitischen Streitigkeiten zurück. Unter den Großdeutschen aus Baiern finden sich Conservative und Fortschrittler. Auch W. war natürlich Großdeutscher und plädirte für das Verbleiben Oesterreichs im deutschen Bund. Als im Herbst 1861 in Frankfurt a. M. ein Parteitag großdeutscher Politiker tagte, führte W. den Vorsitz. In der Kammer dagegen trat er, seiner Stellung als Regierungsbeamter Rechnung tragend, von nun ab wenig hervor. Auch bei den erregten Debatten im Juni 1866 überließ er anderen Rednern der „Patriotenpartei“, wie sich seine Partei jetzt nannte, das Wort, blieb aber dabei immer ein einflußreicher Mann in der Kammer wie in der Partei, mit der er allmählich in merklichen Gegensatz zu dem liberalisirenden Ministerium Hohenlohe gerieth, das sich nur auf eine schwache fortschrittlich-demokratische Mehrheit zu stützen vermochte und bei den Wahlen zum Zollparlament in Baiern bereits einen Mißerfolg erlitt. Die Landtagswahlen im Mai 1869 brachten zwar der Patriotenpartei nicht die Mehrheit; aber bei der Präsidentenwahl im September geschah es, daß auf W. als den Candidaten der Patrioten in sieben Wahlgängen ebenso viele Stimmen fielen als auf den Fortschrittler Edel, seinen ehemaligen Würzburger Collegen. Eine Vermittlung zwischen den Parteien, von Hohenlohe versucht, scheiterte daran, daß die Patrioten die Wahl von W., dem Hohenlohe in seinen „Denkwürdigkeiten“ vorwirft, daß „er die ultramontane Partei terrorisire“, außer Frage gestellt wissen wollten. Unter diesen Umständen wurde die neue Kammer schon am 6. October 1869 wieder aufgelöst. In der nächsten Kammer hatten die Patrioten die unzweifelhafte Mehrheit; W. war natürlich wieder gewählt worden, diesmal in Straubing. Hohenlohe, bereit, aus dem neuen Mißerfolg die Consequenzen zu ziehen, rieth Ludwig II. zu einer „Modification“ des Ministeriums und zu einer Berufung der Parteihäupter der nunmehrigen Mehrheit, darunter von W., um sich über die Aussichten der Bildung eines Ministeriums aus der Kammermehrheit zu informiren. Ludwig II. hatte dazu keine Lust und ließ es bei einer theilweisen Erneuerung des Ministeriums, mit dem Hohenlohe vor die am 17. Januar 1870 eröffnete Kammer trat, deren Mehrheit er aber nicht zu versöhnen vermochte. In beiden Kammern heimste er ein Mißtrauensvotum ein; am 7. März nahm er seine Entlassung. und machte dem Grafen Bray-Steinburg Platz.

Die Verhandlungen der zweiten Kammer leitete nunmehr in ereignißvoller Zeit W. als zweiter Präsident. In die stürmischen Redekämpfe in der zweiten Kammer im Juli 1870, die der Bewilligung des außerordentlichen Rüstungscredites für die bairische Armee vorausgingen, griff er, die gebotene Zurückhaltung wahrend, nicht ein. Aber es besteht Grund zur Annahme, daß es nicht allein der bekannten Schwenkung des Professors Sepp, sondern auch dem im stillen wirkenden Einfluß von W. zuzuschreiben ist, wenn sich trotz der donnernden Reden Jörg’s und Ruland’s, die den ablehnenden Ausschußantrag vertraten, eine ansehnliche Mehrheit für die Regierungsvorlage ergab. – Am 13. December 1870 traten die inzwischen vertagten Kammern neuerdings zusammen. [23] Die Tagung eröffnete W. mit einer längeren Ansprache, in der er die weltgeschichtliche Bedeutung der Ereignisse in den abgelaufenen Monaten betonte, der Eintracht der deutschen Regierungen, der Tapferkeit der Truppen, die das deutsche Vaterland vor den Schrecken des Krieges bewahrten, gedachte und die Staatsregierung aufforderte, für die durch den Krieg hülfsbedürftig Gewordenen zu sorgen. Am Tage darauf legte Bray dem Hause die Versailler Verträge vor. Ihr Schicksal ist bekannt: vier Wochen ließ der eingesetzte Ausschuß über deren Berathung vergehen; die Mehrheit des Ausschusses bestellte Edmund Jörg, den Herausgeber der „Historisch-politischen Blätter“, zum Berichterstatter, der die Ablehnung der vorliegenden Verträge und die Einleitung neuer Verhandlungen Baierns mit dem norddeutschen Bund verlangte, während die fortschrittliche Minderheit sich für unbedingte Annahme der Verträge aussprach.

