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Artikel „Wasmuth, Matthias“ von Carl Gustav Adolf Siegfried in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 230–232, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wasmuth,_Matthias&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 12:35 Uhr UTC)
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Wasmuth: Matthias W., geboren am 29. Juni 1625 zu Kiel, studirt in Wittenberg, Leipzig, Straßburg und Basel. 1651 in Wittenberg zum Magister der Philosophie promovirt, macht er wissenschaftliche Reisen in den Niederlanden und eben solche Studien bei Golius, Coccejus, auch in der Schweiz, wo er Buxtorf’s jr. Schüler wurde. 1665 wird er als Professor der orientalischen Sprachen an die neu gegründete Universität Kiel berufen, wird daselbst 1666 Doctor der Theologie und 1675 Professor der Theologie. Er starb daselbst am 18. November 1688. (Jöcher, Bd. IV, Sp. 1824, J. Moller in Cimbria literata 1744 III, 622–641, Hetzel, Gesch. d. hebr. Sprache 1776, S. 238 f., und die biographischen Notizen bei Thieß, biogr. Nachrichten von den Lehrern der Theol. in Kiel, 1800, S. 50 ff.) Als eifriger und gelehrter Schüler Buxtorf’s des Jüngern hatte er mit besonderem Mißfallen bemerkt, daß Walton in den Prolegomena der Londoner Polyglotte sich in textkritischen Fragen gegen seinen Lehrer (s. A. D. B. III, 673) auf die Seite des Cappellus gestellt und daß ebenso Isaac Voß hinsichtlich der Chronologie den Text der LXX vor dem massorethischen bevorzugt hatte. Das schien ihm ebenso gegen die Wissenschaft als gegen das Ansehen der heiligen Schrift zu streiten und er trat dagegen auf in seinen „Vindiciae S. hebraeae scripturae“ (1664, s. d. vollst. Titel b. Rosenmüller, Handbuch für d. Lit. der bibl. Krit. u. Exegese, Bd. I [1797], S. 548). [231] Hier wird im 1. Theil der göttliche Ursprung der hebräischen Quadratschrift sowie der Vocale und Accente aus grammatischen, historischen und theologischen Gründen dargethan; der 2. Theil weist nach, daß die Accente ein untrügliches Mittel zur Auffindung des wahren Schriftsinnes des A. T.’s seien. Der 3. Theil, der die vollkommene Integrität des Textes sämmtlicher alttestamentlicher Schriften darthun sollte, steht bloß auf dem Titel und blieb damals wegen der Berufung des Verf. nach Kiel unausgeführt. An Kenntnissen und Scharfsinn erweist sich W. in dem was vorliegt seines Lehrers würdig. Aber freilich war auch er ebenso wie dieser, weil er sich etwas Unmögliches nachzuweisen vorgesetzt hatte, oft gezwungen, sich mit Rabulistik zu helfen, und was noch schlimmer war: er führte den Streit in persönlicher Weise, beschuldigte seine Gegner, sie wollten die ganze Religion stürzen und belegte sie mit allerlei Schimpfworten. Wie alle theologischen Fanatiker, maßte er sich bald eine Art litterarischer Polizeigewalt an, indem er sich zur Wahrung der Ehre Gottes berufen erachtete, nichts Anti-Buxtorfisches aufkommen zu lassen. Als der berühmte Helmstedter Polyhistor Hermann Conring (s. A. D. B. IV, 446) in einem die deutsche Bibelübersetzung seines Schwiegersohnes Saubert (s. A. D. B. XXX, 415) beim Herzog August von Braunschweig empfehlenden Briefe 1666 (s. d. Titel bei Rosenmüller a. a. O., S. 552) auf die zahlreichen Fehler des hebräischen Grundtextes hingewiesen hatte, schrieb W. sofort voll Zorn 1666 ein programma (s. d. Titel b. Rosenmüller a. a. O., S. 553 f.), in welchem er die leidenschaftlichsten Vorwürfe gegen Conring und einige andere Gelehrte richtete, die es gewagt hatten, von Buxtorf’s Ansicht abzugehen. Conring vertheidigte sich dagegen 1667 in einer vindicatio (s. d. Titel a. a. O., S. 554 f.), die er dem akademischen Senate von Kiel zusandte mit der Aufforderung, disciplinarisch gegen W. einzuschreiten. Doch der Herzog Christian Albert von Holstein verbot der Universität jedes gerichtliche Verfahren und verwies Conring an das Ober-Hof-Gericht zu Gottorp. Dieser reichte 1669 dorthin eine lateinische Klagschrift gegen W. ein (s. d. Titel a. a. O., S. 555), der seiner Seits eine lange lateinische Vertheidigungsschrift (s. d. Titel a. a. O., S. 556 f.) 1669 dagegen verfaßte und außerdem gleichzeitig noch eine besondere polemische Schrift Heautontimorumenos hebraeo-mastix (s. d. vollst. Titel a. a. O., S. 557) gegen C. veröffentlichte. Da C., den die Sache anzuekeln anfangen mochte, darauf schwieg, so hatte dieser gemeine Zank damit ein Ende. – Inzwischen hatte W. etwas Nützlicheres gethan, indem er 1666 seinen „Hebraismus facilitati et integrati restitutus“ veröffentlichte, dessen wiederholte Auflagen (s. Hetzel a. a. O., S. 239) für seine damalige Brauchbarkeit zeugen. Der 1. Theil, die compendiosa simul et absolutissima grammatica, zeigt das Bestreben, Vollständigkeit des Materials mit Knappheit der Form zu verbinden. Alle Anomalien der sprachlichen Formen sind mit Sorgfalt gesammelt und eine zweckmäßigere Anordnung sucht den Ueberblick über den Bau der Sprache zu erleichtern. Der 2. Theil beschäftigt sich besonders mit den Gesetzen des Vocalismus und der Accentuation. Für die letztere hat er ein System von 50 Hauptregeln ausgeklügelt, unter die er alle Erscheinungen in oft überkünstlicher und gewaltsamer Weise zu rubriciren sucht (vgl. Meyer, Gesch. der Schrifterklärung, Bd. III, S. 114 f.). Doch ist der Sammelfleiß zu loben und sind manche gute Beobachtungen gemacht (vgl. Gesenius, Gesch. der hebr. Spr., S. 110). Auch hier hält er an der Annahme einer göttlichen Inspiration der Accente fest (vgl. Diestel, Gesch. des A. T.’s, 1869, S. 342, 449). – Diese These wird weiter in dem, wie oben berichtet, in den vindiciae unausgeführt gebliebenen, 1669 nachgeholten 3. Theil: (vindiciarum pro sacro hebraeo textu … pars III, s. d. vollst. Titel bei Meyer a. a. O. Bd. III, S. 295 Anm.) mit [232] großer Gründlichkeit vertheidigt. Andere Schriften, die sich auf denselben Gegenstand beziehen siehe bei Hetzel und Jöcher. – Sonst wird noch von ihm eine arabische Grammatik erwähnt, die aber nichts Eigenes enthalten zu haben scheint, sondern im wesentlichen auf Erpenius beruhte (vgl. Meyer a. a. O., Bd. III, S. 33 Anm. 48).