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Artikel „Wald, Samuel Gottlieb“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 659–660, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wald,_Samuel_Gottlieb&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:33 Uhr UTC)
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Wald: Samuel Gottlieb W., evangelischer Theologe, † 1828. Eine charakteristische Gestalt der geistigen Atmosphäre Königsbergs im kantischen und nachkantischen Zeitalter ist der Theologe und Kirchenmann Samuel Gottlieb W., welcher einerseits die Blüthe Kant’s und der Königsberger Universität seit den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts, dann aber auch die Erniedrigung des preußischen Staates durch Napoleon, die Leidenszeit der preußischen Königsfamilie in Königsberg, die Befreiungskriege und das Erwachen einer positiven Erweckung im Protestantismus persönlich mit durchlebte. Unter diesen Verhältnissen hat W. an der Universität in der philosophischen und in der theologischen Facultät, im Kirchenregimente und im Staatsleben stets kräftig mit eingegriffen und eine vielseitige Thätigkeit entfaltet. Er war zu Breslau am 17. October 1762 geboren; sein Vater gehörte dem Kaufmannsstande an. Auf dem Elisabeth-Gymnasium seiner Vaterstadt unter dem Rectorat Arletius’ vorgebildet, bezog er im 20. Jahre seines Alters die Universität Halle, in deren theologischer Facultät noch immer der Kritiker Semler den Ton angab. W. erfreute sich der besonderen Berücksichtigung Nösselt’s, der ihn auch in seinem Hause wohnen und seine Bibliothek benutzen ließ. Schon nach 1¾jährigem Besuch der Universität Halle gelang es W., sich 1783 als Magister legens in Leipzig zu habilitiren und den Beifall der Studenten sich zu erwerben. Bald erschienen von ihm: „Curae in historiam textus vaticiniorum Danielis“ (1783), „Spicilegium variarum lectionum codd. IV Vet. Test. hebr. Vratislaviensium“ (1784), dazu 1786 ein größeres Werk über die Geschichte der Litteratur („Uebersicht der allg. Literatur- und Kunstgeschichte“ I). Daraufhin berief ihn der preußische Cultusminister v. Zedlitz 1786 als ordentlichen Professor der griechischen Sprache nach Königsberg, nachdem er schon vorher zum Professor extraordinarius in Leipzig ernannt worden war. Königsberg wurde seine zweite Heimath; und nachdem er sich auch mit einer Königsbergerin verheirathet hatte, fühlte er sich um so enger an das „nordische Rom“ gekettet. Hier erhielt er nun neben seiner Professur zunächst das einflußreiche Amt des ersten Inspectors (Directors) des Friedrichscollegs, eines akademischen Gymnasiums, aus welchem Kant hervorgegangen und an welchem Herder gelehrt hatte. 1793 wurde er ferner, während er die griechische Professur beibehielt, noch zum ordentlichen Professor der Theologie ernannt und, nachdem ihn die Erlanger theologische Facultät zum [660] Doctor promovirt, in die Königsberger theologische Facultät eingeführt. 1796 zum südpreußischen Consistorialrath ernannt, fand er reiche Gelegenheit, bei der Einrichtung der „südpreußischen“ Kirchen- und Schulverhältnisse Rath zu ertheilen. 1800 ward er aber statt dessen zum Consistorial- und Schulrath von Ostpreußen befördert. Daneben erhielt er 1802 noch die Professuren der Geschichte und der Beredsamkeit, sodaß er nicht weniger als sechs Aemter in seiner Person vereinigte. 1806 ließ er sich aber insofern entlasten, als er statt der Professuren der griechischen Sprache, der Geschichte und der Beredsamkeit die der morgenländischen Sprachen erhielt, und 1810 wurde er weiter auch von der Leitung des Fridericianums entbunden. Von da an wirkte er lediglich als Professor, Consistorial- und Schulrath, bis ein plötzlich eingetretener Schlagfluß dem Leben des rüstigen Greises 1828 ein Ziel setzte. – Seiner Denkweise nach war W. vom Kriticismus Semler’s und Nösselt’s beeinflußt, aber je länger desto entschiedener doch auch dem Supranaturalismus zugewandt, ein Vertreter des rationalen Supranaturalismus, etwa wie seine Zeitgenossen Stäudlin und Tzschirner. Aber W. war überhaupt nicht eigentlich Dogmatiker, sondern pflegte mit Vorliebe die historische Theologie und die Sprachen; auf beiden Gebieten zeichnete er sich durch hervorragende Kenntnisse aus. Als langjähriger Director (oder Präsident) der Königsberger Deutschen Gesellschaft, welche seit 1743 bis zur Gegenwart deutsches Geistesleben im fernen Osten pflegt, hat er sich um den Anbau deutscher Cultur dort recht verdient gemacht. Die positiv religiöse Seite seines Wesens hat sein Sohn, welcher sich dem geistlichen Stande widmete, fortgepflanzt und das Andenken an seinen Vater durch eigene ausgezeichnete Berufsthätigkeit als Pfarrer und Superintendent zu Königsberg nur um so mehr wach erhalten.

Unter den Schriften Wald’s, von denen die ersten aus der Zeit von 1783 bis 86 schon oben erwähnt sind, machte 1821 ein lateinisch geschriebenes, polemisches Osterprogramm viel von sich reden; es hat den Titel: „De haeresi abiuranda quid statuat ecclesia Romano-catholica“. Ihm folgte das Programm: „Ueber die Verschiedenheit der römischen und jesuitischen Convertitenbekenntnisse“ (1822). Außerdem erschienen von ihm: „Dissertatio de vera vi vocabulorum νομος et πιστις in epistola Pauli ad Romanos“ (1788); „Diss. de vita, scriptis et systemate mystico Sebastiani Franci (1793, s. Erlanger th. Doctordiss.); Progr. „Ecclesiarum et scholarum, quae in Borussia orientali nunc sunt, conspectus“ (1802); Progr. „Descriptio constitutionum synodalium Warmiensium“ (1802); Progr. „Constitutionum synodalium Culmensium et Pomesaniensium descriptio“ (1804); „Beiträge zur Biographie des Prof. Kant“ (1804). – Dazu eine große Menge kleinerer Arbeiten zur Schulgeschichte Preußens, zumal Ostpreußens. Die Titel derselben und der übrigen Schriften Wald’s bei Schmidt (s. unten).

Vgl. (Schmidt’s) Neuer Nekrolog der Deutschen. Sechster Jahrgang 1828. (Ilmenau 1830.) I. Theil, S. 145–152.