Vom 11. bis zum 21. Januar 1871, während welcher Zeit – trotzdem das Reich noch nicht fertig war – die Kaiserproklamation in Versailles vor sich ging, dauerte die Redeschlacht, blieb das Schicksal der Vorlage, die nur durch Zweidrittelmehrheit Gesetz werden konnte, im Ungewissen; die politischen Folgen der Ablehnung der Vorlage wären aber unabsehbar gewesen. Da griff W. ein und warf seinen Einfluß in der Patriotenpartei in die Wage. Es glückte ihm, in langen Verhandlungen ungefähr die Hälfte seiner Parteigenossen zu bestimmen, gegen den Ausschußantrag und für die Vorlage einzutreten. Die Erklärung, die Dr. Huttler im Namen eines Theiles der Patrioten unmittelbar vor der Abstimmung abgab, daß die bundesstaatliche Einigung Deutschlands dringend nöthig sei und daß die Unterzeichneten darum den vorliegenden Verträgen zustimmen wollten, wenn sie auch in wichtigen Dingen den Interessen Baierns nicht entsprächen, war im wesentlichen das Werk von Weis, und die bedeutendste That seines Lebens, die ihm einen Platz in der deutschen Geschichte sichert. Unter den 102 Stimmen, die sich für die Vorlage aussprachen, war auch die von W.; 48 Mitglieder der Patriotenpartei, darunter seine nächsten Freunde, hatten dagegen gestimmt; die erforderliche Zweidrittelmehrheit war also knapp erreicht worden.

Den gefaßten Beschluß begrüßte W., gegen die Gewohnheit aus seiner Zurückhaltung heraustretend, mit den Worten: „Durch diesen Beschluß ist das deutsche Einigungswerk vollendet und auch Baiern in das neugegründete deutsche Reich eingetreten. Geloben wir uns in dieser ernsten Stunde, mit treuer Hingebung und mit Vaterlandsliebe im besten Sinne des Wortes an all dem mitzuarbeiten, was für des gesammten Vaterlandes Wohl gefordert wird. Thun wir dieses, dann wird uns auch der Segen des Himmels nicht fehlen und wir können uns dem Vertrauen hingeben, daß der Baum, der jetzt gepflanzt ist, in kurzer Zeit feste Wurzeln schlagen und reiche Früchte bringen wird. Zu den Früchten … rechne ich einen für die deutsche Nation ehrenvollen Frieden und die Herstellung der Eintracht nicht nur unter den deutschen Regierungen, sondern auch unter den deutschen Stämmen und innerhalb der deutschen Stämme unter den bis jetzt sich bekämpfenden Parteien“. Mit einem Hinweis auf das, was daneben dem engeren Vaterland geschuldet werde und was das Wohlergehen der einzelnen Staaten für das Wohl Deutschlands bedeute, leitete W. zum Hoch auf den König über. – Der bairische „Patriot“ hatte sich in der entscheidenden Stunde als ein deutscher Mann gezeigt.

Es waren fast die letzten Worte, die W. in der Kammer sprach. Noch präsidirte er der nächsten Sitzung, dann legte er die Geschäfte in die Hände des zweiten Präsidenten, des Grafen v. Seinsheim-Grünbach. Die Aufregung der verflossenen Tagung, die Anfeindungen, die er für seine vermittelnde Thätigkeit, [24] für seinen „Umfall“ eingeheimst hatte, legten W., den auch körperliche Beschwerden zu quälen begannen, den Gedanken nahe, von der politischen Schaubühne abzutreten. Manche seiner ehemaligen Freunde, so Ruland, der streitbare Oberbibliothekar der Universität Würzburg, hatten sich in Groll von ihm abgewendet; die Sprengung der „Patriotenpartei“, im wesentlichen sein Werk, und ihre Folgen haben ihm Viele nicht vergessen. So nahm er dankbar das ehrenvolle Anerbieten der Regierung an, das ihn in der Eigenschaft des obersten Richters der Pfalz in die Heimath zurückführte. Am 20. April 1871 wurde er zum Präsidenten des Appellationsgerichtes in Zweibrücken ernannt. Fortab war sein Leben nur mehr den Aufgaben des richterlichen Berufes gewidmet. Trotz der Beargwöhnung durch die liberale Presse der Pfalz, trotz der Anfeindungen durch manche seiner ehemaligen Parteigenossen verstand er es in den acht Jahren seiner Amtsführung, durch die Sachlichkeit, mit der er seines Amtes waltete, durch den Reichthum seines juristischen Wissens, das sich nun ungehemmt entfalten konnte, sich allenthalben Achtung und Verehrung zu sichern. Im Frühjahr 1879 suchte er, von körperlichen Leiden mehr und mehr heimgesucht, um seine Versetzung in den Ruhestand nach. Er übersiedelte zu seinen beiden Söhnen nach München, wo ihn schon am 15. Mai 1880 der Tod ereilte.

Acten des kgl. bairischen Staatsministeriums der Justiz, des akademischen Senates der Universität Würzburg und des Stadtmagistrates Würzburg. – Stenographische Protokolle der Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1849–1871. – Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, I, 1907. – Graf Otto von Bray-Steinburg, Denkwürdigkeiten aus seinem Leben, 1901. – Ludwig Hauff, Leben und Wirken Maximilian II., Königs von Bayern, München 1864. – Nekrolog (anonym) in der „Pfälzer Zeitung“ vom 19. u. 21. Juni 1880.